Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
9. Juni 2003

Der Ungeist in Lehre und Verkündigung

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Man sagt, Pfingsten sei das Fest der Kirche, und das ist nicht falsch, denn zu Pfingsten trat die Kirche an die Öffentlichkeit. Es ist nicht so, daß man das Pfingstfest als alleinigen Auslöser der Kirchengründung sehen kann, sondern man muß zu der Herabkunft des Heiligen Geistes auch die kirchenstiftenden Akte Jesu zählen. Jesus hat kirchenstiftende Handlungen gesetzt. Er hat den Zwölferkreis berufen, er hat den Petrus ihm vorangestellt, er hat seine Gegenwart verheißen, er hat Aufträge gegeben an die Apostel. Das sind kirchenstiftende Handlungen des historischen Jesus, also des Jesus vor seiner Auferstehung. Aber freilich, als die Apostel ratlos waren, als sie nicht ein und aus wußten, weil ihr Herr und Meister am Kreuze verschieden war, als sie sich fürchteten und vor den Gegnern verkrochen, da hat erst die Ankunft des Heiligen Geistes nach der Auferstehung Jesu und nach den Erscheinungen Jesu ihnen den Mut und das Vertrauen gegeben, daß sie in den Dienst des Herrn einstiegen und die Kirche zu verbreiten begannen. In diesem Sinne können wir sagen, Pfingsten ist der Geburtstag der Kirche.

Wie konnte die Kirche einen so gewaltigen Siegeslauf durch die antike Welt, durch das frühe Mittelalter und durch die Neuzeit nehmen? Wie war das möglich? Es war möglich, weil der Herr bei ihr war, weil sie vom Geiste erfüllt waren und weil sie die Großtaten Gottes verkündete. Denn das lesen wir vom ersten Pfingstfest: Die Apostel traten vor das Volk, und obwohl sie in verschiedenen Sprachen redeten, der Inhalt war derselbe: sie kündeten die Großtaten Gottes. Sie machten es also nicht so wie viele Bischöfe des 20. und 21. Jahrhunderts, daß sie an Pfingsten über die Arbeitslosigkeit und über den Markt sprechen. Sie kündeten die Großtaten Gottes, und das ist die Aufgabe der Kirche. Wenn sie davon abweicht, dann braucht sie sich nicht zu wundern, wenn es überall zurückgeht. Und das ist ja die Wirklichkeit der Kirche heute,  meine lieben Freunde. Eine große Umfrage hat ergeben, daß in Deutschland die Kirchen – der Ausdruck ist natürlich falsch, denn es gibt nur eine Kirche, aber die Leute sprechen so – daß in Deutschland die Kirchen in einer Ansehensskala von 1 bis 17 auf dem letzten Platz landeten.

Da fragt sich jedermann: Ja, wie kommt denn das? Das war doch früher nicht so. Wir Älteren wissen, wie die Kirche größtes Ansehen besaß. Wir erinnern uns, daß die Kirche nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes die einzige Institution in Deutschland war, auf die man sich verlassen konnte und die man angehen konnte und die Vertrauen besaß. Wie kommt denn dieser Vertrauensverlust zustande?

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferemnz namens Lehmann hat bei der Bischofskonferenz in Stuttgart gesagt: „Die Situation erfüllt uns mit großer Sorge. Die Lage ist äußerst besorgniserregend.“ Ja, da hat er es ja zugegeben, daß die Lage der Kirche schlimm ist. Aber weit gefehlt, meine Freunde, weit gefehlt! Damit meint er nicht die katholische Kirche in Deutschland, sondern die Situation der Christen im Heiligen Lande. Gewiß ist die Kirche auch dort bedroht, aber jedermann fragt sich: Warum finden die Bischöfe solche Worte nicht für die Situation in Deutschland? Wissen sie nicht, daß die Gemeinden schrumpfen? Wissen sie nicht, wie sehr die Glaubensweitergabe von einer Generation zur anderen gegen null tendiert? Wissen sie nicht, daß Kinder und Jugendliche kaum noch zur Kirche kommen und selbst die Mitglieder der Kerngemeinde nur noch selten ihrer Sonntagspflicht genügen? Warum sprechen die Bischöfe diese alarmierende Entwicklung nicht an? Meine lieben Freunde, es ist immer schwer, zuzugeben, daß man selbst an einer solchen Entwicklung schuld ist. Es ist immer schwer, einzuräumen, daß man gegen diese Entwicklung nichts oder fast nichts getan hat. Ich sehe zwei Hauptgründe, die ich heute Ihnen vorlegen möchte, für diesen katastrophalen Vertrauensverlust der Kirche. Der erste Grund ist der Unglaube von katholischen Theologen, der zweite Grund ist der entfesselte Ökumenismus.

In Saarbrücken – ich gebe jetzt ein Beispiel – lehrt seit 1974 Gotthold Hasenhüttl  katholische Theologie. Dieser Gotthold Hasenhüttl hat ein zweibändiges Werk geschrieben: „Glaube ohne Mythos“. In diesem Buche erfährt der staunende Leser: „Wenn Jesus nie gelebt hätte, würde sich an der Situation der Menschen nichts ändern. Was wirklich historisch ist an Jesu Leben und Lehren, interessiert letztlich nicht. Man muß sich befreien von fixierter Lehre und von jeder Art göttlicher und kirchlicher Autorität. Viele Ereignisse, die in den Evangelien berichtet werden, sind schlicht nicht geschehen. Jesus hat kein Abendmahl gefeiert, er hat keine Kirche gegründet, die Religion war für ihn bedeutungslos.“ Vom Gebet sagt Hasenhüttl: „Gott oder Jesus ist kein Gegenüber.“ Die Auferstehung ist nach Hasenhüttl kein historisches Ereignis, nur ein Bild für die Gesinnungsänderung der Jünger. Nach Hasenhüttl gibt es geweihte Priester erst seit dem 5. Jahrhundert. Dieser Mann,  meine lieben Freunde, der das Christentum in Humanität verwandelt, hat jahrzehntelang katholische Religionslehrer ausgebildet, unbeanstandet vom zuständigen Diözesanbischof Spital. Jahrzehntelang katholische Religionslehrer ausgebildet in dieser Gesinnung! Ja, da wundert man sich, daß der Glaube verdunstet, wie sich Herr Lehmann ausdrückt? Ja, wie soll er denn nicht verdunsten, wenn solche Lehren von den Lehrstühlen der katholischen Theologie vorgetragen werden, durch die Religionslehrer in die Schulen gebracht werden und weitergehen zum Knaben und zum Mädchen auf der Schulbank?

Hasenhüttl ist kein Einzelfall. Mehr oder weniger gibt es viele katholische Theologen, die ähnlich denken, reden und lehren. Deswegen sagt ein Mitglied der evangelisch-theologischen Fakultät von Heidelberg mit Recht: „In der katholischen Theologie stimmt das meiste nicht.“ Richtig. Vollkommen richtig. Genauso ist es. Und da soll man sich wundern, daß der Glaube verdunstet? Da soll man sich wundern, wenn die Kirche kein Vertrauen mehr genießt? Da soll man sich wundern, wenn die Menschen den Gottesdienst nicht mehr besuchen?

Der zweite Grund, den ich angebe, ist der entfesselte Ökumenismus. Vor kurzem fand eine Umfrage statt; danach sind zwei Drittel, 66 Prozent, zwei Drittel der katholischen Christen der Meinung, es bestehe kein Grund mehr für die Trennung von katholischer Kirche und protestantischen Religionsgemeinschaften. Ich wiederhole noch einmal diesen unerhörten Satz: Es bestehe kein Grund mehr, daß katholische Kirche und protestantische Religionsgemeinschaften getrennt seien. Jedermann wird sich fragen: Ja, wie ist das möglich? Hat Luther sein Buch zurückgezogen: „Das Papsttum in Rom, vom Teufel gestiftet“? Das hat er doch geschrieben. Hat er das zurückgezogen? Was ist denn passiert? Haben die Protestanten ihre falschen Lehren aufgegeben? Sind sie jetzt tatsächlich der Meinung, daß es nicht bloß zwei Sakramente gibt, sondern sieben, wie die katholische Kirche lehrt? Ist der Satz Luthers nicht mehr gültig, daß alles, was „aus der Taufe gekrochen ist“, Papst, Bischof und Priester ist? Niemand, nicht ein einziger Protestant hat diese Lehren aufgegeben. Aber etwas anderes hat sich geändert: Auf katholischer Seite hat man katholische Lehren aufgegeben! Auf katholischer Seite hat man die katholische Identität weitgehend geopfert. Ich zitiere wieder einen Angehörigen der evangelisch-theologischen Fakultät von Heidelberg, der schreibt: „Zu 90 Prozent besteht Ökumene im Weglassen des Katholischen zugunsten eines aufgeklärten Minimalkonsenses.“ Ich wiederhole noch einmal diesen Satz: „Zu 90 Prozent besteht Ökumene im Weglassen des Katholischen zugunsten eines aufgeklärten Minimalkonsenses.“ Und dann führt er an: „Die aufgegebene katholische kulturelle Identität reicht vom Weihwasser bis zur Maiandacht, von den fünf überzähligen katholischen Sakramenten bis zur Seelenmesse, von Mariä Lichtmeß bis zur Kräuterweihe, vom Sterberosenkranz bis Medjugorje.“

Der entfesselte Ökumenismus hat unsere Kirche an den Rand des Abgrundes gebracht. Man hat auf die Weisungen und Lehren früherer Päpste nicht geachtet. Im Jahre 1928,  meine lieben Freunde, schrieb der große Papst Pius XI. seine Enzyklika „Mortalium animos“. In dieser Enzyklika steht der Satz (ich übersetze aus dem Lateinischen, ich habe den lateinischen Text hier vor mir): „Der Heilige Stuhl kann niemals teilnehmen an den Zusammenkünften mit Nichtkatholiken, und es ist den Katholiken nicht erlaubt, an solchen Unternehmungen teilzunehmen oder ihnen Hilfe zu leisten.“ Pius XI. im Jahre 1928. In derselben Enzyklika ist gesagt, wie man Ökumenismus betreiben könnte, nämlich: „Diejenigen, die vom Vaterhaus sich getrennt haben, müssen ins Vaterhaus zurückkehren. Sie müssen zum gemeinsamen Vater zurückkehren.“ Die Enzyklika „Mortalium animos“ ist so aktuell heute wie gestern. Was in ihr geschrieben steht, ist die wahre katholische Lehre und ist die Schutzwehr gegen die Überfremdung unserer Kirche mit heterodoxen Ansichten.

Wie wird es weitergehen? Was wird aus unserer Kirche werden? Wie wird es in 10, in 20 Jahren aussehen? Ich bin kein Prophet, aber ich traue mir ein einigermaßen objektives Urteil zu, und da sage ich: Nach menschlichem Ermessen wird der Abfall, der Marsch zum Untergang weitergehen. Nach menschlichem Ermessen werden die Katholiken in Deutschland noch mehr protestantisch werden, als sie jetzt schon sind. Nach menschlichem Ermessen wird eine nicht unbeträchtliche Zahl von Katholiken auch offen den Abfall zum Protestantismus vollziehen. Das ist meine Prognose für die Zukunft. Aber da werden Sie fragen: Ja, aber hast du denn gar keinen Trost für uns? Hast du denn gar keine Hoffnung für uns? Können wir nicht doch auf den Herrn der Kirche Zuversicht haben? O ja,  meine lieben Freunde, o ja! Der Herr ist unser Trost, er bleibt unsere Hoffnung, er gibt uns Zuversicht, aber nicht solche, wie die Welt gibt. Daß der Schrumpfungsprozeß jemals in nennenswertem Maße umgekehrt werden könnte, halte ich für ausgeschlossen. Aber daß sich die Kirche wieder besinnen wird, daß, wenn ein anderer Papst kommt, der Ökumenismus gestoppt werden kann, das halte ich für möglich. Und daß endlich einmal die Bischöfe sich ermannen, Irrlehrer von den Lehrstühlen zu entfernen, auch das halte ich für denkbar. Bis dahin bleibt uns nur zweierlei, einmal: Lassen wir uns nicht irremachen! Halten wir fest an dem, was wir überkommen haben! Bleiben wir im wahren katholischen Glauben! Und das andere: Flehen wir, rufen wir zum Heiligen Geist, daß er die Kirche erneuere, daß er die Bischöfe erleuchte, daß er die Theologen bekehre, daß er die gläubig gebliebenen Christen mit seinem Licht entflamme!

Amen.

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