Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
1. November 2001

Die Heiligen der Kirche

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir Menschen sind auf dem Wege. Wir machen eine große Wallfahrt. Das Ziel dieser Wallfahrt ist der dreieinige Gott. Auf diesem Wege sind nicht alle an der gleichen Stelle. Es gibt Gläubige, die sind schon angekommen; wir nennen sie die Heiligen des Himmels. Es gibt andere, die haben die Gewißheit, daß sie das Ziel erreichen; es sind die Seelen im Reinigungszustand, im Fegefeuer. Und schließlich wir selbst, wir stehen am Anfang, am Anfang des Weges, der uns zu den Höhen führen soll, auf denen Gott uns erwartet. Diese drei Abteilungen der Menschen sind miteinander verbunden. Sie bilden eine Gemeinschaft; man nennt sie die Gemeinschaft der Heiligen. Heilig sind alle drei Gruppen, weil sie durch die Taufe ontologisch, seinsmäßig, geheiligt sind. Heilig sind sie aber auch in einem anderen Sinne, nämlich weil sie zur ethischen Heiligkeit aufgerufen sind.

Die Gemeinschaft der Heiligen ist die Zusammengehörigkeit und die Einheit der Menschen, die auf Erden noch pilgern, derer, die sich im Reinigungszustand befinden, und schließlich jener Seligen, die sich im Himmel freuen. Man spricht von der streitenden, von der leidenden und von der triumphierenden Kirche. Das sind nicht drei Kirchen; es ist eine Kirche in drei verschiedenen Zuständen. Diejenigen, die zur streitenden Kirche gehören, das sind wir. Wir streiten gegen die Welt, gegen das Fleisch und gegen den Satan. Die Welt, das sind die bösen Menschen, die uns verlocken möchten; das Fleisch, das sind unsere eigenen Schwächen, die aus dem Brand der Erbsünde kommen; der Satan ist ein Altbekannter. Er ist es, der uns ins Verderben stürzen will.

Die Christen, die zur leidenden Kirche gehören, haben die Gewißheit, daß sie es geschafft haben, aber sie müssen noch durch schmerzliche Reinigungen hindurchgehen, um Gott zu schauen. Sie sind nicht in dem Zustand abgeschieden, in dem sie gleich hätten in die Seligkeit eingehen können, sondern sie müssen erst von den Flecken befreit werden, die sie während ihrer Erdenpilgerschaft sich zugelegt haben. Die Angehörigen der triumphierenden Kirche dagegen sind froh; sie freuen sich ihres Sieges. Sie dürfen Gott schauen, und sie dürfen in der Seligkeit des Himmels die Wirklichkeit Gottes, so wie er ist, erleben.

Die Angehörigen der streitenden, der leidenden und der triumphierenden Kirche sind Glieder am Leibe Christi. Christus ist ihr Haupt. Er belebt sie durch den Heiligen Geist, der ja von ihm ausgeht. Sie gehören zusammen zu Christus, dem Haupte. So wie der Weinstock seinen Saft in die Reben ergießt, so schenkt uns unser Haupt Jesus Christus den Heiligen Geist und belebt uns durch den Heiligen Geist. Als Glieder haben wir verschiedene Verrichtungen, aber mit demselben Ziel. Es ist ja auch im menschlichen Körper so, daß alle Glieder ihre eigene Bedeutung und ihren eigenen Zweck haben. Der Magen ist für alle Glieder da, und die Hand ist es ebenso, das Auge ist es ebenso. Aber jedes hat seine eigene Verrichtung, seine eigene Bestimmung. So ist es auch in der Gemeinschaft der Heiligen. Nicht alle haben denselben Auftrag von Gott, aber der Auftrag eines jeden kommt allen zugute. Deswegen kann der Apostel Paulus schreiben: „Wenn ein Glied sich freut, dann freuen sich alle mit. Wenn ein Glied leidet, dann leiden alle mit.“ Die Glieder gehören zusammen, sie empfinden füreinander Solidarität, und sie können, wie wir sogleich sehen werden, einander helfen. Das ist nämlich vielleicht die tröstlichste Wahrheit von der Gemeinschaft der Heiligen, daß alle zu der Gemeinschaft der Heiligen gehörigen Menschen an den Heilsgütern Anteil haben und sich gegenseitig zu Hilfe kommen können. Alle haben an den Heilsgütern Anteil. Jedes Meßopfer, jedes Gebet, jede Überwindung kommt allen Gliedern am Leibe Christi zugute.

Wenn Sie beim Meßopfer genau auf die Texte achten, dann stellen Sie fest, daß hier für alle Menschen, für alle zum Leibe Christi Gehörigen gebetet wird. Denken Sie an die Gebete, mit denen der Priester das Brot und den Wein aufopfert. Da ist immer die Universalität der Menschen mitgemeint. Für alle Menschen, nicht nur für die Umstehenden, für alle Menschen wird hier gebetet. So ist es mit den anderen Gnadenmitteln ähnlich. Dasselbe gilt auch für das Gebet. Wenn der Priester sein Brevier betet, dann stellt er fest, daß die Texte für ihn gar nicht passen. Ja, aber er betet sie ja gar nicht für sich, er betet sie für alle Bedrängten und Beladenen dieser Erde. Die Menschen, die zur streitenden Kirche gehören, können einander helfen durch das Gebet – an erster Stelle. Das Gebet bewegt einen Arm, und dieser Arm bewegt die ganze Welt. Wir können, wir sollen füreinander beten. Wenn wir füreinander beten, üben wir ein Werk der Barmherzigkeit, und dieses Werk der Barmherzigkeit kommt als Segen auf den zurück, der betet, und geht als Segen über auf den, für den gebetet wird. Wir können einander helfen durch ein offenes Ohr, durch ein offenes Herz und durch eine offene Hand. Unser Ohr ist offen, wenn wir das Leid des anderen anhören. Das bedeutet schon viel, meine lieben Freunde, das Leid eines anderen anhören. Damit wird ihm leichter. Aber es soll nicht beim offenen Ohr bleiben, auch das Herz soll offen sein. Wir sollen mitempfinden mit dem Leidenden, wir sollen ihn in unser Herz aufnehmen und ihm unser Mitempfinden, unser Mitleiden bezeugen und ihn dadurch trösten. Und schließlich muß auch die Hand offen sein. Wir können durch Almosen und durch andere Werke, die mit der Hand verrichtet werden, dem anderen zu Hilfe kommen. Die Menschen, die zur streitenden Kirche gehören, können einander wirksam helfen.

Aber damit ist nicht alles gesagt. Wir können auch den Seelen im Fegefeuer helfen. Sie sind zwar durch das irdische Leben hindurchgeschritten, aber sie sind bei uns nicht vergessen. Wenn man sagt: „Wir gedenken der Verstorbenen“, so ist das natürlich auch etwas wert. Aber wir gedenken ihrer so, daß wir sie Gott empfehlen. Wir gedenken ihrer, indem wir Gott für sie anrufen. Wir gedenken der Verstorbenen, indem wir ihnen Ablässe zuwenden, die sie von den zeitlichen Sündenstrafen befreien und sie in das Paradies einführen. „Gedenket wenigstens ihr, meine Freunde“, so rufen die Verstorbenen uns zu, „gedenket unser!“ Das wollen wir zumal in diesen Tagen und am morgigen Tage tun, für unsere Verstorbenen flehen und rufen, daß Gott sie in seine Seligkeit aufnehme. In jeder heiligen Messe beten wir nach der Wandlung für die Verstorbenen. Das wollen wir ernst nehmen und ihnen Hilfe bringen in ihrem Leidenszustand.

Es gibt die begründete Auffassung, die von großen Heiligen vertreten wird, daß auch die Armen Seelen für uns beten können. Sie leiden, aber sie leiden nicht isoliert. Sie leiden als Glieder der Gemeinschaft der Heiligen, und die Verbundenheit mit uns, die wir noch pilgern, ist nicht abgerissen. Und so können sie auch für uns eintreten. Die heilige Katharina von Bologna hatte die Angewohnheit, daß, wenn sie die Heiligen vergeblich angerufen hatte, sie sich an die Armen Seelen wandte, und deren Hilfe hat sie jeweils erfahren.

Für die Seligen des Himmels brauchen wir nicht zu beten. Sie bedürfen unseres Gebetes nicht mehr. Sie sind ja am Ziele; sie haben alles erreicht, was sie erreichen konnten. Aber sie beten für uns. Ja, wissen denn die Heiligen des Himmels um uns? Ja, sie wissen um uns. „Was sollten die nicht sehen, die den sehen, der alles sieht?“ sagt der heilige Thomas von Aquin. Was sollten die nicht sehen, die den sehen, der alles sieht? Sie wissen um uns, und – soweit es mit ihrem Seligkeitszustande vereinbar ist – sie sorgen sich um uns, und sie flehen für uns. Auch unsere Angehörigen und Freunde, die in der Ewigkeit sind, haben ihre Verbundenheit mit uns nicht abgelegt. Sie rufen für uns zu Gott, sie flehen Gott an für uns. Wir sind nicht verlassen; wir haben himmlische Freunde. Es sollte kein Tag vergehen, meine lieben Freunde, an dem wir nicht die Heiligen anrufen. Jeder hat seine Lieblingsheiligen, die Namenspatrone, die Heiligen, die für besondere Angelegenheiten aufgestellt sind, und die Heiligen, die wir unter der Gruppe der vierzehn Nothelfer zusammenfassen. Ihr heiligen vierzehn Nothelfer, ihr großen Helfer in der Not, jahrhundertelang hat euch das christliche Volk um eure Hilfe angerufen. Ihr neigt euch zu uns, der streitenden Kirche, als Glieder der triumphierenden Kirche. Hört unser Gebet an und erbarmt euch unser.

Heiliger Georg, sieh unsere Not!

Heiliger Blasius, sieh unsere Not!

Heiliger Erasmus, sieh unsere Not!

Heiliger Panthaleon, sieh unsere Not!

Heiliger Eustachius, sieh unsere Not!

Heiliger Ägidius, sieh unsere Not!

Heiliger Achatius, sieh unsere Not!

Heiliger Christophorus, sieh unsere Not

Heiliger Cyriakus, sieh unsere Not!

Heiliger Dionysius, sieh unsere Not!

Heiliger Vitus, sieh unsere Not!

Heilige Katharina, sieh unsere Not!

Heilige Barbara, sieh unsere Not!

Heilige Margaretha, sieh unsere Not!

Ihr heiligen vierzehn Nothelfer, seht unsere Not!

Amen.

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