Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
4. April 1999

Auferstehung – geschichtliches Ereignis

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, in heiliger Osterfreude Versammelte!

In der gestrigen Nummer der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schrieb Christian Geyer, daß der Kulturkampf in der Theologie bis in die letzte Gemeinde gedrungen ist. Geyer hat recht: Der Kulturkampf oder besser der Glaubenskampf tobt überall in unverminderter Schärfe, und er erhebt sich zu besonderer Wucht, wenn es um ein Ereignis wie die Auferstehung Jesu geht. In Marburg lehrte ein Theologieprofessor, dessen Gedanken inzwischen weltweit verbreitet sind, daß alle Rede, in der Gottes Handeln vorkommt, mythologisch sei. Mythologisch sei die Erschaffung der Welt, mythologisch seien die den biblischen Gestalten zugeschriebenen Wunder, mythologisch sei die Jungfrauengeburt und die Menschwerdung des Gottessohnes, mythologisch sei seine Auferstehung, seine Höllenfahrt, seine Himmelfahrt, mythologisch seien das Kommen des Heiligen Geistes und die gesamten endzeitlichen Dinge. Mythologisch, das heißt: Es ist niemals passiert, was hier ausgesagt wird; es handelt sich um bloße Chiffren, die gedeutet werden müssen, aber hinter diesen Aussagen stehen keine Ereignisse. Es ist klar, daß, wenn diese Ansichten das letzte Wort behalten, das Ende des Christentums gekommen ist. Hier wird der christliche Glaube radikal entleert. In dieser Entmythologisierungstheologie wird das Heilsgeheimnis, wird die Heilsgeschichte in der Wurzel zerstört.

Gegen die Entmythologisiserungsthese steht der Apostel Paulus auf, wenn er sagt: „Christus ist wahrhaft auferstanden.“ Die Auferstehung ist Wirklichkeit und nicht Interpretament. Die Auferstehung ist Geschehnis und nicht Mythos. Die Auferstehung ist Wahrheit und nicht Täuschung. Wo der Apostel Paulus bemüht ist, die Wirklichkeit der Auferstehung zu beweisen, greift er nicht auf die Erscheinung zurück, die ihm vor Damaskus widerfahren ist. Einmal war sie eine persönliche Erfahrung, und zum anderen geschah sie Jahre nach der Auferstehung Jesu. Nein, damit konnte er die Zweifel der Korinther nicht überwinden. Er weist vielmehr hin auf die Zeugen der Auferstehung Jesu; es sind als erster der Kephas, das ist der aramäische Name für Petrus, dann die zwölf Apostel, darauf fünfhundert Brüder, schließlich der Jakobus und alle Apostel. Diese Männer haben Jesus gesehen; sie sind seine Zeugen, und daß sie Jesus gesehen haben, war nicht Zufall oder Willkür, sondern sie waren die von Gott vorherbestimmten Zeugen. Sie haben gar keinen anderen Auftrag, als Zeugnis von der Auferstehung abzulegen. Was vorhergegangen ist im Leben Jesu, ist nicht unerheblich, aber es kann es an Bedeutung nicht aufnehmen mit dem einzigartigen Geschehnis der Auferweckung Jesu. Als es darum geht, einen Ersatzmann zu finden für den Verräter Judas, da sucht man einen, der von Anfang an dabei war, als Jesus ein und aus ging bis zu seiner Himmelfahrt, damit er Zeuge der Auferstehung sein könne. Dazu wird er ausgewählt, die Auferstehung Jesu zu bezeugen.

Gegen das Zeugnis der Apostel wird angeführt, daß Jesus nicht allem Volke erschienen ist, daß er sich dem Synhedrium nicht gezeigt hat. Wie wäre es gewesen, wenn er durch die Straßen von Jerusalem gegangen wäre als Auferstandener, wenn er sich im Tempel gezeigt hätte, wenn er die Stätte seiner Kreuzigung besucht hätte? Ja, dann hätten sie geglaubt! So sagen die Gegner des Auferstehungszeugnisses der Apostel. Der Herr aber zeigt sich nicht allem Volke, sondern den vorherbestimmten Zeugen in der Stille des Gartens von Gethsemane, am Meeresgestade von Tiberias, auf dem einsamen Weg nach Emmaus, auf einer Bergeshöhe. Jesus zeigt sich nur den vorherbestimmten Zeugen. Warum? Aus zwei Gründen. Einmal waren es die Männer, die mit ihm gewandert sind und die ihn kannten. In ihnen war der Glaube an seine Messianität lebendig. Mochte er durch die Ereignisse vom Karfreitag erschüttert sein, es war ein Anknüpfungspunkt vorhanden, der geeignet war, sie von der Wirklichkeit der Auferstehung zu überzeugen. Das ist der erste Grund. Der zweite ist darin gelegen, daß Gott den Glauben aufbaut, aber nicht erzwingt. Gott will, daß der Mensch sich für den Glauben entscheidet, aber nicht, daß er zum Glauben genötigt wird. Es soll keine überwältigende, den Menschen in jedem Falle überwindende Macht auf ihn eindringen, daß er glaubt, sondern es soll sein freier Entscheid und sein klares Urteil sein: Ich glaube. Gott läßt sich nämlich keine Bedingung setzen für das Glauben. Eine solche Bedingung haben die Männer, die das Kreuz umstanden, am Karfreitag anzubringen versucht. „Steig herab – dann wollen wir glauben!“ Was wäre das gewesen, wenn der Gekreuzigte die Hände von den Nägeln gelöst hätte und herabgestiegen wäre! Gott hätte das Wunder vollbringen können, aber er hat darauf verzichtet, denn er vollbringt keine Schauwunder, er vollbringt keine Sensationswunder, er läßt sich nicht zwingen, er läßt sich nicht die Bedingungen vorschreiben, unter denen man glauben will, sondern die Bedingungen setzt er; und ihnen muß man sich fügen, wenn man zum Glauben kommen will. „Die stillsten Worte sind es, die den Sturm bringen; Gedanken, die auf Taubenfüßen gehen, lenken die Welt“, liest man einmal bei Friedrich Nietzsche. Und so ist es auch mit der Erscheinungen des Auferstandenen. Es sind wirkliche und wahrhaftige Geschehnisse, aber es sind solche, bei denen der Mensch nicht gezwungen wird zu glauben, sondern die immer noch an seine Einsicht und an seinen Willen appellieren, den vor ihm Stehenden als den Herrn und Heiland zu akzeptieren.

Deswegen waren die Zweifel der Jünger so nützlich. Es war hilfreich für uns, daß die Jünger zweifelten, daß sie den auferstandenen Herrn nicht gleich erkannten, daß sie nicht auf ihn hinstürzten. Nein, es mußte noch mehr geschehen als das bloße Sehen. Er war nämlich in einer merkwürdig veränderten Gestalt unter ihnen. Maria Magdalena meinte, es wäre der Gärtner. Erst als der Herr sie anredete: „Maria!“, da fuhr es aus ihr: „Rabbuni, mein Meister!“ Die Emmausjünger meinten, es sei ein Fremdling, der mit ihnen wandele. Erst als er das Brot nahm und es brach und ihnen gab, da erkannten sie ihn am Brotbrechen. Als die Jünger am See Genesareth beim Fischen waren, sahen sie wiederum eine fremde Gestalt am Ufer, und erst, als er ihnen den Fisch darbot, da erkannte ihn der Jünger, den Jesus lieb hatte und stürzte auf ihn zu. Auf dem Berge in Galiläa zweifelten einige, und selbst in Jerusalem war der Zweifel nicht ausgeräumt. Wir kennen den Zweifler Thomas. Indem er die Wunden des Auferstandenen berührte, hat er die Wunden unserer Zweifelssucht geheilt. Der Zweifel der Jünger hat uns mehr genützt als ein vorschneller Glaube, denn er zwang sie zum Nachprüfen. Der Zweifel veranlaßte sie, das, was vor ihnen stand, zu untersuchen. Sie hatten keine Kategorie für das, was sie da erfuhren, denn sie hatten es ja noch nie vorher erlebt. Deswegen versuchten sie zuerst mit den ihnen bekannten Worten, das zu beschrieben, was sie sahen. „Ein Gespenst“, also ein Geistwesen. Der Herr mußte ihnen erst beweisen, daß er einen Leib hatte, und daß dieser Leib identisch war mit dem am Kreuze hängenden und ins Grab gelegten Leibe. Er hat die Leiblichkeit bewiesen, und er hat die Identität seiner Leiblichkeit mit dem gekreuzigten Leibe den Jüngern gezeigt. Jetzt endlich fiel es wie Schuppen von ihren Augen: „Mein Herr und mein Gott!" So sagt Thomas.

Das Sehen allein genügt nicht. Es mußte eine Macht von innen die Jünger anrühren. Es mußte die persönliche Berührung mit dem auferstandenen Jesus dazukommen, damit sie aus den Erscheinungen den Glauben gewannen. Die Erscheinungen sind wie alle Wunder eine causa exterius inducens, wie der heilige Thomas sagt, eine Ursache, die von außen wirkt, causa exterius inducens. Das heißt, das Wunder bereitet den Glauben vor, aber es bringt ihn nicht hervor. Das Wunder ist ein Vorläufer des Glaubens, aber es ist nicht der Erzeuger des Glaubens. Es muß dazukommen die Gnade von innen, die Berührung des Herzens durch Gottes persönlichen Geist, damit das Wunder zum Glauben führt. Daraus ist das Christentum geboren, aus den Erscheinungen des Auferstandenen und aus der Gnadenmacht, welche die Jünger von innen anrührte. Auf ihrem Sehen, auf der Schärfe ihres Urteils, auf der Genauigkeit ihrer Sinne beruht unser Glaube, aber ebenso ruht er auf der Macht Gottes, der ihren Augen zu sehen gab, was niemand gesehen hat, und der ihren Herzen zu verstehen gab, was niemand verstehen konnte, wenn nicht der Herr die Herzen berührt. Der Gnadenwille des Auferstandenen hat das Christentum geschaffen.

Amen.

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