Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
29. November 1998

Über unzulässige Eingriffe in das Leben des Nächsten

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir hatten uns vorgenommen, die Pflichten gegenüber dem Nächsten zu bedenken und dabei gleichzeitig die Sünden zu erkennen, die man gegen den Nächsten, gegen sein leibliches Leben in diesem Falle, begehen kann. Der Mensch hat ein Recht auf Leben, auf Unversehrtheit seiner Glieder; denn der Leib ist ja das Organ der Seele. Im Leib bewirkt der Mensch sein Heil oder auch sein Unheil. Es ist deswegen ein Eingriff in das menschliche Leben nur bei Notwendigkeit berechtigt. Ungerechte Antastung des menschlichen Lebens ist Sünde, ja, wie wir sehen werden, unter Umständen schwere Sünde.

Der erste unzulässige Eingriff in menschliches Leben heißt Mord. Mord ist die überlegte, vorsätzliche, direkt beabsichtigte, ungerechte Tötung eines Menschen. Es ist der schwerste Eingriff in ein menschliches Leben. Die Heilige Schrift brandmarkt den Mord, indem sie sagt: Wer das Leben, wer das Blut des anderen vergießt, dessen Blut soll vergossen werden. Und zu dem Kain sagt der Herr: „Das Blut deines Bruders Abel schreit um Rache zu mir.“ Der Mord ist ein Vergehen gegen die Gerechtigkeit und gegen die Nächstenliebe. Er ist auch eine Verfehlung gegen die Familie, der der Betreffende angehört, und gegen die Gesellschaft, die eben auf ihre Glieder angewiesen ist. Der Mord ist schließlich ein Eingriff in Gottes Herrschaftsrecht, denn das Leben liegt in Gottes Hand. Der Mensch ist Gottes Eigentum.

Der Mord ist nicht selten. Das deutsche Strafgesetzbuch bezeichnet als Mord jene Tötung, die grausam oder heimtückisch geschieht. Der Mord kann besondere Qualität annehmen, wenn er auf Pflichten der Pietät oder der Ehrfurcht trifft. Schrecklich ist der Kindesmord; schrecklich ist der Gattenmord; schrecklich ist auch der Mord an hochgestellten Persönlichkeiten des Staates. Schon mehrfach hat die Monika Weimar vor Gericht gestanden, weil ihr der Mord an ihren zwei Kindern zur Last gelegt wird. In der vergangenen Woche wurde Ronny Rieken zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er zwei Mädchen ermordet hat. Ebenfalls in der vergangenen Woche ist der Elektro-Otto gestorben. Der Eelektro-Otto hatte seine vierte Frau durch einen Stromstoß getötet. Aber auch seine früheren drei Frauen sind auf geheimnisvolle Weise, die nie aufgedeckt wurde, ums Leben gekommen. Wir zittern vor Morden an Staatsmännern wie dem Ministerpräsidenten Rabin von Israel oder dem amerikanischen Präsidenten Kennedy. Der Mord ist also keineswegs selten. Der Haß führt zum Morde. Die Furcht vor Entdeckung anderer Verbrechen hat Ronny Rieken, der die beiden Mädchen mißbraucht hatte, zur Ermordung dieser beiden Kinder veranlaßt.

Mord ist auch die Tötung unheilbar Kranker. Sie läuft unter dem Namen Euthanasie, d.h. schöner Tod, angenehmer Tod. Diese Methode, andere Menschen umzubringen, wird weitgehend, in vielen Kreisen, in immer weiteren Kreisen als zulässig vertreten. In Holland ist sie gang und gäbe, wird auch nicht bestraft. In die Nähe der Euthanasie kommt auch die Mithilfe zum Selbstmord. Soeben steht in den USA ein Arzt vor Gericht, der 130 Menschen umgebracht hat, indem er ihnen Mittel gab, um sich selbst das Leben zu nehmen. In Deutschland ist die Beihilfe zum Selbstmord straflos, aber nicht in Amerika, und so wartet auf diesen Arzt ein strenges Urteil. Wir sehen, der Mord ist ein weites Feld, und der Mörder findet keine Ruhe mehr. Hin und her gejagt von den Furien der Rache hat Kain den Rest seines Lebens gefristet.

Die zweite Verfehlung gegen die leiblichen Güter des Nächsten ist Schädigung des Lebens oder der Gesundheit und Verstümmelung. Auch diese Verfehlung ist überaus häufig. Man kann einen anderen mißhandeln und ihm dadurch bleibende Schäden zufügen. Ich weiß von einem Vater, der in der Trunkenheit seinen kleinen Sohn mißhandelte, so daß er dauernde gesundheitliche Schäden für sein ganzes kurzes Leben davontrug. Die Schädigung des Lebens und der Gesundheit anderer kann sich auch auf andere Weise vollziehen, etwa durch Erregung, durch Erschrecken, durch Erzürnen. Immer, wenn Streit zwischen den Menschen ist, schaden sie auch der Gesundheit des anderen. Streit schadet der eigenen Gesundheit, aber Streit schadet auch der Gesundheit des anderen. Man kann sich auch verfehlen durch Verfälschung von Lebensmitteln, und davon ist ja häufig die Rede. Wir wissen von Milchpanschern, wir wissen von Weinpanschern. Vor Jahren machte der große Glykolskandal Schlagzeilen in der Presse. Hunderttausende von Litern waren mit einer Flüssigkeit versetzt worden, die gesundheitsschädlich ist. Die Nestlé-Erpresser vergiften Lebensmittel, um den Konzern zu veranlassen, ihnen hohe Summen auszuzahlen. Man kann die Gesundheit des anderen auch schädigen durch Ansteckung. Wenn ein Aidskranker Geschlechtsverkehr ausübt, dann besteht die hohe Gefahr, daß er seinen Partner mit seiner Krankheit infiziert. Das ist auch bei anderen Krankheiten möglich. Alle diese Verfehlungen sind unzulässige Eingriffe in die Gesundheit des anderen. Sie schädigen sein Leben womöglich für die ganze Dauer des irdischen Daseins. Es ist eine schwere Sünde, solche Schädigungen zu begehen.

Eine dritte Weise, wie man sich am Leben und an der Gesundheit des anderen verfehlen kann, ist der Eingriff in das keimende Leben. Das beginnt mit relativ harmlosen Handlungen wie Rauchen oder Trinken der Mutter, die ein Kindchen unter dem Herzen trägt. Solche Verfehlungen können bleibende Schäden bei dem Kind hervorrufen. Die Ärzte raten dringend jeder Mutter, Alkohol und Nikotin beiseitezulassen. Auch in anderer Weise kann eine Mutter ihrem Kind schaden, etwa durch Aufregung, durch Überbürdung mit Arbeit, durch Mißhandlung, die ihr geschieht, auch durch unbeherrschten Geschlechtsverkehr der Eltern.

Diese Verfehlungen werden noch überboten von der Tötung des Kindes im Mutterleib. Die Tötung des Kindes im Mutterleib bezeichnet man als Abtreibung. Die Abtreibung ist die freiwillig vorgenommene Vernichtung eines Fötus im Mutterleibe entweder durch Zerstörung im Mutterleib oder durch Einleitung der Ausstoßung der nicht lebensfähigen Leibesfrucht. Der Fötus, das Kindchen im Mutterleib, ist ein vollwertiger Mensch. Er ist nicht bloß ein Annex der Mutter, wie man sagt. Auch wenn er noch nicht allein lebensfähig ist, ist der Fötus ein Mensch, ein Mensch in einem frühen Stadium. Es besteht auch keine Notwehr gegen das Kind; man sagt zu Unrecht, die Mutter müsse geschützt werden gegen das Kind. Das Kind ist kein ungerechter Angreifer. Die Praxis unterscheidet zwischen der sozialen, der ethischen, der eugenischen und der medizinischen Indikation. Das heißt, es werden vier mögliche, angeblich zulässige Gründe angegeben, um das keimende Leben zu zerstören. Die soziale Indikation beruft sich darauf, daß es an Wohnraum oder an Ernährungsmöglichkeit für das Kind fehlt, und so müsse man es eben umbringen. O, meine lieben Freunde, es ist Sache des Staates, für Wohnung, Nahrung und Kleidung zu sorgen. Er hat die Aufgabe, für die Menschen, die in seinem Gebiete wohnen, die entsprechenden Lebensmöglichkeiten zu schaffen. Das ist nicht Sache der Kirche. Die Kirche sorgt für das übernatürliche, der Staat ist verantwortlich für das natürliche Leben. Und selbstverständlich muß man an dieser Stelle auch sagen: Wer ein Kind, eine Familie nicht ernähren kann, der soll nicht heiraten. Ebenso ist es falsch, wenn man darauf hinweist, daß Enthaltsamkeit in der Ehe nicht möglich sei. Sie ist möglich! Wer will, der kann Enthaltsamkeit leisten, und wir werden nicht aufhören, solange wir eine Stimme haben, den Menschen zu sagen: Du mußt fähig sein, deine Sexualität zu beherrschen. Du mußt imstande sein, über deine Triebhaftigkeit zu siegen.

Die zweite Indikation ist die ethische. Vergewaltigung von Frauen und Mädchen ist nicht selten. Als die Rote Armee in Deutschland einbrach, geschah sie unzählige Male. Aber auch heute  liest man oft von Erzwingung des Geschlechtsverkehrs durch Gewalt und Zwang, außerhalb der Ehe und innerhalb der Ehe, und dieses Vergehen kommt noch viel häufiger vor, als es bekannt und bestraft wird. Bei erzwungenem Geschlechtsverkehr kann es zur Befruchtung der Frau kommen. Dann sei es ihr, so sagt man, nicht zuzumuten, ein Kind, das auf diese Weise in ihrem Leib heranwächst, auszutragen. Das ist falsch. Es ist ihr zuzumuten. Einem Unrecht wird nicht dadurch abgeholfen, daß man neues Unrecht begeht. Die sogenannte ethische Indikation ist ein Irrweg, den eine Frau nicht beschreiten darf.

Die dritte Indikation ist die eugenische. Sie besteht darin, daß man voraussieht, ein Kind werde mit Behinderung geboren werden. Man kann ja heute durch die pränatale Diagnostik feststellen, ob ein Kind gesund oder ob es mit Fehlern behaftet zur Welt kommen werde. Aber deswegen verliert ein Kind nicht sein Lebensrecht, weil es behindert ist. Es gibt kein lebensunwertes Leben, wie der Jurist Karl Binding und der Psychiater Hoche bereits im Jahre 1920 schrieben. Längst bevor die Nationalsozialisten kamen, haben diese beiden Männer ein Buch geschrieben über die Vernichtung unwerten Lebens. Auf diese Gelehrten konnten die Nationalsozialisten zurückgreifen, als sie die Euthanasieaktion ins Leben riefen.

Die vierte Indikation ist die medizinische; sie leuchtet den Menschen gewöhnlich am leichtesten ein. Man sagt: Nun ja, wenn das Leben der Mutter gefährdet ist, dann ist es besser, das Kind zu töten, als daß zwei sterben. Ja, meine lieben Freunde, hier geht es nicht um Sterben, sondern hier geht es darum, daß man tötet! Wenn zwei sterben, ist das ein natürlicher Vorgang, aber wenn man die Mutter rettet und das Kind tötet, sind das zwei sehr verschiedene Dinge. Hier wird ein unschuldiges Leben vernichtet, und die katholische Kirche hat immer den Satz vertreten: Das in sich Böse ist ausnahmslos verboten. Anders der Protestantismus. Das höchste Gremium der evangelischen Kirche in Deutschland, die evangelische Synode der EKD, hat den Satz geprägt: „Man kann sich auch schuldig machen, wenn man eine Abtreibung verweigert.“ Aha, jetzt wissen wir, daß es einen unaufhebbaren Gegensatz zwischen katholischer Lehre und protestantischer Anschauung gibt. „Man kann sich auch schuldig machen, wenn man eine Abtreibung verweigert.“ Das soll man überall bekannt machen denen, die von Ökumenismus überborden. Nein, meine lieben Freunde, es gibt keine medizinisch zulässige Indikation. Der Professor Kilian, der lange die Breslauer gynäkologische Klinik geleitet hat, berichtet in einem seiner Bücher von einer Frau, die als Krebskranke ein Kind empfing. Er selber habe der Frau geraten, das Kind abzutreiben, damit ihre Lebens- und Heilungschance verbessert werde. Die Frau sagte: „Ich bringe dieses Kind zur Welt! Lieber will ich sterben, als daß mein Kind getötet wird.“ Das Lebensrecht des Kindes darf nicht zerstört werden. Abtreibung ist und bleibt ein schweres Verbrechen. Die Kirche wird sich niemals damit abfinden, und wenn sie noch so viele Gegner findet, die ihre Haltung brandmarken.

Eine letzte Verfehlung gegen das Leben, die wir allerdings wohl nur kurz zu erwähnen brauchen, weil sie eigentlich ausgestorben ist, ist das Duell. Duell ist der Zweikampf mit gefährlichen Waffen, angeblich zur Verteidigung der Ehre. In früheren Jahrhunderten hat das Duell eine große Rolle gespielt. Noch im vorigen Jahrhundert ist ein so bekannter Mann wie Ferdinand Lassalle, einer der Väter des Sozialismus, im Duell gefallen. Ich habe den Eindruck, daß das Duell heute kein Problem mehr ist, daß auch die sogenannten Studentenmensuren oder Bestimmungsmensuren nicht mehr üblich sind, jedenfalls nicht mehr zu gefährlichen Verletzungen oder gar zum Tode führen, so daß wir uns mit diesem Gegenstand nicht zu beschäftigen brauchen. In jedem Falle ist das Duell ein schwerer Mißbrauch, ist völlig ungeeignet, die Ehre von jemandem herzustellen. Das Duell gibt nicht Auskunft darüber, wer mehr Ehre hat, sondern wer im Kampfe geschickter ist.

Eingriffe in das menschliche Leben sind uns verboten. Sie beginnen aber im Herzen. Wir müssen die Herzen ändern, damit wir uns nicht schuldig machen unzulässiger Eingriffe in anderes Leben. Wir müssen den Haß überwinden, wir müssen den Zorn bändigen. Dann werden wir uns auch hüten, fremdes Leben, fremdes leibliches Leben zu schädigen oder gar zu töten.

Amen.

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