Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
26. August 1990

Die Heilkraft des Opfermahls

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wer in der heiligen Messe kommuniziert, nimmt in einer vollendeten Weise am Opfer teil. Wer in dieser vollendeten Weise am Opfer teilnimmt, in dem vollendet sich die Heilskraft der Eucharistie. Wer das Meßopfer mitfeiert, ohne zu kommunizieren, gewinnt auch Anteil an der Heilskraft, an der Heilsbedeutung, an der Heilswirkung des eucharistischen Opfersakramentes. Aber wer darüber hinaus sich in der Weise am Opfer beteiligt, daß er am Opfermahl teilnimmt, in dem wird nicht nur stärker als in dem anderen die Heilskraft des eucharistischen Opfers wirksam, sondern auch in einer anderen Weise. Nicht nur die Intensität ist verschieden, sondern auch die Qualität.

Die Hauptwirkung des eucharistischen Essens ist die Vertiefung und Verinnerlichung der Christusgemeinschaft. Deswegen heißt dieser Vorgang ja mit einem lateinischen Wort Kommunion; das bedeutet Vereinigung, Verbindung; und zwar Vereinigung mit Christus, Verbindung mit Christus. Die Verbindung mit Christus, die in der heiligen Kommunion geschieht, geht über jede Weise, wie sich Menschen miteinander verbinden können, hinaus. Es ist das eine Selbstschenkung von einer Tiefe und einer Höhe und einer Kraft, die unter Menschen nicht ihresgleichen hat. Menschen können sich ein Ding schenken. Das ist ein Zeichen der Freundschaft, der Treue, der Liebe. Menschen können einander Anteil geben an ihren Gedanken, Erlebnissen, Erfahrungen. Menschen können sich auch bis zu einem gewissen Grade selbst schenken in der Freundschaft, in der Ehe. Aber alle diese Weisen, sich zu schenken, kommen an eine unüberschreitbare Grenze. Der Mensch bleibt unaufhebbar in sich selbst eingeschlossen, und er darf sich auch nicht in einer letzten Weise ausgeben, weil er sich dann ausliefern würde, weil er sich preisgeben würde und weil er den anderen mit seiner Schwäche und mit seinen Leidenschaften belasten würde.

Nicht so bei Jesus. Er kann und darf sich in einer jedes Begreifen übersteigenden Weise schenken. Er kann es, weil er die allmächtige Liebe ist, und er darf es, weil er den anderen nicht in seine Schwäche hineinzieht, sondern in sein Herrlichkeitsleben, weil er sich nicht preisgibt, wenn er sich schenkt, sondern weil er sich behält und in sich selbst bleibt.

Die Selbstschenkung vollzieht sich äußerlich gesehen in der Weise des Essens und Trinkens. Das Essen und Trinken ist ja eine Form der Aufnahme, der Vereinigung. Wir essen und trinken die Gestalten von Brot und Wein. Aber unter den Gestalten ist der Leib und das Blut des Herrn verborgen. Kraft des Sakramentes ist im Brote nur der Leib und im Weine nur das Blut. Aber es ist ja kein toter Leib, der uns gegeben wird; deswegen ist unter der Gestalt des Brotes mit dem Leib auch das Blut vorhanden und unter der Gestalt des Weines mit dem Blut auch der Leib. Und weil beides zusammen mit der Seele und der Person des Logos existiert, ist auch die Seele und ist auch die Person des Logos unter beiden Gestalten enthalten. Es ist also ein personhaftes Essen. Wir nehmen nicht nur ein Ding zu uns, sondern wir nehmen die Person unseres Herrn und Heilandes zu uns. Die Kommunion ist ein personaler Vorgang.

Es ist falsch, wenn da immer nur vom „heiligen Brot“ die Rede ist. Es geht nicht nur um die Sache, es geht um die mit der Sache verbundene Person, es geht um die Aufnahme des Christus. Der Herr setzt sich ja selber mit der Speise gleich: „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der wird durch mich leben.“ „Ich bin das Brot des Lebens“; er selbst, also nicht bloß eine Sache. Und damit ist auch die falsche Lehre abgewehrt, die meint, man würde sich in einer zauberischen Weise, in einer dinghaften Weise des Leibes Christi bemächtigen, um so Anteil an ihm zu gewinnen. Nein, es wird in dem Leib und unter dem Leib und mit dem Leibe die Seele Christi empfangen und die mit der Seele verbundene Gottheit; und deswegen ist die Kommunion ein personales Geschehen.

Wenn Menschen miteinander zusammen sind, kann das eine dumpfe, leibliche Begegnung sein. Es muß noch nicht ein Sich-selbst-Erschließen, ein Aufschließen des Person-Geheimnisses sein. Ähnlich ist es auch mit der Begegnung, die sich in der heiligen Kommunion vollzieht. Diese Begegnung setzt, wenn sie gültig vollzogen werden soll, den Glauben voraus. Das Person-Geheimnis Christi erschließt sich nur dem Glauben. Allein die vom Heiligen Geist im Menschen gewirkte Glaubenskraft ist imstande, in das Person-Geheimnis Christi einzudringen. Es ist ein leibhaftiges Essen, es wird nichts zurückgenommen von der Realität des Vorgangs, aber es ist ein Essen, das vom Glauben geformt ist, das in der Kraft und in der Lebendigkeit des Glaubens geschieht; ein Essen, das vom Licht des Glaubens durchglüht ist; eine Begegnung des liebeerfüllten Glaubens. Deswegen ist es so wichtig, daß nur Gläubige die heilige Kommunion empfangen. Als der Kaiser Napoleon im Jahre 1804 sich selbst die Kaiserkrone aufsetzte, hätte er nach dem festliegenden Ritual die heilige Kommunion empfangen müssen. Aber er empfing sie nicht. Warum nicht? Er hat sich später darüber geäußert, warum er sie nicht empfangen hat. „Um die Kommunion zu empfangen“, sagte er, „fehlte es mir am lebendigen Glauben. Andererseits hatte ich zu viel Glauben, um kaltblütig ein Sakrileg zu begehen.“ Also das Essen des mit der Person des Logos verbundenen Leibes Christi setzt den Glauben voraus.

Wenn der Mensch mit lebendigem Glauben die heilige Kommunion empfängt, wird in ihm die Gemeinschaft mit Christus vertieft und die Ähnlichkeit mit Christus vermehrt. Das ist eine Wirkung der Kommunion, die untrüglich bei dem eintritt, der kein Hindernis entgegensetzt. Er wird stärker in das Christusleben hineingezogen, und die Züge Christi werden deutlicher in ihm herausgearbeitet. Der Kommunizierende wird Christus ähnlich; und weil Christus nicht isoliert lebt, sondern in der Herrlichkeit des Vaters und in der Einheit mit dem Heiligen Geiste, wird auch die Verbindung mit dem dreifaltigen Gott gestärkt und die Verähnlichung mit dem dreifaltigen Gott vermehrt. Wir nennen diese Wirkung Vermehrung der heiligmachenden Gnade. Aber wenn man sie aufschlüsselt, dann ist darin enthalten eine stärkere Verbindung mit Christus, dem Heiligen Geist und dem Vater und eine größere Verähnlichung mit dem dreifaltigen Gott.

Die Verbindung mit Christus wirkt sich aus im Lebensaustausch. Es ist mit der eucharistischen Speise nicht so wie mit anderer Speise. Wenn wir natürliche Speise zu uns nehmen, wird sie verwandelt in die Kräfte unseres Leibes. Wenn wir die eucharistische Speise zu uns nehmen, werden wir verwandelt in die Christuswirklichkeit. Das ist der wesentliche Unterschied von natürlicher und übernatürlicher Speise. Es ist ein lebendiger Austausch zwischen Christus und dem Kommunizierenden, und er wirkt sich aus in der Vermehrung der Liebesfähigkeit. Der Kommunizierende wird ja auch in den Tod Christi hineingezogen, und sein Tod war ein Liebestod, ein Tod, in dem die Liebe gesiegt hat. Und deswegen wird auch derjenige, der an diesem Todesgeschehen, das mit der Auferstehung untrennbar verbunden ist, Anteil gewinnt, von einer stärkeren Liebeskraft bewegt als derjenige, der nicht kommuniziert. Wenn das Christusleben in dem Kommunizierenden vermehrt wird, werden die Kommunizierenden auch stärker untereinander verbunden. Sie werden mit Christus verbunden und über Christus auch miteinander. Sie werden stärker zu Brüdern und Schwestern geformt, als es vorher der Fall war. In diesem Sinne ist auch die heilige Kommunion ein Mahl brüderlicher Gemeinschaft; natürlich nicht natürlicher, sondern übernatürlicher Gemeinschaft, also einer Gemeinschaft, die vom Blute des Gottessohnes stammt. Und so vermehrt die heilige Kommunion mit dieser brüderlichen Gemeinschaft auch die Liebe. Die habituelle Liebe und die aktuelle Liebe drängt die Selbstsucht und alles, was dieser Liebe entgegensteht, zurück.

Die Verbindung der Kommunizierenden untereinander bewirkt, daß sie Kirche darstellen. Denn Kirche ist ja, wie man in einem richtigen Sinne sagen kann, die Gemeinschaft derer, die am Herrenmahl teilhaben. Kirche ist die Gemeinschaft derer, die vom Tische des Herrn essen. Kirche ist die Gemeinschaft derer, die am eucharistischen Opfersakrament teilhaben. Die heilige Kommunion ist Ausdruck dieser Gemeinschaft, und deswegen kann eben ein Nichtkatholik die Kommunion nicht empfangen, weil er diese Gemeinschaft nicht ausdrücken kann. Er gehört nicht dazu. Und wie soll er diese Gemeinschaft ausdrücken, wenn er nicht dazugehört? Das ist ein Widerspruch – nicht zu dieser Gemeinschaft gehören und gleichzeitig am Gemeinschaftsmahl dieser Gemeinschaft teilhaben. Gleichzeitig ist die Kommunion auch eine Quelle dieser Gemeinschaft. Sie vermehrt und verstärkt diese Gemeinschaft. Die sich am Opferaltare und am Mahltische finden, werden in einer stärkeren Weise und in einer weit über das sonstige Maß hinausgehenden Weise verbunden, und so wird die Eucharistie zum Bürgen der kirchlichen Einheit – immer vorausgesetzt, daß die Menschen kein Hindernis entgegensetzen. Denn wer nicht will, dem hilft die Kommunion auch nicht. Es kommt hier alles auf die Disposition, auf die Eignung und auf die Neigung an, die der einzelne mitbringt, auf seine innere Zurüstung und Zubereitung zu diesem wunderbaren Mahle.

Die heilige Kommunion drängt sodann das Widergöttliche in uns zurück, weil sie das göttliche Leben nährt. Weil sie Nahrung des übernatürlichen Lebens ist, wird das Widergöttliche geschwächt. Das können wir anders ausdrücken, indem wir sagen: Die Kommunion mindert die Neigung zum Bösen, sie stärkt die Widerstandskraft gegen das Böse. Sie schafft gleichzeitig Freude an Gott und Eifer für Christus. Die Kommunion tilgt weiter läßliche Sünden und bis zu einem gewissen Grade auch zeitliche Sündenstrafen. So lehrt es jedenfalls der größte Theologe der Kirche, der heilige Thomas. Das alles sind die wunderbaren Wirkungen, die der einzelne in der heiligen Kommunion erfahren kann, wenn er sich ihnen öffnet.

Und noch eine letzte Wirkung muß ich erwähnen. Wenn der Priester die heilige Kommunion in den Mund des Empfängers legt, dann sprach er früher oder spricht er, wenn es möglich ist, auch heute noch die Worte: „Der Leib unseres Herrn Jesus Christus bewahre deine Seele zum ewigen Leben!“ Hier wird also ein Wunsch, ja eine Verheißung ausgesprochen. „Der Leib unseres Herrn Jesus Christus bewahre deine Seele zum ewigen Leben!“ Wir lernen aus dieser Formel, daß die Kommunion etwas mit unserer Zukunft zu tun hat, mit unserer ewigen Zukunft. Sie ist ein Unterpfand des ewigen Lebens. Ja, sie ist, wie der heilige Ignatius von Antiochien schreibt „Pharmakon thes athanasias“ – ein Heilmittel für die Unsterblichkeit. Sie gibt nicht nur ein Anrecht auf das ewige Leben, nein, weil sie uns mit dem verklärten Leibe des Herrn verbindet, setzt sie jetzt schon gleichsam Unsterblichkeitskeime in uns ein, die sich einmal im ewigen Leben wunderbar entfalten werden. Und das betrifft Seele und Leib. Man könnte meinen, in der Formel werde nur von der Seele gesprochen: „Der Leib unseres Herrn Jesus Christus bewahre deine Seele zum ewigen Leben!“ Aber man muß diesen Sprachgebrauch aus dem ganzen Kontext der Kirche erklären. Da ist nämlich mit animam tuam (deine Seele) der ganze Mensch gemeint. Und in manchen Liturgien, z.B. in der Liturgie der Dominikaner, heißt es: „Der Leib unseres Herrn Jesus Christus bewahre dich zum ewigen Leben!“ Also Leib und Seele. Die heilige Kommunion ist also nicht nur für das ewige Leben der Seele bedeutsam, sondern auch für das ewige Leben des Leibes in der Auferstehung von den Toten.

Das also, meine lieben Freunde, sind die beglückenden Wirkungen der heiligen Kommunion, die derjenige erfahren kann, der sich mit einem bereiten Herzen ihnen öffnet. Da verstehen Sie auch vielleicht, wieviel von unserer Disposition abhängt. Wir sagten am Anfang unserer Predigtreihe über die Eucharistie: „Die Sakramente wirken nach dem Maße der Empfänglichkeit.“ Ist also die Empfänglichkeit groß, dann wirken sie viel; ist sie gering, dann wirken sie wenig. Und da verstehen wir auch, warum der Priester sechsmal und die Gläubigen dreimal vor der heiligen Kommunion sprechen: „Herr, ich bin nicht würdig. Aber sprich du nur ein Wort, dann wird meine Seele gesund.“

Würdig werden, wert werden dessen, was der Herr uns bietet – das ist unser Anliegen, das ist unser Streben und das ist unsere höchste Aufgabe. Würdig werden der Gabe, die der Herr uns schenkt, damit sie ihre volle Heilskraft in uns entfalten kann, jetzt auf Erden und einst im ewigen Leben.

Amen.

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