Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
12. August 1990

Das Meßopfer als Lob-, Dank-, Sühne- und Bittopfer

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die heilige Messe ist das vergegenwärtigte Kreuzesopfer. Wenn in der heiligen Messe das Kreuzesopfer vergegenwärtigt wird, damit wir das Fleisch und das Blut des Herrn aufopfern können zu unserem Heile, dann ist in der heiligen Messe auch die Heilskraft des Kreuzesopfers gegenwärtig. Das Kreuzesopfer diente der Verherrlichung Gottes und dem Heile der Menschen. Beides ist voneinander untrennbar. Indem Gott verherrlicht wird, wird das Heil der Menschen bewirkt. Auch darin ist das Meßopfer gleichsam ein Spiegel des Kreuzesopfers. Im Kreuzesopfer wurde Gott verherrlicht in einer zweifachen Weise, in einer mehr gegenständlichen und in einer mehr subjektiven. In einer mehr gegenständlichen Weise wurde Gott verherrlicht, indem der Vater im Himmel sich am Kreuze als die heilige Liebe, als die gerechte Barmherzigkeit offenbarte. Gott hat sich ja schon in der Schöpfung geoffenbart. Aber in der Erlösung, die ihren Gipfelpunkt im Kreuzesopfer erreicht hat, offenbart er sich noch viel deutlicher. Wenn man das Kreuz ansieht und richtig versteht, dann weiß man: So ist Gott. Nämlich so, daß er seinen Sohn ans Kreuz schickte, um das Unheil der Menschen zu wenden. Am Kreuz hat sich Gott als die heilige Liebe, als die barmherzige Gerechtigkeit geoffenbart. Als die Liebe, indem er seinen Sohn dahingab; als die Gerechtigkeit, indem er ihn in das Grauen des Kreuzestodes überlieferte. Das ist die mehr gegenständliche Weise, wie die Selbstdarstellung und die Selbstenthüllung Gottes geschah. Die mehr subjektive Weise besteht darin, daß Christus, der Sohn des Vaters, die Erscheinung Gottes, das Gesamt an Liebe, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit in sein Herz aufgenommen hat und in seinem Leben vollzogen hat. Indem Christus gehorsam wurde bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze, hat er die Schuld der Menschen hinweggenommen, Erlösung bewirkt und uns mit dem Vater im Himmel versöhnt. Dadurch hat er Gott in seinem vorbehaltlosen Gehorsam verherrlicht wie kein Mensch vor ihm und keiner nach ihm, wie nur der Sohn den Vater im Himmel verherrlichen konnte.

Diese Anbetung Christi erscheint nun in der heiligen Messe. Die heilige Messe ist ebenso Anbetung, Lob, Dank und Sühne wie das Kreuzesopfer. Das Konzil von Trient hat diese Wahrheit gegen die Glaubensneuerer deutlich ausgesprochen. „Wer sagt, das Meßopfer sei nur Lob und Danksagung oder das bloße Gedächtnis des Kreuzesopfers, nicht aber ein Sühneopfer, oder es bringe nur dem Nutzen, der kommuniziere, und man dürfe es nicht für Lebende und Verstorbene, für Sündenstrafen zur Genugtuung und für andere Nöte aufopfern, der sei ausgeschlossen.“ Die sogenannten Reformatoren gaben zu, daß das Meßopfer Lob und Danksagung ist, aber sie leugneten, daß es auch ein wirksames Bitt- und Sühneopfer ist. Deswegen hat das Konzil von Trient diese Wahrheit besonders herausgestrichen. Das Meßopfer ist ein wirkliches Sühneopfer, und es bewirkt, daß wir Barmherzigkeit erlangen und Gnade finden zu rechtzeitiger Hilfe, wenn wir mit geradem Herzen, mit rechtem Glauben, mit Scheu und Ehrfurcht, zerknirscht und bußfertig vor Gott hintreten. Versöhnt durch die Darbringung dieses Opfers, gibt der Herr die Gnade und die Gabe der Buße und vergibt die Vergehen und Sünden, mögen sie noch so schwer sein. Es wird deshalb nicht nur für die Sünden der lebenden Gläubigen, für ihre Strafen, Genugtuungen und andere Nöte nach der Überlieferung der Apostel, sondern auch für die in Christus Verstorbenen, die noch nicht vollkommen gereinigt sind, mit Recht dargebracht.

Das Meßopfer ist in seinem Wesen Anbetung, Anbetung Gottes. Anbetung kann man überhaupt nur Gott zollen, denn nur Gott ist der souveräne Herr des Himmels und der Erde, der Schöpfer, dem das Geschöpf Anerkennung und Unterwerfung zollt. Das ist ja der Sinn der Anbetung, daß wir Gott anerkennen als den höchsten Schöpfer und den höchsten Herrn, dem wir uns bedingungslos zu unterwerfen haben. Wir huldigen Gott als dem souveränen König Himmels und der Erde.

Das ganze Meßopfer ist von der Anbetung durchwirkt. Das Loben und Danken, das Bitten und Sühnen ist Anbetung, ist Anbetung Gottes durch Jesus Christus im Heiligen Geiste. Das Meßopfer ist zuerst Lob. Wir müssen Gott loben, wir müssen ihn preisen, wenn wir uns nicht gegen die Wirklichkeit verfehlen wollen. Denn Gott ist lobwürdig und preiswürdig. Wir müssen also bekennen: „Du allein bist der Heilige, du allein der Herr!“ Wir müssen in der heiligen Messe immer wieder die Formel sprechen: „Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste!“, denn das ist Lob, das ist Preis Gottes. Wir müssen beim Abschluß des Kanons jubelnd bekennen: „Durch ihn und mit ihm und in ihm wird dir, Gott, allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen Geistes alle Ehre und Verherrlichung.“

Die heilige Messe ist Lob. Sie ist aber auch Danksagung. In der Präfation werden wir ja aufgefordert: „Lasset uns danken dem Herrn, unserem Gott!“ Und die ganze heilige Messe heißt Eucharistie, Danksagung. Sie ist Danksagung in einer doppelten Weise. Wir sagen nämlich Dank, indem wir das Meßopfer darbringen. Das Meßopfer ist als solches ein Dankopfer. Die Danksagung vollzieht sich, indem wir den geopferten Christus dem Vater im Himmel darbringen. Wir sagen natürlich auch Dank, indem wir den Dank aussprechen. „Wir danken dir für deine große Herrlichkeit!“ So sprechen wir im Gloria der heiligen Messe. Die Danksagung bezieht sich auf Gottes Schöpfung und Erlösung. Wir danken für die Schöpfung und für die Erlösung. Wir danken, weil Gott so wunderbar und so gewaltig ist, wie er sich in der Schöpfung und in der Erlösung geoffenbart hat.

Die heilige Messe ist Lob, sie ist Danksagung. Sie ist aber auch Sühne, auch Sühneopfer, nicht nur Lobopfer, nicht nur Danksagungsopfer, auch Sühneopfer. Allerdings gilt es hier ein Mißverständnis abzuwehren. Wenn es heißt, das Meßopfer vergibt die Sünden und die Sündenstrafen, so ist ein Unterschied zu machen. Die Sünden werden mittelbar, die Sündenstrafen werden unmittelbar vergeben. Was heißt es: Das Meßopfer vergibt die Sünden mittelbar? Das Konzil von Trient spricht ganz deutlich: „indem es die Gnade der Bekehrung schenkt und die Liebe vermehrt“. Also das Meßopfer überwindet die Sünde, aber es überwindet die Sünde nicht so wie das Bußsakrament, das die Sünden unmittelbar nachläßt, sondern das Meßopfer überwindet die Sünde, indem es die Gnade der Bekehrung gibt und die Liebe vermehrt. Wer bekehrt ist und in wem die Liebe zu Gott lebt, der wird die Sünde nicht tun, der wird die Sünde hassen und abwehren, der wird sich auf Distanz von der Sünde begeben.

In diesem Sinne also besiegt das Meßopfer die Sünde, daß es die Gnade der Bekehrung gibt und die Liebe zu Gott vermehrt. Wenn die Liebe in uns vermehrt wird, dann wird die Selbstsucht und die Selbstherrlichkeit in uns zurückgedrängt – und jede Sünde kommt ja aus der Selbstsucht und aus der Selbstherrlichkeit.

Schließlich ist das Meßopfer auch ein Bittopfer. Wir dürfen es darbringen für alle Nöte, für alle Zweifel, für alle Anliegen, vor allem natürlich für unser Heil, für das ewige Heil; für das ewige Heil derer, die uns nahestehen, aber auch der Fernen, für das ewige Heil der Lebenden und der Verstorbenen. Das ist ja das Tröstliche am Meßopfer, daß wir nicht nur im Meßopfer für die Verstorbenen beten, sondern daß wir das Meßopfer für die Verstorbenen aufopfern. Es ist ein wirksames Opfer, und deswegen können wir den Verstorbenen Trost und Hilfe verschaffen, indem wir das Meßopfer für sie darbringen.

Ein vierfaches Opfer also ist das heilige Meßopfer. Es ist ein Lobopfer, es ist ein Dankopfer, es ist ein Sühneopfer und es ist ein Bittopfer. Aber weil es ein Opfer ist, kann es immer nur dem höchsten Herrn des Himmels und der Erde dargebracht werden, denn Opfer ist die höchste Weise der Gottesverehrung. Es ist Gottesverehrung in der Weise der Anbetung, und Anbetung, also Unterwerfung, kann man nur Gott zollen. Man kann daher das Meßopfer nicht den Heiligen darbringen. Man kann nicht sagen: Petrus und Paulus, dir bringe ich das Meßopfer dar. Denn Petrus und Paulus sind Menschen wie wir. Wir können das Meßopfer nur zu Ehren der Heiligen darbringen. Was bedeutet das? Das bedeutet, daß wir Gott danken und die Heiligen bitten. Wir danken Gott für die Heiligen, welche die Kraft zu ihrem heiligen Leben aus dem Meßopfer geschöpft haben. Wir danken Gott im Meßopfer für die Gnade der Heiligkeit, die ihnen aus dem Meßopfer zugeströmt ist. Sie haben aus dem Kreuzestode Christi, der im Meßopfer vergegenwärtigt wird, die Kraft gezogen zu ihrem heiligen Leben und besonders zu ihrem heiligen Sterben. Deswegen gedenken wir ja in der heiligen Messe so vieler Martyrer. Ihr glaubensstarkes Zeugnis hat sich aus der Kraft des Meßopfers, in dem die Kraft des Kreuzesopfers lebendig ist, erhoben.

Wir bitten aber auch die Heiligen in der Messe. Das ist eine Ehre für sie, wenn wir sie bitten, wenn wir ihnen zutrauen, daß sie unsere Bitten hören, vor Gott tragen und uns hilfreich nahe sind. Wir bitten die Heiligen nicht, weil wir kein Vertrauen hätten zu Christus, weil unser Vertrauen zu dem einen Mittler zwischen Gott und den Menschen nicht genügend kräftig wäre. Nein, sondern wir bitten die Heiligen, weil sie, die vollendet sind, die Bitten, die wir Gott vortragen möchten, mit ganz anderer Kraft vor Gott bringen können. Wir Schuldbeladenen, wir mit Sünden Behafteten, wir sind nicht so geeignet, vor Gott zu treten wie sie, die die Sünde überwunden haben und in das Vollendungsleben Gottes eingegangen sind.

Das ist also der Sinn, wenn wir sagen, wir bringen das Meßopfer dar zu Ehren der Heiligen. Wir danken für das, was Gott an ihnen getan hat, wir danken dafür, daß sie aus dem Meßopfer, das ja das vergegenwärtigte Kreuzesopfer ist, die Kraft gezogen haben, das Böse zu überwinden, und wir bitten sie, daß sie unsere Fürbitter sein mögen im Himmel, sie, die in die Vollendung eingegangen sind.

Wenn man bedenkt, meine lieben Freunde, welche Heilskraft das Meßopfer hat, dann versteht man die Wertschätzung, die dieses Opfer verdient und die es bei den wahrhaft gläubigen Menschen findet. Wenn jemand das Meßopfer versäumt, wenn jemand gleichgültig an den Altären des Opferns und den Tischen des Schenkens vorübergeht, dann liegt das in der Regel daran, daß er keine rechte Wertschätzung des Meßopfers mehr hat. Und er hat sie nicht, weil er im Glauben unsicher geworden ist oder den Glauben verloren hat. Es liegt nicht daran, meine lieben Freunde, daß die Messe nicht anziehend genug wäre, daß man sich irgendwelche Gags oder Mätzchen einfallen lassen müßte, um die Messe anziehender zu machen, indem man etwa Tanzgruppen auftreten und Pop-Musik spielen läßt. Das alles führt nur vom Wesen des Meßopfers ab. Das lenkt nur ab, statt hinzuführen zum Kern des Meßopfers. Wenn wir wissen, was das Meßopfer ist, nämlich das vergegenwärtigte Kreuzesopfer, in dem uns die Möglichkeit gegeben wird, Fleisch und Blut unseres Heilandes dem Vater im Himmel zur Danksagung, zum Lob, zur Bitte und zur Sühne darzubringen, dann werden wir glücklich sein, daß wir an diesem Meßopfer teilnehmen können; dann werden wir es so oft besuchen, wie es nur möglich ist; dann werden wir mit aller Glut und Innigkeit an diesem Meßopfer teilnehmen, alle Trägheit und Erdverhaftetheit überwinden, um würdig zu werden der Verheißungen Christi in diesem heiligen Geschehen.

Amen.

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