Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
1. November 1999

„Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die meisten von Ihnen werden im Fernsehen geschaut oder in der Zeitung gelesen haben, was sich gestern, am sogenannten Reformationstage, in Augsburg zugetragen hat. Der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, der Kardinal Cassidy, ein Australier, und ein Vertreter des Lutherischen Weltbundes haben eine Gemeinsame Offizielle Feststellung unterzeichnet, die sich auf die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre bezieht. Zugrunde liegt also die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“. Sie ist in den vergangenen Jahren zwischen katholischen und protestantischen Theologen ausgearbeitet worden. Der Weg zu der Unterzeichnung am gestrigen Tage war von manchen Stolpersteinen begleitet. Als nämlich die „Gemeinsame Erklärung“ vorlag, erhob die Glaubenskongregation Einspruch und forderte Nachbesserungen. Dieser Einspruch vom 25. Juni 1998 sollte durch die Gemeinsame Offizielle Feststellung vom Juni dieses Jahres berücksichtigt werden, ist aber tatsächlich nicht berücksichtigt worden. Die Stolpersteine sind nicht aus dem Wege geräumt worden. Die Gemeinsame Offizielle Feststellung, die zwischen dem Weltrat und dem Einheitsrat ausgearbeitet wurde, nimmt die „Gemeinsame Erklärung“ in ihrer Gesamtheit an. Wir haben es also mit diesem Dokument zu tun, das ich hier vor mir habe und aus dem ich Ihnen die wesentlichen Bestimmungen vortragen möchte.

Diese „Gemeinsame Erklärung“ besteht aus 44 Absätzen, ist also sehr umfangreich und hat im ganzen gesehen folgenden Inhalt. In einer Präambel wird geschildert, daß die katholische Kirche und die protestantischen Religionsverbände im Verständnis der sogenannten Rechtfertigung auseinandergehen. Das Wort Rechtfertigung wird in den ganzen Dokument nicht erklärt. Es gibt keine Definition über den zentralen Begriff, über den hier gehandelt wird. Wie will man sinnvollerweise über einen Gegenstand sprechen, wenn man sich nicht einmal einig ist, was damit gemeint ist? Nach katholischem Verständnis ist Rechtfertigung die Versetzung aus dem Zustand, in den wir durch Adam geraten sind, also aus dem Zustand der Erbsünde, in den Zustand der Freundschaft mit Gott, der Begnadung durch Jesus Christus, den zweiten Adam. Rechtfertigung könnte also ebensogut beschrieben werden als Versöhnung mit Gott, Begnadung, Eingießung der heiligmachenden Gnade, Freundschaft mit Gott.

Die „Gemeinsame Erklärung“ versucht dann die biblische Rechtfertigungsbotschaft zu erheben, will also das darstellen, was in der Bibel über die Rechtfertigung gesagt ist. Damit wird ein Grundfehler begangen; denn die katholische Kirche zieht ihr Wissen um das, was Gottes Offenbarung ist, nicht allein aus der Schrift, sondern auch aus der Überlieferung. Die Überlieferung wird völlig beiseite gelassen. Die Autoren der „Gemeinsamen Erklärung“ haben sich auf das protestantische Schriftprinzip eingelassen, und sie haben die katholischen Grundsätze über Schrift und Überlieferung beiseite gelassen. Sie sind auf das protestantische Schriftprinzip eingeschwenkt.

Im einzelnen wird dann ausgeführt, daß die Rechtfertigungslehre ein gemeinsames Verständnis zulasse. Man habe durch die Gespräche, die man geführt habe, einen „Konsens in den Grundwahrheiten“ über die Rechtfertigungslehre gefunden. Die unterschiedlichen Entfaltungen in den Einzelaussagen seien damit vereinbar. Einen „Konsens in den Grundwahrheiten“. Ein Konsens in „den Grundwahrheiten“ ist natürlich ein Konsens in allen Grundwahrheiten. Aber in demselben Papier heißt es später, daß es einen „Konsens in Grundwahrheiten“ gebe, also in einigen. Das ist ein Widerspruch. Entweder ein Konsens „in den Grundwahrheiten“, d. h. in allen, oder „in Grundwahrheiten“, d. h. in manchen. Der Widerspruch ist also schon im Text dieses Dokumentes enthalten.

Es wird dann gesagt, daß die Entfaltungen der Grundwahrheiten mit dem Konsens in den Grundwahrheiten vereinbar seien. Was Entfaltungen sind und Grundwahrheiten, wird von den Autoren dieses Papiers in souveräner Unbekümmertheit entschieden. In Wahrheit sind die sogenannten Entfaltungen für die katholische Kirche genauso wichtig wie die Grundwahrheiten. Diese Trennung von Grundwahrheiten und Entfaltungen ist unzulässig, ist wiederum ein Eingehen auf protestantische Prinzipien, wonach es eben im Kanon der Schrift Wahrheiten gibt, die grundlegend sind, und andere, die man vernachlässigen kann. Damit wird eine Harmonisierung vorgetäuscht, die nicht vorhanden ist. Diese Unterscheidung zwischen Grundwahrheiten und Entfaltungen ist unzulässig und verdirbt das ganze Papier. Im einzelnen werden dann folgende Punkte angesprochen.

Erstens:  Das Unvermögen des Menschen angesichts der Rechtfertigung. Da heißt es: „Wir bekennen gemeinsam, daß der Mensch im Blick auf sein Heil völlig auf die rettende Gnade Gottes angewiesen ist. Die Freiheit, die er gegenüber den Menschen und den Dingen der Welt besitzt, ist keine Freiheit auf sein Heil hin.“ Ist keine Freiheit auf sein Heil hin! Das heißt: Der Mensch ist nicht frei, wenn die Gnade über ihn kommt; er kann sie nicht verweigern. Das ist eine Leugnung der Willensfreiheit. Hier ist genau das wiedergegeben, was Luther sagt: „Der Mensch wird entweder von Gott oder vom Teufel geritten.“ Das ist absoluter Unsinn. Der Mensch ist frei, sich für die Gnade zu entscheiden, er ist auch frei, die Gnade abzulehnen. Aber das steht hier. Nach lutherischer Auffassung ist der Mensch unfähig, bei seiner Errettung mitzuwirken. Die katholische Lehre, wie sie vom Konzil von Trient, das von der Erklärung fast völlig beiseite gelassen wird, festgelegt wurde, sagt: Der Mensch wirkt bei der Rechtfertigung mit. Er ist in seiner Freiheit gefordert. Es gibt eine cooperatio. Jawohl, dieses Wort steht im Konzil von Trient – Mitwirkung.

An zweiter Stelle wird die Rechtfertigung als Sündenvergebung und Gerechtmachung beschrieben. Es wird gesagt: „Wir bekennen gemeinsam, daß Gott aus Gnade dem Menschen die Sünde vergibt und ihn zugleich in seinem Leben von der knechtenden Macht der Sünde befreit und ihm das neue Leben in Christus schenkt. Gott rechnet dem Menschen seine Sünde nicht an.“ Das ist wiederum genau die protestantische Auffassung von Rechtfertigung. Rechtfertigung ist Nichtanrechnung der Sünde. Der Mensch bleibt Sünder, aber die Sünde wird ihm nicht angerechnet. Die katholische Rechtfertigung besagt: Der Mensch wird innerlich geheiligt. Der, dem die Sünde vergeben ist, der ist ein Heiliger, und deswegen feiern wir heute das Fest Allerheiligen, weil sie solche waren, die die Rechtfertigung erlangt und bewahrt haben.

An dritter Stelle wird die Rechtfertigung „durch Glauben und aus Gnade“ beschrieben. „Wir bekennen gemeinsam, daß der Sünder durch den Glauben an das Heilshandeln Gottes in Christus gerechtfertigt wird. Der Mensch vertraut im rechtfertigenden Glauben auf Gottes gnädige Verheißung, indem die Hoffnung auf Gott und die Liebe zu ihm eingeschlossen sind.“ Hier ist das protestantische Prinzip sola fide (allein durch Glauben) ausgeprochen, und zwar ist das der sogenannte Fiduzialglaube. Das heißt: Der Mensch vertraut auf Gott, daß er ihm gnädig ist wegen der Heilstat Christi willen. Die katholische Lehre lautet ganz anders. Für die katholische Lehre ist der rechtfertigende Glaube verbunden mit der Hoffnung und mit der Liebe. Nicht der Glaube allein kann ihn rechtfertigen, sondern nur wenn der Glaube wirksam ist in Hoffnung und Liebe, Hoffnung auf Gottes Verzeihung und Liebe zu dem gnädigen Gott. Das Wort sola fide ist also irreführend und seine Übernahme durch dieses Papier ist eine gefährliche Verirrung. Der Glaube, um den es geht, ist nicht nur die vertrauensvolle Hinwendung zu Gott in Christus. Nein, der Glaube ist auch Bekenntnisglaube, er hat einen Inhalt. Er ist nicht nur Vertrauen, sondern er ist auch dogmatischer Glaube, der alles das umfängt, mit einer fides implicita, mit einer eingeschlossenen Glaubenshaltung, was Gott geoffenbart hat. Der protestantische Glaubensbegriff ist verkürzt.

Viertens wird vom Sündersein des Gerechtfertigten gesprochen. Vom Sündersein des Gerechtfertigten! „Wir bekennen gemeinsam“, heißt es da, „daß der Heilige Geist in der Taufe den Menschen mit Christus vereint, rechtfertigt und wirklich erneuert.“ Das klingt nicht schlecht. Aber dann wird die Erklärung gegeben, wie Lutheraner das verstehen, nämlich, daß der Christ „zugleich Gerechter und Sünder“ ist. Das ist ein offenkundiger logischer Widerspruch. Man kann nicht zugleich gerechtfertigt und Sünder sein. Er ist ganz gerecht, heißt es, weil Gott ihm seine Sünde vergibt; er ist ganz Sünder, er bleibt ganz Sünder, weil die Sünde noch in ihm wohnt. Hier zeigt es sich, daß der Protestantismus einen ganz anderen Sündenbegriff hat als die katholische Kirche. Für den Protestantismus ist nämlich die Konkupiszenz, also die Neigung zur Sünde, die im Gerechtfertigten bleibt, eine Sünde. Aber die Neigung zur Sünde ist eben, richtig verstanden, keine Sünde. Sie stammt zwar aus der Sünde, aus der Ur- und Erbsünde, aber sie keine Sünde, keine aktuelle Sünde. Eine aktuelle Sünde ist immer nur eine Verletzung des Willens Gottes in einer bestimmten Sache. Hier wird die Konkupiszenz zur Sünde gestempelt, im Unterschied, im Gegensatz zum Konzil von Trient, das eigens erklärt hat: Die Konkupiszenz ist dem Menschen zum Kampfe belassen, aber sie ist keine Sünde. Diese Akzeptierung der odiosen Formel „simul iustus et peccator“ (zugleich Gerechter und Sünder) ist eine schwere Verletzung des Glaubens des Konzils von Trient.

An fünfter Stelle wird dann von Gesetz und Evangelium gesprochen. Der Mensch ist im Glauben an das Evangelium unabhängig von Werken des Gesetzes. Richtig, oder wenigstens richtig zu verstehen. Der Mensch ist unfähig, sich das Heil durch Werke des Gesetzes zu erwerben, was die erste Rechtfertigung angeht. Die erste Rechtfertigung ist eben die Versetzung aus dem Zustand der Todsünde in den Zustand der Gnade. Hier kommt alles von Gott her; hier ist Gott der entscheidend Wirksame, der freilich den Menschen zur Mitwirkung aufruft und wo die Mitwirkung des Menschen unerläßlich ist. Aber es geschieht tatsächlich aus Gnade, daß Gott den Sünder zum Gerechten macht. Das gilt aber nur für die erste Rechtfertigung. Die zweite Rechtfertigung, die beim Endgericht erfolgt, setzt voraus, daß der Mensch Werke aufzuweisen hat. Sie alle kennen das Evangelium, wo der Herr die Böcke zur linken und die Schafe zur rechten Seite stellt. Und warum? Ja, weil die einen eben Werke aufzuweisen haben, die anderen keine Werke. Das Gericht ergeht also nach den Werken. Es kommt darauf an, was man in der Gnade gewirkt hat. Die zweite Rechtfertigung setzt die Werke notwendig als Bedingung voraus.

An sechster Stelle ist von der Heilsgewißheit die Rede. Das ist ein Punkt, der im Protestantismus seit Luther immer eine ganz große Rolle gespielt hat, nämlich: Im Vertrauen auf Gottes Zusage ist der Mensch seines Heils gewiß. Das ist falsch. Es gibt keine solche Heilsgewißheit. Der Mensch kann hoffen, er kann vertrauen, aber Gewißheit, ob er im Gnadenstande ist, Gewißheit, daß er den Himmel erlangen wird, eine solche Gewißheit gibt es nicht und ist vom Konzil von Trient abgewiesen worden. Gewiß, glauben heißt, sich ganz Gott anvertrauen, aber dieses Sich-Anvertrauen besagt nicht, daß man eine Garantie für die Rettung im Endgericht besitzt.

An siebter Stelle wird von den guten Werken des Gerechtfertigten gesprochen. Die Protestanten sagen: „Die guten Werke“ – und das wird gemeinsam bekannt, gemeinsam! – „folgen der Rechtfertigung nach und sind Früchte der Rechtfertigung.“ Die guten Werke gehen also nach dieser Auffassung aus der Rechtfertigung hervor, was nicht falsch ist. Aber was von protestantischer Seite abgelehnt wird, ist, daß gute Werke verdienstlich sind. Es ist ein katholischer Glaubenssatz: Der Gerechtfertigte, der in der Gnade Befindliche, wer also richtig gebeichtet und würdig kommuniziert hat, kann Verdienste für den Himmel erwerben. Er kann sich die Vermehrung der Gnade und den Himmel verdienen. Das ist ein katholischer Glaubenssatz, und wenn hier in diesem Papier das Wort Verdienstlichkeit in Anführungszeichen gesetzt wird, d. h. im uneigentlichen, nicht im eigentlichen Sinne gebraucht wird, dann ist das ein Verstoß gegen das, was das Konzil von Trient über die Verdienste gelehrt hat.

Die Bedeutung und die Tragweite dieses erreichten Konsenses gestatten nach den Verfassern dieses Papiers, die Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts in neuem Lichte zu sehen. Das heißt (ich lese jetzt wörtlich vor): „Die in dieser Erklärung vorgelegte Lehre der lutherischen Kirchen wird nicht von den Verurteilungen des Trienter Konzils getroffen. Die Verwerfungen der lutherischen Bekenntnisschriften treffen nicht die in dieser Erklärung vorgelegte Lehre der römisch-katholischen Kirche.“ Das Konzil von Trient hat ja nicht nur die Lehre positiv dargelegt, sondern auch die Verirrungen der sogenannten Reformatoren zurückgewiesen. Das nennt man Lehrverurteilungen. Und nun wird hier behauptet: „Die in dieser Erklärung vorgelegte Lehre der lutherischen Kirchen wird nicht von den Verurteilungen des Trienter Konzils getroffen.“ Ja, warum denn nicht? Hat sie sich geändert? Wenn sie sich geändert hat auf die katholische Lehre hin, dann würden wir glücklich sein und uns freuen, und dann könnte man tatsächlich sagen: Protestanten, die nicht mehr die damals verurteilte Lehre vertreten, sind nicht von den Lehrverurteilungen getroffen. Wenn sie aber darauf beharren, und das tun sie selbstverständlich, wie kann man dann sagen, sie seien nicht mehr von den Lehrverurteilungen getroffen? Selbstverständlich sind sie es. Und die Antwort der Glaubenskongregation vom 25. Juni 1998 hat eigens darauf hingewiesen, daß die Lehrverurteilung beispielsweise des Satzes: „Zugleich Gerechter und Sünder“ aufrecht-erhalten bleibt. Daß die Protestanten die katholische Lehre, wie sie hier dargelegt ist, nicht mehr verurteilen, das kann man gut verstehen; denn wenn die katholische Lehre sich der protestantischen anpaßt, dann wird sie auch von den protestantischen Lehrverurteilungen nicht mehr getroffen. Das ist leicht einzusehen.

Meine lieben Freunde, die sich hier vereinigt haben, sind Theologen, die sich schon vorher einig waren. Das sind Leute wie Kasper, den wir ja nun sattsam kennen, und gewisse andere von katholischer Seite, die sich seit langem den protestantischen Vorstellungen angenähert haben und deswegen unbedenklich ein solches Papier verfassen konnten.

Einen gewichtigen Punkt muß ich noch hervorheben, vielleicht den gewichtigsten von allen. Es wird nämlich in der Gemeinsamen Offiziellen Feststellung wie schon in der „Gemeinsamen Erklärung“ gesagt, daß die Rechtfertigungslehre „ein unverzichtbares Kriterium des christlichen Glaubens“ sei. Ein unverzichtbares Kriterium des christlichen Glaubens! Das heißt: An der Rechtfertigungslehre kann man ablesen, was christlich ist und was nicht. Für die Protestanten ist die Rechtfertigungslehre gewissermaßen das Zentraldogma. Von diesem Zentraldogma aus beurteilen sie alles, was in der Kirche geglaubt und getan wird. Und jetzt verstehen wir auch, wie im Zusammenhang mit dieser Unterzeichnung sofort die Forderung laut wurde: Abschaffung des Ablasses in der katholischen Kirche, Herstellung der Abendmahlsgemeinschaft. Ja, es wurde noch viel weitergehend gesagt, daß eben das ganze hierarchische System der Kirche mit der Rechtfertigungslehre nicht zu vereinbaren ist. Tatsächlich. Wenn es nur darauf ankommt, durch Glauben das Heil zu erlangen, dann ist Bußsakrament, dann ist Priestertum, dann ist Meßopfer überflüssig. Hier ist ein Sprengsatz an die Lehre der katholischen Kirche gelegt, der seine Wirkungen noch entfalten wird! Sie werden es erleben, meine lieben Freunde, wie in der nächsten Zeit dauernd Forderungen an die Kirche erhoben werden, dieses und jenes aufzugeben. Erpressungen werden erfolgen, daß man bestimmte Dinge nicht aufrecht erhalten kann, nachdem man dieses Papier unterzeichnet hat. Das alles ist vorausgesehen worden und ist vorausgesagt worden, aber man hat nicht auf die warnenden Stimmen gehört. Die Fürstin Gloria von Thurn und Taxis hat den Papst kurz vor der Annahme des ominösen Papiers noch einmal beschworen, die Unterzeichnung nicht zuzulassen. Aber er hat auf diese kluge und mutige Frau nicht gehört. Er hat auch auf Theologen wie Leo Scheffczyk nicht gehört, den ich für den bedeutendsten, für den genialsten Theologen im deutschen Sprachraum halte. Leo Scheffczyk hat diese Erklärung einer vernichtenden Kritik unterzogen, aber sie blieb unbeachtet; man ist darüber hinweggegangen, als ob sie nicht existierte.

Nun ist noch zu fragen: Welche Verbindlichkeit kommt denn dieser Erklärung zu? Da kann ich Ihnen getrost sagen: Keine. Diese Erklärung ist eine Vereinbarung zwischen Theologen, die sich, wie gesagt, schon vorher einig waren. Der Rat für die Einheit der Christen besitzt keine gesetzgeberische Kompetenz. Er kann also auch nicht uns auferlegen als Gesetz, daß wir das, was hier ausgehandelt wurde, annehmen müßten. Wir beharren, ja wir müssen beharren auf unserem Bekenntnisstande. Was hier zwischen Theologen vereinbart wurde, ändert an unserem Glauben nichts. Der Glaube bleibt unverändert. Es ist der Glaube, wie ihn das Konzil von Trient in lichtvoller Weise dargelegt hat. Wir brauchen uns also durch dieses Papier nicht irremachen zu lassen. Wir wissen: Dogmen stehen über allen Meinungen sonstiger Art. Eine solche Vereinbarung zwischen Theologen kann das, was der Heilige Geist der Kirche auf dem Konzil von Trient zugesprochen hat, nicht zunichte machen.

Wir brauchen also nicht besonders besorgt zu sein, wenn wir auf den Glauben der Kirche schauen. Wir müssen besorgt sein, wenn wir auf die Menschen in der Kirche schauen. Denn da sind manche dabei, die dieses Papier zum Anlaß nehmen werden, uns weiter in den Protestantismus hineinzuführen. Und an der Spitze dieser Leute stehen Bischöfe und Theologen. Das ist die grausame Wahrheit, der wir in der nächsten Zeit entgegenzusehen haben.

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt