Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
22. Juli 2001

Die eucharistische Wriklichkeit

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Gestern abend erhielt ich einen Anruf eines Herrn aus dem Saarland. Während des Gespräches behauptete dieser Herr, nur 10 Prozent der katholischen Priester glaubten an die wahre Gegenwart des Herrn Jesus Christus im eucharistischen Sakrament. Ich halte diese Unterstellung für falsch. Man kann nicht mit Sicherheit aus dem äußeren Verhalten auf die innere Gesinnung schließen. Wenn es so wäre, wie dieser Herr behauptete, dann wäre das eine Katastrophe. Aber noch einmal: Ich bin nicht überzeugt, daß er recht hat. Doch soll uns die Befürchtung, daß der Glaube an das eucharistische Opfersakrament schwinden könnte, Anlaß sein, heute und, so Gott will, an vielen Sonntagen über das eucharistische Geheimnis nachzudenken. Diese Wirklichkeit steht in der Mitte der Kirche. Sie macht das Wesen der katholischen Kirche aus. Für dieses Geheimnis kündigen wir jede Freundschaft! Für dieses Geheimnis schlagen wir jede Schlacht!

Die Eucharistie ist das Sakrament des Leibes und Blutes Jesu Christi unter den Gestalten von Brot und Wein zur opferhaften Gedächtnisfeier des Kreuzesopfers von Golgotha und zur geistlichen Nahrung. Die Eucharistie ist die gegenwärtigsetzende, opferhafte Gedächtnisfeier des Geschehens von Golgotha. In dem eucharistischen Geheimnis vollzieht die Kirche ihr Wesen. Weit, weit überlegen über die übrigen Sakramente ist dieses Sakrament, weil in ihm die Wirklichkeit Jesu Christi und die Einheit zwischen Christus und seiner Kirche zur Darstellung, zur lebendigen, zur wirklichen Darstellung kommt. Die eucharistische Wirklichkeit steht in der Mitte der Kirche und in der Mitte der sakramentalen Welt.

Über das eucharistische Geheimnis hat die Kirchenversammlung von Trient sich einleuchtend und immer gültig ausgesprochen. Ich lese Ihnen den entscheidenden Text des Konzils von Trient vor. „Das ist der heiligsten Eucharistie mit den übrigen Sakramenten gemeinsam, daß sie sinnfälliges Zeichen einer heiligen Sache und sichtbare Gestalt der unsichtbaren Gnade ist. Das aber ist das Hervorragende und Einzigartige an ihr, daß die übrigen Sakramente dann erst ihre heiligende Kraft besitzen, wenn man sie gebraucht, in der Eucharistie aber der Urheber der Heiligkeit vor ihrem Gebrauche da ist. Denn noch hatten die Apostel die Eucharistie nicht von der Hand des Herrn empfangen, als er dann doch schon in Wahrheit aussagte, das, was er gebe, sei sein Leib. Und stets war in der Kirche dieser Glaube, daß gleich nach der Weihe der wahre Leib unseres Herrn und sein wahres Blut unter der Gestalt von Brot und Wein zugleich mit seiner Seele und mit der Gottheit da sei, und zwar kraft der Worte der Leib unter der Gestalt des Brotes und das Blut unter der Gestalt des Weines, der Leib aber unter der Gestalt des Weines und das Blut unter der Gestalt des Brotes und die Seele unter beiden kraft jener natürlichen Verknüpfung uned Zusammengehörigkeit, die alle Teile Christi, des Herrn, verknüpft, der schon von den Toten erstanden ist und nicht mehr sterben wird, die Gottheit ferner wegen jener wunderbaren hypostatischen Vereinigung mit Leib und Seele. Und so ist es ganz wahr, daß ebenso viel unter jeder der beiden Gestalten enthalten ist wie unter beiden. Denn der ganze und unversehrte Christus ist da unter der Gestalt des Brotes und unter jedem Teil dieser Gestalt, und ebenso ist er ganz da unter der Gestalt des Weines und unter ihren Teilen.“ Diesen gewaltigen Text gilt es heute und an den kommenden Sonntagen zu analysieren.

Das eucharistische Opfersakrament ist verschieden von den übrigen Sakramenten. Es ist diese Verschiedenheit eine zweifache. Die Gnade ist bei den übrigen Sakramenten eine Kraft, die durch das Sakrament hindurchfließt, eine fließende Kraft. Im eucharistischen Opfersakrament ist der Urheber der Gnade mit Fleisch und Blut, mit Leib und Seele, mit Gottheit und Menschheit enthalten. Die übrigen Sakramente werden erst verwirklicht, wenn sie empfangen werden. Die Taufe wird dann gespendet, wenn der Täufling das Wasser über sich fließen spürt. Anders in der Eucharistie. Hier ist das Sakrament schon vorhanden vor dem Empfang. Empfang und Zustandekommen fallen nicht zusammen, sondern was schon zustande gekommen ist, wird dann später empfangen. Konsekration und Kommunion fallen nicht zusammen.

Dennoch besteht ein Zusammenhang des eucharistischen Opfersakramentes mit der sakramentalen Welt, mit dem Bereich der Sakramente. Auch das eucharistische Opfersakrament nimmt teil am Wesen der Sakramente. Es gibt eben zwei Wirklichkeiten, die natürliche und die sakramentale Wirklichkeit. Diese zwei Wirklichkeiten zeigen sich beim eucharistischen Opfersakrament sehr deutlich. Die natürliche Wirklichkeit des Kreuzesopfers ist vor zweitausend Jahren auf dem Golgothahügel in Jerusalem vollzogen worden. Dieses Opfer ist abgeschlossen; es kann nicht wiederholt, es kann auch nicht in einem eigentlichen Sinne fortgesetzt werden, aber es kann gegenwärtiggesetzt werden, repräsentiert werden. Das eucharistische Opfersakrament kann gleichsam in die Gegenwart eintreten, und zwar in sakramentaler Weise. Die sakramentale Wirklichkeit ist eine echte Wirklichkeit, aber sie ist von der natürlichen Wirklichkeit unterschieden. Gott hat dafür gesorgt, daß das, was auf natürliche Weise in Jerusalem geschehen ist, auf sakramentale Weise der Kirche und den Menschen aller Zeiten gegenwärtig wird, eben im eucharistischen Opfersakrament. Das eucharistische Opfersakrament ist die opferhafte Gegenwärtigsetzung des Kreuzesopfers, und zwar zu dem Zweck, damit die Menschen in Tod und Auferstehung des Herrn eingehen können. Die sakramentale Teilnahme an Tod und Auferstehung ist der Zweck der Gegenwärtigsetzung des Opfers Christi am Kreuze.

Die Eucharistie ist ein Opfer, weil das eucharistische Geschehen die Gegenwärtigsetzung des Kreuzesopfers ist. Sie muß ein Opfer sein, denn anders kann das Opfer Christi nicht gegenwärtiggesetzt werden, als indem eben geopfert wird. Das Opfer ist der Hintergrund des ganzen Geschehens. Das hindert nicht, daß dieses Opfer unter den Zeichen von Brot und Wein geschieht, die auf das Mahl deuten. Es ist nicht falsch, zu sagen, daß die Eucharistie auch ein Mahl ist. Sie ist Opfer und Mahl zugleich. Wir beten, wenn wir das Allerheiligste ausgesetzt haben, das schöne Gebet: „O Gott, du hast uns  im eucharistischen Opfersakrament unter den Gestalten von Brot und Wein deinen heiligen Leib und dein heiliges Blut geschenkt. Gib, daß wir die Geheimnisse deines Leibes und Blutes immer so verehren, daß wir die Frucht deines Opfers allezeit in uns verspüren.“ Auch wenn es sich um Gestalten handelt, die für Essen und Trinken bestimmt sind – Brot und Wein sind ja für Essen und Trinken bestimmt –, so sind es doch Gestalten, die aus dem Opfer hervorgehen. Es ist das geopferte Blut Christi, es ist der geopferte Leib Christi, es ist der „Christus passus“, wie Thomas von Aquin sagt, es ist der „leidende Christus“, der Christus in seinem Opfer, der im eucharistischen Sakrament zugegen wird. Das eucharistische Geschehen ist als Ganzes Sakrament. Es ist Sakrament sowohl als Opfer als auch als Mahl. Es ist Opfersakrament, und es ist Mahlsakrament. Es ist sakramentales Opfer und sakramentales Mahl. Beides gilt es festzuhalten. Wer eines vom anderen trennt, läuft in die Irre.

Man kann das eucharistische Geschehen in verschiedener Hinsicht betrachten, zunächst in seinem Vollzug und in seinem Bestande. Das eucharistische Opfer in seinem Vollzug ist das Geschehen, das sakramentale Geschehen der Gegenwärtigsetzung des Kreuzesopfers Christi. In seinem Bestande ist das eucharistische Opfersakrament die Gegenwart, die leibhaftige Gegenwart des ganzen Christus. In der Konsekration werden zwei Wirklichkeiten hervorgebracht, einmal das Geschehen von Golgotha, die Akt-Gegenwart des Opfergeschehens am Kreuze, und die Seins-Gegenwart, die fortdauernde Gegenwart des Leibes und Blutes Jesu Christi. Beides gilt es festzuhalten, Seins-Gegenwart und Akt-Gegenwart. Die Seins-Gegenwart dient der Akt-Gegenwart. Wir feiern das Opfer Christi, weil es ein Geschehen ist und damit wir in das Geschehen eingehen können. Wir beten den nach dem Opfer bei uns bleibenden Herrn an, damit wir ihn gebührend verehren können und damit wir ihn hintragen können zu den Kranken und zu den Sterbenden. Beides muß festgehalten werden: die Seins-Gegenwart und die Akt-Gegenwart.

Man kann auch von einer metaphysischen und einer heilshaften Sicht des eucharistischen Opfersakramentes sprechen. Metaphysisch, d. h. dem Sein nach, ist die Gegenwart Christi wirklich und wahrhaftig gegeben. Es ist eine Gegenwart, die so wirklich ist wie jede andere, ach, was sage ich, die viel wirklicher als jede geschaffene Gegenwart. Die heilshafte Gegenwart dient dagegen dazu, uns in das Opfergeschehen hineinzuführen. Die Seins-Gegenwart dient der Akt-Gegenwart, die metaphysische Gegenwart dient der heilshaften Gegenwart, damit wir das Heil gewinnen. Das Heil kann man eben nur gewinnen, indem man in das Geschehen von Golgotha eingeht. Wer sich weigert, in das Kreuzesopfer Christi einzugehen, der findet das Heil nicht, und deswegen müssen wir Opfer feiern, deswegen müssen wir Eucharistie halten, deswegen müssen wir am Sonntag zusammenkommen, um das Opfer Christi gegenwärtigzusetzen.

Manches über das Wesen des eucharistischen Opfersakramentes kann man verstehen, wenn man sich die Bezeichnungen vergegenwärtigt, die diesem Geschehen gegeben werden. Seit geraumer Zeit ist die Bezeichnung „Eucharistie“ vorherrschend geworden. Sie ist richtig. Eucharistie heißt Danksagung. Im heiligen Meßopfer wird Danksagung betrieben, aber Danksagung nicht bloß mit Worten, sondern Danksagung durch Handeln. Es ist eine Danksagung durch ein Geschehen. Indem wir uns das Opfer Christi zu eigen machen und ihn dem Vater im Himmel aufopfern, sagen wir ihm Dank für das, was Gott durch ihn für uns bewirkt hat. Eucharistie ist Danksagung durch Wort und Werk. Verwandt mit dieser Bezeichnung ist die andere: „Eulogie“, Segenswort. Auch diese Bezeichnung vermag uns etwas auszusagen vom Wesen des Meßopfers, denn durch das Segenswort, d. h. durch das Konsekrationswort des Priesters wird ja die Gegenwart Christi hergestellt. Eulogie ist deswegen durchaus treffend als Bezeichnung für das eucharistische Geschehen.

In der Heiligen Schrift wird das eucharistische Opfer als „Brotbrechen“ bezeichnet, so in der Apostelgeschichte. Auch der Apostel Paulus spricht vom Brotbrechen, vom Tisch des Herrn. Das ist nicht falsch, denn hier wird tatsächlich das Mahl bereitet für diejenigen, die würdig sind, daran teilzunehmen. Dieses Brotbrechen ist ein Ausschnitt aus dem Gesamtgeschehen, aber ein sehr wichtiger Ausschnitt, denn durch dieses Brotbrechen wird uns die Teilnahme am gegenwärtigen Christus leibhaftig vermittelt.

Die Eucharistie wird auch als „Engelsbrot“ bezeichnet. Diese Bezeichnung will darauf hinweisen, daß die Engel Gott anbeten, ihn schauen und durch dieses Schauen gleichsam genährt und erhalten werden. Und so ist es auch mit der Eucharistie. Es ist das ein himmlisches Brot, ein Engelsbrot, das uns nährt und das unser Leben erhält.

Früher war die Bezeichnung „Messe“ oder „heilige Messe“ oder „Meßopfer“  vorherrschend. Das Wort Messe kommt von einem lateinischen Wort, das wir heute noch in den meisten heiligen Messen sprechen, nämlich: „Ite, missa est“ – „Gehet, es ist Entlassung“ oder „Gehet, es ist Sendung.“ Hier hat man einen Teil der heiligen Messe, nämlich den Schlußteil, zur Bezeichnung für die gesamte eucharistische Wirklichkeit verwendet. Es ist ein kurzer Name, ein Name, der leicht zu merken und zu handhaben ist, und deswegen ist er eben auch für uns Ältere die wesentliche und die entscheidende Bezeichnung des eucharistischen Geschehens geworden. Wir brauchen uns nicht daran zu stoßen, daß „Gehet , ihr seid entlassen“ früher dazu verwendet wurde, um diejenigen, die nicht an der Opferfeier teilnehmen durften, nämlich die Katechumenen, aus dem Gotteshaus fortzuschicken. Das ist heute natürlich nicht mehr der Sinn, sondern wenn wir heute sagen: „Ite, missa est“, dann können wir denken: Es ist Sendung, denn das Wort „mittere“ heißt ja auch „senden“. Ihr seid gesandt. Jetzt, nachdem ihr am Opfer teilgenommen habt, jetzt, nachdem ihr den Leib des Herrn empfangen habt, jetzt beweist das, was euch gegeben wurde, im täglichen Leben! Jetzt seid gesandt hinaus in die Welt, durch die Opferfeier Christi gestärkt, durch das Brot des Lebens, durch das Engelsbrot genährt.

Meine lieben Freunde, wenn wir die Aussetzung des Allerheiligsten vornehmen, beten wir: „Brot vom Himmel hast du ihnen gegeben, o Herr, das alle Süßigkeit in sich enthält.“ Dann spricht der Priester: „O Gott, du hast uns in diesem wunderbaren Sakrament das Gedächtnis deines Leidens hinterlassen. Wir bitten dich, laß uns die Geheimnisse deines Leibes und Blutes so verehren, daß wir die Frucht deiner Erlösung immerdar verspüren.“

Amen.

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