Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
31. Mai 1998

Das Wirken des Geistes Gottes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, in heiliger Pfingstfreude Versammelte!

Niemand kann sagen: Jesus ist der Herr, außer im Heiligen Geiste. Gott hat den Sohn geschickt, aber er hat auch den Geist gesandt, und der Geist ist eines Wesens mit dem Vater. Er ist auch eines Wesens mit dem Sohne. Die heiligste Dreifaltigkeit ist untrennbar und von gleicher Majestät. Aber in der heiligsten Dreifaltigkeit ist ein dreifaches Ich, sind drei Personen, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Diese göttliche Dreifaltigkeit ist auch im Wirken nach außen eines. Wenn der Sohn gesandt wird, ist immer der Vater und der Heilige Geist dabei, und zwar der Sohn als Gesandter und der Heilige Geist als Gehauchter, der Vater als der Sendende und als der Hauchende. Ob man die Trinität nun in ihrem inneren Wesen betrachtet, oder ob man sie anschaut in ihrem Heilswerk, sie ist immer unteilbar, untrennbar und in allen Werken nach außen gemeinsam. Wir erkennen die Trinität in der Kirche. In der Kirche sind es die heiligen Schriften, ist es die Überlieferung, ist es das vom Geist erleuchtete Lehramt, sind es die sakramentalen Vollzüge, ist es das Leben und Wirken der Heiligen, ist es auch der missionarische und apostolische Dienst, sind es die Charismen und Dienstämter, aus denen wir den Heiligen Geist erkennen. Die Kirche ist der Ort, in dem wir den Heiligen Geist erkennen.

Am heutigen Pfingsttage feiern wir nicht die innertrinitarische Wirklichkeit, sondern das Wirken der Trinität nach außen. Wir feiern das Kommen des Geistes. Wir feiern seine Sendung. Er geht vom Vater und vom Sohne aus, er wird vom Vater und vom Sohne gesandt, er, der mit ihnen gleichen Wesens ist und zugleich mit ihnen angebetet und verherrlicht wird. Die Heilsökonomie, das Heilswerk, ist immer das gemeinsame Werk des Vaters, Jesu und des Heiligen Geistes. Sie sind beisammen, wenn Jesus sein Heilswerk vollbringt. Auch die beiden Personen, die in der Vorbereitung auf das Kommen Jesu tätig waren, sind vom Heiligen Geiste erfüllt, nämlich Johannes der Täufer und Maria. Von Johannes dem Täufer heißt es in der Heiligen Schrift, daß er schon im Mutterleib vom Heiligen Geist erfüllt war. Im Vorläufer Jesu vollendet der Herr die vorbereitende Tätigkeit. Er ist ja ausgezogen, dem Herrn ein bereites Volk zu schaffen, und diese Tätigkeit vollzieht der Vorläufer Johannes im Heiligen Geiste. Er kommt, um dem Herrn ein bereites Volk zu schaffen. In Johannes dem Täufer vollendet sich auch das Prophetenwesen. Johannes ist der letzte der Propheten. Die Propheten heben an mit Elias, und durch all die Jahrhunderte sind sie aufgetreten. Jetzt aber ist der letzte der Propheten gekommen; in ihm vollendet sich das Prophetentum. Er kündigt nicht nur den Messias an, er weist auf ihn hin. „Seht das Lamm Gottes! Auf wen du den Geist herabkommen und bleiben siehst, der ist es, der mit dem Heiligen Geiste tauft.“ So ist Johannes der vom Heiligen Geist gesandte Vorläufer. „Es ward ein Mann von Gott gesandt, sein Name war Johannes. Er sollte Zeugnis geben von dem Lichte, auf daß alle durch ihn zum Glauben kämen.“

Ähnliches und noch weit mehr gilt von Maria. Auch sie ist vorbereitet für ihre Sendung. Die Vorbereitung geschieht durch den Heiligen Geist. Der Heilige Geist kommt über sie und bereitet sie für die große Aufgabe, die ihr Gott zugedacht hat. Sie wird schon vom ersten Augenblick ihres Daseins an geheiligt, und es kann niemand anderes sein als der Heilige Geist, der sie heiligt, der sie von der Erbsünde – nun, nicht befreit, sondern bewahrt. Maria ist die Ersterlöste, weil der Heilige Geist eine würdige Wohnung für das Kommen des Messias schaffen wollte. Maria ist durch den Heiligen Geist, durch die Überschattung des Heiligen Geistes als Jungfrau fruchtbar geworden. „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und du wirst einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben.“ Der Heilige Geist hat in Maria die menschliche Natur Jesu gewirkt. Im Heiligen Geist hat Maria dann den Jubelgesang ausgesprochen: „Hoch preiset meine Seele den Herrn, und es frohlockt mein Geist in Gott, meinem Heiland, denn angeschaut hat er seine niedrige Magd. Siehe, von nun an werden mich seligpreisen alle Geschlechter. Großes hat an mir getan, der da heilig ist.“ Maria hat im Heiligen Geiste den Lebensweg und das Leiden ihres Sohnes begleitet. Sie ist nach seiner Auferstehung mit den Jüngern zusammen im Abendmahlssaale und erwartet das Kommen des Geistes. Und als am Pfingstfest im Sturmesbrausen der Geist sich naht, da befindet sich Maria mitten unter den Aposteln. Sie ist die geisterfüllte, die begeisterte Frau, die der Geist sich geschaffen hat, um dem Christus eine würdige Wohnung zu bereiten.

Erst recht aber gilt natürlich das Erfülltsein vom Heiligen Geist von Jesus Christus. Allen anderen wurde der Geist nur stückweise gegeben, er besitzt ihn in Fülle. Christus ist der Geisterfüllte, und das sagt auch sein Name aus, Messias, d.h. der Gesalbte. Womit ist er denn gesalbt? Nicht mit Öl; gesalbt ist er mit Heiligem Geiste. Der heilige Geist ist die Antriebskraft seines Lebens. Er wurde vom Geist in die Wüste geführt , heißt es, natürlich vom Heiligen Geist, um dort versucht zu werden und in der Versuchung sein Messiastum zu behaupten gegen den Versucher.

Jesus hat oft vom Heiligen Geist gesprochen. Er hat ihn verheißen und er hat ihn gesandt. Bei seiner Antrittsrede schon macht er klar, daß er der vom Heiligen Geist verheißene Messias ist. Die Propheten haben immer zwei Dinge angekündigt,  nämlich erstens das Kommen des Messias und zweitens die Ausgießung des Geistes. Beides läuft nicht nebeneinander her, sondern Messias und Geist sind beisammen. So heißt es beim Propheten Isaias: „Ein Reis wird sprossen aus dem Wurzelstock Jesse, ein Schößling bricht aus seiner Wurzel hervor. Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn. An der Furcht des Herrn hat er sein Wohlgefallen.“ Diese Ankündigung ist in Jesus, dem Messias, wahr geworden. Als er seine Antrittsrede hielt, in der Kraft des Geistes nach Galiläa zurückgeführt, wie der Evangelist Lukas sagt, da ließ er sich die Schriftrolle geben in der Synagoge und las den Anwesenden die Stelle vor, wo geschrieben steht: „Der Geist des Herrn ruht auf mir, weil er mich gesalbt hat. Den Armen Heilsbotschaft zu bringen, hat er mich gesandt, zu heilen, die zerknirschten Herzens, den Gefangenen Befreiung, den Blinden das Augenlicht zu verkünden, die Niedergedrückten in die Freiheit zu entlassen, das Gnadenjahr des Herrn und den Tag der Vergeltung zu verkünden.“ Als er dann die Buchrolle zusammengerollt und sie dem Diener zurückgegeben hatte, die Anwesenden sich setzten und alle Augen auf ihn gerichtet waren, da begann er zu sprechen: „Heute ist diese Schriftstelle vor euren Augen in Erfüllung gegangen.“ Jetzt ist der Messias da, und mit ihm ist sein Geist da. Wenn der Messias kommt, muß auch der Geist kommen. Und so hat der Herr in seiner Verkündigung oft vom Heiligen Geist gesprochen, wie uns vor allem der Evangelist Johannes versichert. Dem Nikodemus, der ihn nächtens besucht, erklärt er: „Wenn jemand nicht wiedergeboren wird aus dem Wasser und dem Geiste, so kann er nicht in das Reich Gottes eingehen. Was aus dem Fleische geboren ist, das ist Fleisch; was aus dem Geiste geboren ist, das ist Geist. Wundere dich nicht darüber, daß ich dir gesagt habe: Ihr müßt wiedergeboren werden. Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Brausen. Aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist es bei jedem, der aus dem Geiste geboren ist.“ Die geheimnisvolle Kraft des Geistes wird hier geschildert.

Ähnlich spricht auch der Herr zu der samaritischen Frau am Jakobsbrunnen. Er bittet sie um Wasser, und dann führt er sie auf höhere Gefilde. „Würdest du Gottes Gabe kennen und wissen, wer der ist, der zu dir spricht: ‘Gib mir zu trinken!’, so  hättest du ihn wohl gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gereicht.“ Dieses lebendige Wasser ist von solcher Art, daß, wer von ihm trinkt, nicht mehr dürstet in Ewigkeit. Und das ist das Wasser, sagt der Herr, „das ich ihm geben werde. Es wird in ihm zur Quelle, die ins ewige Leben hinüberströmt“. Die beiden unterhalten sich dann über die Anbetung, auf dem Berge Garizim üben sie die Samariter, die Juden in Jerusalem. Aber der Herr überschreitet weit diese räumliche Bestimmung. „Es kommt die Stunde, und sie ist schon da, in der die wahren Anbeter des Vaters im Geist und in der Wahrheit anbeten, denn solche Anbeter sucht der Vater.“ Gott ist Geist, und die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten. Und noch ein letztes Mal hat der Herr vom Heiligen Geist gesprochen. Auf dem Höhepunkte des Festes in Jerusalem, da rief er aus: „Wen dürstet, der komme zu mir und trinke. Wer an mich glaubt, aus dessen Inneren werden, wie die Schrift sagt, Ströme lebendigen Wassers fließen.“ Damit meinte er den Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glauben. Weil nämlich Jesus noch nicht verherrlicht war, war der Geist noch nicht mitgeteilt.

Das war die  Verkündigung Jesu vom Geiste. In seiner letzten Stunde, nämlich vor dem Leiden, verheißt er den Geist. Da spricht er in seinen Abschiedsreden deutlich vom Kommen des Geistes. „Ich werde den Vater bitten, und er wird euch (an meiner Stelle) einen anderen Beistand geben, der ewig bei euch bleiben soll, den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt. Ihr kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird. Der Beistand“, so fährt der Herr fort, „der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“ Und von diesem Geiste sagt der Herr: „Es ist gut für euch, daß ich hingehe. Denn wenn ich nicht hingehe, so wird der Beistand nicht zu euch kommen. Wenn ich aber hingehe, werde ich ihn euch senden.“ Was wird dieser Geist tun, wenn er gesandt ist? „Wenn der Geist kommt, wird er die Welt überführen von der Sünde und von der Gerechtigkeit und vom Gerichte.“

Das ist also eine der wesentlichen Aufgaben des Geistes, wenn er kommt, die Welt zu überführen von der Sünde , daß es eine Sünde gibt und nicht bloß psychologische Mätzchen, mit denen man die Sünde vertuscht, daß es ein Gericht gibt und daß mit dem Tode nicht alles zu Ende ist, und daß es eine Gerechtigkeit gibt, eine Gerechtigkeit nicht nur für Jesus, auch für alle, die an Jesus glauben und die ihm gefolgt sind. „Er, der Geist, wird mich verherrlichen, denn er wird von dem Meinigen nehmen und es euch verkünden.“

Das sind die Verheißungen, die Jesus vom Geiste gemacht hat. Und als er dann verherrlicht war, als der Geist ihn aus dem Grabe erhoben hatte und seinen Leib verklärt hatte, da hat er sogleich den Geist gesandt, denn noch am Abend des Auferstehungstages sagt er den Aposteln: „Empfanget den Heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden nachlassen werdet, denen sind sie nachgelassen. Welchen ihr sie behalten werdet, denen sind sie behalten.“ Und in der Kraft des Geistes sollten sie das Evangelium bis an die Grenzen der Erde tragen. Darum mußten sie warten, bis der Geist in Fülle auf sie herabkam, was am 50. Tage nach Ostern geschehen ist. Da waren alle beisammen, und da erhob sich ein Brausen, und in diesem Brausen nahte sich der Heilige Geist und erfüllte die Menge, und alle staunten über ihre Sprachengabe, denn ein jeder hörte sie in seiner Sprache reden. Sie konnten eine gemeinsame Sprache führen, weil sie die Großtaten Gottes verkündeten. Die Menschen heute verstehen sich nicht, weil sie nur von ihren kleinen menschlichen Taten reden. Wenn sie die Großtaten Gottes verkünden würden, dann würden sie sich verstehen.

Nach einer jüngsten Umfrage, meine lieben Freunde, wissen vier von fünf Deutschen nicht, was an Pfingsten gefeiert wird. Sie kennen nicht den Heiligen Geist, weil sie den Vater nicht kennen und weil sie den Sohn nicht kennen. Sie denken an den Pfingstausflug und an gutes Essen und Reisen. Aber sie denken nicht daran, ihr Herz zu bereiten für die Ankunft des Heiligen Geistes. Auch hier gilt das Wort: Der Geist kommt nach dem Maße unserer Empfänglichkeit. Je mehr wir disponiert sind, ihn zu empfangen, um so reicher werden seine Gnadengeschenke an uns sein. Wir müssen also am heutigen Tage uns bemühen, unsere Sehnsucht nach dem Geiste zu erwecken, unsere heißen Gebete zum Himmel schicken.

„Komm, o Geist der Heiligkeit

aus des Himmels Herrlichkeit.

Sende deines Lichtes Strahl!

Vater aller Armen du,

aller Herzen Licht und Ruh,

komm mit deiner Gaben Zahl.

Tröster in Verlassenheit,

Labsal voll der Lieblichkeit,

komm, o süßer Seelenfreund!“

Amen.

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