Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
18. Mai 1986

Ich glaube an den Heiligen Geist

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, in heiliger Pfingstfreude Versammelte!

Im Glaubensbekenntnis kommen wir, nachdem wir vom Vater und vom Sohne Zeugnis abgelegt haben, zum Heiligen Geist. „Ich glaube an den Heiligen Geist, den Herrn und Lebensspender, der vom Vater und vom Sohne ausgeht, der mit dem Vater und dem Sohne zugleich angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten.“

Dieser Teil des Glaubensbekenntnisses war nicht von Anfang darin enthalten, denn es war eine Selbstverständlichkeit, daß die junge Christenheit, die vom Heiligen Geist erfüllt und getrieben war, an den Heiligen Geist glaubte. Als aber Irrlehrer aufstanden, die den Heiligen Geist ignorierten oder leugneten, da mußte die Kirche sich feierlich zum Heiligen Geist bekennen. Das ist geschehen auf dem Konzil zu Konstantinopel im Jahre 381. Gegen den Irrlehrer Mazedonius hat die Kirche damals sich feierlich bekannt zum Heiligen Geist als gleichem Gott mit Vater und Sohn. „Ich glaube an den Heiligen Geist, den Herrn und Lebensspender.“ Herr, das ist ein Wort – die Übersetzung des griechischen Kyrios –, das nur Gott zukommt, dem Vater, dem Sohne, aber auch dem Heiligen Geiste. Deswegen rufen wir ja in der heiligen Messe „Kyrie eleison“ – Herr, Heiliger Geist, erbarme dich unser!

Der Heilige Geist ist genauso Gott wie der Vater und der Sohn. „Gott von Gott, Licht vom Lichte“ wird vom Sohn ausgesagt. Dasselbe aber gilt vom Heiligen Geiste. Er wird mit dem Vater und dem Sohn zugleich, gleichzeitig und in gleicher Weise angebetet und verherrlicht. Anbetung und Verherrlichung wird nur Gott geschuldet, und weil der Heilige Geist Gottes Natur hat, deswegen wird er angebetet und verherrlicht. Was vom Vater und vom Sohne ausgeht, wie die gegenseitige Liebe, das kann  nur Gott sein. In dem großen Gespräch, das Vater und Sohn miteinander führen, da kann nur etwas Göttliches hervorgehen, nämlich der Heilige Geist; das ist die Atmosphäre, das ist der Hauch, in dem sich das innertrinitarische Gespräch zwischen Vater und Sohn vollzieht. So wie eine Kerze, die an einer anderen angezündet ist, Licht ist, so wie der Dunst, der aus dem Wasser hervorsteigt, Wasser ist, so ist der Hauch des Vaters und des Sohnes Gott, Heiliger Geist.

Der Heilige Geist wird als der Lebensspender bezeichnet. Das deutet auf seine Funktion. Der Heilige Geist ist nicht etwas in sich Ruhendes, Starres, er ist etwas Lebendiges, er ist der Lebendigmacher. Er teilt die Gnaden aus, die Christus uns am Kreuze verdient hat. Er schafft nichts Neues, sondern er nimmt aus dem Gnadenschatze, den der Heiland uns erworben hat, und teilt ihn den Menschen aus. Das ist bei den Aposteln geschehen, das geschieht bei der Kirche, das geschieht in jeder einzelnen Seele. Was wirkt, was hat gewirkt der Heilige Geist bei den Aposteln? Er hat sie erleuchtet, gestärkt und geheiligt. Das waren einfache Männer. Sie hatten keine hohe Bildung. Sie  waren nicht zu Füßen der Philosophen gesessen, sie hatten nicht die Universitäten der damaligen Zeit in Athen oder Alexandrien besucht. Sie waren Handarbeiter. Diese Männer brauchten die Erleuchtung. Diese Erleuchtung, diese innere Belehrung hat ihnen der Heilige Geist gewährt, so daß sie Schriften schreiben konnten, die wir heute noch vorlesen in den Gottesdiensten, nämlich die Evangelien und die Briefe des Neuen Testamentes. Wahrhaftig, der Heilige Geist hat sie erleuchtet, denn in diesen Schriften ist eine Weisheit enthalten, die man bis ans Ende der Zeiten nicht voll wird ausloten können. Er hat sie gestärkt. Wahrhaftig, das hatten sie nötig in einer Welt von Feinden, bei einem so minimalen Anfang. Das ist ja aussichtslos, hätte jeder gesagt, das ist ja hoffnungslos, eine solche verfaulte, mit tausend falschen Göttern erfüllte Welt zu bekehren. Was habt ihr euch da vorgenommen? Seid ihr verrückt geworden?

Nein, in der Kraft des Heiligen Geistes haben sie sich aufgemacht und sind ausgezogen, nach Persien, nach Kleinasien, nach Griechenland, nach Spanien, „bis an die Grenzen der Erde“. Der Heilige Geist hat sie gestärkt. Und er hat sie geheiligt. Auch diese Männer hatten ihre Fehler und Schwächen. Wir wissen von dem traurigen Verhalten des Petrus angesichts der Gefangennahme des Herrn. Aber auch die anderen sind geflohen. Jetzt hat der Heilige Geist sie geheiligt, daß sie wahrhaft erfüllt wurden mit Gnade und Licht und daß sie als Heilige andere von der Botschaft des Herrn nicht nur mit dem Wort, sondern auch mit dem Beispiel überzeugen konnten. Das hat der Heilige Geist gewirkt an den Aposteln. Er hat sie erleuchtet, er hat sie gestärkt, er hat sie geheiligt.

Was wirkt der Heilige Geist in der Kirche? Der Heilige Geist lehrt, heiligt und leitet die Kirche in unsichtbarer Weise bis ans Ende der Welt.

Er lehrt die Kirche. Wenn es nach den Theologen, nach vielen Theologen ginge, dann wären schon manche Lehren der Kirche aufgegeben, weil sie angeblich nicht in die Zeit passen, weil sie angeblich überholt sind. Aber da ist noch einer, der sorgt dafür, daß das nicht untergeht, was der Herr seiner Kirche mitgeteilt hat, und den nennen wir den Heiligen Geist! Er lehrt seine Kirche. Es hat manchmal auch ein Papst gezögert, eine harte Wahrheit zu verkündigen, und viele Bischöfe sind irre geworden am Glauben; aber die Kirche als ganze hat niemals die Lehre des Herrn verleugnet. Sie hat lieber ganze Länder geopfert – wie England –, statt daß sie von der Lehre des Herrn abgefallen wäre, in diesem Falle von der Lehre des Herrn über die Unauflöslichkeit der Ehe. Nein, da ist einer, der die Kirche lehrt, und dieser Lehrer ist weiser als alle menschlichen Lehrer, und den nennen wir den Heiligen Geist.

Er heiligt die Kirche. Immer wieder und allezeit ist die Kirche fruchtbar an Heiligen. Es gibt auch heute heilige und heiligmäßige Menschen. O ja, es gibt sie! Sie stehen gewöhnlich nicht im Rampenlicht, sie werden nicht vorgezeigt, sie sind häufig verborgen, ja sogar verkannt; aber es gibt auch heute Heilige in unserer Kirche, heilige Kinder, heilige Jugendliche, heilige Erwachsene. Auch heute wird heroische Tugend in der Kirche geübt. Das ist die Frucht des Heiligen Geistes, das ist sein Werk; denn wir können ja aus uns nichts tun. Wenn der Heilige Geist nicht heiligt, aus eigener Kraft sind wir nicht fähig, heilig zu werden, da haben wir zu starke niederziehende Kräfte in uns, da sind die Verlockungen von außen zu stark. Da muß der Heiliger kommen, der Heilige Geist, damit wir heilig werden.

Und er lenkt die Kirche. Das ist vielleicht am schwersten zu glauben. Denn manchmal fragen wir: Ja, wo ist die Lenkung der Kirche, wo ist die Leitung der Kirche? Ist das nicht eher ein Dahinwursteln und ein Finassieren und ein Lavieren? Wir dürfen nicht irre werden an der Leitung der Kirche durch den Heiligen Geist. Es ist nicht jeden Tag offensichtlich, daß die Kirche vom Heiligen Geist geleitet wird, aber es zeigt sich immer wieder an Kreuzungspunkten, daß der Heilige Geist mächtig ist auch in noch so schwachen Vertretern der kirchlichen Leitung. Auch in noch so schwachen Bischöfen und Päpsten ist der Heilige Geist wirksam. Und oft vermögen wir, wenn unsere Augen nicht gehalten sind, einen Punkt der Kirchengeschichte anzugehen, wo wir sagen: Das wäre nicht möglich gewesen ohne die Wirksamkeit des Heiligen Geistes. Nach menschlichen Erwartungen hätte die Kirche im 16. Jahrhundert die Richtung des Protestantismus eingeschlagen. Der war ja so angenehm, nicht wahr? Alles ist Priester, was aus der Taufe gekrochen ist – so drückt sich ja Herr Luther aus, nicht wahr? Kein Priestertum mehr, kein hierarchisches Amt mehr, jeder kann aus der Schrift herauslesen, was er will. Das ist ja die Lehre Luthers, nicht wahr? Das war eine sehr angenehme, eine bequeme Lehre. Kein Fasten mehr, keine Gebote mehr, die die Kirche auferlegt, nicht wahr? Jeder kann essen, was er will und wann er will – das ist die Lehre Luthers. Aber nein, in dieser Unheilssituation des 16. Jahrhunderts hat der Heilige Geist bewiesen, daß er die Kirche lenkt und leitet. Und so wird es auch heute in unserer Zeit sein. Wir rufen nicht vergebens nach dem Heiligen Geist, er wird eines Tages Beweise seiner wirksamen Leitung der Kirche geben.

Was wirkt der Heilige Geist in der Seele des einzelnen? Er gibt ihr das übernatürliche Leben, er erleuchtet, stärkt und tröstet die Seele. Wenn wir in der Gnade sind, im übernatürlichen Leben, dann ist das die Wirkung des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist erhebt uns über unsere Natur. Natur ist das, was wir von Geburt an haben: unsere Kräfte und Fähigkeiten. Wenn etwas dazukommt, was nicht zur Natur gehört, das nennt man übernatürlich; und übernatürlich sind alle Gnaden. Gnaden sind nämlich Wohltaten, auf die man keinen Anspruch hat, die ungeschuldet sind und die über die Natur hinzugefügt sind. Übernatürlich und Gnade ist also immer dasselbe – und das eben wirkt der Heilige Geist in uns, daß er uns ein anderes Leben, ein höheres Leben gibt als das, was wir von der Geburt an haben. Das übernatürliche Leben der Seele, die Freundschaft mit Gott, das ist die Wirkung des Heiligen Geistes.

Und er erleuchtet, er stärkt und tröstet uns. Er gibt uns ja die Gaben und er erzeugt die Früchte. Gaben des Heiligen Geistes, die sieben Gaben  Weisheit, Wissenschaft, Verstand, Rat, Stärke, Frömmigkeit, Furcht des Herrn, das sind die sieben Gaben des Heiligen Geistes, aufgezeichnet schon vom Propheten Isaias im 11. Kapitel seiner Prophezeiungen, wahr geworden durch die Ausgießung des Heiligen Geistes. Es ist etwas daran, daß derjenige, der sich dem Geiste öffnet, vom Geiste erfüllt wird.

Menschen, die im Geiste leben, haben eine wunderbare Weisheit, eine wunderbare Erkenntnis. Man kann nichts als staunen, wie fromme Männer oder fromme Frauen einem Sätze sagen, die ein Studierter niemals aus eigenem Nachdenken gefunden hätte. Sie sind nicht gelehrt, aber sie sind erleuchtet, erleuchtet vom Heiligen Geist. Das ist die Weisheit der Stillen im Lande, die Weisheit, die der Heilige Geist ihnen vermittelt hat. Und wer sich dem Geiste öffnet, in dem blühen die Früchte auf, die Früchte des Geistes: Liebe, Freude, Sanftmut, Geduld, Enthaltsamkeit, Keuschheit. Das sind die Früchte. Zwölf zählt der Apostel auf, zwölf Früchte des Heiligen Geistes.

O daß doch, meine lieben Freunde, o daß doch das heutige Fest unsere Seele weiten möge, daß wir den Geist einlassen, daß wir die Gnaden und die Gaben empfangen, die er uns vermitteln will, daß die Früchte in uns aufblühen, die seine Ankunft bereiten will. „Komm, o Geist der Heiligkeit aus des Himmels Herrlichkeit, komm mit deiner Gaben Zahl!“

Amen.

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