Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
31. März 2024

Jesus ist wahrhaftig von den Toten erstanden

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Es ist ein nicht geringer Erweis der Treue und Zuverlässigkeit, mit der die Evangelisten berichten, dass sie uns nicht bloß im Allgemeinen erzählen, wie langsam und schwerfällig, ja, wie unverständig die Jünger mehrheitlich die Botschaft Jesu entgegennahmen. Sondern dass sie auch im Besonderen nicht verheimlichen, dass die Jünger während des Erdenlebens Jesu niemals so ganz in die eigentlichen Tiefen des Geheimnisses Jesu eindrangen. Wohl hörten sie davon, dass Jesus sich den „Sohn“ nannte und dass er von seinem Leiden, Sterben und Auferstehen sprach. Aber sie hörten alles dies nur mit halbem Ohr. Sie „verstanden dieses Wort nicht. Es war für sie verschleiert, damit sie es nicht erfassen sollten. Doch scheuten sie sich, ihn darüber zu fragen“ (Lk 9,45; Mk 9,32f.). Petrus, Jakobus und Johannes waren wohl die einzigen, die aufmerksamer und gespannter hinhorchten. Im Licht einer besonderen Gottesoffenbarung blickte Petrus in das innigste Heiligtum Jesu, da er ihn in Caesarea Philippi als den Christus, den Messias bekannte. Aber auch seine Aufnahmefähigkeit war nur eine beschränkte. Der Gedanke, dass dieser Messias leiden müsse, war ihm unerträglich. Er nahm Jesus „beiseite und fing an, ihn also zu schelten, um Gottes willen, Herr, das soll dir nimmer widerfahren“ (Mt 16,22).

Was das Denken und Wünschen der Jünger gebunden hielt, war das überkommene Ideal von einem Messias der Herrlichkeit und Macht, von einem Messias, der in nächster Zeit auf den Thron seines Vaters David steigen und in Gerechtigkeit und Weisheit alle Völker beherrschen werde. Es war ein Ideal, das den eigenen Macht- und Herrlichkeitsinstinkten entgegenkam, ein Ideal der Menschen, der menschlichen Möglichkeit. Es hatte sich aber derart breit und stark in ihre Geistigkeit eingenistet, dass die Möglichkeiten Gottes, von denen Jesus immer sprach, die eines leidenden Messias, keinen Raum mehr fanden. Sie wurden als lästige Möglichkeiten empfunden und gefühlsmäßig an die Randzone ihres Bewusstseins verdrängt. „Ihr Herz war verblendet“, sagt der Evangelist, um ihre Wertblindheit gegenüber den göttlichen Absichten zu kennzeichnen (Mt 6,52). Noch kurz vor der Passion schicken Jakobus und Johannes ihre Mutter vor, um sich rechtzeitig Ehrenplätze im neuen Reich zur Rechten und Linken des Messias zu sichern (Mt 20,20f.). Und als Jesus beim Letzten Abendmahl auf die nahende Entscheidung verweist und die kommenden Dinge auf des Schwertes Spitze stellt, da bringen sie geschäftig zwei Schwerter (Lk 22,38). So wenig hatten sie ihn begriffen. „Die mit mir sind, haben mich nicht verstanden“, klagt ein versprengtes Herrenwort.

Die Vorstellung von einem Messias der äußeren Macht und Herrlichkeit, der sich in der allernächsten Zeit auf den Thron Davids schwingen werde, diese Hoffnung zerrann angesichts des Kreuzes und des verschlossenen Grabes in nichts. Und mit ihr zerrannen alle heimlichen und selbstischen Erwartungen und Träume, mit denen sie ihre Gegenwart und ihre nächste Zukunft verklärt hatten, das Reich der menschlichen Möglichkeiten. Was der lebendige Jesu nicht vermocht, das vollbrachte der sterbende, der tote Jesus: die endgültige Heilung von ihrem naiv kindlichen Glauben, dass der Weg Gottes ein Weg nach Menschenweise sein müsse, ein Blumenweg voll Glanz und Sonnenschein und nicht vielmehr ein Weg des Leidens und des Kreuzes. Zum ersten Mal berührte sie angesichts des Kreuzes der Atem des Ewigen, des ganz anderen, ein Hauch jener Weisheit, die vor der Welt Torheit ist. Ein freier Raum wurde in ihrer Seele aufgerissen für die Möglichkeiten Gottes. Erst der Tod Jesu öffnete ihre Seele den ungeheuren Tiefen und Unberechenbarkeiten des göttlichen Ratschlusses und machte die Bahn frei für ein wahrhaft geistliches Christusverständnis. Was dieses geistliche Christusverständnis tatsächlich heraufführte und als unzerbrechliche Gewissheit der Geistigkeit der Jünger einbaute, das waren die gewaltigen aufrüttelnden Ereignisse von Ostern und Pfingsten. Zu ihnen flammte gleich zwei leuchtenden Strahlenbündeln jene Gottestat empor, die noch heute ihr frohes, sieghaftes Licht über die Gewissen wirft.

Petrus fasst in der Halle Salomons das Geschehnis um Jesus von Nazareth mit folgenden Worten zusammen: „Der Gott unserer Väter hat seinen Knecht Jesus verherrlicht, den ihr ausgeliefert und vor Pilatus verleugnet habt. Den Anführer des Lebens habt ihr getötet. Aber Gott hat ihn von den Toten auferweckt. Dessen sind wir Zeugen.“ Das Christentum ist die Religion der leibhaftigen Auferstehung des Jesus von Nazareth. Dieses Ereignis allein erklärt die plötzliche Umwandlung der ganz entmutigten Jünger Jesu zu „lebendiger Hoffnung“ (1 Petr 1,3). Denn sie haben den lebendig gewordenen Meister gesehen. Sie haben ihn gehört. Sie haben mit ihm gespeist. Sie haben ihn betastet. Seine Lebendigkeit hat ihnen Mut und Zuversicht gegeben. Seine Wirklichkeit hat sie überzeugt. Nicht eine Sinnestäuschung. Nicht eine Einbildung. Nicht eine Phantasie. Nicht ein Gespenst. Durch Trugbilder und Blendwerk wird man nicht mutig. Ihre Gegner taten alles Menschenmögliche, um sie von ihrer Überzeugung abzubringen. Die Apostel wurden wegen ihrer Verkündigung der Auferstehung vor den Hohen Rat in Jerusalem geführt. Der Hohepriester hielt ihnen vor, man habe ihnen befohlen, von Jesus zu schweigen, aber sie erfüllten Jerusalem mit ihrer Lehre. Petrus entgegnete: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Der Gott unserer Väter hat Jesus auferweckt, den ihr umgebracht habt. Diesen Führer und Heiland hat Gott zu seiner Rechten erhöht. Wir aber sind Zeugen dieser Dinge“ (Apg 5,27-32). Zeugen sind Berichterstatter von Tatsachen. Als man ihnen gebietet, aufzuhören mit der Verkündigung der Auferstehung Jesu, da gaben sie die Antwort: „Wir können nicht aufhören zu bezeugen, was wir gesehen und gehört haben.“ Kein einziger der Apostel hat jemals etwas anderes gelehrt. Keiner hat aufgrund der Drohungen und Bestrafungen, die sie erfuhren, seine Lehre geändert. Man hat sie ausgepeitscht, man hat sie gekreuzigt, man hat sie mit dem Schwerte getötet. Aber eines hat man nicht erreicht, dass sie aufgehört hätten, es auszurufen: „Diesen Jesus hat Gott auferweckt, dessen sind wir alle Zeugen.“ Sie bezeugen alle das gleiche, weichen nicht voneinander ab, widersprechen sich nicht. Sie besitzen die Zeugentüchtigkeit, d.h. die Fähigkeit zur sachlich richtigen Wiedergabe eigener Beobachtungen.

Niemand soll meinen, die Menschen der damaligen Zeit hätten es leichter gehabt als wir, an die Auferstehung zu glauben. Es ist ihnen eher schwerer gefallen. Die Vorstellungen, die Geistigkeit, die Mentalität der antiken Menschen widerstrebten einem derartigen Geschehnis. Als der Apostel Paulus auf dem Areopag in Athen von der Auferstehung der Toten sprach, spotteten die einen, andere sagten: „Darüber wollen wir dich ein andermal hören.“ Sie lenkten ab. Als derselbe Apostel vor dem Prokurator Festus Jesus als den Auferstandenen predigte, erklärte dieser: „Du bist verrückt, Paulus.“

Die Auferstehung des hingerichteten Gottessohnes ist einmalig und einzigartig: Sie gibt der christlichen Religion das Gepräge, das sie über alle anderen von Menschen gestifteten Religionen erhebt. Christus konkurriert mit keinem Religionsstifter, mag er Buddha (Gotama), Lao-Tse, Konfuzius oder Mohammed heißen. Sie mögen gelebt haben, aber keiner von ihnen ist einen Sühnetod gestorben und danach dem Grabe erstiegen. Christus konkurriert auch mit keinem Philosophen, und mag er noch so bedeutend sein, weder mit Pythagoras und Heraklit noch mit Platon und Aristoteles. Sie alle sind gestorben, aber keiner von ihnen ist nach seinem Tod lebendig geworden. Christus ist konkurrenzlos. Denn er stammt vom Himmel, alle Religionsstifter sind von der Erde. Einen religiösen Führer, der göttlichen Wesens ist, gibt es nur einmal und kann es nur einmal geben. In der Zeit der Französischen Revolution von 1789 bildete sich die deistische Sekte der Theophilanthropen. Als sich ihr Gründer beklagte, dass sie keinen Zulauf erfuhr, erklärte ihm Barras, einer der führenden Revolutionäre: „Das ist ganz einfach zu erklären. Sie brauchen sich nur erschlagen zu lassen und am dritten Tage wieder aufzuerstehen, dann werden Sie Anklang finden.“

Die leibhaftige Auferstehung Jesu ist der Hauptbeweis für die Göttlichkeit des Christentums. Das Wirken Jesu zu seinen Lebzeiten war einzigartig, unerhört, nie dagewesen. Aber nicht die Predigt und auch nicht die Wunder Jesu haben seine Jünger zu todesmutigen Verkündern des Christentums gemacht, sondern dass Gott den Gekreuzigten nicht hat die Verwesung schauen lassen. Der Auferstandene ist der verwandelte Hingerichtete. Das Felsengrab des Joseph von Arimathäa vermochte ihn nicht festzuhalten. Die Auferstehungspredigt in Jerusalem wäre unmöglich gewesen, wenn die Jünger Jesu nicht genau gewusst hätten, dass Jesu Grab wirklich leer war. Es war leer, weil der Tote lebendig geworden ist. So konnte ihre Predigt nirgends erfolgreicher beginnen als dort.

Jesus ist wahrhaft auferstanden. Keine Predigt von Jesus, dem Nazarener, wäre gehalten worden, kein Evangelium wäre geschrieben worden, wenn der hingerichtete Sohn Mariens nicht lebendig geworden wäre. Ohne die Leibhaftige Auferstehung Jesu, ohne sein Sichtbarwerden vor den von Gott bestimmten Zeugen wäre das Christentum eine unbedeutende Sekte geblieben, vielleicht sogar gänzlich vom Erdboden verschwunden. Wer versucht, am Christentum festzuhalten und gleichzeitig die Lebendigmachung des gekreuzigten Nazareners leugnet, der riskiert, sich lächerlich zu machen. Denn das Christentum ist entweder die Religion des auferstandenen Christus oder es ist nichts. Aber das eben wird von manchen in sich christlich nennenden Religionen außerhalb des Katholizismus versucht. Sie wollen Christen bleiben, aber sie deuten seine Auferstehung um. „Ein toter Leib kann nicht lebendig werden“, erklärt der evangelische Theologe Rudolf Bultmann. Er lehrt also ein Christentum ohne die Auferstehung des Christus. Er sagt: Ein toter Leib kann nicht lebendig werden. Das sagen die Fleischer auch. Aber weil das einmal passiert ist, deswegen gibt es das Christentum. Das Christentum ist nicht die Religion, die sagt, „die Sache Jesu geht weiter“. Sie geht gerade nicht weiter, wenn der am Kreuz Verblichene nicht ins Leben zurückgekehrt ist. Der so ausgehöhlte Glaube ist nicht mehr die Sache Jesu.

Das Christentum ist auch nicht die Religion, die sagt: „Christus ist ins Kerygma auferstanden“, also weil er von den Jüngern verkündet wird. „An den im Kerygma präsentierten Christus glauben, ist der Sinn des Osterglaubens“ (Bultmann). Nein, das ist er nicht. Die bloße Verkündigung von Christus gibt ihm nur eine papierene Existenz, keine lebendige Wirklichkeit.

Das Christentum ist auch nicht die Religion, in der die Auferstehung Christi bloß „Ausdruck der Bedeutsamkeit des Kreuzes“ ist. Denn das Kreuz ist nur deswegen bedeutsam, weil es von Gott durch die Auferstehung Jesu bestätigt worden ist. Wäre der Gekreuzigte im Grabe verblieben, wäre das Kreuz, also das Leiden Jesu, gerade nicht bedeutsam. Schuldlos hingerichtet sind viele geworden.

Trotz allem bleibt das Bekenntnis zu Jesus, dem Auferstandenen, eine Tat des Glaubens. Aber unser Glaube ist ein vernünftiger Glaube. Wir bekennen mit Thomas von Aquin: „Ich würde nicht glauben, wenn ich nicht einsehen würde, dass es vernünftig ist zu glauben.“ Die Glaubensentscheidung nennt Gründe, über die sie jedem Vernünftigen Rechenschaft geben kann. Und sie beruht auf Erfahrungen (= behaltenem und gedeutetem Erleben), die nicht einsame Erfahrungen sind, sondern gemeinsam gemacht werden. Vernunft und Glaube sind es, die uns rufen lassen: „Christus erstand wahrhaft vom Tod. Du Sieger, du König, sieh unsere Not. Amen. Alleluja.“

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