Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
11. Dezember 2011

Freude aus dem Glauben

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Freuet euch! Wiederum sage ich: Freuet Euch! Denn der Herr ist nahe.“ Das ist die Lesung, die Epistel des heutigen Sonntags, und nach ihr nennt man diesen Sonntag „Gaudete“. Das ist ein lateinisches Wort, das heißt: Freuet euch. Dieser Aufruf zur Freude kommt aus dem Gefängnis, aus dem Gefängnis des Nero in Rom. Dort ist der Apostel Paulus gefangen. Sein Prozeß ist noch lange nicht zu Ende, und wir wissen, wie er enden wird: mit dem Todesurteil. Und doch schreibt er: „Freuet euch! Ich sage es noch einmal: Freuet euch! Denn der Herr ist nahe.“ Ihm, dem Gefangenen in Rom, kann man die Freude nicht rauben, denn er schreibt im selben Briefe: „Auch wenn ich mein Blut vergießen muss zum Opfer und zur Weihe eures Glaubens, so bin ich dennoch froh und freue mich mit allen.“ Ihm kann keiner die Freude rauben. Und sein Aufruf zur Freude ist deswegen keine billige Reklame, sondern kommt aus einem bewährten Herzen.

Freude ist die Befriedigung, die sich einstellt, wenn der Mensch das Gut, das er erstrebt, erlangt hat. Diese Befriedigung hängt mit dem Frieden zusammen. Freude und Frieden gehören zusammen. Wahre Freude ist Ausdruck der Erlangung des Friedens. Freude ist nicht Wohlbehagen oder Rausch. Diese Empfindungen betreffen ja nur den Körper. Aber die Freude ergreift das Herz. Das Herz ist der Sitz der Freude.

Wir unterscheiden sinnliche und geistige Freuden. Die geistigen Freuden fließen aus der geordneten Betätigung unserer körperlichen und geistigen Kräfte. Wir freuen uns, wenn wir ein Werk vollbracht haben. Wir freuen uns, wenn eine Arbeit gelungen ist. Die sinnlichen Freuden sind mit dem geregelten Ablauf der lebensnotwendigen Triebe verbunden. Wir freuen uns über eine ruhige Nacht. Wir freuen uns über ein gutes Mahl. Alle Freuden müssen vom vernünftigen Willen beherrscht sein. Was gegen die Vernunft ist, kann keine Freude bringen. Die Voraussetzung wahrer Freude ist auch ein gutes Gewissen. Ein böses Gewissen macht unruhig, unzufrieden, ängstlich und hat Scham zur Folge. Damit kann Freude nicht bestehen. Vernunft und gutes Gewissen sind Voraussetzungen für wahre Freude.

Die christliche Freude wächst aus der Gemeinschaft mit Gott und dem liebenden Umgang mit seinen Geschöpfen. Gott selbst ist der Urquell und der höchste Gegenstand der Freude. Dass Gott existiert, dass wir nicht allein sind im unermeßlichen Weltenraum, das ist ein Grund, ein unerschöpflicher Grund zur Freude. Dass Gott ein Vater ist, zu dem man Zutrauen haben kann, ein Vater, der jede irdische Vaterschaft unermeßlich übersteigt, das ist ein Grund zur Freude. Dieser ewige Vater hat seinen eingeborenen Sohn auf die Erde gesandt, damit er die Menschheit, die das Verderben vom Stammvater geerbt hatte, zu ihm zurückführe. „Für uns Menschen und um unseres Heiles willen ist er vom Himmel herabgestiegen und hat Fleisch angenommen.“ Dieser Jesus, dieser Logos, dieser Sohn Gottes führt die Heilszeit herauf, und deswegen ist seine Botschaft eine frohe Botschaft. Euangelion, das heißt Frohbotschaft, Heilsbotschaft. Jesus führt die Herrschaft Gottes herauf. Er bringt die Erlösung. Er stellt die beglückende Gemeinschaft mit Gott wieder her. Und deswegen hat er sein Wirken als eine Heils- und Freudenzeit verstanden.

Es kamen einmal die Jünger des Johannes zu ihm und sagten zu ihm: „Wir fasten, wir Jünger des Johannes, und die Pharisäer fasten auch, aber deine Jünger fasten nicht.“ „Ja“, sagt Jesus, „wie sollen denn die Hochzeitsgäste fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist?“ Er ist der Bräutigam, und die Hochzeit ist die Zeit seines Wirkens. „Wenn er von uns genommen wird, der Bräutigam, dann werden meine Jünger fasten“, sagt der Herr.

Die Freude ist ein Bestandteil des Reiches Gottes. Der heilige Paulus sagt es klipp und klar: „Das Reich Gottes ist Friede, Freude und Gerechtigkeit im Heiligen Geiste.“ Friede, Freude und Gerechtigkeit im Heiligen Geiste. Viele Zeitgenossen, auch solche, die mit uns die Taufe und vielleicht sogar den Glauben teilen, sind der Meinung, dass der Freudenbecher der Christen recht dürftig gefüllt ist. Sie denken an die vielen Gebote und Verbote. Sie erinnern sich an das, was der Herr gesagt hat: „Wer sein Kreuz nicht auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert.“ Sie halten Jesus nicht für einen Freudenbringer, sondern für einen Freudendieb. Meine lieben Freunde, ich möchte versuchen, Ihnen zu zeigen, dass das Christentum tatsächlich die Religion der Freude ist.

Eine Freude, ein unerschöpflicher Brunnquell der Freude ist der christliche Glaube. Wer glaubt, weiß um Gott. „Brüder, überm Sternenzelt muss ein lieber Vater wohnen“, so singt Schiller in seinem Hymnus an die Freude. Brüder, überm Sternenzelt muss ein lieber Vater wohnen. Wer glaubt, weiß um Gottes Vaterschaft, weiß um seine Vorsehung. Über uns waltet nicht ein augenloses Schicksal, über uns wacht das Auge des allmächtigen und barmherzigen Gottes. Der gläubige Mensch spricht: „Mein Gott bist du, in deiner Hand sind meine Geschicke.“ Er spricht: „Du sorgst weit mehr für mich, als ich selbst für mich sorgen kann.“ Er sagt: „Was du mit mir tust, kann nicht anders als gut sein.“ Alles Worte aus dem wunderbaren Buche von der Nachfolge Christi, das ich Ihnen nicht genug empfehlen kann. Wer glaubt, kennt den Heiland Jesus Christus. Wir machen manche Bekanntschaften, aber es gibt keine Bekanntschaft, die beglückender und notwendiger ist als die Bekanntschaft mit unserem Heiland Jesus Christus. „Mein jetziges Leben im Fleische ist ein Leben im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich dahingegeben hat“, schreibt Paulus an die Gemeinde in Galatien. Mein jetziges Leben im Fleische ist ein Leben im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich dahingegeben hat. Hören wir, was der fromme Verfasser des Buches von der Nachfolge Christi zu der Gemeinschaft mit Christus zu sagen hat: „Ohne Freund kann dir nicht wohl sein. Wenn Jesus nicht der erste Freund ist, wirst du immerzu nur traurig und verlassen sein. Denn dieser Freund ist treu. Er geht mit uns. Er geht sogar mit uns durch das dunkle Tor des Todes. Ist Jesus bei dir, so ist alles gut und alles leicht. Ist Jesus nicht bei dir, ist alles bitter und hart. Ohne Jesus sein, das ist eine ganze Hölle; mit Jesus sein, das ist eine Wonne des Paradieses. Wer ohne Jesus lebt, der ist von allen Armen der Ärmste, wer aber gut mit Jesus steht, der ist von allen Reichen der Reichste.“ Alles Worte aus dem Buche von der Nachfolge Christi. Dass Jesus zu uns gekommen ist, meine lieben Freunde, das ist ein Grund zur Freude. Bald werden wir wieder hören, was der Engel auf den Fluren von Bethlehem verkündet: „Ich verkünde euch eine große Freude, denn heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.“ Dass Gott sich aufgemacht hat, die Menschen von der Schuld und von der Verdammnis zu befreien, dass er sich erniedrigte und Menschengestalt annahm, dass er ein unerhört schweres Leben auf sich nahm, dass er mißhandelt und getötet werden wollte, das ist wahrhaftig ein Grund zur Freude. „Er hat mich geliebt und sich für mich dahingegeben.“ Es ist bezeichnend, dass der Apostel Paulus hier in der Einzahl spricht: „Er hat mich geliebt und sich für mich dahingegeben.“

Der Glaube vermittelt uns diese Wahrheiten, diese tröstlichen, diese niemals endenden Wahrheiten. Wer glaubt, hat auch die rechten Maßstäbe. Er weiß zu ermessen, was sich im Leben lohnt und was nicht lohnt. „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber Schaden leidet an seiner Seele?“ Was kann er als Lösegeld für seine Seele geben? Nichts! Der Glaube gibt uns die rechte Ordnung der Werte. Der Glaube ist auch, wiederum nach einem Wort des Apostels, „der Sieg, der die Welt überwindet.“ Wir alle leiden ja unter der erbsündlichen Konkupiszenz, der Begierlichkeit. „Sie bleibt dem Menschen“, sagt das Konzil von Trient, „auch nachdem die Schuld der Erbsünde vergeben ist, zum Kampfe.“ Wir spüren diese Konkupiszenz, diesen Zunder der Sünde, fomes peccati, wir spüren ihn. Aber wer glaubt, ist imstande, die Versuchung zu überwinden. Wer glaubt, ist fähig, die Triebe zu beherrschen. Wer glaubt, ist imstande, Tugenden zu erwerben. Der Glaube verleiht Kräfte, die den Menschen befähigen, Verlockungen und Drohungen zu widerstehen.

Dieser Glaube verschafft uns auch das Heil. Wer glaubt, der kennt den, der gesagt hat: „Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten.“ Glaube ist ein Verkosten und ein Vorkosten jenes Erkennens, das uns einst beseligen wird. Der Gaube macht sehend. Nicht bloß Spiegel-Leser wissen mehr – von dieser Welt! –, sondern auch Gläubige wissen mehr. Der Gläubige sieht nämlich über das irdische Leben hinaus. Das Auge des Christen schaut hinein in die Ewigkeit. Gläubige wissen mehr als Ungläubige, Gläubige sehen weiter als Ungläubige, Gläubige blicken tiefer als Ungläubige.

Von August Bebel, dem Begründer der deutschen Sozialdemokratie, der ja ein Atheist war, stammt das bedenkenswerte Wort: „Wenn es einen Himmel gibt, dann sind wir alle die Gelackmeierten“ – wir Ungläubige. „Wenn es einen Himmel gibt, dann sind wir alle die Gelackmeierten.“ Wer glaubt, weiß um das kommende Gericht, harrt auf den wiederkommenden Herrn. „Freuet euch allezeit, freuet euch, denn der Herr ist nahe!“ Der Herr wird kommen, meine lieben Freunde, und uns nicht betrügen. Er wird kommen, wie das Schicksal kommt, denn er ist das Schicksal. Dann kommt der große Ausgleich. Dann wird die Tugend belohnt und das Laster bestraft. Dann wischt Gott alle Tränen von unseren Augen.

Wer glaubt, kennt den Willen Gottes, seine Gebote und seine Verbote. Er baut nicht an einer menschlichen Moral, wie das Immanuel Kant versucht hat, denn er besitzt eine göttliche Sittenlehre. „Willst du zum Leben eingehen, so halte die Gebote“, sagt Jesus zu dem reichen Jüngling. Gestatten Sie mir, meine lieben Freunde, dass ich ein Geständnis ablege. Das Christentum war immer der Inhalt meines Lebens, aber ich war immer auch besonders beglückt über die Gebote, weil ich wußte. Wenn ich mich daran halte, gehe ich nicht in die Irre, gleite ich nicht ab in den Schlamm. Es ist ganz falsch, die Gebote als Einschränkung der Freiheit zu empfinden. Die Gebote machen uns frei von der Knechtschaft der Triebe, des Begehrens, der Sucht. Die Gebote der Kirche sind genausowenig ein Zwang wie die Wegweiser an den Wegkreuzungen. Sie sind ebensowenig ein Zwang wie die Sterne, nach denen der Seemann ausschaut. Die Gebote sind Schutzwälle und Schutzmauern des sittlichen Lebens. Es muss Zäune geben zur Abgrenzung, es muss Mauern geben zur Stütze, es muss Schilder geben zur Warnung. So muss es auch Normen des religiösen und sittlichen Lebens geben, damit der Mensch nicht vergißt, was Gott und die Kirche von ihm verlangen.

Das Volk Israel hat um den Segen der von Gott geoffenbarten Gebote gewußt, Es war dankbar dafür und stolz, dass Gott zu ihm gesprochen und ihm seinen Willen kundgetan hat. In einem Psalme heißt es: „Er kündete Jakob sein Wort, seine Gesetze und Rechte Israel. So tat er nicht jedem Volk. Seine Gebote machte er ihnen nicht kund.“ Das ist der Stolz und das Glück des israelitischen Volkes über die Gebote Gottes. Keine Einengung, sondern Befreiung vom Sog des Animalischen, von der Sucht nach den kümmerlichen irdischen Schätzen.

Eine Freude, meine lieben Freunde, ist auch das christliche Gotteshaus. Unsere Kirchen haben eine doppelte Funktion: sie sind Weihegeschenke an Gott und Stätten der Gottesverehrung der Menschen. Die Menschen, die hierher kommen, sollen zur Anbetung gestimmt und erhoben werden. Die heiligen Stätten sind auf Erden das, was die Sterne am Firmamente sind: Quelle des Lichtes, der Wärme und des Lebens. Die Christen sollen gern in ihren Kirchen verweilen, deswegen statten wir sie auch so schön aus, soweit es in unseren Kräften steht. Wer fühlt sich nicht beglückt in den herrlichen Kirchen, die wir im Lande Bayern finden? Wer ist nicht erfreut, wenn er den Jubel in barocken und Rokokokirchen sieht? Aber ebenso erhoben wird er vom Dom zu Speyer mit seiner romanischen Würde, mit seinen gewaltigen Mauern, die uns eine Ahnung von der Majestät Gottes vermitteln. Die Anglikaner haben in London die schönsten Kirchen in die Arbeiterviertel gebaut. Sie wollten den Arbeitern eine Ahnung von ihrer Würde, von ihrer Menschenwürde, von ihrer Christenwürde vermitteln.

Die Kirchen bieten uns Gläubigen eine Heimat. In ihnen lebt der Glaube, in ihnen wird das Opfer Christi dargebracht, in ihnen wird die heilige Speise gereicht, in ihnen wartet der Herr auf unseren Besuch. Wenn man an einem Ort fremd ist, aber eine katholische Kirche findet, jedenfalls ist es mir immer so gegangen, dann ist man beglückt, weil man eine Stätte der Beheimatung, der Geborgenheit, ein Zuhause gefunden hat. Das Volk Israel war beglückt über den Tempel in Jerusalem. Im Psalm 121 hat es gesungen: „Ich freute mich. als man mir sagte: Wir wallen zum Hause des Herrn.“ Und im 84. Psalm jubelt der Beter: „Wie lieblich sind deine Gezelte, o Herr der Heerscharen.“

Eine Freude, meine lieben Freunde, ist der christliche Gottesdienst. Gottesdienst ist eine Huldigung des Verstandes, des Herzens und des Mundes an Gott, ein vollkommener innerer und äußerer Lobpreis des erhabenen, heiligen, unsterblichen Gottes. Der Mensch muss anbeten, weil Gott der Herr und er sein Geschöpf ist. Der Mensch darf aber auch anbeten, weil sein Dienst Gott wohlgefällig ist. Mir sagte einmal eine junge Dame: „Der Gottesdienst gibt mir nichts.“ Er gibt ihr deswegen nichts, weil sie dem Gottesdienst nichts gibt. Zum Gottesdienst muss man den Glauben mitbringen, die Liebe, die Aufmerksamkeit und die Andacht. Der Gottesdienst benötigt einen klaren Verstand und ein liebendes Herz. Dann wird der Gottesdienst einem etwas geben. Die Schönheit des Gottesdienstes läßt uns niedergedrückte Menschen die Herrlichkeit Gottes schauen. Der Gottesdienst erhebt den Menschen über sein Werken und Schaffen zu der erhabensten Fähigkeit, deren er fähig ist. Kein Wesen auf dieser Welt vermag anzubeten außer dem Menschen. Im Gottesdienst erleben wir Menschen unsere Würde. Wir dürfen Gott nahen, wir dürfen ihm dienen, wir dürfen ihm opfern, wir dürfen zu ihm beten.

Der Großstadtapostel Carl Sonnenschein, einer der großen Sterne meiner Jugendjahre, hat einmal geschrieben: „Geh nicht wegen des Priesters und nicht wegen der Predigt zum Gottesdienst, sondern Gottes wegen! Schau zum Altar. Brennt die rote Lampe in der schwankenden Ampel? So brenne auch deine Seele zu Gott!“ Der christliche Sonntag, der Tag des Herrn, ist eine Freude. Der Sonntag ist tatsächlich die Sonne unserer Tage. Wir dürfen ruhen, wir dürfen uns der Muße hingeben, wir dürfen beten, wir dürfen Gottesdienst halten, wir dürfen uns besinnen, unser Leben neu ausrichten auf Gott und die Ewigkeit. Der Sonntag hebt die Menschen über sich hinaus, taucht sie ins Unendliche, verbindet sie mit dem Göttlichen, stellt in das Tal der Erde den Glanz des Transzendenten. Der Sonntag darf den Menschen nicht genommen werden.

Ich habe in meiner Jugend einmal die Gedichte des Arbeiterdichters Heinrich Lersch gelesen. Eines dieser Gedichte ist mit unvergeßlich, nämlich da, wo er den Sonntag preist. Er spricht von der Maloche, von der harten Arbeit des Tages als Kesselschmied. Aber der Sonntag, sagt er, der schließt uns die Tore auf, da sind wir alle gleich an der Kommunionbank. So hat damals, in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts der Arbeiterdichter Heinrich Lersch geschrieben. Der Sonntag ist in Gefahr. Wir wissen, dass viele Tätigkeiten auf den Sonntag verlegt werden, die besser in der Woche erledigt würden. Aber es gibt gelegentlich einen Lichtblick. Der Stadtrat von Siegen, einer Großstadt, hat beschlossen, dass es im Jahre 2012 keinen verkaufsoffenen Sonntag geben wird. Die katholische Arbeitnehmerschaft mit anderen Verbündeten hat diesen Beschluß durchgesetzt. Die einkaufen wollen, können es auch in der Woche tun, sie müssen nicht den Sonntag dazu hernehmen.

Der Glaube ist eine Freude, denn er kündet uns von Gottes Barmherzigkeit, er kündet uns von seinem Frieden, von seiner Verzeihung. Wir wissen, dass Gott die verlorenen Söhne und die verlorenen Töchter in seine Arme schließt, wenn sie in Reue und Zerknirschung zu ihm sich aufmachen. In der Kirche ist die Heimkehr der bekehrten Sünder geradezu institutionalisiert. Die Kirche hat ein eigenes Sakrament der Versöhnung, das Bußsakrament. Beicht macht leicht. Psychiater können vielleicht eine seelische Entlastung bringen, der katholische Priester, der die Lossprechung erteilt, befreit von der Schuld, was kein Mensch kann, sondern nur Gott durch seinen unwürdigen Diener. Die Lossprechung erneuert die Freundschaft mit Gott, führt den Heiligen Geist in die Seele. Das Bußsakrament ist ein Ventil für Lebensunlust und Lebensüberdruß, für den furchtbaren Druck der Schuld. Die Beicht ist keine Tyrannei der Gewissen, sie ist eine Befreiung von der Tyrannei der Schuld.

Gewiß, die Freudenbringer, die ich versucht habe Ihnen vorzustellen, meine lieben Freunde, sind keine Allerweltsfreude. Sie sind kein betäubendes Trinken aus dem Becher der Lust, kein Austoben in nächtlichen Gelagen bei Bacchus und bei der Venus und beim dunklen Dionysos. Von jenen, die sich hemmungslos solchen Freuden überlassen, sagt Paulus, der Prediger der christlichen Freude: „Ihr Ende ist das Verderben, ihr Gott ist der Bauch.“ Christus der Herr will, dass wir die Freuden dieser Erde ohne schalen Nachsatz trinken. Er gönnt uns die Freude. Gott verwehrt uns die Freude nicht. Wir dürfen erhebende Musik hören, wir dürfen uns der Lektüre guter Bücher hingeben, wir dürfen uns der Natur, der Bewegung, des Sports erfreuen, wir dürfen den Fernsehapparat aufdrehen, um uns zu bilden. Aber über den Freuden dieser Welt steht die Freude der Religion, des Glaubens. Christus ist ein Freudenbringer, nicht nur in dem, was er verbietet, sondern in dem, was er uns schenkt. Er schenkt sich nämlich uns selbst. Richtig verstanden, kann einem gläubigen Christen keine Verzweiflung mehr ankommen, denn ihm bleibt eine Hoffnung, ihm bleibt eine Zuversicht, ihm bleibt eine unaufhebbare Freude. Bei den Christen gibt es keine letzte Trostlosigkeit, denn Christus, weiß der gläubige Christ, Christus ist erstanden und hat den Weg für uns freigemacht zum ewigen Leben. „Ich bin die Auferstehung und das Leben“, so beten wir am Grabe unserer Verstorbenen. „Wer an mich glaubt, der wird leben in Ewigkeit.“ Seitdem der Christ den bitteren Tod nicht mehr als bleibende Vernichtung fürchten muss, gilt für ihn das Wort „umsonst“ nicht mehr. Umsonst gearbeitet, umsonst gerungen, umsonst geliebt, umsonst gelebt. Dieser Gedanke ist selbst für den lebenslustigsten Ungläubigen die Zerstörung aller Freude. „Wir leben nicht wie jene, die keine Hoffnung haben.“ Die Freude an Christus mag in diesem Leben noch gedämpft sein. Sie ist erst die schwache Morgenröte einer kommenden Freude. „Der Friede Christi, der jedes Begreifen übersteigt, wird eure Gedanken und eure Herzen in Christus Jesus behüten.“ Im selben Brief an die Philipper schreibt Paulus: „Denn Christus ist für mich Leben, und Sterben ein Gewinn. Ich habe das Verlangen, aufgelöst zu werden, um bei Christus zu sein.“

Amen.

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