Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
11. Juni 2020

Die Transsubstantiation

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

In der Nacht, in der er verraten wurde, setzte unser Erlöser während des letzten Abendmahles das eucharistische Opfer seines Leibes und Blutes ein. Der Herr nahm Brot, brach es und gab es den Jüngern mit den Worten: Nehmet hin und esset; das ist mein Leib. Und er nahm einen Kelch, sagte Dank, gab ihn ihnen und sprach: Trinket alle daraus. Denn dies ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Dies geschah, um das Kreuzesopfer (das bevorstand) im Ablauf der Zeiten bis zu seiner Wiederkunft fortzusetzen. Darum sprach der Herr zu seinen Jüngern: Tut dies zu meinem Gedächtnis.

Die Eucharistie ist das Sakrament des wahren Leibes und Blutes Christi unter den Gestalten von Brot und Wein zum Genuss für die Gläubigen und als Opfer der Kirche. Kraft der Wandlungsworte ist unter der Gestalt des Brotes nur der Leib und unter der Gestalt des Weines nur das Blut Christi gegenwärtig. Aber vermöge der natürlichen und übernatürlichen Verbindung aller Wesensteile ist der ganze Christus unter jeder Gestalt zugegen. Wo der Leib und das Blut des Herrn ist, da ist auch die Seele des Herrn, und wo die Seele ist, da ist auch die Gottheit gegenwärtig. Es ist Glaubenssatz: In der Eucharistie ist Christus mit seiner Gottheit und Menschheit, mit Leib und Seele, mit Fleisch und Blut, in der Wirklichkeit und dem Wesen nach gegenwärtig. Die Gegenwart Christi im eucharistischen Opfersakrament ist wirklich, real, weil sie substantiell ist; sie bringt die Gegenwart des ganzen und vollständigen Christus, des Gottmenschen, mit sich. Die Kirche hat den Glauben an die Gegenwart des Leibes und des Blutes Christi nicht nur in der Lehre, sondern auch im Leben festgehalten. Sie hat dieses große Sakrament allezeit mit dem latreutischen Kult, der Anbetung, die nur Gott gebührt, verehrt. Der heilige Augustinus sagt: „Niemand isst dieses Fleisch, bevor er nicht angebetet hat. Wir sündigen keineswegs, wenn wir es anbeten, sondern, wir sündigen, wenn wir es nicht anbeten.“

Die Gegenwart des Leibes und Blutes des Herrn geschieht durch die Allmacht Gottes, wenn der Priester die Einsetzungsworte Jesu spricht, die nunmehr zu Wandlungsworten werden. Dieser Vorgang heißt Transsubstantiation, d.h. Wesensverwandlung. Leib und Blut Christi werden im eucharistischen Opfersakrament gegenwärtig durch die Umwandlung des ganzen Wesensbestandes (der Substanz) des Brotes und des Weines in den Wesensbestand (die Substanz) des Leibes und Blutes Christi, während die Erscheinungsformen (Akzidentien) von Brot und Wein weiter bestehen. Die Wesensverwandlung ist nicht das Sakrament, sondern der Weg zu ihm. Sie stellt die Art und Weise dar, in der das äußere Zeichen (Ding und Wort) seine Wirksamkeit ausübt. Die Verwandlung in der Eucharistie bewirkt nicht bloß die Einsenkung einer neuen Qualität in ein weiter bestehendes Naturding, sondern die Änderung des Wesenskerns desselben. Die Verwandlung des Wesens des Brotes und des Weines ist auch nicht bloß ein Zustandswechsel, nicht bloß ein Nacheinander verschiedener Wirklichkeiten, sondern der Übergang einer Wirklichkeit in eine andere. Der Ausgangspunkt dieser Bewegung ist der Wesensbestand des Brotes und des Weines, der Endpunkt ist der Wesenszustand des Leibes und des Blutes Christi. Das Grundsein des Brotes und des Weines hört auf zu bestehen, das Grundsein von Fleisch und Blut Christi fängt an zu beginnen. Die Verwandlung geschieht nicht in einem allmählichen Übergang, sondern in einem Augenblick. Der Priester hebt die verwandelten Gestalten in die Höhe, zeigt sie den Gläubigen und betet sie mit den Gläubigen an.

Es geht um eine Seinsumwandlung, nicht um eine physikalisch-chemische Umformung. Substanz in der Theologie gehört nicht zum Bereich des physikalisch Erfahrbaren. Substanz ist hier ein transempirischer Begriff. Substanz ist das Grundsein, der verborgene Kern eines Dinges, der in sich geschlossene Wesensbestand, der auf bestimmte Erscheinungsformen und Tätigkeiten eines Dinges hingeordnet ist. Das die Erscheinungsformen tragende Grundsein des Brotes und des Weines wird verwandelt. Der Wesenskern ist eine Wirklichkeit, die jenseits der durch das Experiment feststellbaren und nachprüfbaren, messbaren und wägbaren Erscheinung steht. Auch wenn man von der Masse eines Dinges Schicht für Schicht abträgt oder sie in einem chemischen Prozess auflöst, gelingt es nicht, den Wesenskern (die Substanz) zu erfassen. Er ist der überempirische Seinsgrund der Eigenschaften. Ihn zu erreichen ist Menschen nicht gegeben. Gott, der die Dinge schuf und ihre Existenzweisen bestimmte, kann in das innere Gefüge der Dinge hineingreifen und hier Umformungen vornehmen, die jenseits unserer Alltagserfahrung liegen. Nur der verborgene Wesenskern wird verwandelt, nicht die Erscheinungsform. Eine Verwandlung des Wesens ohne Verwandlung der Erscheinungsform kommt im Bereich unserer Erfahrung nicht vor. Wenn sie in der Eucharistie getrennt werden, so liegt dies in Gottes Allmacht begründet. Die Lehre von der Wesensverwandlung ist dem Sinne nach in den Einsetzungsworten Christi enthalten. Denn diese bewahrheiten sich nur dann, wenn Brot und Wein aufgehört haben, Brot und Wein zu sein und Leib und Blut Christi geworden sind. Die Wesensverwandlung ist ein einzigartiger und unvergleichlicher Vorgang. Sie unterscheidet sich wesentlich von allen uns im Bereich der Erfahrung bekannten Veränderungen. Gott ergreift das Wesen eines Dinges von der Wurzel her und schafft es in einer Tat seiner Allmacht um, ohne dass die Erscheinungsformen von seiner verwandlerischen Tätigkeit mitbetroffen werden. Die Lehre von der Wesensverwandlung ist ein undurchdringliches Geheimnis. Das Ja zu der eucharistischen Wirklichkeit kann daher nur im Glauben gesprochen werden. Die Selbstentäußerung Gottes erreicht in der Eucharistie ihren Höhepunkt. Sie bildet eine Versuchung auch für das gläubige Herz. Hier, in diesem unbedeutenden Stück der Welt, ist der menschgewordene und verherrlichte Gottessohn. Die Versuchung wird überwunden im Glauben an Gottes unbegreiflicher Liebe. Gott hat die Welt in voraussetzungsloser schöpferischer Freiheit hervorgebracht. Gott hat Tote zum Leben erweckt. Gott hat mit wenigen Worten Tausende von Menschen gesättigt. Gott ist sicheren Fußes über das Wasser gewandelt. Gott vermag in seiner allmächtigen Schöpferkraft auch jene Weihung der Elemente vorzunehmen, die wir Wesensverwandlung nennen.

Christus ist nach der Wandlung zwar wirklich gegenwärtig, aber nicht in seiner natürlichen Seinsweise, in der er auf Erden lebte, litt und starb, sondern in einer sakramentalen Seinsweise. Die sakramentale Seinsform Christi steht seiner (durch die Auferstehung gewonnenen) verklärten Seinsweise näher als der geschichtlichen. Sie fällt jedoch nicht mit ihr zusammen. Sie ist wie diese vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht den Gesetzen des Raumes und der Zeit unterworfen ist. Leib und Blut Christi nehmen infolge ihrer Unräumlichkeit in der Eucharistie keinen Platz ein. Christus ist nicht in räumlicher Weise gegenwärtig, so dass einem Teil seines Leibes ein Teil des Raumes entspräche. Er ist aber an den Raum gebunden. Er ist dort, wo vor der Wesensverwandlung Brot und Wein war und nach der Wesensverwandlung die Erscheinungsformen, die Gestalten von Brot und Wein bleiben; nirgends anders, nicht rechts und nicht links von den Erscheinungsformen des Brotes und des Weines. Er ist ähnlich wie der Geist im Raum. Er ist an einem Orte, der von einem ausgedehnten Wesen umschrieben wird, ohne Ausdehnung so gegenwärtig, dass er in jedem einzelnen Punkte und im ganzen Raum ohne Vervielfältigung zugegen ist. Wer nur die in der Erfahrung vorkommenden Seinsformen gelten lässt, versperrt sich den Weg zum Glauben an die übernatürliche Wirklichkeit. Weil die sakramentale Seinsart jenseits unserer Erfahrung liegt, können wir sie auch nicht mit den Maßstäben der Erfahrung messen. Sie ist in allem anders als die uns täglich begegnende räumliche und zeitliche Welt, zu der wir selbst gehören. Dass sie möglich ist, hat seinen Grund in der Allmacht Gottes, der auch die menschliche Natur Christi in der Auferstehung verwandelte.

Die katholische Kirche hat den Glauben an die Wesensverwandlung von Brot und Wein in ihrer 2000jährigen Geschichte unversehrt bewahrt. Die Menschen, die sich von ihr getrennt haben, sind allesamt von diesem Glauben abgewichen. Der Protestantismus lehnt die katholische Lehre von der Transsubstantiation radikal ab. Von Holland ausgehend, verbreiteten sich im Zusammenhang mit der vom Zweiten Vatikanischen Konzil ausgelösten Bewegung auch im katholischen Bereich irrige Auffassungen über das Geschehen in der heiligen Messe. Die irrlehrenden Theologen sprachen statt von der Transsubstantiation von Transsignifikation. Brot und Wein werden nicht im Sein, sondern in der Bezeichnung, in der Bedeutung umgewandelt. Sie sprachen auch von Transfinalisation. Brot und Wein werden nicht im Sein, sondern im Zweck und Ziel umgewandelt, Menschen werden auf ein göttliches Ziel ausgerichtet. Papst Paul VI. verwarf in seiner Enzyklika „Mysterium fidei“ vom 3. September 1965 die irrigen Auffassungen vom Geschehen der heiligen Messe, die mit den Begriffen Transsignifikation und Transfinalisation ausgedrückt wurden. In den Dogmen muss man immer an der Bedeutung festhalten, welche die Kirche ein für allemal für gültig erklärt hat. Die festgelegte Ausdrucksweise muss beibehalten werden, damit nicht falschen Ansichten Vorschub geleistet wird. Die Norm zu sprechen, welche die Kirche in jahrhundertelanger Arbeit und mit dem Beistand des Heiligen Geistes angenommen hat, darf unter keinen Umständen angetastet werden. Sie ist den Menschen aller Zeiten und aller Orte verstehbar. Nach der Wesensverwandlung haben die Gestalten des Brotes und des Weines ohne Zweifel eine neue Bedeutung und einen neuen Zweck erhalten; sie sind nicht weiter gewöhnliches Brot und gewöhnlicher Trank; sie sind jetzt Zeichen einer heiligen Sache und Zeichen geistlicher Speise. Aber die Gestalten bekommen deswegen eine neue Bedeutung und einen neuen Zweck, weil sie eine neue Wirklichkeit enthalten, eine neue ontische Wirklichkeit. Denn unter den Gestalten ist jetzt nicht mehr das verborgen, was vorher war, sondern etwas ganz Neues, und dies durch die objektive Realität. Nach der Verwandlung der Substanz oder des Wesens des Brotes und des Weines in den Leib und das Blut Christi bleibt von Brot und Wein nichts als die Gestalten (die Akzidentien). Unter ihnen ist der ganze und vollständige Christus da in seiner physischen Realität, auch körperlich gegenwärtig, wenn auch nicht auf die Weise, in der sonst körperliche Gegenstände sich an ihrem Ort befinden. Die Kraft, die dies vollbringt, ist dieselbe des allmächtigen Gottes, die am Anfang der Zeit das All aus dem Nichts geschaffen hat.

Die Wesensverwandlung von Brot und Wein bewirkt die sakramentale Gegenwart von Leib und Blut und damit von Gottheit und Menschheit Christi auf unseren Altären. Der Leib, der hingegeben wird, und das Blut, das vergossen wird, werden vom Herrn als Opferleib und als Opferblut bezeichnet. Damit hat er die Eucharistie als Opfer eingesetzt. Es besteht in dem Leibe und Blute des Herrn. Der Herr schenkt uns die Gegenwart seines geopferten Leibes und seines vergossenen Blutes, auf dass wir diese Opfergaben dem himmlischen Vater als unser Opfer darbringen. Christus brachte für unsere Erlösung ein Opfer am Kreuze dar. In der eucharistischen Feier wird dieses Opfer erneuert und gegenwärtig gemacht. Dies geschieht durch die objektive liturgische Handlung des Priesters. Der Herr opfert sich unblutig im Messopfer, indem er das Kreuzesopfer vergegenwärtigt und dessen heilbringende Kraft zuwendet, wenn er kraft der Wandlungsworte beginnt, sakramental gegenwärtig zu werden. Die Realpräsenz Christi verbindet sich mit der Aktualpräsenz seiner Erlösungstat. Amen.

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