Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
25. Juni 2017

Die Bekehrung

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Zur christlichen Religion gehört unaufgebbar Begriff und Sache der Bekehrung. Darunter ist allgemein gesprochen die innere Wandlung zu verstehen, die je nach Umständen eine verschiedene Gestalt annehmen kann. Die ausschlaggebende Größe bei der Bekehrung ist die Gnadeneinwirkung Gottes. Ohne sein Wirken im Herzen ist eine Bekehrung unmöglich. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus dem allgemeinen Heilswillen Gottes. Petrus spricht ihn in seinem 1. Briefe an, wenn er schreibt: „Gott will nicht, dass jemand verloren gehe, sondern dass alle zur Sinnesänderung gelangen.“ Dazu gibt Gott einem jeden Anregung und Impulse. Gott zwingt niemand, er lädt ein, dringend, aber er wartet auf die freie Zuwendung des Menschen. Verstand und Wille sind notwendig an der Bekehrung beteiligt. Den Ausschlag gibt immer die Wende des Willens. Die Bekehrung lässt sich häufig auf empirisch feststellbare Faktoren zurückführen. Äußere Anregungen erschließen der Seele den Blick für die Nichtigkeit des bisherigen Verhaltens und für den Wert des Guten. Eine Begegnung mit einem anderen Menschen, die Lektüre eines guten Buches, ein Unglücksfall; das alles kann eine Bekehrung auslösen, die sich aber im Herzen schon vorbereitet hat. Die schlesische Jüdin Edith Stein fand zum Glauben, indem sie den katholischen Katechismus und das Schott-Messbuch studierte. Der evangelische Theologieprofessor Heinrich Schlier in Bonn lehrte Neues Testament. Er kam durch das Studium des Neuen Testamentes zu der Überzeugung: Die Kirche, die das Neue Testament vorsieht, ist die römisch-katholische, und er trat über zum katholischen Glauben. Die Bekehrung ist jedem Menschen möglich, jedem, der sich im Pilgerstand befindet. Solange jemand in diesem Fleische verweilt, darf man nicht an seiner Bekehrung verzweifeln. Auch eine späte Bekehrung kommt nicht zu spät. Es ist aber gefährlich, die Bekehrung aufzuschieben. Das Buch von der „Nachfolge Christi“ schreibt: „Der Augenblick wird kommen, wo du dir einen einzigen Tag oder eine einzige Stunde wünschen wirst, um dich zu bessern. Aber ich weiß nicht, ob du sie erlangen wirst.“ „Wer sagt: Von morgen ab will ich gut leben, vergisst, dass ihm Gott Verzeihung versprochen hat, aber nicht den morgigen Tag.“ Der Tod kommt ungeladen. Seine Bekehrung aufs Alter verschieben heißt: Laufen wollen, wenn man keinen Atem mehr hat. Im Jahre 1453 eroberten die Muslime Konstantinopel, diese große christliche Metropole. Die Christen sahen sich einem furchtbaren Schicksal gegenüber. Sie wurden versklavt, zum Islam mit Gewalt übergeführt oder vertrieben. Aber sie gingen in sich und sagten mit dem Patriarchen an der Spitze: Schon längst hätten wir uns bekehren müssen.

Es ergeben sich verschiedene Formen der Bekehrung. Eine grundlegende Bekehrung liegt vor, wenn Ungläubige zum Christentum geführt werden. Die christliche Mission ist eine unaufhörliche Bekehrungsaktion. Paulus hat sie an sich erfahren. Er versteht die eigene Bekehrung als radikale Wandlung seines Gottesverständnisses und als Berufung zum Heidenapostolat. Was er empfangen hat, das hat er weitergegeben. Er war stolz auf seine Gemeinde in Saloniki, eine Mustergemeinde, „denn überall erzählt man sich von ihr, wie sie sich von den Götzen zu Gott bekehrt hatte, um dem lebendigen wahren Gott zu dienen und seine Wiederkunft zu erwarten.“ Er erinnerte auch die Gemeinde in Korinth daran, dass in den Synagogen der Juden zwar die Schriften des Alten Testamentes verlesen werden, dass sie aber den Hinweis auf den Messias Jesus nicht verstehen. „Es liegt eine Decke über ihren Augen“, schreibt er, „und diese Decke wird weggenommen, wenn sie sich bekehren.“ Bekehrung ist sodann die Abwendung von der Gottlosigkeit in Hinwendung zu Gott. Dies kann auch für Menschen, die zum Gott des Christentums gefunden haben und sich der christlichen Gemeinde angeschlossen haben, notwendig sein. Es gibt auch im christlichen Bereich Gottlosigkeit und Gottvergessenheit. Viele Christen haben Gott bewusst entsagt, verwerfen die Wirklichkeit Gottes, rühmen sich des Atheismus. Andere leben, als ob Gott nicht existierte: Sie denken nicht an ihn, sie beten nicht zu ihm, sie rechnen nicht mit ihm. Sie vernachlässigen ihre religiösen Pflichten: Sie unterlassen die täglichen Gebete, sie versäumen den Gottesdienst, sie lassen die Bußzeit vorübergehen ohne reumütige Beicht und heilige Kommunion. An sie alle ergeht der Ruf: Bekehret euch, gebt Gott einen Platz in eurem Herzen, den ersten, den obersten Platz. Ohne Gott verpasst ihr eure Lebensaufgabe, verfehlt ihr euer Lebensziel. Bekehrung ist weiter die Abkehr von einem sündigen Leben der Gläubigen im Aufbruch zu ernstem sittlichen Streben. Christen missachten die Gebote Gottes, leben, als hätte Gott nicht zu uns gesprochen, bilden sich ihr eigenes billiges Gewissen, verachten das gottgesetzte Lehramt der Kirche und machen sich ihre eigene Moral zurecht. An sie ergeht der Ruf zur Bekehrung. Die Kirche hat besondere Zeiten eingerichtet, um die Bekehrung den Menschen nahezulegen: die Fastenzeit, die Adventszeit. In einer besseren Zeit der Kirche wurden Fastenpredigten gehalten, welche die Gläubigen zur Bekehrung aufforderten. Für den, der sich sittlich verirrt hat und der sich in Sünden verstrickt hat, nimmt die Bekehrung die Gestalt der Umkehr an. Sie besteht in der Aufgabe des Sündenlebens und im Beginn des sündenfreien Daseins. Derjenige bekehrt sich zu Gott von ganzen Herzen, der sich von aller ungeordneten Anhänglichkeit an die vergänglichen Dinge abwendet. Als Junge hatte ich besonderes Interesse an Typen, die in unserem Ort vorhanden waren, also beispielsweise Männer, die Trinker waren, andere, die verwahrlost daherkamen, die interessierten uns Jungen. Und einen hatte ich immer ins Auge gefasst, den ich mehrmals traf, ziemlich verlottert und heruntergekommen. Aber siehe da, eines Sonntags traf ich ihn in der Kirche. Er hatte einen feinen schwarzen Anzug an, mit gefalteten Händen ging er zur Kommunionbank und empfing die heilige Kommunion. Er hatte sich bekehrt, dauerhaft und bleibend bekehrt. Die Sünder werden zur Umkehr ermuntert durch den Hinweis auf die Vergebungsbereitschaft Gottes. Tobias war in der babylonischen Gefangenschaft mit vielen Juden, und er forderte dort seine Landsleute zur Umkehr auf: „Bekehrt euch, ihr Sünder, und wandelt rechtschaffen vor Gott. Er wird euch seine Barmherzigkeit erweisen.“ Das ist ein starkes Motiv zu der Bekehrung, dass Gott wartet auf die Umkehr und dass er bereit ist, zu vergeben. Die Bereitschaft zur Umkehr und der bekundete Wille zur Umkehr kann zur Verschonung von Gottes Strafgerichten führen. Der Prophet Jonas erhielt von Gott den Befehl, in die gewaltig große Stadt Ninive (im heutigen Irak) zu gehen und zu predigen: Noch vierzig Tage und Ninive geht unter. Die Einwohner von Ninive schenkten der Predigt Glauben, riefen ein Fasten aus und legten Bußkleider an. Der König von Ninive erhob sich von seinem Throne, legte das Königskleid ab und setzte sich in Asche. Er ordnete ein Fasten für Menschen und Tiere an, forderte zum Gebet auf und spornte die Niniviten an, von ihrem schlechten Wandel zu lassen. Gott sah ihr Tun und ließ sich das Unheil gereuen, das er angedroht hatte, und führte es nicht aus. Dagegen kann der Aufschub oder die Ablehnung der Bekehrung schlimme Folgen haben. Im Buch der Apokalypse sind sieben Sendschreiben an die Engel der Gemeinden in Kleinasien (der heutigen Türkei) enthalten. Die Engel der Gemeinden, darunter verstehen die Erklärer die Bischöfe. Und dem Engel der Gemeinde in Ephesus, also dem Bischof von Ephesus, schreibt der Apokalyptiker das Wort Gottes: „Ich habe gegen dich, dass du deine erste Liebe verlassen hast. Gedenke also, woher du gefallen bist, bekehre dich und tue deine ersten Werke wieder, sonst werde ich kommen und deinen Leuchter von seiner Stelle rücken, wenn du dich nicht bekehrst.“

Eine besondere Dimension nimmt die Bekehrung an, wenn Nichtkatholiken zur katholischen Kirche heimfinden; wir nennen diesen Vorgang Konversion. Die Konversion ist keine bloße Änderung der Konfession, die Konversion ist die Heimkehr zur Mutterkirche, zum Fels der Wahrheit und zum Hort der Einheit. Der bekannte und bedeutende evangelische Pfarrer Rudolf Goethe, hier in Hessen, fand im Alter von 70 Jahren zur katholischen Kirche und durfte durch besonderes Entgegenkommen Pius XII. die Priesterweihe empfangen. Er schrieb in seiner Biographie: „Mit jubelndem Herzen, meine Sehnsucht ist erfüllt nach der Ganzheit, der Fülle, der Mitte, dem wirklichen Sein.“ Konversion, meine lieben Freunde, ist kein Verrat am bisherigen Glauben, sondern dessen Integration, also Einfügung in die Glaubensfülle der Kirche Christi. Wer als nichtkatholischer Christ zur katholischen Kirche findet, erfüllt den Wunsch des Herrn, dass alle eins sein. Konvertiten sind keine Überläufer, sondern Vollstrecker ihres Gewissensurteils. Sie geben nichts Wahres, Wichtiges und Segenbringendes auf, gewinnen aber vieles dazu. Der große englische Konvertit Newman hat einmal geschrieben: „Wahrer Übertritt geht immer bejahend, niemals verneinend vor sich.“ Konvertiten sind Menschen, die den Schatz im Acker gefunden haben. Auch für den Christen, der seine religiösen und sittlichen Pflichten gewissenhaft erfüllt, besteht die Notwendigkeit der Bekehrung. Wir wissen, dass unser Glaube der Vertiefung, unsere Hoffnung der Stärkung, unsere Liebe der Vermehrung fähig und bedürftig sind. Wir haben noch viel zu bessern in unserem Leben. Es mangelt uns noch an manchen Tugenden. Wir gebrauchen Ausreden und Entschuldigungen, um uns dem Anspruch Gottes zu entziehen. Wir wissen, dass wir bequem und lau sind oder werden können. Wir kennen auch die Versuchung und den Fall. Darum braucht es die Bekehrung. Vor allem die beamteten Diener Gottes sind ständig aufgefordert, sich zu bekehren. Wer andere bekehren will, muss erst selbst bekehrt sein. Eine Bekehrung soll anhalten; es gibt ja die Möglichkeit des Rückfalls. Die Bekehrung soll das ganze künftige Leben formen. Damit sie anhält, bedarf sie der Pflege. Die Pflege fordert an erster Stelle die Vorsicht. Man muss achtsam und besonnen sein im Denken und Planen, im Reden und Handeln. Man sich vor Gefahren hüten, die Versuchungen meiden. Wir alle sind schwach, also begeben wir uns nicht in Lagen, in denen wir straucheln können. Die Bekehrung fordert sodann die immer wiederholte Geisteserneuerung. Man muss anhalten, nachdenken, sein Wollen und Handeln überprüfen, man muss sich erinnern, aus welchem Schlamm uns der Herr herausgeholt hat. Man muss die Vorsätze erneuern, die man gefasst hat. Wir Priester sind gehalten, einen Tag in jedem Monat vorzusehen, an dem wir uns geistlich zu erneuern bemühen, ein Tag im Monat soll der Geisteserneuerung vorbehalten sein. Ich frage die Priester, die ihr Priestertum aufgegeben haben: Haben Sie diese weisen Ratschläge, die Sie im Priesterseminar empfangen haben, haben Sie die weisen Ratschläge beobachtet? Oder in den Wind geschlagen? Die Bekehrung verlangt schließlich den Gebrauch der Mittel, die erforderlich sind, um das hohe Gut der Bekehrung zu bewahren. Man muss im Gebet, im Flehen verharren, darf es nicht vernachlässigen. Es gibt nichts Wichtigeres im Leben eines Christen und erst recht eines Priesters als das Gebet. Man darf die Übung und Stärkung des Willens durch selbstgesetzte Ziele nicht vernachlässigen. Heute, heute ist Freitag, heute will ich das Freitagsopfer bringen. Man muss das Bußsakrament regelmäßig empfangen. Die würdige heilige Beicht ist das wirksamste Mittel gegen Abgleiten in Lauheit und Abfall.

Wir gläubigen Christen haben Gottes Sache zu unserer eigenen gemacht. Wir wissen um die Absichten und Ziele des heiligsten Herzens Jesu. Der Herr will, dass alle den himmlischen Vater kennen und den, den er in die Welt gesandt hat. Er will, dass die Sünder sich bekehren und in der Gnade leben. Er wirkt durch seine Einsprechungen und Anregungen, durch seine Gnaden und seine Gerichte. Wir leben in der Gemeinschaft der Heiligen, in der Gemeinschaft der Kirche. Es muss uns ein nie vernachlässigtes Anliegen sein, für die Bekehrung der Sünder zu beten, für die, die uns nahestehen, aber auch für die, die uns ferne sind. In jeder heiligen Messe am Werktag beten wir um die Bekehrung der Sünder. Das Gebet ist mächtig, weil es sich an den Allmächtigen wendet. Das Gebet bewegt einen Arm, und dieser Arm bewegt die ganze Welt. Gottes Gnadeneinwirkung geschieht ohne uns, aber für das äußere Tun ist Gott auf uns angewiesen. Gott hat keinen anderen Arm als den unseren, er hat auch keinen anderen Mund als den unseren. Gott ist für die Bekehrung der Menschen auf uns angewiesen. Eine wirksame Hilfe zur Bekehrung anderer ist das eigene Beispiel. Die Menschen brauchen Persönlichkeiten, von denen sie lernen, an die sie sich anlehnen können. Unser Beispiel ist umso wertvoller, wenn wir auf eine eigene Bekehrung hinweisen können. Ich habe einmal erlebt, wie ein Priester im Beichtstuhl einem Sünder sagte, der ein Trinker war: „Ja, wissen Sie“, sagte er zu ihm, „ich war auch ein Trinker, aber ich habe mich davon abgewandt.“ Das hat auf das Beichtkind einen starken Eindruck gemacht. Schließlich können und sollen wir andere ermuntern, sich zu bekehren. Wir erinnern sie an Gottes Heilsruf, wir verweisen sie auf die Erlösung in Christus, wir geben zu bedenken, wie kurz das Leben ist und wie ernst die Rechenschaft vor Gott ist. Der Apostel Jakobus mahnt in seinem Briefe: „Wenn jemand von der Wahrheit abgeirrt ist, und einer ihn bekehrt, der darf wissen: Wer einen Sünder von seinem Irrweg bekehrt, der rettet dessen Seele vom Tode.“

Amen.  

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