Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
Engel
1. Oktober 1989

Die Engel

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Der Monat Oktober ist der Engelmonat, denn kurz vor seinem Beginn und in seinem Anfang liegen Engelfeste, am 29. September das Fest des Erzengels Michael, am 2. Oktober das Schutzengelfest, am 24. Oktober tritt noch das Fest des Erzengels Raphael hinzu. So ist der Monat Oktober schon seit langer Zeit der Engel- oder der Schutzengelmonat geworden; Anlaß für uns, nach den heiligen Engeln zu fragen.

Wie viele Gegenstände unseres Glaubens, meine lieben Christen, sind auch die Engel angefochten, bezweifelt, geleugnet. Es gibt nicht wenige sogenannte katholische Theologen, welche die Existenz der Engel bestreiten. Sie sagen, das seien Emanationen von Gottes Kraft, es seien verdinglichte Ausstrahlungen der Macht Gottes, Erscheinungsweisen Gottes, aber niemals persönliche, leibfreie Geister, als die wir sie ja verehren. Die Offenbarung, die uns durch Schrift und Tradition – nicht nur durch Schrift, sondern auch durch Tradition – zukommt, die Offenbarung also sagt uns, daß Engel existieren. Engel leben als unkörperliche Wesen, als leibfreie Geister. Die Engel sind unsterblich, sie besitzen ein gewaltiges Wissen, einen mächtigen Willen. Sie sind von Gott geschaffen zu seiner Verherrlichung und zum Dienste der Menschen.

Die Zahl der Engel ist unermeßlich. Die heilige Schrift spricht von tausend mal tausend, ja von zehntausend mal hunderttausend. Mit diesen großen Zahlen soll angegeben werden: Die Zahl der Engel ist unschätzbar.

Ich kann nur immer staunen, wie jemand an dieser großen Zahl der Engel Anstoß nehmen kann. Die Natur zeigt uns doch, welcher Reichtum in der Macht des Schöpfers gelegen ist, als er seine Schöpfung ins Leben rief. Die Erkenntnisse der Astronomie lehren uns, daß es Milliarden von Sonnen gibt, Milliarden von Sonnen, daß es Millionen von Lichtjahren dauert, bis uns ein Strahl der nähergelegenen – der nähergelegenen! – Sonnen erreicht. Und da soll es Gott unmöglich sein, neben der sichtbaren Welt auch eine unsichtbare zu schaffen? Da soll Gott unfähig sein, Myriaden von Engeln ins Leben zu rufen?

Die Engel sind in einer hierarchischen Ordnung gegliedert. Es gibt Abstufungen unter den Engeln, führende und dienende Engel. Die Offenbarung spricht von neun Chören der Engel, und vor allem im Epheserbrief und im Kolosserbrief werden die verschiedenen Chöre der Engel aufgezählt: Throne, Herrschaften, Mächte, Fürstentümer, Gewalten, Cherubim und Seraphim, und vor allem die Erzengel, von denen uns drei mit Namen bekannt sind, Gabriel, Raphael und Michael. Und wenn wir von den Erzengeln sprechen, dann wissen wir auch gleich, daß bei den Engeln zwischen ihrem Namen und ihrem Wesen unterschieden werden muß. Das Wort Engel bedeutet Bote. Nun kann das Wesen eines geistigen Geschöpfes nicht darin aufgehen, Bote zu sein, sondern sein Wesen liegt darin, daß er ein Geist ist, ein überragender Geist mit einer gewaltigen Intelligenz und mit einem mächtigen Willen. Das ist sein Wesen.  Und wenn er von Gott gesandt wird, dann heißt er Bote, angelos, angelus – Engel.

Gott hat oft Botschaften durch Engel an die Menschen gesandt. Zu Maria sandte er den Erzengel Gabriel. Josef wurde von einem Engel belehrt. Und auch im Alten Testament wird uns mehr als einmal von Gesandtschaften berichtet, die Gott an die Menschen gerichtet hat, indem er Engel aussandte, die Menschen zu begleiten. Besonders bekannt ist die Geschichte von dem jungen Tobias, den der Erzengel Raphael begleitete, weswegen der Erzengel Raphael auch der Patron der Reisenden geworden ist.

Die Engel beten Gott an, verherrlichen ihn und sind darin glücklich. Sie sind nicht nur von Natur aus mächtig und begabt, sie sind auch mit der Gnade ausgestattet, also mit jener übernatürlichen Kraft, welche sie über ihre Natur hinaus erhebt und Gott verähnlicht. Sie beten Gott an, sie lieben ihn, sie preisen ihn, und ihrem Lobgesang schließen wir uns an in jeder heiligen Messe, wenn wir in der Präfation beten, daß wir mit einer Stimme, mit den Engeln vereint, rufen möchten: Heilig, heilig, heilig, wie nach der Prophetie des Isaias die Engel im Himmel singen. Natürlich sind das Bilder. Es gibt Kreise, die suchen unter Hinweis auf die Bildhaftigkeit unserer Redeweise die Engelverehrung lächerlich zu machen. Dagegen sei gesagt: Wir können auch von den Engeln nicht anders sprechen als mit menschlichen Begriffen und mit menschlichen Bildern. Wenn wir das nicht tun wollen, müssen wir schweigen. Da wir aber nicht schweigen dürfen, müssen wir die uns zur Verfügung stehenden Ausdrücke und Symbole verwenden, um sie auf die Engel anzuwenden. Und diese Verwendung ist berechtigt, und sie sagt etwas Richtiges aus, wenn auch die Wirklichkeit unsere Worte und Vorstellungen weit übertrifft.

Die Engel sind auch dem Menschen zum Dienste gegeben. Ja, so hoch schätzt Gott die Menschen, daß er ihnen Engel an die Seite gestellt hat, dem einzelnen, aber auch der Gesamtheit. Die Gemeinschaften haben mächtige Engel zu Freunden. Unsere Väter haben den heiligen Michael zum Patron für Deutschland erwählt. Das wissen viele Menschen gar nicht, daß Michael der Patron von Deutschland ist, ein himmlischer Helfer, ein mächtiger, ein nie fehlender Beistand. Aber auch den einzelnen Menschen hat Gott Engel an die Seite gegeben. Wir nennen sie die Schutzengel, weil sie den Menschen schützen, beraten, warnen, zum Himmel führen sollen. Das ist ihre Aufgabe, den Menschen zum Himmel zu führen. Was diesem Ziele dient, das kann man vom Engel erhoffen. Was diesem Ziele nicht dient, das darf man von ihm nicht erwarten.

Wir dürfen keiner falschen, mechanischen, grobsinnlichen Vorstellung vom Schutzengel huldigen. Es ist billig, die Wahrheit des Schutzengels dadurch lächerlich machen zu wollen, daß man beispielsweise sagt: Ja, das Kind hat er nicht bewahrt, als es sich das Bein brach. Da hat er nicht aufgepaßt, daß es unter die Räder kam. Der Schutzengel führt die ihm Anvertrauten zu Gott. Der Weg zu Gott ist manchmal hart und schmerzlich. Er kann durch Krankheit und durch Qualen führen. Aber deswegen bleibt es der Weg zu Gott. Wenn es Gottes Wille ist, kann der Schutzengel selbstverständlich auch aus Gefahren des Leibes, der Gesundheit, des Lebens retten. Das kann er. Wenn Gott es so will, dann kann er es. Aber der Beistand der Engel ist wie der Glaube überhaupt kein Rechenexempel. Wenn man mit einem Engelgebet alle Gefahren von sich abhalten könnte, dann würde die Frömmigkeit zum Geschäft, dann würde der Glaube zum Handel, und das darf er nicht werden. Der Glaube muß das Vertrauen auf die souveräne Macht Gottes bleiben. Und Gott bleibt nur souverän, wenn er erhören kann, wann immer er will, und nicht, wenn er muß.

So ist also die Verehrung des Schutzengels berechtigt, ja sie ist uns geradezu notwendig. Wir sollen auf ihn lauschen, denn man kann ihn sprechen hören. Er spricht in unser Gewissen hinein, in diesen so viel mißbrauchten Raum des Gewissens, da spricht er hinein. Und wenn wir auf seine feine Stimme hören, dann finden wir den rechten Weg.

Es gibt schöne Gebete zu den Engeln, und wir sollten sie uns aneignen und den Kindern lehren. Es ist erschreckend, meine lieben Freunde, wenn ich manchmal Studenten nach zehn Semestern Theologiestudium frage, welche Gebete sie können, auswendig können. Außer Vater unser und Ave Maria kommt fast nichts. Ist das der Erfolg von zehn Semestern Theologiestudium? Nein, wir, wir schlichten Menschen, wir wollen uns die Gebete zu den heiligen Engeln aneignen, sie auswendig lernen, sie unseren Anvertrauten lehren.

„O Engel rein, o Schützer mein, du Führer meiner Seele. Laß mich dir anempfohlen sein, daß ich vor Gott nicht fehle. Beschirme mich bei Tag und Nacht, erleuchte meine Pfade. Halt über mich getreue Wacht, daß mir der Feind nicht schade. Trag mein Gebet zu Gottes Thron und fleh für meine Sünden! Durch seinen eingebor'nen Sohn laß mich Verzeihung finden. Beschütze mich im letzten Streit, wenn Leib und Seel sich scheiden! Begleite mich zur Ewigkeit, wo Freud ist ohne Leiden!“

Amen.

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