Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
22. Mai 2016

Ein Gott in drei Personen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Es gibt nur einen Gott. Im Alten Testament fordert der eine wahre Gott von Anfang an Glauben und Hingabe in allen Bereichen des Lebens. Gegenüber der Vielheit von händelsüchtigen und streitsüchtigen Göttern im sonstigen östlichen Kulturbereich wird gleich im ersten Satz des ersten Buches der Heiligen Schrift die Einzigkeit Gottes, des Weltschöpfers, des unumschränkten Herrn der Natur und der Geschichte herausgestellt: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Die Menschen erzeugen Götter. Sie spüren die Numinosität, also die göttliche Herkunft der Natur, und so erheben sie Symbole der Naturkräfte in Holz und Stein und in kultischem Handeln zu Göttern. Aber diese Götter sind nach der Offenbarung Nichtse. Sie vermögen nicht zu nützen, sie vermögen nicht zu helfen. Der Eingottglaube wird im Alten Bund in aller Entschiedenheit festgehalten und eingeschärft. Der erste Satz im Zehn-Gebote-Gesetz lautet: „Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus dem Lande Ägypten, aus dem Sklavenhause geführt hat. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben!“ Alle Nebengottheiten sind ausgeschlossen, der eine Gott vereinigt in sich alles Göttliche. Das war der Grund, weswegen die Heiden viele Götter hatten, weil sie meinten, man müsse für alle Erscheinungen eine Gottheit erfinden. Aber nein, der eine wahre Gott vereinigt in sich alles Göttliche. Das Neue Testament vertieft den Eingottglauben. Neben dem einen wahren Gott darf der Christ keine Götter haben und sich zu keinem Gott bekennen, weder zum Mammon noch zum Bauche noch zu Götzenbildern noch zu den Gewalten des Alls, aber auch nicht zu dem Kaiser in Rom. Die christliche Religion ist wahrhaft die Religion des Eingottglaubens. An ihm hat die Kirche stets und mit Überzeugung festgehalten. Alle Glaubensbekenntnisse beginnen mit dem Satz: „Ich glaube an den einen Gott.“ In Fiesole, in Italien, gibt es ein Franziskanerkloster, und über der Pforte dieses Klosters steht eine Inschrift geschrieben, sie lautet: „Ein einziger Gott. Wenn er mein Feind ist, wer wird mich retten? Eine einzige Seele. Wenn ich sie verliere, was bleibt mir noch?“

Der eine Gott mit seiner einzigen göttlichen Wesenheit existiert nun aber in dreipersonaler Weise. Gott ist so unerschöpflich, seine Fülle ist so unermesslich, die Gottnatur, das Gotteswesen ist so reich, dass es nur in dreipersonaler Weise existieren kann und muss. Die Dreipersonalität ist in der Heiligen Schrift an vielen Stellen ausgedrückt. Im 2. Korintherbrief heißt es: „Die Gnade des Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen“ – Die Gnade des Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Im Briefe an Titus schreibt der Apostel: „Gott hat den Geist in reicher Fülle auf uns ausgegossen durch Jesus Christus, unseren Herrn“ – Gott hat den Geist in reicher Fülle auf uns ausgegossen durch Jesus Christus, unseren Herrn. Der Unterschied des göttlichen Wesens von den göttlichen Personen wird ausgesagt, wenn Jesus im Johannesevangelium spricht: „Ich und der Vater sind eins.“ Das Wort „eins“ bezieht sich auf das göttliche Wesen, die Worte „Ich und der Vater“ beziehen sich auf die Personen. Die drei göttlichen Personen stehen in unlöslicher Verbundenheit miteinander. Nein, noch mehr, sie bedingen sich einander und vollziehen so untereinander den fruchtbarsten Lebensaustausch. Ja, an der Hingabe aneinander, an dem Austausch des Lebens hängt ihre Existenz. Sie leben gleichsam davon, dass sie sich verschenken. Der Lebensaustausch besteht darin, dass eine Person die andere hervorbringt bzw. dass eine Person aus der anderen hervorgeht. Die fruchtbare Lebensbewegung geht aus vom Vater (der ersten göttlichen Person), sie schreitet weiter über den Sohn hin zur dritten göttlichen Person, dem Heiligen Geist. Hervorbringungen nennen wir diese geheimnisvollen Geschehnisse. Die Hervorbringung der einen göttlichen Person durch die anderen bedeutet nicht eine Erschaffung oder eine stufenweise Entfaltung des göttlichen Tuns; Hervorbringung bedeutet vielmehr die ewige Begründung einer Person durch eine andere – die ewige Begründung einer Person durch eine andere. Und der Hervorgang bedeutet das ewige Begründetsein einer Person durch eine andere. Die Hervorgänge und Hervorbringungen in Gott geschehen nicht in einem zeitlichen Verlauf, also in einem Nacheinander von Akten. Die Existenz der hervorgebrachten Person ist nicht das Ergebnis eines zeithaften göttlichen Tuns, nein, die Hervorbringungen und die Hervorgänge sind ewige Akte, denen jegliches Früher oder Später fehlt. Hervorbringend und hervorgebracht ist je nur die Person. Der Vater ist es, der den Sohn zeugt; Vater und Sohn sind es, die wie ein einziges Prinzip den Heiligen Geist hauchen; der Sohn ist es, der gezeugt wird; der Heilige Geist ist es, der gehaucht wird. Der Grund für die Zeugung und Hauchung ist die Überfülle des göttlichen Lebens. Nur die Personen als solche bringen hervor und gehen hervor, und das bedeutet, dass das Wesen Gottes durch die Hervorbringungen oder durch das Hervorgehen nicht vervielfältigt wird. Die Hervorbringungen begründen bloß, dass es in dreifach verschiedener Weise je als dasselbe existiert. „Gleichen Wesens mit dem Vater“, bekennen wir im Glaubensbekenntnis; das wird hier ausgedrückt. Der Vater bringt, weil er die Fülle des wesenhaften göttlichen Lebens besitzt oder vielmehr weil er sie ist, den Sohn hervor, der ebenfalls die Fülle des göttlichen Lebens ist. Diese Hervorbringung wird in der Heiligen Schrift Zeugung genannt. Vater und Sohn, welche ein und dieselbe wesenhafte Fülle des göttlichen Lebens sind, bringen den Heiligen Geist hervor, der seinerseits die wesenhafte Fülle des göttlichen Lebens ist. Diese Hervorbringung nennen wir Hauchung.

Meine lieben Freunde, das sind bildhafte Bezeichnungen. Sie haben mit geschlechtlichen Dingen überhaupt nichts zu tun, aber auch nichts mit dem menschlichen Lebensatem. Es sind Bilder, Bilder, die dem Missverständnis wehren wollen, als ob die göttlichen Personen erschaffen würden, als ob der Vater den Sohn erschaffen würde und sie beide den Heiligen Geist erschaffen würden. Nein, deswegen gebrauchen wir die Ausdrücke Zeugung und Hauchung, um die Unerschaffenheit der göttlichen Personen zu dokumentieren. Wir haben keine anderen Begriffe. Wenn wir sie aufgeben würden, müssten wir schweigen von Gott, von seinem innergöttlichen Leben.

Die erste Person geht nicht von einem andern hervor, sondern ist der grundlose Urgrund der beiden anderen Personen, der Vater. Der Vater zeugt den Sohn, d.h. er teilt das göttliche Wesen einem zweiten göttlichen Ich mit. Dieses zweite göttliche Ich hat oder besitzt aufgrund dieser Mitteilung ein und dasselbe Wesen – „gleichen Wesens mit dem Vater“. Die Zeugung ist ewig, d.h. sie kennt keinen Anfang, kein Ende und keinen Verlauf. Sie ist eine einzige, absolut einfache, stehende Vollziehung. Die Zeugung ist immer zum Abschluss gekommen, sodass ihr Ergebnis vorliegt, nämlich der Sohn. Aber sie begibt sich dennoch fortwährend, immer und immerfort, wird der Sohn durch das zeugende Tun des Vaters begründet. Vater und Sohn hauchen den Heiligen Geist. Nicht, als ob sich Vater und Sohn zu einem Akt entschlössen, der zu ihrem bisherigen Personsein hinzutritt; vielmehr fällt der Akt des Hauchens mit dem Vatersein und dem Sohnsein zu einer einzigen Wirklichkeit zusammen. Deswegen bekennen wir im Konzil von Chalcedon: „Ungeteilt ist das Wesen und unvermischt sind die Personen.“ Wie der Vater die Zeugungstat ist, so ist er auch die Hauchungstat. Und wie der Sohn das Gezeugtwerden ist, so ist er auch die Hauchung.

Das Denken der Kirche und ihrer großen Theologen hat sich immer wieder damit beschäftigt, wie diese göttlichen Hervorgänge zu erklären seien. Aus diesem Nachdenken ist die psychologische Trinitätslehre entstanden. Sie verdankt sich vor allem dem großen heiligen Augustinus. Die psychologische Trinitätslehre versucht das innergöttliche Leben mit den Tätigkeiten des menschlichen Geistes zu erklären. Danach gilt folgendes: Die innergöttliche Hervorbringung des Sohnes geschieht auf dem Wege des Erkennens. Der Vater erkennt, durchschaut und überschaut die gesamte Wirklichkeit. Was der Vater in diesem alles durchdringenden Schauen erkennt, das gestaltet er in einem tiefen und umfassenden Gedanken. In diesem Gedanken ist ihm sein ganzes eigenes Gottsein und zugleich das Sein der Schöpfung gegenwärtig. In diesem Gedanken bespricht er mit sich selbst seine Gottesherrlichkeit und die Herrlichkeit der Welt. Und dieser vom Vater gestaltete umfassende, tiefe Gedanke ist das WORT, der LOGOS, wie wir am Anfang des Johannesevangeliums lesen: „Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“ Das vom Vater gesprochene Wort ist also erstens von unbedingter Seinsbeständigkeit, es ist lautere Wirklichkeit, unvergänglich, ewig, es nimmt Teil an der Existenzmacht Gottes. Ja, seine Existenzmacht ist die absolute Existenzmacht des Vaters. Zweitens: Dieses WORT ist von absoluter Inhaltsfülle. Der Vater schaut den ganzen Reichtum des Seins mit einem einzigen Blick von unendlicher Tiefe und unendlicher Weite und drückt sein Erkennen in einem einzigen Gedanken von absoluter Einfachheit und unermesslicher Fülle aus. Drittens: Das WORT weiß um sich selbst und begründet in seinem Selbsterkennen sein Dasein. Es ist also Person und tritt dem Vater als personales Selbst gegenüber. Es wendet sich dem Vater zu und blickt ihm ins Antlitz, es gibt auf seine Rede Antwort. Ja, es ist nichts anderes als die personale Antwort an den Vater. Das innergöttliche personhafte WORT ist, sofern es vom Vater ausgesprochen wird, das Wort des Vaters, sofern es aber den Vater anschaut, ist es die Antwort an den Vater. Es gibt also in Gott Mehrpersönlichkeit, weil es in ihm ein Sprechen gibt, weil in ihm die Gemeinschaft der Aussprache stattfindet. Die innergöttliche Hervorbringung des Heiligen Geistes geschieht in der Weise des Liebens. Vater und Sohn durchschauen ihren gemeinsamen Reichtum, die Gottnatur, die innige Verbundenheit und reale Einheit. Sie bejahen diese Verbundenheit mit ebenbürtiger Liebe, indem sie sich gegenseitig mit unendlicher Innigkeit und Kraft umfangen. Die Kraft und Innigkeit, mit der sie sich umschlingen, ist wegen ihrer Unendlichkeit mit keiner irdischen Liebesglut zu vergleichen. Indem jedem die Liebesglut des anderen entgegenschlägt, verschmelzen sie zu einem Liebesfeuer. Und diese Liebe des Vaters und des Sohnes ist nicht eine flüchtige, wie eine Welle emporsteigende Bewegung, nein, sie ist seinsbeständig und notwendig. Indem Vater und Sohn sich in unermesslicher Liebe einander zuwenden und in Wort und Antwort ein Gespräch von höchster Liebe führen, atmet einer dem anderen den Odem der Liebe zu. Ihrer Verbundenheit entströmt ein Liebesodem von unendlicher Seinsmächtigkeit, Vollkommenheit und Innerlichkeit. Und das Erstaunlichste daran ist: Diese vom Vater und Sohn ausgeatmete Liebe weiß um sich selbst. Sie ist selbständig, sie tritt Vater und Sohn als ein eigenes drittes Ich gegenüber, sie ist personhaft; wir nennen sie den Heiligen Geist. Der Heilige Geist ist also Zeichen, Offenbarung, Bestätigung, Bürge der Liebe des Vaters zum Sohne und des Sohnes zum Vater, personhafter Ausdruck, personhafte Offenbarung und Bestätigung der Einheit von Vater und Sohn.

Ich habe versucht, meine lieben Freunde, die Lehre der Kirche über den dreifaltigen Gott Ihnen in den Begriffen, die nun einmal unumgänglich sind, vorzulegen. Ich hatte das Glück, einen Lehrer in der Glaubenslehre zu haben, der in der Glut des dreifaltigen Gottes geradezu lebte. Mein Lehrer Michael Schmaus in München hat ein Buch geschrieben über die psychologische Trinitätslehre des heiligen Augustinus. Und aus diesem Buche habe ich versucht, Ihnen seine Gedankengänge zu vermitteln. Es ist wie das Stammeln eines Kindes, ich weiß es. Es ist auch schwer zu begreifen, ich weiß es, aber wie wollen wir von Gott reden, wenn wir nicht so von ihm reden, wie wir es vermögen. „O heiligste Dreifaltigkeit und ungeteilte Einheit, wie unbegreiflich sind deine Gerichte, wie unerforschlich deine Wege. Wer hat den Sinn des Herrn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen? Wer hat ihm zuerst etwas geschenkt, dass es ihm vergolten werden müsste?“ Gott muss so sein, meine lieben Freunde, wie er ist. Die Unbegreiflichkeit, die Unfasslichkeit, die Undurchschaubarkeit Gottes ist ein notwendiges Attribut der Gottheit. Gott muss so sein, wenn er Gott sein und bleiben will. Ein Gott, den wir fassen und begreifen können, wäre in unsere Hand gegeben, er wäre uns ausgeliefert, d.h. er wäre nicht mehr Gott. Dieses Geheimnis, meine lieben Freunde, ergründen zu wollen, ist Vermessenheit, daran zu glauben, ist Gottseligkeit, es einmal zu erkennen, ist Leben, ewiges Leben.

Amen.

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