Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Das Christentum in Staat und Gesellschaft (Teil 3)

12. Juli 2015

Unser Volk

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Ein Staat fordert als konstitutive Elemente ein Volk, ein Gebiet und eine Regierung. Volk ist nicht die Wohnbevölkerung, sondern hat eine historisch und kulturell bestimmte Eigentümlichkeit, die über aktuelle Befindlichkeiten hinausgeht. Volk ist dauerhaft durch ein gemeinsames kulturelles Erbe gekennzeichnet, durch zahlreiche Verwandtschaftssysteme zu einer unterscheidbaren historischen Einheit zusammengefügt. Der Begriff „Volk“ ist in der Zeit des Nationalsozialismus missbraucht worden, aber der Missbrauch hebt den legitimen Gebrauch nicht auf. Die heutige Politik vernachlässigt Begriff und Sache des Volkes in sträflicher Weise. Für viele Politiker scheint nicht mehr das eigene Volk zu zählen, sondern nur noch die Bevölkerung, die Menschen, die da zusammen wohnen. Die meisten unserer Politiker scheinen nicht mehr zu wissen, was ein Volk ist und was es von seinen Repräsentanten verlangt. Der Führung eines Volkes obliegt es nämlich, die positiven Werte des Volkes zu wahren, von Generation zu Generation zu fördern, alles Schädigende auszuschalten und zu beseitigen. Das Volk hat ein Recht, in seinem Bestand erhalten zu werden. Es gibt Reden deutscher Politiker, die jedes Verständnis vom Wert und vom Lebensrecht des deutschen Volkes vermissen lassen. Ein Volk, in dem die Särge die Wiegen überwiegen, ist ein sterbendes Volk. Aber diese Lage bekümmert viele unserer Politiker nicht. Sie sprechen offen aus, dass sie das Verschwinden des deutschen Volkes nicht bedauern würden. Jedes Volk hat auch ein Recht, sich vor Überfremdung zu schützen. Fremde, die sich nicht integrieren lassen, können das Volk zersprengen und seine Identität verletzen.

Gott selbst hat durch die Werkzeuge seiner Offenbarung das Wort vom Volk geheiligt. Er hat in Liebe und Freude, aber auch in schwerem Vorwurf und in bitterer Klage von einem Volk gesprochen, das sein Volk sein sollte. Über dieses Volk haben die Propheten Gottes Wunderbares und Erschreckendes gesagt. Sie haben die bis heute unübertrefflichen Vorbilder einer wahren Liebe zum Volke abgegeben. Der Apostel Paulus hat um sein Volk gebangt und geweint und gelitten. Er wollte lieber selbst vom Heil ausgeschlossen sein, als dass sein Volk verworfen wurde. Wenn er es nur erkaufen könnte mit seiner Verwerfung, so würde er die Verwerfung in Kauf genommen haben. Selbst Jesus Christus, der menschgewordene Sohn Gottes, wollte doch einem bestimmten Volke leiblich entstammen. Er hat für dieses Volk seine Lebensarbeit geleistet. Er hat die Menschen dieses Volkes sammeln wollen, wie man es bei den Tieren beobachtet, wie eine Henne ihre Küchlein sammelt, aber sie haben nicht gewollt. In Christus war jeder Gedanke religiös, und so kann also auch nach seinem Beispiel die Liebe zum Volk nur etwas Heiliges und Religiöses sein. Es sind drei Merkmale, die ein Volk ausmachen:

1.      die Abstammung,

2.      das gemeinsame Gehen, der gemeinsame Weg und

3.      das gemeinsame Werk.

Die gemeinsame Abstammung. Ein Volk ist eben wie eine Familie, die sich ausgebreitet und vermehrt hat. Wenn wir weiter zurückschauen, dann stellen wir fest, wie nahe wir alle miteinander verwandt sind, dass wir gemeinsame Vorfahren haben, und infolgedessen sind wir auch zusammengehörig. Eine gemeinsame Art, zu fühlen, zu empfinden, eine gemeinsame Art, sich zu freuen und sich zu betrüben, zu lieben und zu leben, eine solche gemeinsame Art ist mit der Volkwerdung gegeben. Die geistige Welt ist eng mit der leiblichen Abstammung verknüpft. Blutsverwandtschaft besagt auch Geistesverwandtschaft: eine Gleichheit in seelischer Haltung, eine Gemeinsamkeit der Intuitionen, der geistig schöpferischen Kräfte, ja auch der Frömmigkeit. Es hat einen guten Sinn von der deutschen Frömmigkeit zu sprechen, von der Volksfrömmigkeit. Das volkhafte Brauchtum spielt in das religiöse Leben hinein. Die Volksfrömmigkeit ist von ungeheurer Bedeutung. Sie ist die Hülle für das religiöse Leben, die Hülle für den Glauben. Wenn die Volksfrömmigkeit wegfällt, dann fällt auch alles andere bald hinterher. Die Volksfrömmigkeit ist eine Brücke vom Glauben zum Leben, eine Brücke von der Religion zum Leben. Ohne Volksfrömmigkeit verliert das religiöse Leben seine Wärme und seine Volksnähe. Volksfrömmigkeit ist also z.B. das Beten des Rosenkranzes, des Engel des Herrn, das Kreuzzeichen, der Kreuzweg, die fünf Wunden, die sieben Schmerzen, die Maiandachten; das ist Volksfrömmigkeit. Ausdruck der Volksverbundenheit ist aber auch die Sprache. Sprachen sind nicht nur Verständigungsmittel – eine Volkssprache könnte man ja auch ersetzen durch eine volksübergreifende Sprache wie etwa Esperanto –, nein, die Sprache ist aufgeblüht aus dem Charakter des Volkes. Die Sprache hängt eng zusammen mit der Abstammung. Sie ist etwas vom Herzen und von der Seele des Volkes. Die gemeinsame Muttersprache ist ein wirkliches Gleichnis auch gemeinsamer Geistesart und gemeinsamer Herzenswelt, ist das vollkommenste Mittel gegenseitigen Verstehens. Die Herkunft von gemeinsamen Vorfahren weckt verpflichtende Solidarität und lässt soziale Identitäten entstehen, und daraus ergibt sich unsere Pflicht zur Dankbarkeit, zur Dankbarkeit, dass wir diesem unserem Volke angehören, das uns nicht nur leiblich hervorgebracht, sondern auch geistig genährt hat, das beigetragen hat zum kostbarsten Besitz, den ein Mensch haben kann, nämlich zum Besitz von Erkenntnissen und Idealen.

Das zweite Band, das ein Volk umschlingt, ist der gemeinsame Weg, der Lebensweg, das gleiche Schicksal. Abstammung bedeutet vielfach auch eine Gemeinsamkeit des Lebensweges. So hat die Volksgemeinschaft also eine zweite Bedeutung, nämlich die Gemeinsamkeit des Weges. Das erleben wir ja bei einer Freundschaft. Wenn eine Freundschaft echt ist und andauert, und wenn sie den beiden oder mehreren Halt bietet, wenn sie unzerbrechlich ist, dann empfängt diese Freundschaft von gemeinsamen Freuden und Leiden einen starken Impuls. Das sehen wir ja auch an den Ehen, die gut zusammenhalten. Wo zwei Menschen nicht nur ein flüchtiges Jawort gegeben haben, sondern durch jahrzehntelanges gemeinsames Schaffen und Tragen zusammengewachsen sind, durch gemeinsames Freuen und durch gemeinsames Leiden. Etwas Ähnliches könnte und sollte zwischen den Volksgenossen, zwischen den Genossen des gemeinsamen Weges aufwachen. Erst recht wenn dieser Weg nicht nur durch Jahrzehnte, sondern durch Jahrhunderte führt. Diese Weggenossenschaft durch Jahrhunderte, diese gemeinsame Geschichte, dieses gemeinsame Schicksal in Zeiten der Blüte und der Drangsal ist das Stärkste, was die Glieder eines Volkes miteinander verbindet. Wir wissen, meine lieben Freunde, was in Deutschland in den Jahren von 1933-45 geschehen ist. Aber sagen wir nicht, das wäre das deutsche Volk gewesen, sondern: Das sind die Verführer des Volkes gewesen, die durch Täuschung und Druck die Menschen zu einer Haltung hineingezwungen haben, versucht haben, sie hineinzuzwingen, die verwerflich war. Wer diese Zeit erlebt hat – wie ich von Anfang an–, der kann nur sagen: Es war nicht das Volk, das sich schuldig gemacht hat, es waren Menschen aus dem Volke. Der lettische Ministerpräsident hat das deutsche Volk aufgefordert, nicht eine Canossa-Republik zu sein, also nicht fortwährend nur auf diese 12 Jahre zu schauen, sondern auf seine jahrtausendealte Geschichte. Wie recht hat er. Die Verbundenheit, die aus vergangenen Schicksalen erwachsen ist, vielleicht aus schweren und blutigen, aber auch aus großen und erinnerungsreichen Schicksalen, diese Erinnerung ist es, die in unserem Volke nicht untergehen darf. Und deswegen kann man sein Volk nicht wirklich lieben und ihm dienen, wenn man nicht auch seine Vergangenheit liebt. Eine der ältesten germanischen Sagen ist die Edda. In der Edda stehen die wunderbaren Sätze: „Enkel bist du! Siegen und Sorgen gestern Gewesener dankst du dein Dasein. Ahnherr bist du! Segen und Fluch fernster Geschlechter hältst du in Händen.“ So die Edda. Wenn man schon so lange zusammen gewandert ist, aus fernen Jahrhunderten hinauf, durch viele Geschlechter hindurch, da kann man sich nicht leicht trennen. Man muss auf diesem Wege bleiben, muss auch die Schicksale der Zukunft miteinander teilen. Wir sind für alle Zukunft aufeinander angewiesen, d.h. wir müssen füreinander da sein, müssen unserem Volke dienen mit der Kraft, an der Stelle, in dem Berufe, wo wir stehen. Wir dürfen uns nicht eigensüchtig absondern oder herzlos den eigenen Nutzen suchen. Ich habe es immer bedauert, wenn ich von dem großen Komponisten Richard Strauss gelesen habe, wie wenig er seinem Volke zu dienen bereit war. Er besaß in Garmisch eine Villa mit 19 Zimmern, weigerte sich aber, auch nur eines abzugeben für die von den Bomben ihrer Heimat beraubten Menschen. Und was tat er nach dem Kriege? Er ging nach der Schweiz, wo er offenbar Geld aufgehäuft hatte, von dem er leben konnte. Das ist kein Dienst am Volke.

Wir sind aber auch, drittens, gerufen zu einem gemeinsamen Werk. Jeder Mensch hat seine Aufgabe, auch die Menschengruppen haben ihre Aufgabe, und auch das Volk hat seine Aufgabe; das Volk ist eine Werkgemeinschaft, es soll zusammen etwas bewirken. Es wird nicht immer leicht sein, anzugeben, welche Aufgabe Gott einem jeden Volke gestellt hat. Die Engländer jedenfalls sind überzeugt, dass ihre Insellage ihnen eine besondere Stellung gegeben hat. Und das deutsche Volk? Es lebt in der Mitte Europas. Sollte diese Lage nicht ein Hinweis auf die Rolle dieses Volkes innerhalb der europäischen Völker sein? Kann man es nicht verstehen als die Aufgabe, Mittler zu sein zwischen Nord und Süd, zwischen Ost und West, zwischen Slawen und Romanen, zwischen Germanen und Mediterranen? „Herz Europas sollst du, o Deutschland, sein!“, hat einmal der Graf von Stolberg gedichtet, „Herz Europas sollst du, o Deutschland, sein, gerecht und wahrhaft sollst in der Rechten hoch die Fackel heben, die der Wahrheit Strahl und die Glut des Gefühls verbreitet!“ Als typisch deutsche Eigenschaften galten einmal Ordnungsliebe, Zuverlässigkeit, Fleiß, Sauberkeit. Die Angehörigen anderer Nationen vertrauten deutschen Männern und deutschen Frauen wegen dieser Eigenschaften. Ist das auch in der Gegenwart noch so? Großbritannien (England) führte im Jahre 1887 mit den Worten „Made in“ die Herkunftsbezeichnung für Waren zum Schutze der heimischen Industrie ein. Die Absicht war, durch die Kennzeichnung deutsche Erzeugnisse zu diskriminieren. Das Ziel wurde nicht erreicht, im Gegenteil. Die Herkunftsbezeichnung „Made in Germany“ wurde zum geschätzten Markenzeichen deutscher Produkte. Fremde Völker waren sich gewiss, dass sie gute Ware bekamen, wenn darauf geprägt war „Made in Germany“.

Ein Volk ist eine Vielheit von Klassen, Ständen, Stufen. Nicht jeder hat die gleiche Aufgabe und die gleiche Stelle, aber der Gemeinschaftsgeist verlangt, dass jeder das Werk und die Besonderheit des anderen anerkennt und gelten lässt. Da ist nichts zu verachten. Ehrfurcht muss man haben, vor jedem, auch vor dem Geringen, auch vor dem Diener, Ehrfurcht vor ihrem Tun und vor ihrer Meinung. Wie weit fehlt es da noch? Wie geringschätzig werden manche Stände, manche Gruppen beurteilt. Nein, das Entscheidende ist doch, dass wir beitragen zum gemeinsamen Werk. Und was unseren eigenen Volksgenossen gegenüber gilt, das gilt auch den anderen Völkern gegenüber. Auch sie sind Werkgenossen, auch sie sind Berufene und Mitschaffende an dem Gottesgedanken, der ausgesprochen ist in der Gesamtheit der Völker. Ohne ihr Dasein und ohne ihr Mitschaffen würde das eigene Volk seinen Sinn nicht verwirklichen können. Die Auffächerung der Menschheit in Völker liegt im Zuge natürlicher Entfaltung. Volk ist das vereinigte Ergebnis ursprünglicher Schöpfung, schicksalhafter Prägung und eigenwilliger und fremdwilliger Formung. Jedes Volk soll seine eigenen Gaben und Werke zum Reifen bringen und dadurch zur Erfüllung der vielgestaltigen Schöpfung beitragen. Jedes Volk hat auch Anspruch auf Ehre und Anerkennung und Eigengestaltung, auf entsprechenden Siedlungsraum und die notwendigen Wirtschaftsgüter, auf Gleichberechtigung, auch wenn es noch so klein ist – wie die Slowaken meinetwegen. Die Völker sind ungleich im Bezug auf ihre natürliche Begabung und Leistung, aber wertvoll sind sie alle. Jedes Volk kann von anderen Völkern lernen. Die Eigenschaften und Fähigkeiten, die einem Volk abgehen, kann es von einem benachbarten Volk absehen. Man denke an die Leidensfähigkeit des russischen Volkes. Unsere Soldaten waren voll des Staunens über die ungeheure Fähigkeit russischer Frauen und Männer, Leiden zu ertragen. Oder denken wir an die Bedürfnislosigkeit des polnischen Volkes. Als unsere Soldaten nach Polen kamen, haben sie manchmal erlebt, wie die Menschen mit den Tieren in einem Raum hausten, aus Armut. Der Gemeinschaftsgeist eines echten und rechten Volksdienstes verlangt, dass wir die nationalen Gegensätze, die Klassen- und Standesunterschiede hineinnehmen in die Gemeinsamkeit, die uns alle verbindet. Nicht die Betonung des Trennenden, sondern des Gemeinsamen schafft uns zu einem wirklichen Volk. Die Ausschließung derer, die anderes Blut, andere Sprache, andere Farbe, andere Bildung haben, wirkt der Gemeinschaft entgegen; sie macht eng, klein und gehässig. Der Dienst am Volke besteht nicht in aufhetzenden und aufregenden Reden, sondern in stiller Arbeit, in der Arbeit am Allernächsten und mit dem Nachbarn. Wie einer sein Volk liebt, und wie einer zu seinem Volke steht, dass erkennt man daran, wie er auskommt mit den Menschen, die im gleichen Häuserblock wohnen, die über die gleiche Stiege gehen, die an der gleichen Maschine stehen oder im gleichen Büro wirken.

Amen.

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