Die Wahrheit verkündigen,
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Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die Sünden (Teil 7)

28. Juni 1992

Die Mitschuld an fremden Sünden

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Lege niemandem voreilig die Hände auf und mache dich nicht mitschuldig an fremden Sünden!“ Diese Mahnung steht im 1. Brief des Apostels Paulus an Timotheus. „Lege niemandem voreilig die Hände auf und mache dich nicht schuldig an fremden Sünden!“ Was ist damit gemeint? Nun, der Satz besagt: Wenn man jemanden nicht genügend geprüft zum Priester weiht, und dieser Betreffende versagt in seinem Beruf und fügt der Religion großen Schaden zu, dann ist der mitschuldig, der ihn geweiht hat, weil er seine Pflicht zur Prüfung nicht sorgfältig genug erfüllt hat. Es gibt also neben den eigenen Sünden fremde Sünden. Wir sollen nicht nur die eigenen Sünden meiden, sondern auch die fremden Sünden. Fremde Sünden sind solche, die andere begehen, an denen man aber irgendwie mitschuldig ist. Die Mitschuld kann sich in dreifacher Weise zeigen,

1. indem man jemand anderen zur Sünde bringt,

2. indem man einem anderen bei der Sünde hilft,

3. indem man einen anderen in der Sünde, im Bösen, bestärkt.

Die erste Weise, wie man sich an fremden Sünden mitschuldig machen kann, besteht darin, daß man jemanden zur Sünde bringt, also veranlaßt. Das kann auf vierfach verschiedene Weise geschehen. Man kann zur Sünde raten. Der Verführer bedient sich ja schlechter Menschen, um andere durch Ratschläge zur Sünde zu bringen. Die Ratschläge, die Empfehlungen können jemanden veranlassen, die Sünde zu tun. Man kann weiter einen anderen zur Sünde reizen. Unter Kindern oder Jugendlichen ist es üblich, zu sagen: „Du traust dich ja nicht“, um einen anderen so herauszufordern, daß er sich dann doch traut, nämlich etwas Böses zu tun. Zur Sünde reizt man auch, wenn man jemanden stichelt und immer Widerrede gibt und ihn so zum Zorn provoziert. Zur Sünde reizt man, indem man Bücher und Filme anderen zu Gehör, zu Gesicht bringt, die Schaden in der Seele hervorrufen. Wieviel Unheil ist durch schlechte Bücher, durch schlechte Filme in den Seelen hervorgerufen worden! Weil sie zur Sünde reizen, weil sie zur Sünde aufreizen, weil sie die Sünde als etwas Reizendes darstellen. Eine andere Weise, wie man jemanden zur Sünde bringt, besteht darin, daß man in die Sünde anderer einwilligt, indem man sich eben damit abfindet, wie es Pilatus getan hat. Die Juden wollten den Tod des Heilandes, und er hat ihnen dann den Willen getan. Oder Aaron hat eingewilligt, als das Volk sich das goldene Kalb als seinen Götzen herstellte. Das heißt in die Sünde einwilligen. Wie viele Eltern willigen in die Sünde ihrer Kinder ein, weil sie schwach oder zu feige sind! Eine andere Weise der Mitschuld an fremden Sünden besteht darin, daß man die Sünde befiehlt. Herodes befahl den Kindermord. Und nicht nur die waren schuldig, die die Kinder getötet haben, sondern auch der, der den Befehl gegeben hat. Das ist also die erste Weise, wie man andere zur Sünde, zur fremden Sünde, bringt durch Raten, durch Reizen, durch Einwilligen oder durch Befehlen.

Die zweite Weise, wie man mitschuldig wird an fremden Sünden, besteht darin, daß man zur Sünde hilft. Manche Sünden bedürfen der Helfer, oder sie geschehen jedenfalls leichter, wenn sie einen Helfer finden. Das nennt man in der Rechtswissenschaft Beihilfe. Beihilfe zur Sünde, das ist eine Form der Teilnahme an einer fremden Tat. Und Beihilfe ist außerordentlich häufig. Es gibt eine entfernte und eine nähere Beihilfe. Wenn beispielsweise eine Abtreibung vorgenommen wird, dann ist der abtreibende Arzt sicher der Hauptverantwortliche. Aber auch die anderen, die die Apparate herbeibringen und die sie bedienen, sind daran beteiligt. Sie leisten Beihilfe zu diesem Verbrechen. Die Beihilfe ist in mannigfacher Weise möglich. Sie ist sogar so ausgedehnt, daß wir uns immer wieder die Frage stellen müssen: Dürfen wir diese Handlung noch setzen, oder ist das schon eine verbotene Beihilfe zu einer sündhaften Handlung oder gar zu einem Verbrechen? Man kann sich durch Beihilfe an der fremden Sünde mitschuldig machen.

Eine dritte Gruppe endlich, wie man sich an fremder Sünde mitschuldig macht, besteht darin, daß man andere im Bösen bestärkt. Das geschieht zum Beispiel, wenn man die Sünde des anderen lobt, wenn man ihm also deswegen Beifall spendet und Anerkennung zollt. Dann beteiligt man sich an dieser Sünde, man bestärkt den Täter im Bösen. Bestärkung im Bösen kann auch so erfolgen, daß man zu der Sünde des anderen schweigt. Das ist eine sehr häufige Teilnahme an fremder Sünde, zur Sünde des anderen schweigen. Man will sich keine Ungelegenheiten schaffen, man will keinen Streit haben, man will Konflikte vermeiden. Und so schweigt man zur Sünde des anderen, wo man reden müßte. So tat es im Alten Testament der Hohepriester Heli. Seine beiden Söhne nahmen von den Opfergaben für sich, was für Gott bestimmt war, behielten es als ihr Eigentum. Der Vater sah es, aber er schwieg. Falsche Liebe, törichte Liebe hat ihm den Mund verschlossen. An einer Bestärkung des Bösen mitschuldig wird auch derjenige, der das Böse, der die Sünde nicht bestraft. Autoritätsträger, wie Eltern, aber auch der Staat, haben die Pflicht, das Böse zu strafen. Dazu ist ihnen ja die Macht gegeben, daß sie den Guten belohnen und den Bösen betrafen. Wenn sie es unterlassen, den Bösen zu strafen, dann verfehlen sie sich, dann machen sie sich mitschuldig an fremden Sünden.

Denken wir einmal daran, daß vor einigen Jahren in der sogenannten sozial-liberalen Koalition, also unter Brandt-Scheel, das Sexualstrafrecht erheblich ausgehöhlt wurde, daß ganze Tatbestandsgruppen von der Bestrafung ausgenommen wurden und daß infolgedessen die Wogen der Sexualität und der Perversität in unserem Volke immer höher stiegen. Der Staat, genauer die Mehrheit des Bundestages und des Bundesrates und die willfährigen Verwaltungsorgane, machen sich fremder Sünden schuldig, wenn sie das Böse nicht strafen, wenn sie nicht in angemessener Weise gegen das Böse reagieren. Sie stärken und fördern auf diese Weise das Böse.

Wir sollen in der Gefolgschaft unseres Heilandes das Böse nicht mehren, sondern vermindern. Er ist gekommen, um die Bollwerke des Bösen zu zerstören. Und dazu braucht er Helfer, und wir Christen sollen seine Helfer sein. Wir sollen mit Energie und mit Treue und mit Tapferkeit und ohne Menschenfurcht für das Gute eintreten und das Böse zu bekämpfen versuchen.

Wie wir immer wieder erleben, meine lieben Freunde, steht, wenn es hart auf hart geht, unsere Kirche im Kampf gegen das Böse allein. Der Protestantismus versagt wie immer. Die sogenannte Ökumene erweist sich als eine Illusion, als eine Seifenblase, die zerplatzt. wenn man in sie hineinsticht. Wo ist der Protestantismus im Kampfe gegen die Abtreibung? Er schweigt. Unsere Kirche, und das ist das Zeichen, daß wir in der rechten Kirche sind, daß wir in der heiligen, von Gott gestifteten Kirche sind, unsere Kirche tritt auf, gelegen oder ungelegen. Und deswegen dürfen wir stolz sein auf unsere Kirche, dürfen uns ihrer freuen und dürfen glücklich sein, daß wir in dieser heiligen Kirche sind.

Fremde Sünden sind gefährlich, und wir sollen sie zu meiden trachten. Wir sollen oft beten, mit der Allerheiligenlitanei: „Ab occultis meis munda me et ab alienis parce servo tuo“ – Von geheimen Sünden befreie mich, o Herr, und laß mich mit fremder Schuld nichts zu tun haben!

Amen.

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