Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Falschlehrer in der Kirche (Teil 1)

26. Februar 1989

Die Zerstörung des Glaubens durch Theologen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Kirchen werden immer leerer. So stellen alle eifrigen, gläubigen Christen immer wieder besorgt fest. Die Kirchen werden immer leerer. Und so ist es tatsächlich. Seit etwa 25 Jahren, ziemlich uhrzeitlich gleich mit dem II. Vatikanischen Konzil, hat der Auszug aus dem Gottesdienst begonnen.

Welches sind die Ursachen dieses Auszuges? Die einen sagen: Ja, die Menschen sind halt bequem. Die Menschen sind bequem, das ist keine Frage, aber warum sind sie gerade bequem im Gottesdienstbesuch? Sie sind doch sonst nicht bequem. Wenn es um die Urlaubsfahrt geht, da sitzen sie zehn Stunden am Steuer, und das ist keine Bequemlichkeit. Oder wenn sie ein Haus bauen, da wird wochen-, monatelang Abend für Abend geschafft mit ungeheuerer Intensität. Warum ist man also bequem in bezug auf den Besuch des Gottesdienstes? Die Antwort kann nur lauten: Man ist da bequem, woran einem nichts liegt. Und warum liegt einem nichts am Gottesdienst? Weil man keinen Glauben hat, weil der Glaube an den Wert des Gottesdienstes, an die Nützlichkeit und an die Notwendigkeit des Gottesdienstes verloren gegangen ist.

Andere sagen: Der Wohlstand ist schuld. Ich bezweifle diese Auskunft. Sind denn diejenigen, die nicht im Wohlstand leben, eifrige Kirchgänger? Und gibt es nicht auch Leute, die im Wohlstand leben und jeden Tag die heilige Messe besuchen? Ich kenne wunderbare Persönlichkeiten, Persönlichkeiten fürstlichen Geblütes, die täglich am Meßopfer teilnehmen, die immer schon im Wohlstand lebten, aber der Wohlstand hat sie nicht gehindert, eifrig den Gottesdienst zu besuchen. Nein, der Wohlstand allein vertreibt die Leute nicht aus dem Gottesdienst, sondern der Mangel an Glauben, der die Wertschätzung des Meßopfers lehrt.

Wieder andere verweisen auf das Fernsehen oder auf die Presse; und tatsächlich, da ist vieles im argen. Die meisten Sendungen, die meisten Artikel, die sich mit der Religion beschäftigen, sind kritisch gegen die Kirche, überkritisch, legen eine Sonde an die Menschen in der Kirche an, die sie sonst nicht anlegen weder an die Parteien noch an die Gewerkschaften. Keine Frage, daß die Freudigkeit des Glaubens durch das Fernsehen und durch die Presse gewaltig vermindert wird. Das ist gar keine Frage.

Aber was tun die Menschen der Kirche gegen die Verunglimpfungen ihres Glaubens? Was tun vor allem die vielen Theologen? Gewiß gibt es auch heute Theologen, die sich vor die Kirche stellen, sie verteidigen und die gegen sie gerichteten Schläge abwehren. Aber nicht wenige von ihnen helfen mit, die Kirche herabzuziehen. Es gibt ihrer Viele, die der Kirche den Eselstritt geben.

Meine lieben Freunde, ich will heute von einer Angelegenheit sprechen, die nach meiner Meinung hauptursächlich für den Auszug aus dem Gottesdienst und der Kirche vor allem bei der jüngeren Generation ist. Das ist die Zerstörung des Glaubens durch die eigenen Theologen.  Ich erwähne an erster Stelle deren Umgang mit dem geschriebenen Wort Gottes. Das II. Vatikanische Konzil hat bezüglich der Heiligen Schrift gelehrt: Die Bibel lehrt sicher, gewiß, ohne Irrtum die Wahrheit, die Gott um unseres Heiles willen aufgeschrieben wissen wollte, hat also an der Inspiration und an der Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift nichts geändert. Von den Evangelien sagt das II. Vatikanische Konzil, daß die Väter des Konzils an der Geschichtlichkeit der Evangelien festhalten. Die Evangelien überliefern zuverlässig das, was Jesus gewirkt und getan hat, als er unter den Menschen lebte.

Diesen Aussagen, die nichts anderes sind als die immerwährende Lehre der Kirche, steht aber ein Verhalten vieler Theologen gegenüber, das dazu einen vollendeten Gegensatz bildet. Wenn Sie heute moderne Bücher über die Heilige Schrift lesen, da finden Sie darin oft die Rede von Geschichten, von Erzählungen. Geschichten sind keine Geschichte, Geschichten sind Legenden, Märchen, Sagen und Mythen. Erzählungen sind erfundene Wortzusammenstellungen und Wortkomplexe. Nach diesen Theologen hat Jesus die Worte, die ihm in der Heiligen Schrift zugeschrieben werden, niemals gesprochen, hat er die Taten, von denen die Evangelien künden, niemals getan, sind viele Ereignisse der Evangelien (und gerade die wichtigsten) niemals geschehen, sondern diese Worte sind ihm von seinen Verehrern zugeschrieben worden, diese Taten hat man ihm – natürlich, ohne daß sie passiert sind – angedichtet. Die Heilige Schrift, so sagen diese Herren und Damen, wolle von der Bedeutsamkeit Jesu reden, sie sei aktuelle Anrede. Die Evangelisten und überhaupt die Männer des Neuen Testamentes hätten ihren Glauben an Jesus in Geschichten umgesetzt, ohne daß ein historisches Fundament diesen Glauben stützt.

Das wird gelehrt von Dutzenden katholischer Theologen! Die Erstbetroffenen sind natürlich die Theologiestudenten, also die künftigen Religionslehrer und Priester. Sie werden hier systematisch ihres Glaubens beraubt. Von diesen Religionslehrern und Priestern geht diese Entleerung des christlichen Glaubens weiter an die Predigtzuhörer, an die Schüler in der Schule. Sie brauchen sich nicht zu wundern, wenn Ihre Kinder allmählich den Glauben verlieren, und das äußere Zeugnis für den Glaubensverlust ist das Fernbleiben vom Gottesdienst. Wer den Aufstellungen der genannten Theologen folgt, wird sich fragen: Wozu soll ich hingehen an eine Stätte, wo mir Märchen erzählt werden, Propagandamärchen, die von den Evangelisten erfunden sind, um Jesus künstlich hochzustilisieren?

Meine lieben Freunde, über die Gefahr, die sich hier erhebt, können Sie sich kein adäquates Bild machen, weil sie die entsprechende Kenntnis der Literatur nicht besitzen. Aber daran ist kein Zweifel: Was sich hier erhebt, ist eine tödliche Gefahr für unsere Kirche! Wenn diese Positionen das letzte Wort behalten, ist das Ende unserer Kirche gekommen. Natürlich wird sie sich in kleinen Resten, wie hoffentlich in uns, die wir hier versammelt sind, erhalten, aber das Gros wird unweigerlich dieser Kirche entfremdet werden und sich vielleicht zu protestantischen Denominationen begeben, wo man ja immer schon derartige Thesen vertreten hat, oder wird gar in die Glaubenslosigkeit abwandern.

Was ist, meine lieben Freunde, zu diesen Wahnsinnsthesen zu sagen? Zunächst einmal: Hier wird eine private Auslegung der Heiligen Schrift gegen die amtliche gestellt. Hier wird nicht etwa die Bibel gegen die Lehre der Kirche ausgespielt, sondern private gegen amtliche Auslegung. Dieser Vorgang ist uns bekannt, z.B. aus dem 16. Jahrhundert. Da trat auch ein Mann auf, der seine private Auslegung gegen die amtliche stellte, und in Worms hat Kaiser Karl V., dieser gläubige Mann, gesagt: „Ein einfacher Mönch, geleitet von seinem privaten Urteil, hat sich erhoben gegen die Lehre, die alle Christen seit tausend Jahren bewahrten und sagt dreist, sie hätten sich geirrt.“ So Karl V. über diesen Mönch in Worms.

Diese Anmaßung, mit dem privaten Urteil das Urteil der gottgeleiteten, vom Heiligen Geist belebten Kirche zu ersetzen, richtet sich selbst. Es sind im Laufe der Jahrhunderte immer wieder solche Falschlehrer aufgestanden. Das ist schon im Neuen Testament bezeugt. Der heilige Apostel Paulus sagt zu den Bischöfen von Kleinasien: „Aus euerer eigenen Mitte werden sich Männer erheben, welche verdrehtes Zeug reden, um die Jünger in ihre Gefolgschaft zu ziehen.“  Wahrhaftig, dieses Wort ist heute in ungeahnter Weise in Erfüllung gegangen. Es erheben sich Männer – und neuerdings auch Frauen –, die verdrehtes Zeug reden, um die Jünger in ihre Gefolgschaft zu ziehen.

Diese Falschlehrer sagen, es komme nur auf die Bedeutsamkeit der Texte an, daß sie im Menschen eine Antwort finden. Sie sind „aktuelle Anrede“, daß die Menschen eben sich bewegen lassen, das Gute zu tun. Tja, meine lieben Freunde, wie soll denn in der Religion etwas bedeutsam sein, dem die göttliche Beglaubigung fehlt? Wieso sollen denn diese Worte bedeutsam sein, wenn hinter ihnen nicht Tatsachen stehen? Wozu soll ich denn reden von Menschwerdung, Jungfrauengeburt, Wundern, Erlösungstod, Auferstehung, Himmelfahrt, wenn das alles nicht passiert ist? Das ist doch offenkundiger Unsinn, etwas bedeutsam zu nennen, was sich enthusiastische Jünger aus den Fingern gesogen haben. Die christlichen Wahrheiten sind doch nur deswegen bedeutsam, weil das, was sie künden, in Wirklichkeit geschehen ist. Die Berichte des Neuen Testaments über die Machttaten unseres Herrn sind doch keine erfundenen Geschichten für irgendwelche Bedeutsamkeiten, Ideen, Gedanken, Entwürfe.

Die Apostel und die Verfasser des Neuen Testamentes wußten sehr genau zu unterscheiden zwischen Tatsachen und Märchen, zwischen Geschichte und Legende. An mehreren Stellen wird das deutlich. Zum Beispiel schreibt der heilige Evangelist Lukas am Anfang seines Evangeliums: „Ich habe allen Ereignissen sorgfältig nachgeforscht und sie für dich wohlgeordnet aufgeschrieben, damit du daraus die Zuverlässigkeit der Erzählungen erkennst.“ Die Zuverlässigkeit! Sie hängt also davon ab, daß das, was da berichtet wird, geschehen ist; nicht, daß es gut erfunden ist, sondern daß es geschehen ist. Oder um eine andere Stelle zu zitieren im zweiten Petrusbrief: „Denn wir haben euch nicht als Anhänger ausgeklügelter Fabeln die Macht und die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus kundgemacht, sondern weil wir Augenzeugen seiner Größe waren.“ Augenzeugen! Nicht Dichter, nicht Phantasten, nicht Erfinder von Märchen. Oder um noch eine letzte Stelle zu zitieren im ersten Johannesbrief: „Jeder Geist, der bekennt, daß Jesus Christus im Fleisch gekommen ist, ist aus Gott. Und jeder Geist, der Jesus nicht bekennt, ist nicht aus Gott.“ Hier geht es also um die geschichtliche Realität dessen, was da von den Evangelisten und überhaupt von den Jüngern Jesu berichtet und weitergetragen wird.

Einer von diesen Falschlehrern sagt: Es geht hier nur um Bekenntnisformeln, aber nicht um Sachinformation. Ja, meine lieben Freunde, wie soll ich etwas bekennen, was gar keinen Inhalt hat? Wie soll ich mich zu Jesus bekennen, meinetwegen zu seiner Menschwerdung, wenn diese Menschwerdung niemals geschehen ist, wenn Maria geboren hat wie jede andere Mutter auch und nicht den Logos, den menschgewordenen Logos, die zweite Person in Gott zur Welt gebracht hat? Ich kann nur bekennen, was eine geschichtliche Tatsache hinter sich hat. Ich kann nur einen Glauben nach außen kundtun – das heißt ja bekennen –, wo eine Sachinformation damit verbunden ist. Bekenntnis und Information schließen sich nicht aus. Was ich bekenne, das muß auch stimmen.

Man rühmt bei diesen Falschlehrern die Theologie der Evangelisten und der anderen Verfasser des Neuen Testamentes. Man meint, daß sie große Theologen seien. Doch groß sind sie nicht als Romanschriftsteller, sondern als Zeugen. Sie haben ihre Aussagen über Jesus nicht erfunden, sondern aus der Persönlichkeit Jesu abgelesen. Das Geschehen um Jesus hatte seine metaphysische Tiefe. Was da passiert ist, war nicht nur ein äußeres Geschehen, sondern war von einer himmlischen Macht und Kraft erfüllt. Und eben diese Macht und Kraft haben die Evangelisten erkannt und abgelesen aus diesem Geschehen.

Meine lieben Freunde, hier geht es um Sein oder Nichtsein des Christentums. Hier geht es um Sein oder Nichtsein unserer Kirche. Sie müssen sich darüber im klaren sein, daß die Realität der Worte und Taten Jesu keine Nebensächlichkeit ist, sondern daß hier entschieden wird über die Zukunft unseres Glaubens und unserer Kirche, auch über die Zukunft des Glaubens Ihrer Kinder und Kindeskinder. Wenn hier nicht Remedur geschaffen wird, ist das Ende des Christentums gekommen.

Ein ehrlicher Mann wie der Herausgeber des SPIEGEL, Rudolf Augstein, hat den Satz geschrieben: „Die Theologen wissen sehr genau, daß das Christentum ein unhaltbarer Irrtum ist, aber sie geben es nicht zu.“ Augstein hat ganz recht. Von den Theologen, die ich hier im Auge habe, gilt das tatsächlich. Ich kann ihm nur zustimmen, wenn er aus der Lektüre der modernistischen Bücher diesen Schluß zieht. Ein evangelischer Theologe, Ulrich Wilkens, hat diese Verwirrung bemerkt. Der Eindruck, den die Lektüre moderner exegetischer Literatur auf die Theologiestudenten macht, ist oft so, sagt er, daß sie verwirrt sind. „Verwirrt“ ist ein harmloses Wort; sie sind durcheinander. Ich stehe seit über 30 Jahren in der Theologenerziehung, meine lieben Freunde. Ich kann Ihnen nur sagen: Wer mit gläubigem Sinne an die theologischen Fakultäten kommt, der verläßt sie oft als blasierter Skeptiker. Selten, ganz selten wird jemandem in seinem Studium der Glaube wirklich auferbaut. Häufig ist das Gegenteil der Fall. Das sind die Tatsachen, und sie muß man zur Kenntnis nehmen.

Was können Sie, meine lieben Freunde, tun? Sie können sich bemühen, durch eigenes Studium zuverlässiger Werke, die natürlich meistens älteren Datums sind, ein genügendes Wissen zu erwerben, um damit Einwänden zu begegnen. Ich selbst habe ein Buch geschrieben „Der Glaube in der nachkonziliaren Kirche“, in dem ich auf diese und ähnliche Erscheinungen eingegangen bin, aber das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es müßte in einem großen Umfang eine Schar von gläubigen Theologen gesammelt werden, die sich diese Irrlehren vornähmen und ihre Widerlegung sieghaft und überzeugend vortrügen. Solange das nicht geschieht, müssen Sie mit den unvollkommenen Mitteln, die Ihnen zur Verfügung stehen, sich bemühen, in sich selbst den Glauben zu erhalten und Ihren Angehörigen die Zweifel zu zerstreuen. „Ich weiß, wem ich geglaubt habe,“ sagt der Apostel Paulus. In der Tat: Das Treiben der Falschlehrer hat keine Verheißung. Es ist ein Wölkchen am Horizont, und das wird vorübergehen. Eines Tages wird das Kartenhaus dieser Irrlehren zusammenbrechen. Aber bis dahin gilt es sich zu wappnen gegen die Versuchungen, die von ihnen ausgehen. Halten wir uns an das, was die Kirche immer gelehrt hat. Ihr ist die Heilige Schrift anvertraut. Sie ist die Hüterin der Bibel, ja, aus ihr kommt die Bibel; es sind Männer der Kirche, die sie geschrieben haben. Und ihr obliegt deswegen auch die Auslegung der Bibel, die amtliche und erforderlichenfalls die unfehlbare Auslegung, und diesem Wort der Kirche wollen wir trauen und uns nicht irre machen lassen.

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt