Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
Kirche

Predigtreihe: Die Kirche Jesu Christi (Teil 4)

2. März 2025

Der Dienst der Seelsorge

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Führung und die Leitung der Gläubigen durch die Amtsträger werden in der Kirche herkömmlich mit dem Dienst verglichen und bezeichnet, den der Hirt seiner Herde leistet. Man spricht vom Hirtenamt. Hirtenamt ist die bildliche Bezeichnung für die der Kirche eigentümliche Vollmacht, die in der sakramentalen Bischofs- und Priesterweihe übertragen und in der kanonischen Sendung rechtlich umschrieben wird. Im Sinnbild des Guten Hirten für Christus wurde das Behüten als Hauptfunktion des Hirten in den religiösen Bereich übernommen und bald auf den Priester (pastor = Hirt) übertragen. Auch das Hirtenamt der Kirche ist auf ihr göttliches Haupt bezogen. Nach dem Johannesevangelium (21,15ff.) beauftragte der verklärte Christus den Apostel Petrus: „Weide meine Lämmer, weide meine Schafe!“ Nicht seine eigenen Schafe soll Petrus weiden, sondern die Schafe Christi. Die Hirtengewalt tritt also bei Johannes deutlich als Stellvertretungsgewalt, als eine Gewalt an Christi statt in Erscheinung. In diesem Sinne übt sie bereits der hl. Paulus gegenüber dem unzüchtigen Korinther: „Im Namen des Herrn Jesus Christus“ und „mit der Kraft des Herrn Jesus Christus“ übergibt er ihn „dem Satan zum Verderben des Fleisches, auf dass der Geist selig werde am Tag des Herrn“ (1 Kor 5,4). Daher besteht nicht für alle seine einzelnen Maßnahmen die unbedingte Gewissheit, dass sie im Sinne und Geiste Jesu geschehen. In die Handhabung der Kirchenzucht kann sich Menschliches, Allzumenschliches einschleichen, können Irrtümer und Fehler zu beklagen sein. Denken Sie an die verschiedene Stellung der Päpste zu der alten Messe, die 1600 Jahre in der Kirche gefeiert wurde. Die Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. haben sie großzügig zugelassen. Papst Franziskus ist entschlossen, sie auszurotten. Nicht beide Verhaltensweisen können nützlich und wohltätig sein.

Dem kirchlichen Hirtenamt ist das weite Gebiet der Seelsorge anvertraut, der Bemühung, die Menschen zum Heil in Christus führen. Bereiche der Seelsorge sind Gottesdienst, Predigt, Katechese, Spendung der Sakramente sowie Beratung und Hilfe im Sinne von Diakonie und Caritas.

Der Diözesanbischof ist der oberste Seelsorger seines Sprengels. Er hat das Hirtenamt inne. Er ist der Hirt seiner Herde. Als solchem kommen ihm gewichtige Aufgaben zu. An erster Stelle muss er seine anvertraute Herde kennen, kennen lernen. Er muss also rastlos sein Diözesangebiet durcheilen, von Nord bis Süd, von Ost bis West. Er muss jeden Ort, an dem seine Gläubigen wohnen, besuchen, dort Gottesdienst halten, Gelegenheit zur heiligen Beicht bieten, die Kranken aufrichten, Streitende versöhnen. Die Diözesanangehörigen müssen ihren Bischof kennen, müssen jederzeit Zutritt zu ihm haben. Er darf sich nicht in seiner Wohnung verschanzen. Bischof Joseph Ludwig Colmar, der von Napoleon eingesetzte Bischof von Mainz, schrieb nach nicht einmal vierjähriger Tätigkeit dem Kultusminister, es gebe in der ganzen Ausdehnung seiner Diözese keine Kirche, wo er nicht wenigstens zweimal gepredigt habe. Welcher unserer Bischöfe von heute kann ihm dies nachsprechen? Colmars vertrauter Priester Bruno Liebermann schrieb von ihm: „Wir sahen ihn ganze Monate lang, ohne sich einige Ruhe zu gönnen, von heiligem Eifer beflügelt, Städte und Dörfer durchreisen, in die tiefsten Täler hineindringen, steile Berge besteigen, überall seine Schafe aufzusuchen. Zu seiner Erholung suchte er die Kranken in ihren niederen Hütten auf.“ Kennen Sie einen Bischof, der es Bischof Colmar gleich tut?

Der Hirt muss seine Herde nähren, also auf die Weide führen. Der Diözesanbischof nährt sie vor allem durch Führung, Beratung, Belehrung und Verkündigung. Die Führung vollzieht sich grundlegend durch die zuverlässige Beobachtung des kirchlichen Rechts. Der Bischof muss es pflichtmäßig achten und seine Befolgung durchsetzen. Der Hirt, der die Zügel schleifen lässt, verfehlt sich gegen seine Pflicht. Der Bischof ist der Leiter des gesamten Dienstes am Wort Gottes in seiner Teilkirche. Die Verkündigung des Glaubens ist ihm als Nachfolger der Apostel und Zeuge der kirchlichen Tradition aufgetragen. Sein Wort ist bedeutsamer und schwerwiegender als alle die Worte, die im Bistum laut werden. Furchtlos und ohne Anbiederung an Politik und Zeitgeist muss er seinen Dienst am Wort verrichten. Es wird von ihm erwartet, dass er selbst oft predigt, dass er frei und mutig in der Öffentlichkeit den Glauben verkündet. Er darf nicht schweigen, wo das Bekenntnis verlangt ist. Die Gläubigen schauen auf zu ihm und harren auf seine klare Weisung. Dem Diözesanbischof ist das Wächteramt über den Vortrag und die Reinerhaltung des kirchlichen Glaubens in seinem Sprengel übertragen. Niemand kann in einem Bistum die Lehre der Kirche vortragen, der nicht vom Bischof dazu autorisiert ist durch die kirchliche Sendung. Prediger und Religionslehrer sind dazu bestellt, den Gläubigen die vollständige und korrekte Vermittlung der Offenbarung Gottes in der Lehre der Kirche darzubieten. Diesem Desiderat kann nur entsprochen werden, wenn die Ausbildung und die Tätigkeit der Priester und der Religionslehrer durch Theologen geschieht, die Gelehrsamkeit und kirchlichen Sinn verbinden.

Die Seelsorge hat die Rechtmäßigkeit, Reinheit und Erhabenheit des Gottesdienstes zu gewährleisten. Das weite Feld der Messfeiern und der Sakramentenspendung bedarf der Ordnung und der Würdigkeit des Vollzuges. Die Gläubigen müssen sich darauf verlassen können, dass Gottesdienste der Stiftung Christi und den Weisungen der Kirche entsprechen. Abweichungen und Auslassungen zerstören das Vertrauen in den Heiligungsdienst der Kirche. Schließlich muss auch das Leben des Bischofs beispielhaft und vorbildlich sein. Er darf es sich nicht bequem machen. Die Menschen müssen spüren, dass er vor Eifer für Gottes Sache brennt. Der Bischof muss der Vater und der Vertraute seiner Priester sein. Die Seelsorge an den Priestern obliegt ihm, nicht einem eigens dafür abgestellten Diözesan- oder Ordenspriester. Er muss jederzeit für seine Priester erreichbar sein.

Es ist offensichtlich, dass seit Jahrzehnten etwas im Dienst der Kirche in Deutschland auseinander geraten ist. Es nahm seinen Anfang in bedenklichen und glaubenswidrigen Ansichten von Theologieprofessoren. Sie gelangten zur Kenntnis der zuständigen Bischöfe, wurden aber von diesen toleriert. So behielten diese Aufstellungen ein scheinbares Daseinsrecht, verbreiteten sich und riefen weitere und stärkere Abweichungen vom Glaubensfundament der Kirche hervor. Die zuständigen Bischöfe waren unterrichtet, aber entweder zu feige oder zu ungeschult, um ihr Recht der Aufsicht, der Rüge und der Beanstandung auszuüben. So ist es zu dem heutigen Zustand gekommen, wo die Rechtgläubigkeit zahlreicher Theologieprofessoren entweder verloren gegangen oder zweifelhaft geworden ist. Dass akademische Lehrer Priesteramtskandidaten und Religionslehrer ausbilden, die selbst nicht im Einklang mit der Lehre der Kirche stehen und lehren, ist schlechthin unerträglich. Und nicht genug damit. Zahlreiche Bischöfe, ja die Deutsche Bischofskonferenz haben sich die irrigen Lehren ihrer theologischen Berater zu eigen gemacht und sie in dem Synodalen Prozess dem gläubigen Volk aufzuerlegen unternommen. Nun wäre es Sache des obersten Hirten der Kirche gewesen, dieser Entwicklung in der Kirche Deutschlands entgegenzutreten. Es hat einige Einwände von Seiten des Apostolischen Stuhles gegeben. Aber sie waren zu schwach, zu unbestimmt, zu mehrdeutig, um ein Halt oder gar Umkehr zu bewirken. So sagten sich die Verantwortlichen: Wir machen weiter so wie bisher. Sie sind sich zu sicher in ihren Abweichungen, als dass sie in sich gingen und sich bekehrten. Es kann auch nicht ungesagt bleiben, dass von Seiten des gegenwärtigen Nachfolgers Petri Äußerungen vorliegen, die zweideutig oder bedenklich sind und der Korrektur bedürfen. Sie, meine lieben Freunde, sind sich gewiss, in Gottesdienst und Predigt die Stimme des wahren Glaubens und der kirchlichen Ordnung zu vernehmen. Aber denken Sie an die anderen, die der Willkür und den Verkehrungen ausgesetzt sind. Versuchen Sie, ihnen die Erkenntnis vom wahren Antlitz der Kirche zu vermitteln. Lassen Sie nicht zu, dass unsere heilige Kirche untergraben, zerrüttet, zugrunde gerichtet wird.

Amen.

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