Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Das Leiden Jesu Christi (Teil 2)

3. Februar 2013

Judas Iskariot

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Jünger schliefen, wie wir am vergangenen Sonntag gehört haben, aber nicht alle. Einer schlief nicht. Es war Judas Ischariot. Wer war dieser Judas? Er stammte als einziger der Apostel nicht aus Galiläa. Er stammte aus Judäa. Kariot liegt nämlich südlich von Hebron. Aber Jesus hatte ihn erwählt. Jesus schenkte ihm Vertrauen. Er hatte die Kasse. Er verstand etwas von Geld. Als Jesus die Eucharistie-Rede hielt, da gab er kund, dass er Judas durchschaute. „Unter euch sind einige, die nicht glauben.“ Johannes fügt hinzu: „Jesus wusste von Anfang an, wer die sind, die nicht glauben, und wer der ist, der ihn verraten wird.“ Man kann fragen, warum hat er ihn dann berufen? Warum hat er ihn nicht entfernt? Weil Jesus wusste, Judas hat im göttlichen Heilsplan eine unverzichtbare Stelle. Beim letzten Abendmahle sprach Jesus: „Ich weiß, wen ich erwählt habe, aber es muss die Schrift erfüllt werden. Der mein Brot ist, hat gegen mich seine Ferse erhoben.“ Und er fuhr fort: „Ich habe sie behütet und keinen von ihnen verloren, außer dem Sohn des Verderbens.“ Warum, aus welchem Grunde und aus welchen Motiven hat Judas Jesus verraten? Die Evangelien geben uns keine Auskunft. Judas muss schon längere Zeit vor der Verhaftung Jesu innerlich mit ihm zerfallen gewesen sein. Als die Frau Jesus salbte, kostbares Salböl ausgoss, da murrte er. Er ertrug nicht die schrankenlose Hingabe, die sich in dieser Handlung der Frau ausdrückte. „Warum hat man die Salbe nicht verkauft, für 300 Denare, und den Armen gegeben?“ Johannes fügt hinzu: „Das sagte er nicht deswegen, weil ihm an den Armen lag, sondern weil er die Kasse hatte und weglegte, was er einnahm.“ Er war ein Dieb. „Kleptaes“ heißt es im griechischen Text. Aber bei der Auslieferung Jesu war das Geldmotiv nicht entscheidend. Er hat den Verräterlohn nicht gefordert, er wurde ihm angeboten, er hat ihn lediglich angenommen. Was hat ihn dann bewogen, Jesus auszuliefern? Es könnten politische Stimmungen und Verstimmungen gewesen sein. Judas war sicher ein geschworener Feind der römischen Fremdherrschaft. Seit 6 n. Chr. war ja Judäa eine römische Provinz geworden. Soeben hatte er den triumphalen Einzug Jesu in Jerusalem erlebt. Und daran mag er große nationale Hoffnungen geknüpft haben. „Jetzt geht’s los! Jetzt beginnt der Aufstand gegen Rom!“ Aber diese Hoffnungen erfüllten sich nicht. Jesus kam auf einem Esel! Und das ist kein Reittier für eine Schlacht. Das ist ein Tier der häuslichen und landwirtschaftlichen Arbeit. Da wurde er an Jesus irre. Er wird sich gefragt haben: „Kann das der Messias sein, der so auftritt? Nein, das ist unmöglich, das kann er nicht sein! Er steht der nationalen Wiedergeburt des jüdischen Volkes im Wege. Er muss aus dem Wege geräumt werden.“ So könnte es gewesen sein. Wir wissen es nicht. Die eigentliche Krise setzte dann ein, als er den Steckbrief las, den die jüdische Obrigkeit gegen Jesus erlassen hatte. Da fuhr der Satan in ihn.

Die Evangelisten sehen die letzte Lösung des schauerlichen Geheimnisses außerhalb der Seele des Judas. Sie finden die Lösung im Ratschluss Gottes. Als Jesus und seine Jünger beim letzten gemeinsamen Mahl versammelt waren, sagte Jesus: „Einer von euch, der mit mir isst, wird mich verraten! Der Menschensohn geht zwar dahin, wie es von ihm geschrieben steht, aber wehe über jenen Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird. Diesem Menschen wäre es besser, er wäre nicht geboren.“ Johannes, der vertrauteste Jünger Jesu, fragte ihn: „Herr, wer ist es, der dich verraten wird?“ Jesus antwortete: „Der ist es, dem ich den Bissen eintauche und gebe!“ Und Jesus tauchte einen Bissen in die Schüssel und übergab ihn dem Sohne Simons, Judas aus Kariot. Und dann sagte er zu ihm: „Was du tun willst, tue bald!“ Jesus wusste, was er vorhatte. Judas entwich aus dem Abendmahlsaal. „Es war Nacht“, schreibt Johannes, der Evangelist. Es war Nacht! Nicht nur, weil die Sonne untergegangen war, sondern weil jetzt endgültig Judas sich an die Finsternis des Satans ausgeliefert hatte. Es war Nacht.

Was hat Judas verraten? Er verriet den nicht allen bekannten nächtlichen Aufenthaltsort Jesu. Sie müssen sich vorstellen, dass damals viele Tausende, vielleicht Zehntausende von Pilgern in Jerusalem waren, zum Osterfest. Und unter diesen konnte sich Jesus leicht verbergen. Judas aber wusste, wo er sich aufhielt, nämlich im Garten Gethsemane. Warum ordnete die jüdische Obrigkeit die Verhaftung Jesu an? Sie kannte seine große Popularität beim Volke. Sie war besorgt. Sie fürchtete das Dahinschwinden ihres Einflusses auf die Bevölkerung. Und sie gab auch vor zu fürchten, dass die Römer, wenn ein Aufstand erfolgt, den letzten Rest jüdischer Selbständigkeit vernichten könnten. Deswegen ordnete die jüdische Obrigkeit die Verhaftung Jesu an.

Judas verließ den Abendmahlsaal. Er hatte jetzt noch zwei Stunden Zeit. Er traf die letzten Vorbereitungen mit den Behörden. Er ging dem Zug, der auf den Ölberg seine Schritte richtete, voran. Er war der Führer und Leiter der Schar. „Einer von den Zwölfen“, wie die Evangelisten sagen. Wer waren die Männer, die Jesus gefangen nahmen? Nun, es waren die Bewaffneten, die dem Hohen Rat zur Verfügung standen. Es waren zwei verschiedene Sicherheitskräfte. Erstens eine Polizeitruppe und zweitens die Tempelwache. Deswegen ist die Rede, „sie waren ausgezogen mit Schwertern und Knüppeln“. Sie waren bewaffnet. Warum? Man wusste nicht, ob nicht die Jünger Jesu Widerstand leisten würden. Die Jünger konnten zu unüberlegten Handlungen kommen, und außerdem war Jesus schon früheren Verhaftungsversuchen entgangen, deswegen die Bewaffnung. Judas hatte ein bestimmtes Kennzeichen des Verrates mit den jüdischen Behörden ausgemacht. „Den ich küssen werde, der ist es!“ Es war ja Nacht, es war dunkel, und obwohl die Truppe auch Fackeln hatten, musste Jesus unter der Schar seiner Anhänger erst ausgemacht werden. Deswegen: „Den ich küssen werde, der ist es!“ Und so geschah es: „Sei gegrüßt, Meister.“ Er umarmte und küsste ihn. Er war ein vollendeter Heuchler. Er wollte vielleicht auch jetzt noch vor Jesus verbergen, was er getan hatte. Aber Jesus durchschaute ihn. „Freund“, so sagt er, „Freund, mit einem Kuss verrätst du den Menschensohn!“

Der Name Judas, meine lieben Freunde, ist seit dem Verrat des Apostels zu einem Namen der Schande geworden. Er ist die Verkörperung des Verrats. Wer immer ein Mitglied des Kreises, dem er einmal aus Überzeugung zugehört hat, den Feinden ausliefert, tritt in die Nachfolge des Judas ein. Das geschieht in der Welt, und das geschieht in der Kirche.

Von 1521 bis 1553 lebte der Herzog Moritz von Sachsen. Er war ein rücksichtsloser und gewalttätiger Politiker, ein verschlagener Mann, der die Katholiken in seinem Lande auszurotten entschlossen war. Aber um des Nutzens willen schloss er sich eine Zeitlang dem katholischen Kaiser Karl V. an. Er kämpfte mit ihm im Schmalkaldischen Krieg und wollte seinen Lohn haben, den er auch bekam. Er wurde Kurfürst. Das Kurfürstentum wurde auf ihn übertragen. Gleich darauf zettelte er eine Verschwörung gegen den Kaiser an. Der Kaiser musste fliehen, bis nach Innsbruck. Moritz verriet Kaiser und Reich. Er lieferte die Städte Metz, Toul und Verdun den Franzosen aus, ging mit ihnen ein Bündnis ein gegen das Reich, und seitdem ist er der „Judas von Meißen“.

Am 27. April 1972 brachte die CDU-Fraktion im Bundestag ein konstruktives Mißtrauensvotum gegen Bundeskanzler Willy Brandt ein und stellte als Gegenkandidaten Rainer Barzel, einen katholischen Ostpreußen, auf. Die CDU war sicher, die Abstimmung zu gewinnen, denn sie hatte die Mehrheit. Als aber die Stimmen ausgezählt wurden, stellte man fest, dass eine Stimme fehlte. Woher dieses Fehlen? Der Abgeordnete Steiner war von der SPD für zehntausend Mark gekauft worden. Ein Judas in den Reihen der CDU-Fraktion!

Wie viele Judasse hat die Kirche in ihrer zweitausendjährigen Geschichte erlebt! Die inneren Feinde sind immer gefährlicher als die äußeren, denn sie kennen die Schwachstellen der kirchlichen Organisation, sie kennen auch die Schwächen der einzelnen Personen. Der Apostel Johannes wusste genau um diese Gefahren. Er sprach von den „Antichristen“ seiner Zeit. „Von uns gingen sie aus, doch sie waren nicht von uns, denn wären sie von uns gewesen, dann wären sie bei uns geblieben.“

Ein typischer Fall des Verrates ist der Kaiser Julian. In der Mitte des vierten Jahrhunderts. Er war in seiner Jugend Christ geworden, hatte die Taufe empfangen. Er las vor bei den öffentlichen Gottesdiensten. Als er Kaiser geworden war, fiel er ins Heidentum zurück. Er wurde immer gereizter gegen das Christentum. Er entfernte die Christen aus den höheren Stellen, begünstigte den Abfall zum Heidentum, öffnete die Tempel wieder und schrieb sogar ein Buch: „Gegen den Galiläer“. Er ist in die Geschichte eingegangen als „Julian der Abtrünnige“.

Wenn wir einige Jahrhunderte weitergehen, stossen wir auf einen jungen Bergmannssohn. Er besuchte die Schule, die höhere Schule, die Universität. Er ging ins Kloster. Er legte Gelübde ab. Er empfing die Priesterweihe. Er wurde Professor an der Universität und Distriktvikar über elf Klöster. Aber er verließ seinen Orden, er zertrat seine Gelübde, er verwarf das Priestertum, er begann einen gehässigen Krieg gegen die Kirche, der er so viel verdankte. Das ist die traurige Geschichte vom Abfall und Verrat des Martin Luther. Der Protestantismus bereitet sich auf die Feier des 500-jährigen Jubiläums seines Abfalls vor. Ich kann mit dem schweizerischen Kardinal Koch nur sagen: „Da gibt es für uns nichts zu feiern!“

Und wie sieht es heute in unserer Kirche aus? In wie vielen bischöflichen Behörden sitzen gutbezahlte Personen, die Mitteilungen und Nachrichten an Zeitungen und Magazine liefern, die der Kirche schaden? Wer ist es, der den Limburger Bischof fortwährend durch gezielte Informationen in schlechtes Licht setzt?

Judas ist nicht glücklich geworden mit seinem Verrat. Als er sah, dass Jesus verurteilt war, brachte er die dreißig Silberlinge den Hohepriestern zurück und sagte: „Ich habe Sünde getan, ich habe unschuldiges Blut verraten.“ Sie sagten kaltlächelnd: „Da sieh‘ du zu!“ Judas hatte Reue über seine Tat, aber seine Reue war nicht mit Hoffnung verbunden. Sie war nicht mit Hoffnung auf Gottes Barmherzigkeit verknüpft, und deswegen verfiel er der Verzweiflung. Er warf das Geld in den Tempel und erhängte sich. Judas, der Sohn des Verderbens, hat ein schreckliches Ende gehabt.

Die Truppe, die Jesus gefangennahm, machte sich jetzt daran, ihn zu binden. „Wen sucht ihr?“ fragt Jesus. Warum fragt er das? Die Juden sollten gezwungen werden, offen zu bekennen, dass sie den Messias suchten, und sollten gleichzeitig die Macht des Verratenen kennenlernen. „Ich bin es!“ Da wichen sie zurück. Es gibt Erklärer, die dieses Zurückweichen als legendär ansehen. Ich nicht! Seine göttliche Majestät, seine Hoheit, sein entschlossener Wille war eben so eindrucksvoll, dass die Menschen, die ihn gefangennehmen wollten, davon betroffen waren. „Wen sucht ihr?“ „Jesus von Nazareth!“ „Ich habe es euch gesagt, dass ich es bin. Wenn ihr mich sucht, dann lasst diese gehen.“ Also auch in dieser Stunde hat Jesus noch einen Blick für das leibliche und geistige Wohl der zu ihm Gehörigen, seiner Apostel. Das Verhaftungskommando hatte offenbar auch nur den Befehl, Jesus festzunehmen, nicht seine Jünger. Wie wenig die jüdische Obrigkeit an den Jüngern Jesu interessiert war, das zeigte sich, als Petrus im Hof des Hohenpriesters erkannt wurde. Man nahm ihn nicht fest. Er konnte hinausgehen und blieb in Freiheit. Aber Petrus ist bewaffnet. Er hat ein Schwert, und so schlägt er drein mit dem Schwerte. Jesus wehrt es ihm. „Lass es genug sein, stecke dein Schwert in die Scheide. Wer das Schwert ergreift, wird auch durch das Schwert umkommen!“ Das heißt: Gewaltanwendung hat nach dem Gesetz der Wiedervergeltung den Tod durch das Schwert zur Folge. In diesem Falle ist die Waffe auch völlig sinnlos und ist der Gebrauch des Schwertes ganz aussichtslos. Was will einer gegen eine große Menge, die bewaffnet ist, ausrichten? Und Jesus braucht keine Verteidigung. Er will keine Verteidigung. „Meinst du nicht“, sagt er, „dass mir der Vater zwölf Legionen Engel schicken könnte, wenn ich ihn darum bäte?“ Die Legion ist die größte militärische Einheit im Römischen Reich, etwa 6000 Mann, dazu 300 Reiter. Dann wendet er sich an die Gegner. „Wie gegen einen Räuber seid ihr ausgezogen, mit Schwertern und Knüppeln, um mich zu fangen. Tag für Tag saß ich im Tempel und lehrte, und ihr habt mich nicht ergriffen. Doch die Schriften müssen erfüllt werden.“ Und nach dem Evangelisten Lukas sagte er noch ein anderes Wort. „Das ist eure Stunde und die Macht der Finsternis!“ Ja, das ist die Stunde der Verräter und der Henker. Das ist eure Stunde und die Macht der Finsternis! Alle Jünger flohen. Keiner blieb bei dem Herrn. Warum flohen sie? Weil sie fürchteten, mitverhaftet zu werden. Petrus hatte ja Grund dazu, weil er das Schwert gezogen und einen Diener des Hohepriesters verletzt hatte. Aber die anderen? Der Verrat, meine lieben Freunde, ist die schlimmste Wunde, die dem Herrn und seiner Kirche geschlagen wird. Aber dahinter kommt gleich die zweitschlimmste. Und das ist die Feigheit. Mut ist eine der seltensten Eigenschaften der Menschen. Mut wird zumal von den führenden Männern der Kirche verlangt, und es hat solche gegeben. Von Athanasius angefangen bis zu den preußischen Bischöfen, die in der Kulturkampfzeit ins Gefängnis gingen. Aber es gab auch zu allen Zeiten feige Oberhirten. Als der entsprungene Augustinereremit Martin Luther die entlaufene Nonne Katharina Bora heiratete, überreichte der deutsche Primas, der Erzbischof von Mainz, Albrecht, ihm ein Hochzeitsgeschenk von 20 Gulden! Warum? Er hatte Angst vor dem Agitator. Er fürchtete, dass er ihn in seinen Schriften bloßstellen könnte, und er hatte Grund, das zu fürchten.

Meine lieben Freunde. Ich habe seit 50 Jahren die Gefährdungen unserer Kirche aufgewiesen. Ich habe gemahnt und gewarnt. Mehrere deutsche Bischöfe haben mir unter vier Augen gesagt: „Sie haben Recht!“ Aber in der Öffentlichkeit haben sie geschwiegen. Die Menschenfurcht hat Macht über die Menschen. Der Herr spricht von den Mietlingen, die fliehen, wenn sie den Wolf kommen sehen. Sie fliehen, weil ihnen an den Schafen nichts liegt. Papst Paul VI. sprach von den Priestern, die aus unserem Abendmahlsaal fliehen, d. h. ihren heiligen Stand und ihre heilige Sendung preisgeben.

Fliehen kann man nicht nur vor Menschen. Fliehen kann man auch vor der Verantwortung. Die Flucht vor der Verantwortung hat vielgestaltige Form. Man weigert sich, ein Amt, eine Aufgabe zu übernehmen, von der man weiß, dass sie Mut erfordert und Kämpfe mit sich bringt. Seit Jahrzehnten ist in einem Teil des Klerus eine Flucht vor der Seelsorge zu beobachten. Sie kehren der täglichen Arbeit im Reiche Gottes den Rücken und suchen sich ein Betätigungsfeld an irgendeinem Schreibtisch, auf einem Verwaltungsposten, im Lehrfach, in Organisationen. Der ordentlichen Seelsorge fehlen die Priester, und an anderen Stellen sitzen sie herum. Es ist eine Flucht vor der Verantwortung, wenn man als Seelsorger in den Ruhestand geht, obwohl man gebraucht wird. Es ist eine Flucht vor der Verantwortung, wenn man in Mehrheitsentscheidungen sich zurückzieht, statt ungedeckt zu handeln. Es ist eine Flucht vor der Verantwortung, wenn man nichtssagende Sätze formuliert, wie es so viele Bischöfe tun, statt das Kind beim Namen zu nennen.

Fliehen kann man auch vor dem Leid. Wir möchten es bequem, angenehm, leicht haben. Wir wollen dem Leid entgehen. Wenn die Gefahr kommt, dann suchen wir eine Nische auf, in der wir uns verbergen können. Nach der Legende verließ Petrus in der Zeit der Verfolgung des Nero Rom. Da kam ihm gegen Morgen eine Gestalt entgegen. Petrus erkannte ihn. Es war der Meister. Er fragte ihn: „Herr, wohin gehst du?“ Ernst kam die Antwort aus dem Munde Jesu: „Ich gehe nach Rom, um mich noch einmal kreuzigen zu lassen!“ Die Gestalt verschwand. Aber Petrus begriff den Sinn der Worte. Er kehrte um und ließ sich in Rom ans Kreuz schlagen. Das ist eine Legende, aber eine tiefe Legende, mit einem großen Wahrheitsgehalt. Nichts fällt so schwer auf unsere Schultern zurück wie ein abgeworfenes Kreuz.

Wenn wir hören, meine lieben Freunde, dass ein vertrauter Jünger Jesu zu seinen Feinden überlief und den Herrn auslieferte, wenn wir hören, dass seine engsten Schüler nicht bereit waren, sich in der Gefahr zu ihm zu bekennen, dann stellt sich uns die Frage: Wie steht es um unsere Verbundenheit mit dem Herrn und Heiland? Was würden wir tun in einer vergleichbaren Situation? Gilt für uns das, was Thomas von Kempen in seinem Buche vor 600 Jahren geschrieben hat: „Jesus hat jetzt viele Jünger, die im himmlischen Reich gern mit ihm herrschen möchten, aber wenige, die sein Kreuz auf Erden tragen wollen. Er hat viele, die seinen Trost begehren, aber wenige, die in der Trübsal bei ihm aushalten wollen. Er hat viele, die mit ihm essen und trinken möchten, aber wenige, die mit ihm fasten wollen. Alle möchten mit ihm Freude haben, aber wenige für ihn leiden. Viele folgen Jesus nach bis zum Brotbrechen im Abendmahlsaal, aber wenige bis zum Trinken aus dem Leidenskelche.“ Ach, meine lieben Freunde, dass wir doch treu erfunden würden im Dienste unseres Heilands!

Amen.

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