Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Ehe und Familie (Teil 2)

8. März 1992

Die Nachkommenschaft in der Ehe

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Im Jahre 1931 gingen ein deutscher und ein italienischer Priester über den Quirinalsplatz, also jene Stätte in Rom, die damals der Sitz des Königs war. Auf dem großen Platz spielten unzählige Kinder, und der deutsche Priester sagte zu dem italienischen, wie es denn komme, daß Italien so einen quellenden Kinderreichtum habe. Sein Begleiter, er war das 13. Kind eines praktischen Arztes aus Neapel, erwiderte: „Sie wollen wissen, woher es kommt, daß Italien so kinderfroh ist. Ich will es Ihnen sagen: Das kommt daher, daß unsere Mütter Gottesfurcht und unsere Väter ein Gewissen haben.“ Das war vor 60 Jahren. Im Jahre 1991, 60 Jahre später, ging die Meldung durch die Presse: Das Land auf der ganzen Erde, das am wenigsten Kinder hat, ist Italien. Das katholische Italien ist das kinderärmste Land der ganzen Erde. Das entchristlichte Schweden ist weit kinderfreudiger als Italien. Das ist ein erschütterndes Zeichen, meine lieben Freunde, für den inneren Zusammenbruch in unserer Kirche.

Wir wollen heute, da wir uns vorgenommen hatten, Überlegungen über die Ehe anzustellen, über das hohe Gut der Nachkommenschaft in der Ehe sprechen. Wir wollen dabei drei Fragen stellen, nämlich

1. Wie steht es um das Ehegut der Nachkommenschaft im Angesichte Gottes?

2. Was bedeutet es, wenn die Kirche sagt, es gibt eine verantwortete Elternschaft?

3. Was ist vom sogenannten Ehemißbrauch zu halten?

Die Ehe nach Gottes Willen ist auf das Gut der Nachkommenschaft hingeordnet. „Wachset und mehret euch und erfüllet die Erde!“ So heißt es im Schöpfungsbefehl. Die Ehe ist von Gott auf Fruchtbarkeit verwiesen. Die Ehe hat auch andere Güter, wie wir am vergangenen Sonntag gesehen haben, die gegenseitige Hilfe und die Formung der Gatten, ihre innige Liebe zueinander. Aber diese anderen Güter könnten unter Umständen auch ohne Ehe erreicht werden, etwa in einer guten Freundschaft. Warum soll man nicht in einer Freundschaft mit reiner Liebe und edler Zuneigung einander begegnen? Aber die Ehe ist als fruchtbarer Bund von Gott ins Leben gerufen; sie ist dazu von Gott geschaffen worden, und das ist ihr Zweck in Gottes Augen, daß sie Kindern das Leben schenkt und daß auf diese Weise die Menschheit sich ausweitet und weiterlebt, daß Bürger für die irdische Gesellschaft und für das Himmelreich aus der Ehe erwachsen.

Die katholische Ehe war immer gegenüber nichtkatholischen Ehen durch eine besondere Fruchtbarkeit ausgezeichnet. In Holland sprach man noch vor 60, vielleicht auch noch vor 50 Jahren davon, hier sei eine biologische Gegenreformation im Gange. Das heißt, der katholische Bevölkerungsanteil nahm fortwährend zu, während der protestantische zurückging, wegen der hohen Kinderfreudigkeit katholischer Familien. Das gehört längst der Vergangenheit an. Die katholischen Familien in Holland haben sich weitgehend den nichtkatholischen angeglichen, ja, wie das Beispiel Italien zeigt, unterbieten die nichtkatholischen Ehen und Familien.

Das hat schlimme Folgen. Wir haben jahrelang von dem Bürgerkrieg im Libanon gehört. Wie kam es zu diesem Krieg? Das ist sehr leicht zu erklären. Ursprünglich bestand auf dem Libanon ein Gleichgewicht zwischen Katholiken und Mohammedanern. Aber dieses Gleichgewicht hat sich verändert. Die Mohammedaner waren kinderfreudiger als die Katholiken, haben also zugenommen, die Katholiken bestanden aber darauf, daß ihnen unter Nichtberücksichtigung dieses veränderten Verhältnisses die gleichen Posten und Stellen im Staat eingeräumt würden. Dagegen begehrten die Mohammedaner auf und sagten: Wir sind ihrer mehr. Und als die Katholiken nicht nachgeben wollten, kam es zum Krieg. Also ein biologischer Vorgang hat im Libanon den Kampf hervorgetrieben. Ähnlich ist es, wie wir jetzt wissen, in Bosnien. In Bosnien hat der mohammedanische Bevölkerungsanteil, der ursprünglich bei etwa 30 % lag, fast 50 % erreicht, während Orthodoxe und Katholiken in ihrer Geburtenfreudigkeit erheblich niedriger blieben.

Der innere Sinn der Ehe ist das Kind mit all dem, was dazugehört. Selbstverständlich ist die Erzeugung und die Erziehung von Kindern mit vielen Lasten begleitet. Aber das ist nun einmal Gottes Wille, daß Eltern, die eine Ehe geschlossen haben, auch fruchtbar sind und Kindern das Leben schenken. Im Jahre 150 n. Chr. schrieb Justin seine Apologie, seine Verteidigungsschrift für die Christen. In dieser Apologie steht der Satz: „Wir Christen gehen entweder die Ehe ein, um Kinder zu haben, oder wir gehen keine Ehe ein und bleiben enthaltsam.“ Das ist die Alternative, die katholische Alternative. Zur Ehe gehören Kinder. Nur aus schwerwiegendsten Gründen könnte eine Ehe kinderlos bleiben, etwa wenn mit Sicherheit festgestellt ist, daß der Nachwuchs an schwersten körperlichen und seelischen Schäden leiden würde. Das ist die sogenannte eugenische Indikation, die Gatten veranlaßt, keinen Kindern das Leben zu schenken. Die Kirche hat auch immer gemeint, daß es nicht bei einem Kind bleiben soll, sondern daß die Ehe kinderfreudig sein soll. Vor einigen Jahren habe ich einmal eine Frau erlebt, die vor langer Zeit einen Arzt verspottet hatte, der ihr zu Kindern riet, und ihm sagte: „So dumm wie Sie bin ich nicht.“ Heute ist sie todtraurig, denn ihr einziger Sohn ist im Kriege gefallen. Das Echo dieser Worte gellt heute an ihr Ohr: „So dumm wie Sie bin ich nicht!“

Der zweite Gegenstand unserer Überlegungen ist die verantwortete Elternschaft. Was ist darunter zu verstehen? Die Kirche hat niemals einem hemmungslosen, unbedachten Zeugen das Wort geredet. Der Zeugungsakt muß außer von Liebe auch von Vernunft und Überlegung getragen sein. Das ist er nicht, wenn z.B. Trunkene sich vereinigen. Mir sagte einmal ein bayerischer Minister: „Bei uns sind die meisten Kinder Rauschkinder.“ Das heißt, sie werden im Rausch gezeugt. Was ist das schrecklich, wenn der Rausch die Begierde weckt und dann aus dieser Vereinigung ein Kind entsteht! Nein, die Kirche spricht von verantworteter Elternschaft, d.h. man muß mit Vernunft und Überlegung auch an diese nach Gottes Willen von inniger Liebe bewegte Vereinigung herangehen. Man muß die biologischen Gesetze kennen, man muß den Trieb beherrschen und mit Überlegung handeln. Man darf die Umstände, die gesundheitlichen, die seelischen, die sozialen Verhältnisse in Betracht ziehen, um dann zu gegebener Zeit Kindern das Leben zu schenken.

Die verantwortete Elternschaft ist in Gottes Augen durchaus zulässig. Es ist den Eltern gestattet, alle rechtmäßig in Frage kommenden Umstände zu berücksichtigen und danach zu verfahren, um Kindern das Leben zu geben. Nur eines ist ihnen verboten: Sie dürfen, um dieses Ziel zu erreichen, nicht unerlaubte Wege der Geburtenbeschränkung, der Empfängnisverhütung beschreiten. Sie müssen also, wenn sie dieses Ziel mit Recht, vor Gott verantwortet, anstreben, auf rechtem Wege zu ihm zu gelangen suchen. Die biologischen Gesetze sagen uns, daß die Frau nur an bestimmten Tagen empfängnisfähig ist, daß weit mehr Tage in ihrem Zyklus vorhanden sind, wo eine Empfängnis nicht zustande kommen kann. Es ist durchaus gestattet, die eheliche Liebe in Zeiten zu bezeugen, wo von einer Empfängnis keine Rede sein kann. Auch dann behält die eheliche Einung ihren Sinn, nämlich die gegenseitige Liebe und Zusammengehörigkeit der Gatten zu bezeugen. Deswegen hat die Kirche nie die Ehe von Greisen gehindert. Greise können ja keine Kinder mehr empfangen, vermögen also den obersten Ehezweck gar nicht mehr zu verwirklichen. Aber die Kirche hat nie gesagt, Greise dürften sich nicht mehr heiraten. Auch dann besitzt ihre Ehe einen Wert, auch dann besitzt ihr eheliches Tun seine Berechtigung, wenn sie nur in der rechten Weise vorgehen.

Da kommt nun die dritte Frage ins Spiel, der sogenannte Ehemißbrauch. Von Anfang an, ohne Unterbrechung durch zweitausend Jahre, hat die Kirche gelehrt: Es ist dem Menschen nicht gestattet, die doppelte Sinnrichtung des ehelichen Aktes auseinanderzureißen, also die Bezeugung der ehelichen Liebe und die dem Akte eigene Fruchtbarkeit eigenmächtig zu trennen. Es ist dem Menschen nicht erlaubt, eine Empfängnisverhütung aktiver Art vorzunehmen. Mag sie nun geschehen, indem man sich sterilisieren läßt zu diesem Zweck oder indem mechanische oder chemische Mittel Verwendung finden, um die eheliche Einung nicht in einem Kind ausmünden zu lassen. Alle diese Versuche sind nichts anderes als eine Verfehlung gegen die Natur, und die Natur stammt von Gott. Solches Verhalten ist nichts anderes als ein Vergehen gegen Gottes Ordnung, die nun einmal darin besteht, daß die beiden Sinnziele der ehelichen Einung untrennbar miteinander verknüpft sind. Man kann nicht sittliches Verhalten, also Beherrschung und Überlegung, durch Gummi oder Chemie ersetzen.

Die Kirche ist die einzige Institution – wieder einmal! – auf dieser Erde, die an dieser Ordnung Gottes festhält. Alle haben sich gebeugt, aber die Kirche steht unbeugsam, angefeindet, beschimpft und bedroht, vor der Menschheit. Im Jahre 1931 hat sich der Anglikanismus dem Zeitgeist gebeugt, und als er das tat, da hat Papst Pius XI. seine Enzyklika „Casti connubii“ verfaßt, in der er schrieb: „Da noch vor kurzem einige in offenkundiger Abweichung von der in ununterbrochener Folge von Anfang an überlieferten christlichen Lehre geglaubt haben, amtlich und feierlich über solches Tun anders lehren zu sollen, erhebt die katholische Kirche, von Gott selbst zur Leiterin und Wächterin der Unversehrbarkeit der Sitten bestellt, inmitten dieses Sittenverfalls zum Zeichen ihrer göttlichen Sendung, um die Reinheit des Ehebundes von solch schimpflicher Makel unversehrt zu bewahren, durch Unseren Mund laut die Stimme und verkündet von neuem: Jeder Gebrauch der Ehe, bei dessen Vollzug der Akt durch die Willkür der Menschen seiner natürlichen Kraft zur Weckung neuen Lebens beraubt wird, verstößt gegen das Gesetz Gottes und der Natur, und die solches tun, beflecken ihr Gewissen mit schwerer Schuld.“

Meine lieben Freunde, es fällt uns Priestern nicht leicht, ein Gesetz zu verkünden, das uns nicht trifft. Aber ein Gesetz wird dadurch nicht unrichtig, daß derjenige, der es auf Anruf verkündet, davon nicht betroffen wird. Auch über uns liegt ein Gesetz, und auch wir müssen den Kampf mit den geschlechtlichen Kräften führen. Deswegen kann man nicht sagen: Ihr verkündet ein Gesetz, das euch nichts angeht. Wir haben von Gott den heiligen Befehl, sein Gesetz zu verkünden, und das müssen wir tun, gelegen oder ungelegen, ob mit oder ohne Anfeindung, ob mit Beifall oder mit Schmähung. Wir müssen das verkünden, wovon wir nicht schweigen dürfen.

Die Zeit und der Zeitgeist stehen zweifellos gegen die Kirche. Wir wissen, wie viele Menschen in der Kirche das Gegenteil von dem lehren, was die Kirche selbst seit zweitausend Jahren lehrt. Wir wissen, wie sich immer wieder prominente Laien wie Frau Süßmuth und Frau Laurien gegen die Lehre der Kirche wenden. Wir wissen, daß katholische Moraltheologen in Verkehrung ihrer Aufgabe das Gegenteil von dem lehren, was die Kirche lehrt und lehren muß. Das alles kann uns nicht irre machen. Wir haben einen Auftrag von Gott, und diesen Auftrag müssen wir erfüllen, ihm müssen wir treu bleiben, wenn wir nicht selbst verworfen werden wollen.

Vor einiger Zeit kam einmal ein junger Mann von 22 Jahren zu einem Priester. Er hatte die Tagebücher seines Vaters gefunden, und er las darin. Es war interessant, einmal zu erfahren, wie der Vater in seinem Alter gewesen war. Die Mutter war schon tot. Da las er, wie der Vater die Mutter kennenlernte, wie er sie lieben lernte und sie heiratete. Und als er weiterlas, stieß er auf etwas, was seinen Atem stocken ließ. Er las nämlich, daß er, der Sohn, sein Leben dem Versagen eines Schutzmittels verdankte. Da brach es aus dem jungen Mann heraus, und er sagte zu dem Priester: „Einen geilen Hund habe ich als meinen Vater!“

Meine lieben Freunde, wir wissen, daß das Gesetz Gottes schwer ist. Aber nicht nur das Gesetz Gottes in der Ehe. Jedes Gesetz Gottes ist schwer. Ich frage mich immer, warum sich manche in der Bekämpfung auf das Ehegebot beschränken und nicht gegen andere Lehren angehen. Ist die Nächstenliebe etwa leichter als die Pflichten gegenüber der geschlechtlichen Sittlichkeit? Ist die Wahrhaftigkeit leichter, als sich an die Gebote Gottes in der Ehe und außerhalb der Ehe und vor der Ehe zu halten? Das ist doch alles gleich schwer. Aber selbstverständlich ist der Verzicht, der in der kirchlichen Ehelehre verlangt wird, die Enthaltsamkeit, die geboten ist, besonders schwer zu leisten. Denn der Mensch drängt zum Genuß, und alles drängt zum Genuß. In diesen Tagen verlangt die Junge Union in Bayern, daß den zwölf- und dreizehnjährigen Mädchen die Methoden der Empfängnisverhütung beigebracht werden. Unter solchen Verhältnissen braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Menschen in überbordender Weise von der Geschlechtlichkeit gefesselt und bezaubert sind. Es gibt deswegen sicher in gewissem Umfang schuldmindernde Gründe für die Menschen, die diesem Gesetz nicht Genüge tun. Und außerdem gibt es die Beichte. Es gibt die Beichte. Wenn wir regelmäßig beichten – ich gehe alle drei Wochen zur Beichte –, können wir uns von der Schuld befreien lassen. Dazu ist ja die Beichte da.

Meine lieben Freunde, halten wir Gott, dem Lehramt der Kirche und dem Gesetze Gottes in der Ehe die Treue! Gesunde Kinder sind ein ungeheurer Segen für eine Familie. In Paris lebte zur Zeit Napoleons ein berühmter Chirurg, der sich durch seine Kunst ein großes Vermögen erworben hatte. Es war ein Hofball, und die Anwesenden wurden dem Kaiser Napoleon vorgestellt. Da fragte er die Frau des Arztes: „Madame, sind Sie eigentlich reich?“ „Ja“, sagte sie, „ich bin reich. Ich nenne acht gesunde Kinder mein eigen.“ Und so hat es immer wieder Eltern gegeben, die in heroischer Weise dem Gesetze Gottes genügt haben. Die heilige Hildegard war das zehnte Kind ihrer Eltern. Die heilige Katharina von Siena war das 25. Kind eines Färbers. Unter uns weilt ein Ehepaar, das 12 Kindern das Leben geschenkt hat. Einer unserer Ministranten ist das 14. Kind seiner Eltern. Es sage uns daher niemand, das Gebot Gottes, das die Kirche verkündet, sei unmöglich zu erfüllen. Es mag schwer sein, ihm nachzukommen, aber in der Kraft der Gnade wird die Schwäche des Menschen geheilt. „Alles vermag ich in dem der mich stärkt“ (Phil 4,13).

Amen.

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