Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die Wiederkunft des Herrn (Teil 3)

27. Januar 1991

Die Drangsale vor der Wiederkunft des Herrn

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Der Herr wird wiederkommen in Macht und Herrlichkeit. Die Stunde seines Kommens ist unbekannt. Sein Kommen selbst ist gewiß. Um die Wachheit der Seinen immer wieder zu fördern, hat der Herr Vorzeichen seiner Ankunft festgelegt. Wir wollen heute und am kommenden Sonntag über die Vorzeichen der Ankunft Christi nachdenken.

Eines der grauenhaftesten Vorzeichen ist das Auftreten des Gegen-Christus, das Erscheinen des Widersachers. Dieser Widersacher ist sowohl vom Herrn als auch von seinen Aposteln Paulus und Johannes eingehend beschrieben worden. Im 13. Kapitel des Markusevangeliums ist von ihm eingehend die Rede. „Welches wird das Zeichen sein“, fragen die Jünger, „wann dies alles in Erfüllung gehen wird?“ Jesus antwortete ihnen: „Sehet zu, daß euch niemand verführe! Denn viele werden unter meinem Namen auftreten und sagen: 'Ich bin es', und sie werden viele verführen. Sehet euch vor, denn sie werden euch den Gerichten ausliefern, und in den Synagogen werdet ihr gegeißelt und vor Statthalter und Könige gestellt werden um meinetwillen, ihnen zum Zeugnis. Es wird der Bruder den Bruder in den Tod liefern und der Vater das Kind. Die Kinder werden sich auflehnen gegen die Eltern und sie in den Tod bringen; und ihr werdet allen verhaßt sein um meines Namens willen. Wenn ihr nun die grauenhafte Verwüstung dort seht, wo sie nicht herrschen soll, dann fliehe, wer in der Ebene ist, auf die Berge. Wenn jemand auch sagt: 'Siehe, hier ist der Messias, siehe dort', so glaubt es nicht. Denn es werden falsche Messiasse und falsche Propheten auftreten und Zeichen und Wunder wirken, um, wenn es möglich ist, auch die Auserwählten in Irrtum zu führen. Sehet euch vor! Ich habe euch alles vorhergesagt.“

Hier ist die Rede von den Anstrengungen, die Satan in den letzten Zeiten unternimmt, um den Christusgläubigen zu schaden. Der erste Angriff – aber nicht der gefährlichste – richtet sich gegen Freiheit und Leben der Christusgläubigen. Weil die Christusgläubigen Menschen sind, für die die Erde nicht das Letzte und Endgültige ist, ergrimmen die Weltgläubigen gegen sie und suchen sie als Unruhestifter zu vernichten. Denn die Christen verbreiten Unruhe, weil sie nämlich verkünden, daß man sich auf eine jenseitige Welt ausrichten muß, und das stört die Weltgläubigen, die nur diese Welt, diese autonome Welt, kennen. So gehen sie gegen die Christusgläubigen vor, um sie zum Schweigen zu bringen, ja, um sie durch Tod zum Schweigen zu bringen.

Die Verfolgung richtet sich sodann gegen den Glauben. Das ist die schlimmere Verfolgung, daß nicht nur Leben und Freiheit der Christusgläubigen gefährdet sind, sondern ihr Glaube. Diese Verführung, der viele Christusgläubige erliegen, geschieht dadurch, daß falsche Christusse auftreten. Es sind also Menschen zu erwarten, die nicht etwa die Religion abschaffen wollen, sondern die die Religion verderben, indem sie das religiöse Bedürfnis des Menschen auf sich selbst lenken. Sie wissen, daß der Mensch anbeten muß. Wenn er nicht den wahren Gott anbetet, dann eben Götzen. Und so lenken sie die tiefinnerliche Anlage des Menschen zur Anbetung auf sich selbst. In einer höllischen Verkehrung beten die Menschen, die den Drohungen der falschen Messiasse erliegen, nicht Gott und seinen Christus an, sondern die Falschmessiasse. Weil sie mit ihrem glänzenden Auftreten, mit ihren Erfolgen, mit ihrer Kulturleistung die Menschen begeistern und für sich gewinnen, ist der Abfall bei vielen zu gewärtigen.

Die schlimmste Verkehrung besteht darin, daß der Greuel der Verwüstung an heiliger Stätte beobachtet wird. Der Heiland greift hier eine Tatsache auf, die sich im Jahre 168 v. Chr. ereignet hat. Damals hat der König Epiphanes – Antiochus Epiphanes IV. – im Tempel von Jerusalem eine Statue des Zeus, also eines römischen Gottes, aufstellen lassen. Das ist der Greuel der Verwüstung, der damals geschehen ist. Aber er wird sich wiederholen in einer furchtbaren Weise, wenn die letzten Zeiten hereinbrechen. Denn dann wird die Gottesverehrung vom wahren Gott auf Götzen abgelenkt sein. Die Menschen werden Götzen anbeten, sei es die Macht oder den Genuß oder die Technik oder das Imperium eines gewaltigen Herrschers. In jedem Falle werden sie ihre numinose Neigung dadurch zu befriedigen suchen, daß sie etwas anbeten, was man nicht anbeten darf, und indem sie dem wahren Gott die Anbetung versagen. Aber der Teufel, der ja hinter diesen Unternehmungen steckt, beschleunigt zugleich den Gang der Geschichte. Denn jede Mordtat macht die Zahl der Blutzeugen voll. Jede grauenhafte Unterdrückung bringt das Ende näher. Und jede Not der Verfolgten ruft den Arm des Herrn herbei.

Der Apostel Paulus spricht im 2. Brief an die Thessalonicher davon, daß zuerst der Abfall kommen muß und der Mensch der Sünde geoffenbart werden muß, der Sohn des Verderbens, der Widersacher, der sich über alles erhebt, was Gott und Heiligtum heißt, der sich selbst in den Tempel Gottes setzt und sich für Gott ausgibt. Hier sehen wir, wie der Apostel die Verkündigung des Heilandes aufgreift. Der Widersacher weiß um die numinose Veranlagung des Menschen. Er weiß, daß der Mensch auf Gott hin geschaffen ist; deswegen schafft er die Religion nicht ab, sondern er verderbt sie, er schafft eine Pseudoreligion, und sich selbst als den Gegenstand der Anbetung ausgebend, weiß er sich im Heiligtum den Platz zu verschaffen, der nur Gott zukommen darf.

Der Böse ist nach dem Apostel Paulus schon am Werk. „Ihr wißt auch, was ihn aufhält, bis er offenbar werden soll zu seiner Zeit; denn das Geheimnis der Bosheit ist schon am Werke. Nur muß erst der aus dem Wege geräumt werden, der es bis jetzt aufhält.“ Also schon zu seiner Zeit, in dem Widerstand, den die christliche Botschaft vor 2000 Jahren fand, sieht Paulus den Widersacher am Werk. Aber es ist etwas, was ihn noch aufhält. Die christlichen Denker haben immer wieder versucht, das Geheimnis zu durchdringen, was das sein könnte, was das Offenbarwerden des Widersachers noch aufhält. Man dachte trotz seines heidnischen Charakters an das Römische Reich, das eine große Ordnungsmacht war und wenigstens eine Notordnung gewährleistet hat. Später im Mittelalter dachte man an das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Die deutschen Könige und Kaiser waren in Mitteleuropa und darüber hinaus Förderer des Christentums, allen unseligen Kämpfen mit dem Papst zum Trotz. Sie haben nach der Meinung damaliger Theologen das triumphale Auftreten des Widersachers verhindert. Andere Theologen denken an Engel, vor allem an den Erzengel Michael. In jedem Falle wird eine Stunde kommen, in der jener Gottlose offenbar werden wird. Ihn wird der Herr Jesus töten mit dem Hauche seines Mundes und vernichten durch den Glanz seiner Wiederkunft. Aber so weit ist es noch nicht. „Sein Auftreten geschieht mit Teufelskraft unter allen möglichen Trugzeichen und Lügenwundern und mit allerlei Verführung zur Bosheit bei denen, welche verlorengehen, weil sie die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, um gerettet zu werden. Darum wird Gott ihnen einen starken Irrwahn schicken, daß sie der Lüge glauben.“

Zwei Mittel hat der Widersacher zur Verfügung, um sein Gegenreich zu errichten, Lüge und Gewalt. Mit der Lüge verführt er die Menschen, und im Dienst der Lüge steht auch seine Macht, mit der er Schauwunder, Scheinwunder wirkt, Blitze vom Himmel fallen läßt. Die Gläubigen leiden wehrlos und hilflos. Alle Macht und alle Kraft und alle Gewalt scheint bei dem Widersacher zu sein. Es kommt zum Abfall vieler, das ist uns vorausgesagt. Und die Verführung wird so groß sein, daß nur ein Rest übrig bleibt. Nur ein Rest. Die Masse wird der Verführung erliegen. Das ist die Aussicht, meine lieben Freunde, die uns die Heilige Schrift für das näherkommende Ende eröffnet.

Am deutlichsten freilich und am ausführlichsten hat sich der Apostel Johannes über den Widersacher ausgesprochen. Er nennt ihn den Antichrist, d.h. den Gegenchristus. Das Wesen des Gegenchristus besteht darin, daß er leugnet, daß Jesus von Nazareth der Gesalbte, der Messias, der Christus ist. „Wer anders ist der Lügner als der, welcher leugnet, daß Jesus der Christus ist? Das ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet.“ Der Antichrist gibt sich selber als den Christus aus. Im 13. Kapitel der Apokalypse wird sein Erscheinen geschildert. Er steigt aus dem Meere auf. Das Meer ist ein Bild, ein Symbol für die furchtbare, unheimliche Gewalt, die den Menschen bedroht. „Ein Tier steigt aus dem Meere auf mit zehn Hörnern und sieben Häuptern und zehn Kronen auf den Hörnern.“ Hörner und Kronen sind Zeichen der Macht, der Gewalt, des Machthungers und der Gewalttätigkeit. „Auf den Häuptern standen gotteslästerliche Namen.“ Ähnlich wie auf dem Stirnschild des Hohenpriesters der Name Gottes stand, so stehen auf den Häuptern dieser Bestie, gotteslästerliche Namen. Und so ist das Tier mit keinem Tier vergleichbar, das wir in der Wirklichkeit kennen. „Es glich einem Panther, seine Füße waren wie Bärenfüße, der Rachen wie ein Löwenmaul.“ Indem also das Tier symbolisch Merkmale von vielen Tieren an sich trägt, wird sein untermenschlicher Charakter und seine übermenschliche Kraft dargestellt. „Diesem verlieh der Drache seine Kraft, seinen Thron und gewaltige Macht.“ Der Drache ist ein Bild des Satans. Satan macht diesen Machtträger zu seinem Vasallen. Er übergibt ihm seine Macht und überträgt ihm seine Kraft.

Aber nicht nur das. Auch er bedient sich der Täuschung und der Lüge. „Ich sah eines von seinen Häuptern wie zum Tode verwundet, aber seine Todeswunde wurde geheilt.“ Was tut dieses Tier? Es äfft Christus nach. Ähnlich wie Christus zu Tode verwundet war und wieder lebendig wurde, so gibt sich das Tier aus als Erlöser, das sich für die Menschen hat zum Tode bringen lassen und wieder lebendig geworden ist. Deswegen: „Die ganze Welt staunte über das Tier.“ Ja, das Staunen über seine Macht und über seine Wirksamkeit wird so groß, daß die Menschen das Tier anbeten. In einer furchtbaren Verkehrung wird die Anbetung vom wahren Gott auf den Götzen, auf den aus dem Meere aufsteigenden Götzen, abgelenkt. Furchtbar hallt durch die Welt der Lobgesang: „Wer ist dem Tiere gleich, wer kann mit ihm kämpfen?“ Und diesem Tiere wurde die Macht gegeben, „die Heiligen zu bekriegen und“ – man hält es nicht für möglich – „zu besiegen. Auch bekam es Macht über alle Stämme und Völker und Sprachen und Länder. So werden es denn anbeten alle Weltbewohner, deren Namen nicht seit der Grundlegung der Welt im Lebensbuch des geschlachteten Lammes geschrieben stehen.“ Auch hier wieder wird ein Riesenerfolg des Verführers vorhergesagt, auch hier wird Massenabfall angekündigt; und natürlich auch Verfolgung. „Wer in Gefangenschaft führte, wird selbst in Gefangenschaft gehen. Wer mit dem Schwerte tötet, muß durch das Schwert fallen. Hier gilt es für die Heiligen, Geduld und Glauben zu bewahren.“

Zu diesem ersten Tier mit gewaltiger Macht und Kraft kommt ein zweites. „Ich sah auch ein anderes Tier sich erheben von der Erde. Das hatte zwei Hörner wie ein Lamm und redete wie ein Drache.“ Das Wesen dieses zweiten Tieres ist die Lüge. Es sieht ganz anders aus, als es in Wirklichkeit ist. Es sieht aus wie ein Lamm, und wenn es den Mund auftut, dann sprüht es Gift und Verderben wie der Teufel selbst, wie ein Drache. Es ist der Gegensatz zwischen Sein und Schein, der dieses Tier kennzeichnet. Und was tut dieses Tier? Es verhält sich wie ein Prophet, wie ein Theologe. Nämlich: „Die ganze Gewalt des ersten Tieres übt es unter dessen Augen aus und bewirkt, daß die Erde und ihre Bewohner das erste Tier anbeten, dessen Todeswunde geheilt ward.“ Also dieser Pseudoprophet, dieser Pseudotheologe, sorgt dafür, daß die Verehrung und Anbetung der Menschen abgelenkt wird von Gott und seinem Christus und auf das Tier hingelenkt wird. Und zur Unterstützung seiner Tätigkeit wirkt es große Wunder. Sogar Feuer läßt es vom Himmel fallen vor den Menschen. „Und durch die Zeichen, die es vor dem Tiere zu wirken Macht hatte, verführte es die Bewohner der Erde.“ Und wozu verführt es die Bewohner der Erde? „Ein Bild des Tieres zu machen, das lebte trotz der Schwertwunde, die es hatte.“ Ein Kultbild, ein Verehrungsbild, ein Anbetungsbild wird von dem Tiere aufgestellt, damit die Menschen auch einen Gegenstand haben, zu dem sie sich anbetend wenden können. Und dieses Anbetungsbild, dieses Kultbild, ist niemand anderes als ein Abbild des ersten Tieres, des Antichristen, des Widersachers. Und wehe dem, der dieses Bild nicht anbetet! „Es empfing die Macht, dem Bilde des Tieres Leben zu geben, so daß es redete und den Tod aller bewirkte, die das Bild des Tieres nicht anbeteten.“ Wer sich also der Anbetung versagt, der wird getötet. „Alle Anbeter des Tieres, große und kleine, reiche und arme, Freie und Sklaven, bringen ein Zeichen an ihrer rechten Hand oder auf der Stirn an. Und wer dieses Zeichen nicht hat, von dem gilt: Niemand kann kaufen oder verkaufen, der nicht den Namen oder das Zeichen des Tieres trägt.“ Also wirtschaftlicher Boykott! Wer sich nicht zu dem Tiere bekennt, der wird boykottiert, der ist vom Erwerb, vom Handelsverkehr, vom Kaufen und Verkaufen, ausgeschlossen. Wirtschaftlicher Boykott und Gewalt, das trifft diejenigen, die sich nicht zu dem Tiere bekennen wollen.

Diese grauenhaften Bilder, meine lieben Freunde, die uns die Heilige Schrift übermittelt, können uns die Wachheit auf das Kommen des Herrn vermitteln. Immer natürlich ist etwas vom Bösen am Werk. Der Antichrist hat Wegbereiter, Bahnbrecher, Vorreiter. Gewaltige antichristliche Mächte, auch Persönlichkeiten, mögen als Vorläufer des Antichristen gelten. Aber einmal, vermutlich, wenn eben die Weltherrschaft in der Hand eines Systems oder auch eines Mannes vereinigt werden kann, einmal wird der letzte dieser gottfeindlichen Herrscher auftreten, und das wird der Antichrist sein. Die Prophezeiung verliert nicht dadurch ihren Wert, daß wir bei geschichtlichen Mächten und Personen nicht genau angeben können: Ja, ist das der Antichrist, oder ist er es nicht? Denn alle diese Vorläufer des Antichristen sind geeignet, uns in der Wachheit und Nüchternheit unseres Herzens zu erhalten. Wir müssen gei jedem gigantischen Feind Gottes und Christi damit rechnen, daß er der Antichrist ist. Freilich wird man mit letzter Gewißheit erst nach dem Auftreten des letzten, nämlich des wirklichen Antichristen wissen, daß er es gewesen ist. Heute kann ja eine Steigerung der Tücke und des Hasses die andere ablösen. Wir wissen nicht, was noch für grauenhafte Möglichkeiten in der Geschichte beschlossen sind. Aber einmal wird die letzte Stunde sein. Das wird dann sein, meine lieben Freunde, wenn die Bosheit den Gipfel erreicht hat, wenn die Verführung und der Terror unerträglich geworden sind, wenn der Antichrist zu seinem höchsten Triumph ansetzt, wenn die Zahl der Opfer voll ist, wenn die Zahl der Martyrer voll ist, wenn die Massen abgefallen sind, wenn nur noch ein Rest den Glauben bewahrt. Dann wird der Herr kommen. Jede Niederlage der Gläubigen beschleunigt in diesem Sinne das Kommen Jesu. Jede Todeswunde, die einem Bekenner beigebracht wird, ruft die Rettung, die endgültige Rettung des Herrn herbei.

In diesem Sinne wollen wir uns wachhalten, wollen wir auf den Herrn warten, sein Kommen erflehen und unsere Herzen zurüsten, damit der Herr, wenn er kommt, uns wachend antrifft.

Amen.

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