Die Wahrheit verkündigen,
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Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Das eucharistische Opfersakrament (Teil 7)

24. Juni 1990

Die fortdauernde Gegenwart Christi im eucharistischen Sakrament

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Sakramente wirken während ihres Vollzugs. In dem Augenblick, in dem der Priester Wasser über die Stirn des Täuflings schüttet und die Worte der sakramentalen Formel spricht, wird die Seele des Kindes geheiligt, von der Erbsünde befreit, mit der Gnade beschenkt. Das Sakrament ist dann abgeschlossen. Anders ist es beim eucharistischen Opfersakrament. Hier ist nicht nur im Augenblick des Vollzugs der Herr der Gnade gegenwärtig, sondern er bleibt in dem Sakrament anwesend. Es gibt eine Fortdauer seiner Gegenwart. Das eucharistische Opfersakrament ist, wie die Theologen sagen, ein sacramentum permanens, ein Dauersakrament.

Die Kirchenversammlung von Trient hat die Wahrheit über dieses Dauersakrament gegen die Neuerer des 16. Jahrhunderts lichtvoll und bleibend gültig dargestellt. Im 4. Lehrsatz des Konzils heißt es: „Wer sagt, im wunderbaren Sakramente der Eucharistie sei nach vollzogener Weihe nicht der Leib und das Blut unseres Herrn Jesus Christus, sondern nur beim Gebrauch, wenn es genossen wird, nicht aber vorher oder nachher, und in den geweihten Hostien oder Brotteilchen, die nach der Kommunion aufbewahrt werden oder übrigbleiben, bleibe nicht der wahre Leib des Herrn zurück, der sei ausgeschlossen.“ Im 6. Lehrsatz: „Wer sagt, im heiligen Sakrament der Eucharistie dürfe Christus, der eingeborene Gottessohn, nicht auch mit der äußeren Huldigung der Gottesverehrung angebetet werden, und deshalb solle er auch nicht durch eine besondere äußere Feierlichkeit verehrt werden, und man solle ihn nicht nach der lobenswerten und allgemein verbreiteten Sitte und Gewohnheit der heiligen Kirche bei Prozessionen feierlich umhertragen oder nicht öffentlich dem Volk zur Anbetung zeigen, und seine Anbeter seien Götzendiener, der sei ausgeschlossen.“ Und schließlich im 7. Lehrsatz: „Wer sagt, es sei nicht erlaubt, die heiligste Eucharistie im heiligen Schrein aufzubewahren, sondern sie müsse notwendig gleich nach der Weihe an die Umstehenden ausgeteilt werden, oder es sei nicht erlaubt, sie feierlich zu Kranken zu tragen, der sei ausgeschlossen.“

Aus diesen drei Lehrsätzen des Konzils von Trient ergibt sich eindeutig die Rechtfertigung des Glaubens, aber auch der Praxis der Kirche in bezug auf das heilige Opfersakrament. Diese Lehrsätze sind gegen Martin Luther formuliert, denn dieser lehrte, daß die Gegenwart Christi nur im Augenblick des Genusses, in usu – im Gebrauch – vorhanden sei, nicht vorher und nicht nachher. Deswegen dürfen nach lutherischer Auffassung die Mahlüberreste, wie man sagt, nicht aufbewahrt werden bzw. werden wieder in den Kasten zu den übrigen Mahlelementen geschüttet. Gegen diese falsche Lehre hat das Konzil von Trient den katholischen Glauben lichtvoll und – ich sage noch einmal – bleibend gültig formuliert. Wenn sich die Kirche an die Fortdauer des Sakramentes erinnert, dann bekennt sie sich zu den Einsetzungsworten des Herrn. Denn darin heißt es: „Das ist mein Leib, das ist mein Blut.“ Was durch die Wesensverwandlung geschaffen worden ist, das wird nicht mehr rückgängig gemacht. Was Leib und Blut des Herrn ist, das bleibt Leib und Blut des Herrn. Es ist unabhängig von unserer Beziehung zu ihm Leib und Blut des Herrn. Unser Essen und Trinken oder die Bestimmung, zu essen oder zu trinken, konstituiert nicht die Gegenwart. Die Gegenwart des Herrn ist bewußtseinsunabhängig. Und deswegen muß sich die Kirche, wenn sie sich zum vollen Inhalt des eucharistischen Opfersakramentes bekennen will, auch zu der Fortdauer des wahren Leibes und des wahren Blutes unseres Herrn und Heilandes bekennen.

Wie lange bleibt der Leib und das Blut des Herrn gegenwärtig? Die Frage ist relativ leicht zu beantworten: So lange, wie die Gestalten vorhanden sind. Die Gestalten zeigen an, was in ihnen enthalten ist, und solange diese Zeichen vorhanden sind, ist auch der Leib und das Blut des Herrn vorhanden. Ein Zeichen will etwas zeigen, anzeigen, und solange diese Zeigefunktion gewahrt ist, dürfen, ja müssen wir annehmen, daß Leib und Blut unseres Herrn gegenwärtig sind. Wenn die Reste derartig klein sind, daß sie nicht mehr wahrnehmbar sind, dann ist wohl zweifelhaft, daß der Leib und das Blut des Herrn noch vorhanden sind. Aber wir müssen hier vorsichtig und mit höchster Ehrfurcht zu Werke gehen. Denn allzu leicht kann man dazu kommen, daß man Partikeln nicht mehr als Zeichen des Sakramentes ansieht und dann unachtsam mit ihnen umgeht. Die Kirche hat immer die größte Ehrfurcht und auch die äußerste Achtsamkeit für alle Teile der Eucharistie vorgeschrieben. Deswegen der Kommunionteller, die Patene, die untergehalten wird, deswegen das Kommuniontuch über den Kommunionbänken, die hier leider Gottes verschwunden sind. Wir müssen also mit den Teilchen des eucharistischen Opfersakramentes höchst sorgsam umgehen. Ich versuche das immer zu erklären mit anderen Nahrungsmitteln. Als wir im Mai 1945 in grauen Kolonnen, von Russen geführt, nach Osten marschierten, haben wir in den Taschen und am Straßenrand gesucht, ob es etwas Eßbares gibt. Und wer auch nur ein Krümel Brot in seiner Tasche gefunden hat, der hat ihn mit Gier verschlungen. Damals wußte man genau, daß auch in solch einem Krümel Brot noch etwas Nahrhaftes vorhanden ist. Das sollte uns vorsichtig machen gegenüber einer großzügigen Verfahrensweise mit dem eucharistischen Opfersakrament und den davon übrigbleibenden Partikeln.

Solange die Gestalten vorhanden sind, ist der geopferte Christus gegenwärtig, sein Opferleib, sein Opferblut. Und es ist wohl eine begründete Meinung gelehrter Theologen, daß Christus gegenwärtig ist im Zustand des Opfers. Das würde bedeuten, daß nicht nur der Leib und das Blut Christi gegenwärtig sind, sondern daß das Kreuzesopfer gegenwärtig bleibt, solange die Gestalten vorhanden sind. Christus ist immer im Zustand des Opfers da als der, der sich dem Vater in Gehorsam und Liebe hingibt für das Heil der Menschen. Und deswegen ist wohl mit seiner Gegenwart auch die Gegenwart des Kreuzesopfers, an dem ja sein Lebensopfer hängt und in dem es vollendet wird, gegenwärtig. Wir können also den im eucharistischen Opfersakrament gegenwärtigen Herrn und Heiland als den Opferchristus betrachten und an seine Opfergegenwart in diesem Sakrament glauben.

Das hat große Bedeutung und gewichtige Folgerungen. Wenn im eucharistischen Sakrament nicht nur Leib und Blut Christi, sondern, wie wir am vorigen Sonntag gesehen haben, der ganze Christus gegenwärtig ist, dann ist damit eine Grundlage geschaffen für eine persönliche Beziehung des Gläubigen zu dem unter den Gestalten gegenwärtigen Christus. Dann ist es möglich, mit dem Herrn und Heiland, der da gegenwärtig ist, in einen lebendigen Konnex zu treten. Und das ist der Sinn der eucharistischen Frömmigkeit außerhalb des Meßopfers. Wir können in die Kirche gehen, in eine katholische Kirche, und wir wissen, da zeigt uns die rote Lampe, das ewige Licht, an: Hier ist unser Herr und Heiland Jesus Christus, der Mensch gewordene Gottessohn, gegenwärtig. Das ist ein Unterschied von der Allgegenwart Gottes. Gott ist selbstverständlich überall gegenwärtig mit seiner Kraft und mit seinem Wesen, weil er alles trägt und erhält. Aber in der katholischen Kirche ist eine besondere Gegenwart, nämlich die Gegenwart des Mensch gewordenen Sohnes Gottes. Und sie ist nur da, wo ein gültig geweihter Priester die Elemente in der Kraft Gottes verwandelt hat. Deswegen gibt es in katholischen Kirchen einen Tabernakel, und dieser Tabernakel ist das Zelt unseres Herrn und Heilandes. Zu diesem Tabernakel sollen wir eilen, vor diesem Tabernakel sollen wir unsere Gebete ausschütten. Man nennt das Besuchung – visitatio. Wir besuchen unseren Herrn und Heiland, und man sollte niemals, sofern es die Zeit und die Umstände zulassen, an einer katholischen Kirche vorübergehen, ohne einzutreten und den Herrn und Heiland zu begrüßen.

Weil der ganze Christus gegenwärtig ist, dürfen wir ihn in feierlicher Prozession durch die Straßen tragen und unser Knie vor ihm beugen. Weil der ganze Christus gegenwärtig ist, dürfen wir ihn in ein Zeigegefäß (lateinisch Monstranz) aufnehmen und damit den Gläubigen den Segen geben. Wenn der Segen den Gläubigen mit der Monstranz gegeben wird, dann ist das gleichsam eine Ausweitung des eucharistischen Opfers, das über die anwesenden und empfängnisbereiten Gläubigen seinen Segen entfaltet.

Alle diese Weisen, unseren im Altarsakrament gegenwärtigen Herrn und Heiland zu verehren, sind der Kirche nach und nach aufgegangen. Im ersten Jahrtausend stand zweifellos die Gegenwart des Leibes und des Blutes des Herrn im Vordergrund, also eine mehr sachliche Eucharistieauffassung. Aber schon damals war man überzeugt, daß die Gegenwart des Leibes und des Blutes des Herrn anhält. Man trug die eucharistischen Sakramentsgaben zu den Kranken. Wenn man nicht an die dauernde Gegenwart geglaubt hätte, dann wäre das ja unmöglich gewesen. Man nahm den konsekrierten Leib des Herrn sogar nach Hause mit, um ihn in Verfolgungszeiten vor dem Martyrium genießen zu können – ein klares Zeugnis für den Glauben an die Fortdauer der Gegenwart des Leibes und des Blutes unseres Herrn Jesus Christus. Als dann im 11. Jahrhundert zu der sachlichen die mehr persönliche Eucharistieauffassung kam, da setzte eine wunderbare Blüte des Kultes des eucharistischen Opfersakramentes ein, da entstand die Anbetung des Allerheiligsten, das Fronleichnamsfest, die Fronleichnamsprozession, und später das 40stündige Gebet, und diese Verehrung, vom Heiligen Geist in der Kirche erweckt, hat zahllose Menschen genährt, erhoben, begeistert und erfüllt.

Wir wollen, meine lieben Freunde, in einer Zeit frostiger Eucharistieauffassung an diesen bewährten Übungen, die ja nichts anderes sind als die Praxis des Glaubens, festhalten. Wir wollen dem eucharistischen Heiland im Tabernakel die Ehre erweisen, die er verdient. Wir wollen uns beugen, wenn die goldstrahlende Monstranz mit dem Heiland über uns zum Kreuzessegen erhoben wird. Das gläubige Anschauen des Herrn, der unter den Gestalten von Brot und Wein verborgen ist, ist schon eine Weise der Verbindung mit ihm. Wer an die fortdauernde Gegenwart des Herrn glaubt und sich daran erinnert, daß er in der Weise des Opfers gegenwärtig ist, wird durch den eucharistischen Segen in die Gemeinschaft mit seinem Opfer hineingezogen. Das ist also unsere Freude, das ist unser Glück, das ist die erhebende Beruhigung, daß wir in unserer Kirche unseren Gott und Heiland Jesus Christus gegenwärtig haben.

Vor geraumer Zeit hielt einmal ein Franziskanerpater, der Pater Elpidius, Volksmission in einer Diasporastadt. An einem Abend war eine Sakramentsandacht. Nach der Andacht sah der Pater in einer Bank einen Herrn knien, der beide Hände vor das Gesicht geschlagen hatte. Er fragte ihn, ob er noch beichten wolle. „Nein“, sagte der Mann, „beichten kann ich nicht, ich bin der hiesige protestantische Superintendent.“ Dann zeigte er mit dem Finger auf den Tabernakel und sprach mit Tränen in den Augen: „Ach, daß man uns den genommen hat!“ Wir haben ihn bei uns, unseren Emanuel, unseren Gott-mit-uns, unseren Herrn und Heiland. Wir dürfen ihn besuchen, wir dürfen uns von ihm trösten lassen, wir dürfen unsere Bitten vor ihm ausschütten. O wie glücklich sind wir in unserem Glauben! Wie glücklich sind wir, daß wir mit voller Überzeugung sprechen dürfen: „Hochgelobt und gebenedeit sei das allerheiligste Sakrament des Altares von nun an bis in Ewigkeit.“

Amen.

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