Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Der Sündenfall (Teil 2)

19. November 1989

Die Abstammungstheorien

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Als die deutschen Heere vor Moskau in der Eiseskälte erfroren und verbluteten, erzählte Adolf Hitler im Führerhauptquartier seinen Sekretärinnen, daß er in seiner Schulzeit den Religionslehrer in Verlegenheit gebracht habe, indem er darauf hinwies, daß der Mensch vom Affen abstamme. Vor einiger Zeit rief mich eine Dame aus dem Hunsrück an und berichtete mir, daß ihr Sohn im Gymnasium und dann beim Studium den Glauben gänzlich verloren habe wegen der Abstammungslehre. Diese beiden Beispiele, meine lieben Freunde, zeigen, wie dringend es ist, daß wir uns mit der Schöpfung der Welt durch Gott und mit den wirklichen oder scheinbaren Ergebnissen der Naturwissenschaften zu diesem Thema beschäftigen.

Wir haben am vergangenen Sonntag die beiden Schöpfungsberichte des 1. Buches der Heiligen Schrift uns vor Augen geführt und erkannt, was Gott uns damit sagen will. Wie stehen zu diesen Schöpfungsberichten die Aufstellungen der Deszendenztheorie, der Entwicklungslehre und der Abstammungslehre, Begriffe, die ja alle dasselbe besagen? Die Abstammungslehre will die Ähnlichkeiten zwischen den Lebewesen erklären. Sie sagt, diese Ähnlichkeiten gehen zurück auf Abstammung voneinander. Strukturverwandtschaft beruht auf Blutsverwandtschaft. Es haben sich in langen Zeiträumen die höheren Arten aus den niederen entwickelt. Die Entwicklung hat einmal begonnen, aus welchen Gründen, weiß man nicht, mit den Einzellern, die sich dann höherentwickelt haben bis zum Gipfelpunkt des homo recens, des heute lebenden Menschen. In diese Entwicklungslehre wird nämlich auch der Mensch einbezogen. Der Mensch ist nur der Endpunkt einer Entwicklung, die von den Einzellern über die Fische und Reptilien, Amphibien, Säugetiere bis zum Menschen führt.

Diese Theorie wurde maßgeblich aufgestellt von dem englischen Forscher Charles Darwin. Er schrieb im Jahre 1859 das Buch „Die Entstehung der Arten“ und 1871 das zweite „Die Abstammung des Menschen“. In diesen Büchern stellt er sich die Entwicklung folgendermaßen vor: Die Natur erzeugt eine Überproduktion an Individuen. Weil es zu viele Individuen gibt, setzt ein Kampf ums Dasein ein. In diesem Kampf ums Dasein behalten diejenigen die Oberhand, bleiben also am Leben, die besser angepaßt sind. Es setzt eine Auslese, eine Zuchtwahl, eine Selektion ein, die diejenigen zugrunde gehen läßt, die sich als unangepaßt oder weniger angepaßt erweisen, während diejenigen überleben, die besser an die Umwelt angepaßt sind. Diese Entwicklungslehre ist dann von anderen Forschern, vor allem Ernst Häckel in Jena, ausgebaut worden, und wird  heute, ich glaube überwiegend, in den Schulen vorgetragen. Ich selbst habe sie im Biologieunterricht in meiner Gymnasialzeit gehört. Einer der maßgebenden Männer ist in der Gegenwart der Göttinger Professor Gerhard Heberer. Dieser Forscher stellt eine Entwicklungsreihe auf für den Menschen, an deren Anfang der Menschenaffe „Prokonsul“ steht. Diese Entwicklungsreihe führt dann über die Pongiden, den Australopithecus, den Pitecanthropus, den Neandertaler zum homo recens, zum heute lebenden Menschen. So stellen sich viele Gelehrte die Entwicklung vor.

Die erste Frage, die wir zu stellen haben, heißt: Was ist zu dieser Lehre vom Standpunkt der Wissenschaft zu sagen? Die zweite Frage lautet dann: Was ist vom Standpunkt der Religion dazu zu sagen? Zunächst einmal ist zu bemerken, meine lieben Freunde, daß diese Lehre eine Theorie ist, eine Theorie, also ein Gedankengebilde, das bestimmte Tatsachen erklären soll. Eine Theorie ist kein Beweis. Eine Theorie ist ein Denkschema, das man entwirft, um bestimmte Fakten einzuordnen. Die Theorie der Abstammung des Menschen kann nicht bewiesen werden, weil natürlich niemand die Entwicklung beobachtet hat. Diese Theorie entsteht aus Rückschlüssen von Tatsachen, die ich gleich nennen werde. Infolgedessen haftet ihr also niemals die Sicherheit an, wie wir sie in der Mathematik beispielsweise haben, sondern es bleibt eine Theorie, die Wahrscheinlichkeit für sich haben mag, die aber keine Sicherheit zu bieten imstande ist.

Als Begründung für diese Theorie werden folgende Einzelheiten angegeben: Man beobachtet sogenannte Homologien. Das heißt, bestimmte Organe bei den Lebewesen sind ähnlich. Es zeigen sich Entsprechungen, und diese Entsprechungen nimmt man zum Anlaß, zu sagen: Ja, die sind eben so zu erklären, daß die eine Art von Lebewesen die Vorläuferin der anderen Art ist. Die Arten haben sich gewandelt, aus einer Art sind andere entstanden. Gegen diese Behauptung, die man ja nicht beweisen kann, wird von anderen Gelehrten, etwa von Taylor in den USA oder auch von Illies in Gießen, eingewandt, daß die Entwicklung immer vom Undifferenzierten zum Differenzierten, vom Allgemeinen zum Besonderen geht, und daß, da die Schöpfung eine Einheit bildet, notwendigerweise Entsprechungen zwischen der Arten vorliegen müssen. Ähnlichkeiten aber sind noch keine Abstammung. Die Abstammung müßte bewiesen werden; der fehlende Beweis kann nicht durch eine Behauptung ersetzt werden.

Eine zweite Begründung wird versucht mit dem sogenannten biogenetischen Grundgesetz. Das heißt, der Mensch wiederholt angeblich in seiner Embryonalentwicklung die Phasen, die seine Vorfahren durchschritten haben. Er macht also gewissermaßen als Embryo die Entwicklung über die Fische, die Amphibien, die Reptilien bis zu den Säugetieren durch. „Die Ontogenese ist ein Abbild der Phylogenese,“ so lautet dieses biogenetische Grundgesetz. Auch dagegen gibt es Einwände, ernsthafte Einwände. Wiederum sagen uns Gelehrte: Die Entwicklung muß notwendig vom wenig oder gar nicht Differenzierten zum stärker Differenzierten gehen. Die Entwicklung muß vom Allgemeinen zum Besonderen voranschreiten, ohne daß man das als eine Wiederholung der Stammesgeschichte auszugeben genötigt wäre.

Eine dritte Begründung der Abstammungslehre wird versucht, indem man auf die paläontologischen Funde hinweist. Man hat ja in den Gesteinsschichten Funde von Tieren, aber auch von Menschen oder menschenähnlichen Wesen sowie von Affen, gemacht und sagt nun: Da kann man eine Entwicklungsreihe aufstellen. Und die Entwicklungsreihe wird eben meinetwegen von Heberer in der Weise angesetzt, daß er sagt: Der jetzt lebende Mensch hat als Vorfahren den „Prokonsul“ (das ist ein Menschenaffe, den man in Ostafrika gefunden hat, versteinert), und von diesem Prokonsul ist die Entwicklung über den Australopithecus, den Pitecanthropus und den Neandertaler bis zum heutigen Menschen vorgestoßen. Gegen diese Reihe werden jedoch sehr ernsthafte Bedenken vorgebracht. Es gibt nämlich ältere Formen von Menschen, die dem heutigen Menschen ähnlicher sind als die jüngeren. Das sprengt die Reihe. Denn an sich müßten ja die jüngeren Formen dem heutigen Menschen ähnlicher sein als die älteren. Also so ist z.B. der Mensch von Steinheim (Steinheim liegt in Württemberg, dort hat man einen Knochen ausgegraben), älter als der Neandertaler (Neandertal ist ein Ort bei Düsseldorf). Aber der Mensch von Steinheim ist dem heutigen Menschen ähnlicher als der Neandertaler, obwohl der Neandertaler angeblich das letzte Glied in der Stammesentwicklung vor dem heutigen Menschen ist. Deshalb neigen immer mehr Forscher – vor allem in den USA – dazu, anzunehmen, daß diese Entwicklungsreihe nicht haltbar ist, daß es sich vielmehr um verschiedene Zweige handelt, die nebeneinander gelebt haben, aber nicht auseinander entstanden sind. Also der Sinanthropus und der Pithecanthropus und der Jacanthropus und der Cyphanthropus haben nebeneinander gelebt, aber sie sind nicht auseinander entstanden.

Auch gegen die Prinzipien, die Darwin aufgestellt hat, werden ernsthafte Zweifel angemeldet. Noch niemals hat man im Versuch aus einem Hund etwas anderes als einen Hund machen können. Es gibt unzählige Hunderassen, aber alle diese Hunderassen, die ja ursprünglich vom Wolf abstammen, sind immer noch Hunde. Es ist nicht gelungen, die Grenze der Art zu überschreiten. Oder bei der Fruchtfliege Drosophila: Man hat die Fruchtfliege Drosophila millionenfach mit Röntgen- und Gammastrahlen behandelt und Mutationen, also Änderungen des Erbgutes, erzielt, aber niemals ist aus der Fruchtfliege Drosophila etwas anderes als die Fruchtfliege Drosophila geworden. Deswegen gibt es beachtenswerte Gelehrte, von Liné in Schweden angefangen, die sagen, die Mutation, also die Änderung des Erbgutes, überschreitet die Grenze der Art nicht. Wenn das aber nicht der Fall ist, dann fällt die ganze Evolutionstheorie in sich zusammen.

Ein besonderer Lapsus ist dieser Theorie unterlaufen, wenn sie die Menschwerdung wie folgt erklärt: Der Affe ist für das Baumleben zu schwer geworden. Er ist also heruntergestiegen vom Baum, hat dann eine aufrechte Haltung eingenommen, in der Kälte der Eiszeit hat er das Feuer beobachtet, das durch einen Blitz entzündet wurde, und hat den Gebrauch des Feuers gelernt und begriffen. Und das ist der Beginn der Menschwerdung. Diese Erklärung hat einen entscheidenden Fehler. Denn der Gebrauch des Feuers setzt ja den Geist schon voraus. Kein Affe gebraucht ein Feuer, auch wenn er es noch so oft sieht. Hier wird also ein logischer Schnitzer begangen. Der Gebrauch des Feuers soll die Menschwerdung erklären; in Wirklichkeit setzt die Benutzung des Feuers die Existenz von Geist, der etwas begreift, voraus.

Die Entwicklungslehre vermag manches zu erklären, aber sie ist bis heute mit vielen Unsicherheiten behaftet und kommt über den Rang einer Theorie nicht hinaus. Von ihr als einem gesicherten Ergebnis der Naturwissenschaft zu sprechen, halte ich für eine Anmaßung. Das sagt die Naturwissenschaft zur Entwicklungslehre.

Was sagt die Religion dazu? Nach den Ausführungen, die ich am vergangenen Sonntag machte, können Sie schon erkennen, daß eine bestimmte Spielart der Entwicklungslehre mit dem Glauben überhaupt nicht in Konflikt gerät. Warum soll Gott nicht die Schöpfung in der Weise geschaffen haben, daß sich die Geschöpfe entwickeln, daß eine Entwicklung vom Niederen zum Höheren geschieht? Gott bleibt doch der Urheber, auch wenn er in die Geschöpfe die Kraft hineingelegt hat, die Grenzen der Art zu überschreiten, auch wenn er die Weltumstände so gestaltet hat, daß sie auf das Erbgut der Geschöpfe einwirken und Mutationen erzielen, die zu neuen Arten führen. Ähnliche Gedanken hat schon der heilige Augustinus vorgetragen, der eine Entwicklung annahm aus Artkeimen. In diese Entwicklung nahm er auch den Menschen hinein, natürlich nicht im heutigen naturwissenschaftlichen Sinne, aber eine Entwicklung ist schon von Augustinus behauptet worden.

Unverträglich mit dem Glauben ist eine Entwicklungslehre, die von der ewigen Materie ausgeht und nur mechanische Ursachen am Werke sieht, die also Gott draußen läßt. Eine solche Entwicklungslehre würde dem Glauben widersprechen. Und die ist ja nun tatsächlich etwa von Häckel vertreten worden in seinen Büchern, die zahllose Auflagen erlebt haben und vielen Menschen, darunter Adolf Hitler, den Glauben geraubt haben. Wir brauchen also angesichts der wirklichen Ergebnisse der Naturwissenschaft weder zu zittern noch zu zagen. Wenn die Entwicklung von niederen zu höheren Lebewesen eine Wirklichkeit ist, haben wir Anlaß, den Schöpfer zu preisen, der die Welt als eine werdende geschaffen hat, der nicht alles schon gleich von Anfang an in fertigem Zustand hervorgebracht hat, sondern der wollte, daß aufgrund seiner Weisheit und seiner Macht Geschöpfe sich zu höheren Formen entwickeln. Wenn Gott einen belebten Körper zum Menschen machen wollte statt einen unbelebten, dann ist das seine Sache. Warum nicht? Es erhebt der Glaube keinen Einwand dagegen, wenn nachgewiesen werden könnte, daß aus einem belebten Körper der Geist-Mensch entstanden ist. Aber der Nachweis fehlt bis heute.

Wir brauchen uns also nicht zu beunruhigen. „Die Bibel hat doch recht“, unter diesem Titel hat einmal ein bekannter Journalist ein Buch geschrieben. Die Wahrheit, die uns die Heilige Schrift verkünden will, bleibt untangiert von wirklichen Ergebnissen der Naturwissenschaft. Nur die unzulässige Grenzüberschreitung, also das Abgleiten von Naturwissenschaftlern in die Religion, in die Weltanschauung, nur die unzulässige Grenzüberschreitung gefährdet den Glauben von schwachen Seelen.

Wir also brauchen uns nicht zu beunruhigen. Wer die Ergebnisse, die wirklichen Ergebnisse der Naturwissenschaft gerecht würdigt und wer die Absicht der Heiligen Schrift bei ihren Aussagen über die Schöpfung erkennt, der weiß, daß sich das eine und das andere nicht widersprechen können. Denn sowohl die Vernunft als auch der Glaube haben ihren Ursprung in Gott. In Gott aber ist Wahrheit und Einheit und kein Widerspruch.

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt