Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
14. November 2021

Wie Heilige sterben

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Es ist uns allen bewusst, dass das Leben vorbildlicher Menschen für unser religiöses Leben und unser sittliches Streben von hohem Wert ist. Es zeigt uns, worauf es ankommt, was wertvoll und förderlich oder belanglos und gleichgültig ist. Das Leben hervorragender Christen belehrt uns auch, was Gottes Gnade aus einem Menschen machen kann, der gewillt ist, sich ihr zu öffnen und von ihr führen zu lassen. Das Leben bewährter Männer und Frauen lässt schließlich erkennen, welche Kraft der menschliche Wille hat, wenn man bereit ist, ihn einzusetzen. Aber nicht nur das Leben vortrefflicher Christen kann uns eine Lehre und ein Ansporn sein, sondern auch ihr Sterben. Sie sind uns vorangegangen im Zeichen des Glaubens. Sie haben den Überschritt von der zeitlichen in die ewige Existenzweise vollzogen. Die Art und Weise, wie sie dieses Geschehen bestanden haben, kann uns belehren, uns auf den Abschied von dieser Welt vorzubereiten, damit wir in ihre Gemeinschaft gelangen. Wir wollen daher heute einmal bedenken, wie Heilige sich in der Trennungsstunde von dieser Erde verhalten haben.

Thascius Caecilius Cyprianus (200-258) genoss als Abkömmling einer vermögenden aristokratischen Familie Karthagos eine hervorragende Erziehung und wirkte dann mit großem Erfolg als Lehrer der Rhetorik und wohl auch als Advokat in seiner Heimatstadt. Sein Wohlstand erlaubte ihm, alle Freuden des heidnischen Lebens zu genießen. Doch verließ ihn nie das Gefühl der inneren Leere. Unter dem Einfluss des heiligmäßigen Priesters Caecilius erschloss er sein Herz dem christlichen Glauben. In der Osternacht des 18. April 246 empfing er die Taufe. Er sagte sich danach ganz und gar von seiner Vergangenheit los und begann als neuer Mensch das Leben in Christus. Er legte das Gelübde der Keuschheit ab und verschenkte einen großen Teil seiner Besitztümer an die Armen. Schon bald wurde er zum Priester geweiht und 248 zum Bischof von Karthago gewählt, das damals der Hauptort des ganzen lateinischen Afrika war mit seinen etwa 150 Bischöfen. Die zehn Jahre seines bischöflichen Wirkens waren eine Zeit fast ununterbrochener Kämpfe und Leiden. Die segensreichen Anfänge wurden bald überschattet durch die systematische Christenverfolgung des Kaisers Decius. Er forderte 250 die Statthalter des römischen Reiches auf, die Christen zur Teilnahme am heidnischen Kult zu zwingen. Wer nicht den Göttern das vorgeschriebene Opfer darbrachte, wurde als Staatsfeind eingekerkert und schwerer Folterung unterzogen. Eine große Zahl, vielleicht die Mehrheit der Christen verleugnete ihren Glauben. Als Cyprian milde mit den Abgefallenen verfuhr, stellte man gegen ihn einen Gegenbischof auf. Im Jahre 257 brach unter Kaiser Valerian eine neue Christenverfolgung aus. Diesmal wurde Cyprian als einer der ersten am 30. August dem Prokonsul Aspasius Paternus zur Aburteilung vorgeführt. Das Protokoll der Verhandlung ist uns erhalten. Cyprian musste in die Verbannung gehen. Dort waltete er weiter seines Amtes. Doch im Sommer 258 ließ ihn der Prokonsul Galerius Maximus erneut verhaften. Er verurteilte ihn zum Tode durch das Schwert. Cyprian begrüßte das Urteil mit den Worten: „Gott sei Dank!“ Er legte sich selbst die Binde vor die Augen. Zwei Kleriker banden ihm die Hände. Dann vollendete er sein Martyrium. Heute erflehen wir in jeder heiligen Messe seine Fürbitte.

John Fisher (1469-1535) war Priester und Gelehrter. Er wurde Prorektor und Kanzler der Universität Cambridge. Im Aller von fünfunddreißig Jahren wurde er Bischof von Rochester. Er war ein echter Seelsorgebischof, bescheiden und anspruchslos, besuchte die Armen und Kranken, spendete oft persönlich die Sterbesakramente und hielt sich stundenlang in Elendsbehausungen auf, in denen sein Diener es nicht aushalten konnte. Seine persönlichen Gewohnheiten waren von äußerster Strenge. Er schlief täglich nur vier Stunden. Die Leitung der Universität Cambridge behielt er bei und errichtete Lehrstühle für Griechisch und Hebräisch. Mit achtundvierzig Jahren begann er Griechisch zu studieren, mit einundfünfzig Hebräisch. König Heinrich VIII. erklärte, kein anderes Reich habe einen Bischof wie Fisher. Als der König versuchte, seine Ehe zu lösen, um Ann Boleyn heiraten zu können, erklärte Fisher, die Ehe könne von keiner göttlichen oder menschlichen Macht gelöst werden, und zur Bekräftigung dieser Überzeugung würde er selbst sein Leben opfern. Nun begann ein wahres Kesseltreiben gegen den Bischof; er wurde eingekerkert, zweimal wurde ein Mordanschlag auf ihn verübt. Als Heinrich VIII. von seinen Untertanen einen Eid verlangte, der die Ehe mit Ann Boleyn als gültig anerkannte und dem König das Recht der Oberhoheit über die Kirche zusprach, war es um Fisher geschehen. Er wurde ins Gefängnis geworfen. Der Papst ernannte ihn zum Kardinal. König Heinrich schrie wütend: „Soll der Papst ihm nur einen roten Hut schicken, ich werde dafür sorgen, dass er keinen Kopf mehr hat, um ihn aufzusetzen.“ Am 22. Juni 1535 wurde Fisher um fünf Uhr morgens geweckt. „Sie werden heute Vormittag hingerichtet“, sagte man ihm. „Es ist sehr früh, lassen Sie mich bitte noch ein wenig schlafen“, entgegnete der Bischof, und er schlief noch zwei Stunden lang so fest wie ein Kind. Die lange Haft hatte den alten Mann so geschwächt, dass man ihn auf einem Stuhl zum Richtplatz tragen musste. Als er jedoch auf dem Schafott stand, war seine Stimme fest und klar. Er erklärte, er sterbe für die heilige katholische Kirche, und er bat die Umstehenden zu beten, dass er bis zuletzt standhaft bleibe. Dann betete er das Tedeum und den Psalm „Auf dich, o Herr, vertraue ich“ (31), verzieh seinem Henker und legte das Haupt auf den Richtblock, unerschütterlich bis zum letzten Atemzug.

Thomas More (1478-1535) war ein gelehrter Jurist und Mitglied des britischen Parlaments. Er war ein treuer Gatte und zärtlicher Vater seiner Kinder. Sein Leben war bescheiden und anspruchslos, fromm und gebefreudig. Täglich besuchte er die heilige Messe. König Heinrich VIII. (1491-1547) schätzte ihn hoch und beförderte ihn 1529 zu seinem Kanzler. Er erwartete von ihm, dass er ihm in seiner Ehescheidungssache behilflich sein werde. Darin sah er sich getäuscht. Thomas More widerstrebte dem Begehren des Königs. Als dieser sich zum Haupt der Kirche in England aufwarf, erklärte er (am 16. Mai 1532) seinen Rücktritt. An der Krönung der Ann Boleyn nahm er demonstrativ nicht teil. Als der König den Eid auf seine Stellung als (einzigem) Haupt der Kirche von England forderte, weigerte er sich, ihn zu leisten. Er wurde im Londoner Tower eingekerkert. Seine Gattin erschien im Gefängnis und bestürmte den Todgeweihten unter Tränen, er möge doch Rücksicht nehmen auf seine Familie und ihr zuliebe sein Leben retten. Thomas More fragte sie in aller Ruhe: „Sag, wie lange können wir denn noch zusammen leben?“ Sie entgegnete: „Mindestens noch 20 Jahre.“ More: „Schau, wenn du wenigstens 1000 Jahre gesagt hättest, so wäre es noch etwas. Aber um 20 Jahre willen soll ich die Ewigkeit darangeben?“ Am 22. Juni 1535 wurde sein naher Freund, Bischof John Fisher, enthauptet. Neun Tage später wurde More vor Gericht gestellt. Jetzt erklärte er offen, dass kein Fürst sich geistliche Rechte anmaßen dürfe. Er wurde zum Tode verurteilt und am 6. Juli 1535 zum Richtplatz geführt. Er war ruhig und heiter wie immer. Seinen Schwiegersohn bat er, dem Henker ein Goldstück zu geben. Die lange Haft hatte ihn geschwächt, man musste ihm aufs Schafott helfen. „Herunter komme ich schon allein“, scherzte er. Dann wurde er ernst. „Ich sterbe als treuer Diener des Königs“, sagte er, nachdem er die Umstehenden um ihr Gebet ersucht hatte. „Aber zuerst bin ich ein Diener Gottes.“ Er betete den Psalm Miserere (51) und umarmte den Henker. Dann verband er sich selbst die Augen und legte den Kopf auf den Richtblock.

Johannes Sarkander (1576-1620) stammte aus dem österreichischen Schlesien. Der katholische Statthalter von Mähren, Lobkowitz, stellte ihn als Pfarrer der Pfarrkirche von Holleschau bei Olmütz an (1616). Der Adel des Landes war überwiegend protestantisch und suchte den katholischen Gottesdienst zu unterbinden. Johannes Sarkander blieb unbeirrt, unterließ niemals die Predigt und führte zahlreiche Menschen zur katholischen Kirche zurück. Als jedoch der Prager Aufstand zu einer allgemeinen Erhebung führte, war er seines Lebens nicht mehr sicher. Er verbarg sich und irrte umher. Im November 1619 kehrte er in seine Gemeinde zurück. Dann rückten polnische Truppen heran, ein Teil jener Streitkräfte, die durch die Schlacht am Weißen Berge (8. November 1620) entschieden, dass die österreichischen Erblande nicht protestantisch wurden. Johannes Sarkander wusste nicht, ob die Polen als Freunde oder Feinde kamen, und bereitete seine Gemeinde auf das Schlimmste vor. Als die Scharen sich Holleschau näherten, ergriff er die Monstranz mit dem Allerheiligsten und zog ihnen mit seinen Pfarrkindern entgegen. Die Polen sprangen vom Pferd, verehrten das heiligste Sakrament und zogen durch, ohne den Ort zu schädigen. Die Rettung des Ortes wurde zum Verderben des Pfarrers. Man warf ihm vor, die Polen in landesverräterischer Weise ins Land geholt zu haben. Johann verteidigte sich. Am 14. Februar 1620 schritt man zur Folterung. Johann stöhnte leise und betete die Psalmen 119,2 und 140,3f. Am 17. Februar wurde er erneut auf die Folter gespannt und besonders deswegen angeklagt, weil er den katholischen Glauben wieder in seine Gemeinde eingeführt habe. Am 18. Februar kam Sarkander zum drittenmal auf die Folter. Man verlangte voller Wut, er solle offenbaren, was Lobkowitz ihm im Sakrament der Buße über seine Absichten mitgeteilt habe. Sarkander entgegnete: „Würdet ihr mich mit Feuer- und Folterqualen vollends zerfleischen, ja in Stücke reißen, ich würde es freudig vorziehen, mit der Gnade Gottes alle diese Leiden standhaft zu ertragen, als nur einen Augenblick das Beichtsiegel zu verletzen.“ Nach dreistündiger Folterung blieb der Gemarterte bewusstlos liegen. Man warf ihn in den Kerker. Sein Weiterleben war nur ein verlängertes Sterben. Das verbrannte Fleisch wurde faulig. Seine Glieder zu gebrauchen, war ihm unmöglich. Aber alle Leiden hinderten ihn nicht, unaufhörlich mit dem Herzen bei Gott und dem Gekreuzigten zu verweilen. Er starb am 17. März 1620 unter dem Gebet des Psalmverses: „O gehe ein, meine Seele, in den Frieden Gottes, denn der Herr hat dich gesegnet, er hat meine Seele vom Tode errettet, von meinen Augen die Tränen getrocknet und meine Füße vom Fall bewahrt“ (Ps 114,7f.).

Vinzenz Pallotti (1795-1850) war Römer und wurde der Apostel Roms. Sein Leben war ein ständiges Hin und Her zwischen Klöstern, Kollegien und Anstalten, zwischen Kirchen und Kapellen, den Häusern des Elends und den Palästen der Reichen, wo er bettelte. Er war einer, der am meisten beanspruchten Beichtväter und ein vielgerufener Prediger. Seine Predigt war ganz schlicht, aber sie bewirkte zahllose Bekehrungen. Als Rektor an der Nationalkirche der Neapolitaner in Rom bekam er den Widerstand der fünf pflichtvergessenen Priester zu spüren, die ihn schlecht machten und zum Rücktritt zu bewegen suchten. Seine Antwort war: Die Schikanen sind „Erbarmungen Gottes“. Und er blieb, ohne sich zu rechtfertigen oder Gegenmaßnahmen zu ergreifen. In wenigen Jahren gelang es ihm, seine Gemeinde völlig umzuwandeln. Diese Erneuerung des religiösen Lebens strahlte auf ganz Rom aus. Er entwarf den Plan der Erneuerung des katholischen Apostolates auf Weltebene. Vinzenz Pallotti starb am 22. Januar 1850. Er hatte einem frierenden Mann seinen Mantel geschenkt und sich ohne Mantel in einen kalten Beichtstuhl gesetzt. Er starb an der Lungenentzündung, die er sich da zugezogen hatte im priesterlichen Dienst der Versöhnung.

Der französische Priester Pierre-Louis-Marie Chanel (1803-1841) wurde als Missionar auf die Südseeinseln Wallis und Futuna entsandt. Er war 33 Jahre alt. Der Erfolg seiner Arbeit war kläglich: wenige Taufen, und alle in Todesgefahr. Der Häuptling der Bewohner war feindselig. Die Anhänger des Missionars wurden benachteiligt, beschimpft, gequält, verfolgt. Der Häuptling gab seinen Leuten zu verstehen, dass er den Tod des Missionars wünschte. Drei seiner Männer begaben sich zu der Hütte Chanels. Einer trat ein und bat ihn um Medizin. Als Chanel sich bückte, um sie zu suchen, wurde er niedergeschlagen. Er leistete nicht den geringsten Widerstand, als auch die beiden anderen hereinstürzten und auf ihn einschlugen. Er wiederholte nur immer wieder: „Das ist gut für mich.“ Schließlich ergriff der Anführer der drei die Feldhacke des Missionars und spaltete ihm den Schädel. Er stand im 38. Lebensjahr. Nach seinem Tod wurde die gesamte Insel katholisch; sie gilt noch heute als Ideal eines christlichen Gemeinwesens.

Antonio Maria Claret (1807-1870) zog jahrelang als Wandermissionar durch Katalonien. Er ging immer zu Fuß, niemals nahm er Geld oder Geschenke an. Es herrschte Bürgerkrieg. Wohin er kam, begann eine unerhörte Hetze gegen ihn. Hatte er einige Tage gepredigt, viele Stunden im Beichtstuhl gesessen und die erstaunlichsten Bekehrungen bewirkt, dann machte man sich im weitesten Umkreis auf, ihn zu hören. Er besaß die Gaben der Herzenskenntnis, der Krankenheilung und der Prophezeiung. Ähnliche Früchte wie in Katalonien erntete er auf den Kanarischen Inseln. Papst Pius IX. machte ihn zum Erzbischof von Santiago auf Kuba (1851). Die Insel war in Unordnung und Unsittlichkeit versunken. Claret begann seine missionarische Aufgabe. Er fand erbitterten Widerstand, wurde verleumdet und tätlich angegriffen. Die spanische Königin Isabella II. holte ihn nach Madrid. Claret predigte, hielt Missionen und Exerzitien, sorgte für die Ernennung guter Priester zu Bischöfen. Er wurde der geistliche Lehrer des Volkes. Als 1869 in Spanien die Revolution ausbrach, ging er mit der königlichen Familie nach Frankreich. Als einer der Ärzte dem Todkranken sagte, es sei eine Sünde, wenn er ihre Bemühungen nicht durch seinen Lebenswillen unterstütze, richtete er sich auf und sprach mit einer Stimme, die alle erbeben ließ: „Ich wünsche aufgelöst zu werden und bei Christus zu sein.“ Er starb nach langem Schmerzenslager am 24. Oktober 1870.

Johann Nepomuk Neumann (1811-1860) entstammte einer kinderreichen katholischen Familie im Sudetenland (Prachatitz). Seine Schulbildung und seine theologische Ausbildung empfing er in Budweis und in Prag. Die Mitstudenten machten sich über den stillen, lerneifrigen, „überkatholischen“ Mann lustig. Er entschloss sich, ohne die Weihen empfangen zu haben, nach Amerika zu gehen. Am 1. Juni 1836 betrat er amerikanischen Boden. Bereits drei Wochen später wurde er zum Priester geweiht. Bei den Niagarafällen betreute er, der Sprachkundige, die deutschen, französischen und irischen Siedler im Umkreis von achtzig Kilometern. Von der anstrengenden Arbeit übermüdet, von der Malaria geschüttelt, brach er an Ostern 1840 zusammen. Im November des gleichen Jahres trat er in den Orden der Redemptoristen ein. Dort entfaltete er als Oberer eine umfassende Tätigkeit. Gleichzeitig gab er einen Katechismus und eine Biblische Geschichte heraus. Am 1. Februar 1852 ernannte ihn Papst Pius IX. zum Bischof von Philadelphia. Er war ein Bischof der kleinen Leute, der am liebsten mit den Armen ihre Kartoffelsuppe löffelte. Er war ein Mann äußerster Aktivität, der seine tiefste Freude im stillen Gebet fand. Kein Priester seiner Diözese verbrachte mehr Zeit im Beichtstuhl als er selbst. Die Überfülle der Arbeit brauchte seine Kräfte auf. Am 5. Januar 1860 – noch nicht einmal neunundvierzig Jahre alt – brach er auf der Straße zusammen; er war sofort tot. Der Bischof von Baltimore sagte bei seinem Begräbnis: „Er war jeden Augenblick vorbereitet zu sterben, denn er wandelte mit Gott und lebte aus dem Glauben.“

Johannes Bosco (1815-1888) war der Sohn armer Bauersleute. Mit zwei Jahren verlor er seinen Vater. Er hatte eine wunderbare Mutter. Sie lehrte ihn von klein auf, in der Gegenwart Gottes zu wandeln. Sie pflegte zu sagen: „Schau, unser Leben ist so kurz, dass wir viel zu wenig Zeit haben, um Gutes zu tun. Alle Stunden, die wir für überflüssigen Schlaf vergeuden, sind verlorene Stunden für den Himmel.“ Bosco wurde ein unermüdlicher Arbeiter, der zeitlebens wenig schlief. Er hatte große Schwierigkeiten zu überwinden, um Priester zu werden. Als er mit Verspätung die höhere Schule besuchte, musste er Kost und Logis durch Arbeit verdienen. Nachts las er sehr viel, und was er einmal mit Bedacht gelesen hatte, das behielt er dann fast auswendig. Die Armut begleitete ihn in seinem ganzen Leben. Als seine Berufung erkannte er die Sorge um die Jugend, ihre Führung, ihre Erziehung. Seine Arbeit wurde ihm von manchen Seiten sehr schwer gemacht. Man hielt ihn für größenwahnsinnig. „Um Gutes zu tun“, pflegte er zu sagen, „muss man Mut haben, bereit sein, jede Verdemütigung auf sich zu nehmen, darf aber keinem eine solche zumuten, und muss man immer liebevoll sein.“ Gott schenkte ihm außerordentliche Gaben. Wunder und erstaunlichste Voraussagen sind sicher bezeugt. Er las in den Herzen der Menschen wie in einem Buch. Er strahlte eine unglaubliche Freude aus. In den letzten Jahren seines Lebens machten Augenschmerzen, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Schlaflosigkeit Bosco zu einem wahren Martyrer. Als er am 31. Januar 1888 starb, hatte er in unermüdlicher Arbeit aus unüberbietbarer Liebe zu Gott und zur Jugend aus seinem Körper die letzte Kraft herausgewrungen.

Der belgische Priester Damian Deveuster (1840-1889) war der Apostel der Aussätzigen auf der Insel Molokai im Pazifischen Ozean. Er nahm sich der alleingelassenen und sittlich verwilderten unheilbar Kranken an, wurde ihnen Vater und Bruder, Arzt, Lehrer und Priester. Mit 44 Jahren erhielt er die Gewissheit, dass auch er ein Aussätziger war. Er wurde nun seinen geliebten Brüdern und Schwestern völlig gleich. Das Gesicht aufgedunsen, die Ohren verschwollen und unförmig, die Augen gerötet, die Stimme heiser. Seine Kräfte schwanden dahin, er magerte ab und wurde von heftigen Fiebern geschüttelt. Er schrieb an seinen Bruder: „Der Erlöser hat seine Wahl auf mich gelenkt, indem er erlaubte, dass ich vom Aussatz ergriffen wurde. Ewig werde ich Gott für diese Gunst dankbar sein.“ Im Alter von 49 Jahren ging der einst kräftige Bauernsohn aus Flandern in die Ewigkeit ein.

Bernadette Soubirous (1844-1879) war das älteste von sechs Kindern armer Müllersleute. Sie wuchs auf in einem kleinen lichtlosen, feuchtkalten ehemaligen Gefängnis und zog sich hier das Asthma zu, unter dem sie ihr Leben lang zu leiden hatte. Mit zehn Jahren machte sie die Cholera durch. In der Zeit vom 11. Februar bis 16. Juli 1858 hatte sie achtzehn Erscheinungen der Muttergottes. Danach hatte Bernadette viel zu leiden. Zahllose Menschen glaubten sich befugt, sie ausfragen zu dürfen, versuchten in feindseliger Absicht, hinter den angeblichen Betrug zu kommen, quälten sie mit neugierigen Fragen. Man machte Einwände, griff sie an, stellte ihr Fallen. Sie antwortete stets in aller Schlichtheit und Aufrichtigkeit, schmückte ihren Bericht niemals aus, erweiterte ihn um keine Einzelheit. Bernadette hatte keinen größeren Wunsch, als sich zu verbergen. Sie trat in eine klösterliche Genossenschaft ein. Ihre Vorgesetzten nahmen jede Gelegenheit wahr, sie zu demütigen. Sie nahm bereitwillig jede Zurücksetzung an; sie sah in allem und hinter allem Gott. Bernadette war viel krank. Atemnot, Lungenbluten, ein Beinleiden machten ihr viel zu schaffen. Sie starb am 16. April 1879 in Nevers. Ihre letzten Worte waren: „Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für mich arme Sünderin.“ So ging die Heroldin der Himmelskönigin, die so viele Menschen zu ihr geführt hatte, in die Ewigkeit ein.

Contardo Ferrini (1859-1902) war ein Sprachengenie. Er lernte frühzeitig Hebräisch, Syrisch und Koptisch. Er schrieb mit Leichtigkeit in Italienisch, Deutsch und Latein. Ferrini studierte Rechtswissenschaft. Mit 23 Jahren war er Professor für Römisches Recht und Rechtsgeschichte in Pavia, Modena und Messina. Obwohl er ein leidenschaftlicher Forscher war, galt sein Herzensanliegen Gott, der Quelle allen Rechts, dem Urgrund alles Guten. Täglich besuchte er die heilige Messe; er konnte stundenlang vor dem Allerheiligsten beten und Nächte im Gebet durchwachen. Er gehörte dem Dritten Orden des heiligen Franziskus an. Seine einzige Erholung war das Bergsteigen. Auf einer solchen Bergtour hatte er aus einem Bach getrunken, von dem er nicht wusste, dass er durch frischgedüngte Wiesen floss. Er bekam Typhus. In den Fieberphantasien murmelten seine Lippen unterbewusst Gebete. Wenn die Schiffsglocke bei der Landebrücke des Lago Maggiore ertönte, flüsterte er: „Es läutet zur Messe.“ Öfter stellte er die Frage: „Habe ich meine Pflicht erfüllt?“ Friedlich und ruhig starb er im Alter von 43 Jahren. Er hatte nicht nur seine Pflicht erfüllt; er hatte sein Leben Gott geopfert.

Thérèse Martin (1873-1897) war das neunte Kind ihrer Eltern. Mit vier Jahren verlor sie ihre Mutter. Bei ihrer ersten heiligen Kommunion (mit elf Jahren) bat sie den Herrn, er möge ihr die Freiheit nehmen, auf dass sie eins werde mit der göttlichen Kraft. Ihrem Seelenführer erklärte sie: „Es soll mir der Himmel sein, auf Erden Gutes zu tun.“ Mit fünfzehn Jahren tritt sie in den Karmel zu Lisieux ein. Ihre Sehnsucht wuchs, Seelen zu retten, von Tag zu Tag, und vor allem, für die Priester zu beten. Sie geht durch eine Durststrecke geistlicher Trockenheit und Isolation. Theresia nimmt alle Leiden mit übernatürlicher Freude an. Der Herr hatte ihr zu verstehen gegeben, dass er ihr nur durch das Kreuz hindurch Seelen geben wolle. Ihre Leidensbereitschaft nahm in dem Maße zu, in dem ihre Leiden größer wurden. Die Tuberkulose ergreift sie. In der Nacht zum Karfreitag 1896 erfährt sie den ersten Anfall von Bluthusten. Furchtbare Versuchungen gegen den Glauben und die Hoffnung setzen ein. Am 8. Juli 1897 kommt Theresia in die Krankenstube des Karmel. Sie leidet an Miliartuberkulose. Am 30. September 1897 stirbt sie mit den Worten: „Mein Gott, ich liebe dich.“

Maria Goretti (1890-1902) war eines von sechs Kindern einer armen Familie in Mittelitalien. Der Vater starb früh, und die Mutter und ihre Kinder mussten hart arbeiten, um den Lebensunterhalt zu beschaffen. Maria, die älteste Tochter, besorgte den Haushalt und kümmerte sich um die jüngsten Geschwister. Alessandro, der Sohn eines trunksüchtigen Vaters, versuchte, die elfjährige Maria durch Reden sich gefügig zu machen. Als er nicht ankam, wandte er zweimal Gewalt an. Maria konnte sich mit äußerster Kraft losreißen. Sie wusste nicht, wie sie es der Mutter sagen sollte; denn Alessandro hatte geschworen, sie müsse sterben, wenn sie nur ein einziges Wort verrate. Das Mädchen schwieg, betete aber um so mehr zu ihrer himmlischen Mutter. Es kam der 5. Juli 1902. Es war Mittag, und Maria war allein. Als sie nicht in das Zimmer von Alessandro kommen wollte, packte sie der Bursche, hielt ihr den Mund zu und zog sie in seinen Schlafraum. Sie kämpfte mit ihm, rief immer wieder: „Nein, nein, das ist Sünde, Alessandro, du kommst in die Hölle.“ Da er nichts erreichte, zog er ein scharfes Messer und stieß wild auf sie ein. Vierzehn tiefe Wunden brachte er ihr bei. Schließlich eilten die Nachbarn herbei. Maria wurde ins Hospital geschafft. Die Ärzte operierten zwei Stunden. Maria war bei vollem Bewusstsein. Als man sie fragte, ob sie ihrem Mörder verzeihe, antwortete sie sofort: „Gewiss verzeihe ich ihm. Vom Himmel aus werde ich für seine Bekehrung beten. Um Jesu willen, der dem reumütigen Schächer verziehen hat, will ich ihn auch nahe bei mir im Paradiese haben.“ Am Samstag war die Untat geschehen, am Sonntag, dem 6. Juli 1902 starb Maria Goretti. Der Führer der italienischen Kommunisten, Berlinger, forderte die italienischen Mädchen auf, sich Maria Goretti zum Vorbild zu nehmen.

Rupert Mayer (1876-1945) stammte aus einer Stuttgarter Kaufmannsfamilie. Seine Eltern ermöglichten ihm eine umfassende Bildung. Nach dem Abitur studierte er Theologie. 1899 folgte in Rottenburg die Priesterweihe. Ein Jahr später trat er dem Jesuitenorden bei. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, meldete er sich freiwillig als Feldgeistlicher. In den Kämpfen verlor er ein Bein. Nach dem Krieg war er Männerseelsorger in München. Er war ein tatkräftiger Sozialapostel und unbeugsamer Kämpfer gegen die Nazis. Mehrmals wurde er verhört, schließlich im Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert. Seit 1940 fand er im Benediktinerkloster Ettal Zuflucht. Im Mai 1945 kehrte er in das zerbombte München zurück. Viele Bewohner der Stadt wandten sich an ihn um Hilfe: wenn sie eine Wohnung suchten, Kleidung oder etwas zu essen brauchten; wenn es um die Entnazifizierung ging. Rupert Mayer nahm jede Bitte ernst. Am Tage Allerheiligen 1945 hält er in der Kreuzkapelle neben der zerstörten Michaelskirche den Acht-Uhr-Gottesdienst. Der 69-Jährige verliest das Evangelium von den Seligpreisungen und stellt dann die Eucharistie in die Mitte seiner Predigt. Aus dieser Nahrung schöpfen die Menschen die Kraft zum Einsatz für den Nächsten. „Es ist der Herr“, sagt der Pater mit kräftiger Stimme, doch er bringt den Satz nicht zu Ende. Zweimal noch sind leise die Worte „der Herr, der Herr“ zu vernehmen. Dann wird es totenstill in der Kapelle. Alle schauen auf den Prediger, der da vorn in der Kapelle steht – verstummt, aber aufrecht. Die Prothese seines linken Beines hält ihn. „Selbst im Tod ist Pater Mayer nicht umgefallen“, sagen später die Münchener und würdigen damit die Lebensleistung dieses Mannes. Zwei Mitbrüder tragen den Bewusstlosen in ein nahes Zimmer. Eine im Gottesdienst anwesende Ärztin stellt einen Gehirnschlag fest. Mayer wird in eine Klinik eingeliefert, wo er um 11.10 Uhr stirbt. Die Nachricht vom Tod des Sozialapostels verbreitet sich schnell. In den nächsten Tagen strömen Tausende zu dem im offenen Sarg aufgebahrten Priester.

Das Sterben der Heiligen lehrt uns: Wie einer gelebt hat, so wird er sterben. Wer in Gott hinein lebt, der wird auch in Gott hinein sterben. Eines ist so leicht und so schwer wie das andere: In Gott hinein leben und in Gott hinein sterben. Wer den Mut hat, in Gott hinein zu leben, der wird auch die Kraft haben, in Gott hinein zu sterben.

Amen.

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