Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
23. Mai 2021

Die sieben Tätigkeiten des Heiligen Geistes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir begehen heute das Fest des Heiligen Geistes. Wir bekennen ihn im Glaubensbekenntnis als den „Lebendigmacher“. Er macht die lebendig, die sich zu ihm bekennen und sich von ihm leiten lassen. Die Heilige Schrift lehrt sieben verschiedene Tätigkeiten des Heiligen Geistes. Er übt sie aus durch seine menschlichen Werkzeuge.

1. Joh 14,25f. „Der Beistand, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, wird euch alles lehren.“ Christus ist beauftragter Lehrer Gottes. Er hat das Lehramt inne. Er belehrt nicht akademisch über Gott und seine Heilsveranstaltungen, sondern verkündet machtvoll mit Gnadenwirkung beim Hörenden, aber auch mit Anspruch auf Gehör und Antwort. Vor seinem Weggang kündigt Jesus seinen Jüngern einen anderen Lehrer an: den Parakleten, den Beistand, den Heiligen Geist. „Der Beistand, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, wird euch alles lehren.“ Der Paraklet lehrt die Kirche über alles. Die Totalität ihrer Lehre ist ein Geschenk des Heiligen Geistes, und zwar für jene Kirche, die in dem bleibt, was sie von Anfang an gehört hat (so dass sie nicht nötig hat, von den Irrlehrern belehrt zu werden). Der Paraklet lehrt nicht bruchstückhaft, er lehrt nicht mit Auswahl und mit Auslassungen: Er lehrt alles, die ganze Wahrheit. Erst von der ganzen Wahrheit gilt das Wort: Die Wahrheit wird euch freimachen. Vom Irrtum. Von der Blindheit. Von der Verblendung.

2. Joh 14,26f. „Der Beistand, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, wird euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“ Als historische Religion ist die geoffenbarte Religion des Christentums wesentlich eine Gedächtnisreligion. Das Gedenken an göttliche Heilstaten in der Vergangenheit ist unaufgebbarer Inhalt ihres Glaubens und bleibender Gegenstand ihres Kultes. In der Kirche des Heiligen Geistes geraten nicht Gegenstände der Lehre Christi in Vergessenheit oder werden als nicht zeitgemäß ausgeschieden. „Der Beistand, der Heilige Geist, wird euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“

3. Joh 15,26f. „Wenn der Beistand kommt, den ich vom Vater senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird von mit Zeugnis geben.“ Zeugnis ist das Eintreten für Wahrgenommenes und Erkanntes. Zeugen sind Personen, die etwas aus eigener Erfahrung belegen können und den Auftrag zum Zeugendienst erhalten haben. Die in Christus geschehenen Heilsereignisse sind auf keinem anderen Wege als über die Zeugen erreichbar. Der Zeuge will überzeugen. Überzeugung ist das unbeirrbare Wissen, die Gewissheit von der Richtigkeit seiner Einsicht. Der Heilige Geist gibt Zeugnis von Christus. Der Paraklet bezeugt. Damit ist das werbende Eintreten für das Bezeugte gemeint. Das Zeugnis der apostolischen Augen- und Ohrenzeugen verbindet sich mit dem Zeugnis des Heiligen Geistes in der christologischen Verkündigung der Kirche, und zwar so, dass sich das Zeugnis des Geistes im Zeugnis der Apostel konkretisiert. Das Zeugnis des Geistes befähigt die Jünger zum Zeugnis (Joh 15,27). Das geisterfüllte Zeugnis der Apostel lässt die Kirche erkennen, wer Jesus in Wirklichkeit ist. In der Halle Salomons zu Jerusalem predigte Petrus: „Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Gott unserer Väter, hat seinen Knecht Jesus verherrlicht… Ihr habt den Urheber des Lebens getötet. Gott aber hat ihn von den Toten auferweckt. Des sind wir Zeugen!“ Die Apostel erklären dem Hohen Rat zu Jerusalem: „Wir können nicht verschweigen, was wir gesehen und gehört haben.“ Sie können es nicht, weil sie der Heilige Geist antreibt zu reden von dem Christus-Ereignis. Wer Jesus von Nazareth ist, sagt uns nicht ein scharfsinniger Theologe, sondern das lehrt uns der Geist Gottes.

4. Joh 16,8 „Wenn jener (der Heilige Geist) kommt, wird er die Welt überführen von der Sünde und von der Gerechtigkeit und vom Gerichte.“ Der Paraklet überführt. Überführung heißt belegen, aufzeigen. Der Geist beweist der Welt, dass es eine Sünde, eine Gerechtigkeit und ein Gericht gibt. Bei diesem Werk bedient er sich unser. Wir haben in seinem Auftrag und mit seiner Kraft der Welt Zeugnis zu geben von der Sünde, der Gerechtigkeit und dem Gericht. Die schlimmste Sünde ist der Unglaube. Er vereitelt, dass die Offenbarung Gottes zu den Menschen gelangt. Das ist die traurige Wahrheit: „Das Licht leuchtete in der Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht erkannt.“ Der hl. Stephanus hielt den Juden vor: „Ihr Halsstarrigen und Unbeschnittenen an Herz und Ohren! Ihr widersteht allzeit dem Heiligen Geiste, wie eure Väter, so auch ihr“ (Apg 7,51). Der Geist überführt die Welt von der Sünde. Er überführt sie auch von der Gerechtigkeit. Dass ein gerechter Gott lebt, ist daran zu erkennen, dass dem gekreuzigten Messias Gerechtigkeit widerfahren ist: Er starb zwar, aber er blieb nicht im Tode. Gott hat ihn erweckt und zum Herrn und Messias gemacht. Der Geist überführt die Welt auch vom Gericht. Gott lässt seiner nicht spotten. Dem gekreuzigten und auferstandenen Nazarener hat Gott Macht gegeben, Gericht zu halten. Dazu ist er erschienen: „Ich bin zum Gericht in die Welt gekommen, damit die, welche nicht sehen, sehen, und die, welche sehen, blind werden.“ „Jetzt ergeht das Gericht über die Welt. Jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgestoßen.“ Wahrhaftig, es gibt ein Gericht. Die Zerstörung von Glaube und Sittlichkeit in unserer Zeit ist das Gericht Gottes; denn dadurch untergräbt die Gesellschaft ihre eigenen Grundlagen.

5. Joh 16,13 „Wenn jener (der Heilige Geist) kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit einführen.“ Der Paraklet leitet, führt ein. Dies meint die zur Botschaft des historischen Jesus hinzukommende Erschließung der vollen, ganzen Christuswahrheit. Das Viele, das die Jünger jetzt noch nicht ertragen können, kommt in der einführenden Wirksamkeit des Geistes ans Licht, und darin besteht die Ganzheit der Wahrheit: Das Neue, das er über die Botschaft des historischen Jesus hinaus bringt, ist primär die Explikation des Geheimnisses Jesu. Die unerhörte Wirklichkeit Jesu Christi stellte die Zeitgenossen ebenso wie die nachfolgenden Generationen vor die enorme Herausforderung, die Kategorien zu finden, die dieser Wirklichkeit angemessen waren. Die geistigen Kämpfe um die Person Jesu, die vier Jahrhunderte andauerten, waren nicht bloße Auseinandersetzungen verschiedener Schulrichtungen. In den Kontroversen vollzog sich vielmehr die einleitende und einführende Wirksamkeit des Heiligen Geistes. Die Frage, wie der Glaube an die Gottheit Christi, des Sohnes Gottes, mit der Einheit Gottes zu vereinbaren sei, wurde verschieden beantwortet. Einige Christen erklärten den Erlöser für einen bloßen Menschen, der in besonderem Maße mit Gottes Kraft ausgestattet war. Andere erblickten in ihm den Vater selbst, indem sie der einen göttlichen Person verschiedene Offenbarungsweisen zuschrieben. So war entweder die Gottheit des Sohnes oder der persönliche Unterschied zwischen Vater und Sohn preisgegeben. Der Libyer Sabellius nahm drei Offenbarungen Gottes an: als Vater in der Schöpfung und Gesetzgebung, als Sohn in der Erlösung, als Heiliger Geist im Werke der Heiligung. Jede dieser Ansichten hatte ihre Anhänger. Die Kirche schloss die genannten irrigen Gruppierungen aus ihrer Gemeinschaft aus und bekannte Christus als göttliche und zugleich vom Vater verschiedene Person. Wie aber die Gottheit des Sohnes zu der des Vaters näherhin sich verhalte, darüber bestand weiterhin keine Einigkeit. Weit verbreitet war die Neigung, den Sohn, freilich ohne seine Gottheit zu leugnen, dem Vater unterzuordnen. Die Arianer jedoch sprachen Christus das göttliche Wesen ab. Innerhalb derselben nannten die einen den Sohn dem Vater ähnlich oder unähnlich. Das Konzil von Nicäa erklärte Jesus dem Vater wesensgleich: Gott aus Gott, Licht aus Licht, wahrer Gott aus wahrem Gott, gezeugt, nicht geschaffen, wesensgleich dem Vater. Das ist der Glaube, den der Heilige Geist der Kirche vermittelt und erhalten hat.

6. Joh 16,13 „Der Geist wird nicht von sich aus reden, sondern er wird reden, was er hört, und euch verkünden, was kommen wird.“ 16,14 „Er wird von dem Meinigen nehmen und es euch verkünden.“ Der Paraklet verkündigt. Er gibt die empfangene Botschaft weiter. Er lehrt nichts anderes als Jesus von Nazareth. Die Kirche hat sich an diese identitätsstiftende Weise der Verkündigung zu halten. In der Kirche Gottes gilt das Traditionsprinzip. Die Urzeugen geben weiter, was sie gesehen und empfangen haben. Die zweite Generation übermittelt ohne Abstriche und Hinzufügungen das, was ihr überkommen ist. So bekennt der Apostel Paulus: „Ich habe überliefert, was ich selbst überkommen habe“ (1 Kor 15,3). Der Paraklet redet, was er hört. Was er von Christus hört. Seine Verkündigung ist auch prophetisch-eschatologisch. Das heißt: Seine Botschaft bezieht sich auch auf das Kommende, auf die Durchführung des ganzen Heilswerkes durch den Geist und die von ihm geleitete Kirche.

7. Joh 16,14 „Er (der Heilige Geist) wird mich verherrlichen, denn er wird von dem Meinigen nehmen und es euch verkünden.“ Der Geist verherrlicht Christus. Er lässt die Jünger (noch mehr als bisher) erkennen, wer Jesus eigentlich ist. Die apostolische Christologie ist schon eine Enthüllung der verborgenen Doxa Jesu. Sie hat das Geheimnis Jesu mit den Begriffen ausgedrückt, die ihr der Geist zugesprochen hat. Sie nannte ihn „Herr“, Kyrios, d.h. sie gab ihm den Namen, mit dem die alttestamentliche griechische Bibel Gott bekennt. Sie nannte ihn „Messias“ (Apg 2,36). Er war der seit Jahrhunderten verheißene Retter. Sie gab ihm den Titel „Knecht“ (Apg 3,13). Sein Leben war Dienst am Heil der Menschen. Sie bekannte ihn als „Herrscher und Heiland“ (Apg. 5,31). Denn dazu hat ihn Gott erhöht. In der Geschichte hat der Heilige Geist die Kirche weitere Seiten in Jesus erkennen lassen. Er hat sie zu den Wunden des Heilands, zum dornengekrönten Haupt des Herrn, zu seinem heiligsten Herzen geführt. Dadurch wird Christus verherrlicht. Wir verherrlichen in der Kraft des Heiligen Geistes Christus in jeder heiligen Messe. Im Gloria jubeln wir: „Herr Jesus Christus, eingeborener Sohn, Herr und Gott, Lamm Gottes, Sohn des Vaters. Du allein der Herr, Du allein der Höchste, Jesus Christus.“ Vielleicht fragt jemand: Warum sollen wir (mit dem Heiligen Geist) Gott preisen und loben? Welchen Sinn hat das? Ist das notwendig? Wir sollen Gott loben und preisen, weil wir dadurch unsere Geschöpflichkeit bekennen, unsere totale Abhängigkeit von Gott. Wir schulden es der gebotenen Ehrlichkeit, dass wir Gott als unseren Schöpfer, Herrn und Seligmacher bekennen. Bleiben wir stumm, verfehlen wir uns gegen unsere geschöpfliche Natur. Wir schulden es der Wahrhaftigkeit, Gott anzuerkennen als den absoluten Herrn. Wir sollen Gott loben und preisen, weil wir dadurch unsere Dankbarkeit bezeigen. Dankbarkeit dafür, dass wir Gott kennen, dass er sich uns geoffenbart hat, dass wir nicht in Unwissenheit über Gott dahinleben. Gott nicht kennen, ist das Schlimmste, was Menschen im Pilgerstand widerfahren kann. Wir sollen Gott loben, weil wir ihm Dank schulden für zahllose Taten seiner Güte und seiner Barmherzigkeit. Wo wären wir, wenn Gott nicht immer wieder helfend und rettend in unser Leben eingegriffen hätte! Hat er nicht seine Engel zu unserem Schutz bestellt? Hat er uns nicht seine Heiligen als Patrone und Fürbitter gegeben?

Der Heilige Geist lebt und wirkt. Er bedient sich für seine Tätigkeiten der getauften und geweihten Christen. Sie sind seine Werkzeuge, Herolde und Zeugen. Er teilt den Christen die Fähigkeiten und Kräfte mit, die ihm eigenen Funktionen auszuüben. Es macht die Würde des christlichen Volkes und seiner Priester aus, dass sich der Heilige Geist ihrer bedient. O möchten wir dieses Dienstes würdig sein!

Amen.

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