Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
3. Januar 2021

Die Weisen und der Stern

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Evangelien sind Glaubenszeugnisse. Es kommt ihnen nicht in erster Linie darauf an, den Gang der geschichtlichen Ereignisse im Sinne einer modernen Biographie nach unserem heutigen Verständnis darzustellen. Doch kann nicht bestritten werden, dass die Evangelien von geschichtlichen Ereignissen berichten wollen. Diese Berichte verlieren nicht dadurch ihre Glaubwürdigkeit, dass sie unter einem heilsgeschichtlichen Vorzeichen stehen. Es ist geradezu das Kennzeichen der Heilsgeschichte, dass geschichtliche Fakten in der Hand Gottes zu Trägern des Heiles werden. Gott bedient sich des menschlichen Handelns und der Naturerscheinungen, um seinen Heilswillen zu bekunden und zu erfüllen. Matthäus und Lukas sind die beiden Evangelisten, die der Darstellung der öffentlichen Wirksamkeit Jesu einen Bericht über seine Geburt und Kindheit voranstellen. Beide bringen eine Auswahl von Begebenheiten, und zwar derart, dass kein einziges Stück sich bei beiden findet. Die beiden Kindheitsgeschichten unterstreichen die Realität, die geschichtliche Wirklichkeit des auf Erden erschienenen Rettergottes. Matthäus erwähnt die Geburt Jesu nur in einem Nebensatz. Dafür bringt er einen herausgehobenen Bericht über den Besuch der Weisen bei dem neugeborenen „König der Juden“. Der Unglaube versucht, die Geschichtlichkeit der Erzählung von den Magiern aus den Angeln zu heben, indem er behauptet, es handele sich um einen Midrasch, eine erbauliche, volkstümliche Erzählung ohne Geschichtswert. Dieser Einwand ist hinfällig. Ein Midrasch will ein Wort der Heiligen Schrift auslegen. Die Kindheitsgeschichte des Matthäus hat nicht die Auslegung eines Schriftwortes zum Gegenstand, sondern ein Ereignis. Hier wird nicht geflunkert, sondern berichtet.

Eine große Rolle in der Geschichte von den Weisen aus dem Morgenlande spielt der Stern, der ihnen Anlass ihres Aufbruches und Führer zu ihrem Ziel war. Der Astronom Johannes Kepler hielt den Stern der Weisen für eine Nova, einen neuen Wunderstern, als Folge einer Konjunktion (Annäherung) der Planeten Jupiter und Saturn. Viele Astronomen sahen dagegen in der Konjunktion der beiden Planeten den Stern der Weisen. Eine Konjunktion besagt, dass die beiden Planeten so eng beieinander rücken, dass sie wie ein riesiger Stern leuchten. Anders ausgedrückt: Eine Konjunktion zweier Planeten liegt vor, wenn diese Gestirne mit der Erde eine Gerade bilden. Konjunktionen sind seltene Ereignisse am Sternenhimmel. Noch seltener sind wiederholte Konjunktionen. Nur alle 258 Jahre kommt es zu einer dreimaligen Begegnung, die dann aber jeweils in einem anderen Zeichen des Tierkreises stattfindet. Eine dreifache Konjunktion im gleichen Sternbild des Tierkreises ereignet sich alle 794 Jahre. Die letzte geschah 1940/41 im Sternbild des Widders. Im Jahre 7.v. Chr. fand sie im Sternbild der Fische statt.

Es ist klar, dass eine so seltene Himmelserscheinung die höchste Aufmerksamkeit der Sternkundigen in der Alten Welt erwecken musste. Sie verknüpften das Geschehnis am Sternenhimmel mit ihren astrologischen Kenntnissen. Die Magier oder die Weisen waren die im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris staatlich angestellten Sternbeobachter. Der Planet Jupiter galt ihnen als Stern des Weltherrschers; Jupiter ist der Königsstern. Der Planet Saturn bezeichnete in der hellenistischen Sterndeutung den Stern der Juden. Die Weisen beobachteten nun die Annäherung Jupiters an Saturn. Da stellten sie ihre Deutung auf: Im Judenland geschieht die Geburt eines hochbedeutsamen Königs. Die Weisen entschlossen sich zu einer Reise. Was veranlasste die Weisen, aus dem Morgenland nach Jerusalem zu ziehen? Die Antwort lautet: Die Gnade Gottes knüpfte an das astronomische Ereignis an. Der etwa 1200 km lange Weg führte über Palmyra und Damaskus nach Jerusalem. Dort stellten die Weisen die Frage: „Wo ist der neugeborene König der Juden? Denn wir haben seinen Stern im Aufgang gesehen und sind gekommen, um ihm kniefällig zu huldigen.“

Die Kunde von dem Eintreffen der Weisen und die Erklärung, die sie für ihr Kommen abgaben, waren eine Sensation. Sie bewegten die Bevölkerung und drangen bis zum Thron des Herrschers. Der König Herodes war alarmiert. Ein neuer König, das konnte nur heißen: Ein Thronprätendent, der ihm die Macht streitig machen würde. Er musste gefunden und beseitigt werden. Herodes identifizierte den angeblichen König mit dem von den Juden erwarteten Heilsbringer, dem Messias. Die Messiaserwartung war Herodes bekannt, auch wenn er selbst nicht daran glaubte. Er musste in Erfahrung bringen, wo sie lokalisiert war. Die Fachleute mussten es wissen. Der König Herodes versammelte die Hohenpriester und die Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Messias geboren werden sollte. Sie antworteten: in Bethlehem in Judäa. Diese Auskunft bestätigte die Erkenntnis, welche die Weisen aus der Konstellation der Gestirne gezogen hatten. Die Weisen stellten erleichtert fest: Sie waren keinem Hirngespinst nachgelaufen, sondern ihre Überlegungen realisierten sich mit jedem Schritt. Den Ort der Geburt des angeblichen Königs der Juden hatte Herodes herausgebracht. Jetzt musste er noch erfahren, wann dieser König geboren worden war. Von den Weisen belehrt, identifizierte er den Zeitpunkt der Geburt mit dem (erstmaligen) Erscheinen des Sterns. Darum erforschte er von den Weisen den Tag, an dem sie den Stern zum ersten Mal gesehen hatten. Die Weisen eröffneten ihn dem König. Danach konnte er das Alter des Rivalen berechnen und seine Verfolgungsmaßnahme einrichten. Die Weisen waren wohl zu diesem Zeitpunkt ahnungslos und gutgläubig, was den Herrscher Palästinas anging. Deswegen gaben sie ihm willig Auskunft.

Als die Weisen den König gehört hatten, reisten sie ab nach Bethlehem. Jetzt wussten sie, wo der neue König zu finden war. Und der Stern, den sie im Aufgang gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er mitkommend stehenblieb, wo das Kind war. Mit dem Stillstehen ist in der astronomischen Fachsprache das scheinbare Stillstehen der Planeten im Hin- und Hergehen vor dem Hintergrund der Fixsterne gemeint. Als die Weisen den Stern sahen, hatten sie eine überaus große Freude. Ihre Vermutung wurde zur frohen Gewissheit: Sie waren auf dem richtigen Wege. Der etwa 8 km lange Weg von Jerusalem nach Bethlehem ist die uralte Karawanenstraße in Richtung Hebron. Die Weisen dürften Jerusalem durch das Jaffator am späten Nachmittag verlassen haben. Dann stand der Königsstern Jupiter mit dem Saturn wie eine leuchtende Laterne in Richtung des Weges am südlichen Himmel. Sie marschierten auf den Stern zu oder (wie der Evangelist sagt) der Stern zog vor ihnen her. Natürlich wussten die Weisen so gut wie wir, dass es kein wirkliches Voranziehen war. Aber der Sprachgebrauch war eingebürgert. Sie gelangten nach Bethlehem, fanden das Kind und seine Mutter, und huldigten ihm kniefällig. Sie kamen nicht mit leeren Händen. Sie brachten kostbare Geschenke mit, Gold, Weihrauch und Myrrhe. Die Dreizahl der Geschenke lässt vermuten, dass die Weisen zu dritt unterwegs waren. Inzwischen waren sich die Weisen über das wahre Wesen des Herodes klar geworden. Sie handelten daher entgegen seiner Aufforderung, ihm die Wohnstätte des Wunderkindes zu melden, und kehrten auf einem anderen Weg in die Heimat zurück. Damit verlieren wir sie aus den Augen. Der Stern der Weisen war eine sichtbare Realität am Himmel. Aber er war noch mehr. Er war auch ein Zeichen Gottes. Die Weisen aus dem Morgenland trieben nicht nur Wissenschaft. Sie erkannten auch dieses Zeichen. Sie fielen nieder und huldigten dem neugeborenen König der Juden. Wenn man in den Hirten die Angehörigen des Volkes Israel sieht, die den auf Erden erschienen Gottessohn verehrten, so erkennt man in den Weisen Vertreter der Heidenwelt, die ihre Knie vor dem Erlöser der Menschheit beugen. In tausenden Krippen, die von Bethlehem bis zum Eismeer aufgestellt sind, wartet das Krippenkind, dass alle Menschen kommen, vor ihm niederfallen und den wahren Gott anbeten.

Amen.

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