Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
13. Dezember 2020

Das Kommen des Antichristen und die Wiederkunft Christi

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Christus kommt. Der Heilige Geist kommt. Aber noch einer kommt. Es ist der Antichrist, der Gegenchristus, der Dienstmann Satans, der Fürst dieser Welt. Der Satan existiert zwar schon jetzt und sucht die Gläubigen stets vom Glauben abzubringen, damit sie nicht selig werden. Aber es gibt Zeiten, in denen er seine Anstrengungen vermehrt. Das Wirken Satans verschärft sich auf das Ende der Geschichte hin. In der letzten Zeit wird der Antichrist kommen (1 Jo 2,18; 4,3), der Mensch der Gesetzlosigkeit, der im Dienst Satans ein unheilvolles Treiben entfaltet. Der Antichrist ist eine konkrete Einzelperson. In dieser Einzelperson verkörpert und vollendet sich der ganze Hass der christusfeindlichen Welt. Sein Wirken ist gekennzeichnet durch Selbstvergötzung, Inthronisation an heiliger Stätte, trügerische Wunderzeichen in der Kraft Satans, Verführung der Menschen. Der Antichrist ist der große Lästerer gegen Gott, der sich göttlich verehren lässt und Krieg gegen die Heiligen führt. Der Mensch der Sünde wird sich offenbaren, der Sohn des Verderbens, der Widersacher, der sich über alles erhebt, was Gott heißt oder Heiligtum, der sich selbst in den Tempel setzt und sich für Gott ausgibt. Seine Anhänger sind nicht ohne Glauben und ohne Anbetung. Der Mensch hat das unüberwindliche Bedürfnis anzubeten. Die Weltgläubigen beten jedoch den von der Erde kommenden Übermenschen an und verachten den wahren Gott. Von ihm erwarten sie, was der Christusgläubige von Christus erhofft. Er vermag in der Tat die Erwartung der Weltgläubigen in hohem Maß zu erfüllen. Er wird erstaunliche Werke vollbringen, so dass die Menschen von seinen Taten geblendet und verzaubert werden. Er wird mit Erfolg versuchen, sich als Heiland und Retter zu legitimieren, ja sich als den Erfüller der Religion auszuweisen. Darin erreicht seine Verführungskunst ihren höchsten Triumph: Er bekämpft Christus im Namen der Religion, im Namen Gottes. Er verkündet das Göttliche als die andere, als die geheimnisvolle Seite der Welt. So können die von ihm Verführten ihr Bedürfnis nach Anbetung ihm selber zuwenden. Sie bringen die Verehrung, die allein dem wahren Gott gebührt, in einer abgründigen Verkehrung dem Widergott entgegen. Nur jene, die von der Liebe zur Wahrheit durchdrungen sind, werden sein Täuschungsmanöver durchschauen und seinen Machttaten nicht zum Opfer fallen, sondern wach bleiben für den noch nicht erschienenen und daher noch zu erwartenden Messias.

Mit dem Kommen des Antichristen kommt der große Abfall. Sein Auftreten ist mit einer weit um sich greifenden, radikalen Ablehnung des christlichen Glaubens und Lebens verknüpft. Der Abfall besteht darin, dass die Menschen nicht an Gott glauben und sich seiner Führung anvertrauen, sondern an die Erde und ihre Kräfte. An die Stelle des Gottesglaubens tritt der Weltglaube. Die Erde und ihre Herrlichkeit ist den Menschen genug. Es ist jene Haltung, die in der Neuzeit mit steigender Intensität die menschlichen Herzen und Geister in Beschlag genommen hat und die in den materialistischen Massenbewegungen des 20. Jahrhunderts eine politische Macht ersten Ranges wurde. Die Menschen richten sich auf dieser Erde ein, als ob sie ihre ewige Heimat wäre. Sie vergessen, dass sie Pilger und Fremdlinge sind. Sie suchen ihr Leben ohne Christus und ohne sein Gesetz aufzubauen. Man kann fragen, ob wir noch am Anfang des Abfalls stehen oder ob wir schon mittendrin sind. Wenn wir um uns blicken, sehen wir fast überall die Abkehr der Massen vom christlichen Glauben. Millionen lateinamerikanischer Katholiken wenden sich den Pfingstlern zu. In Afrika treibt der Islam zahllose Menschen in seine Hände. Europa vergisst seine christlichen Wurzeln. In Deutschland kehren in einem Jahr 242000 katholische Christen ihrer Kirche den Rücken. Sind das schon Wirkungen des Antichristen oder noch Spuren seiner Vorläufer? Gemeinsam ist den Abgefallenen die Ablehnung der Botschaft, dass die Welt nicht ein und alles, nicht das Letzte und Endgültige, nicht in sich geschlossen und autonom ist; dass vielmehr die Herrlichkeit Gottes die letzte und entscheidende Wirklichkeit ist. Von einer solchen Botschaft wird die Welt in ihrer Fragwürdigkeit offenbar. Jene, die nur an sie glauben, geraten in Unruhe. Sie versuchen sich Ruhe zu verschaffen, indem sie die sie beunruhigenden Boten beseitigen. Ist dies vielleicht der tiefste Grund, weshalb in unserer Zeit die Priesterseminare leer sind? Und weil immer noch geweihte Diener des Herrn aus unserem Abendmahlssaal fliehen? Weil in jedem Jahr Hunderte von Verkündigern der Christusbotschaft misshandelt, in Ketten gelegt, ermordet werden? Die Weltgläubigen müssen die Christusgläubigen verfolgen. Die Verfolgung der Christusgläubigen durch die Weltgläubigen beruht nicht auf einem Missverständnis oder auf einer Ungeschicklichkeit oder auf einem Mangel an Taktik bei den Christusgläubigen, sondern ist im Wesen des Christusglaubens und des Weltglaubens begründet. Es muss sich erfüllen, was unser Herr seinen Jüngern vorhergesagt hat: „Man wird Hand an euch legen und euch verfolgen. Ihr werdet von allen gehasst werden um meines Namens willen.“

Doch es kommt die Stunde, in der das Maß der Sünde und das Maß der Leiden voll ist. Jeder Verfolger ruft den Zorn Gottes herbei. Jeder Verfolgte ruft die Rettung Gottes herbei. Jede Verfolgung ist daher ein Hinweis auf das Ende, ja eine Beschleunigung des Endes. Die Leiden rufen das Ende herbei, weil jeder Blutzeuge dazu beiträgt, dass die Grenze des Greuels erreicht wird und daher die Geschichte an ihr Ziel gelangt. Jeder Blutzeuge hilft dazu mit, dass das von Gott festgesetzte Maß der Strafen und des Sühneleidens, das er für die Sünden der Welt bestimmt hat, voll wird, auf dass Gottes Zorn sich wende und endlich der Tag der Gnade hereinbreche (Kol 1,24). So sind die Leiden der Christusgläubigen die Wehen der Geburt einer neuen Welt. Sie sind Vorzeichen des Untergangs der jetzigen Welt und der Beginn des neuen Himmels und der neuen Erde. Niemand weiß, wer der letzte Martyrer sein wird. Aber die Geschichte geht einem Höhepunkt des Hasses und des Leidens entgegen. Wenn er erreicht ist, folgt das Ende. Wenn der heilige Rest der Gläubigen keinen Ausweg mehr sieht, wenn jegliche Hoffnung versunken scheint, dann wird der Tag hereinbrechen, an dem Christus wiederkommt und das Reich Gottes in Macht und Herrlichkeit erscheint. Durch das erste Erscheinen Christi wurde schon ein neuer Weltzustand hervorgebracht. Er hat in seinem Leben, Wirken und Sterben die Herrschaft Gottes wieder aufgerichtet. In Jesu Person und Wirken ist das Reich Gottes schon angebrochen. Jesus versichert uns: „Treibe ich durch den Geist Gottes die Dämonen aus, so ist das Reich Gottes zu euch gekommen“ (Mt 12,28). Das Jesus-Ereignis, das Erscheinen des Gottessohnes, sein Wirken auf Erden standen im Dienst der Gottesherrschaft. Doch was er in seinem historischen Dasein vollbracht hat, ist ein Anfang; die Vollendung steht noch aus. Er wird wiederkommen, um zu vollenden, was er begonnen hat. Die Wiederkunft Christi zum Gericht ist ein neues Kommen. Es unterscheidet sich von dem ersten Kommen in der Menschwerdung. Dieses geschah in der Verhüllung, jenes wird geschehen in der Enthüllung. Von diesem Kommen sagt der Apokalyptiker Johannes: „Siehe, er kommt mit den Wolken, und schauen wird ihn jedes Auge, auch jene, die ihn durchbohrt haben“ (1,7). Die Wiederkehr Christi ist nicht eine Tatsache unter vielen anderen. Sie ist vielmehr das alles durchdringende und beherrschende Zukunftsereignis. Als Christus vom Ölberge aus vor den Augen der Jünger in den Himmel erhoben wurde, empfingen sie aus dem Munde der Engel den Trost, dass der Abschied nicht endgültig ist, dass vielmehr der jetzt Geschiedene wiederkommen wird, um die Welt mit seinem Glanz zu erfüllen. Die Hoffnung auf den kommenden Herrn prägt das Denken und Leben, ja die ganze Existenz des Christen. Man kann die christusgläubigen Menschen geradezu charakterisieren als solche, welche die Ankunft des Herrn lieben. (2 Tim 4,8). Sie sind Menschen der alles Irdische transzendierenden Sehnsucht. Sie gibt ihnen das tägliche Gebet „Dein Reich komme“ (Mt 6,10) in das Herz und auf die Lippen. Den Hassern selbst wird die Ankunft Christi maßlosen Schrecken einflößen (Mt 26,64). Solange sie in den Formen dieser Welt existieren, ist ihnen Macht gegeben über den Menschensohn. Denn in seiner geschichtlichen Existenzweise ist er hilflos und ohnmächtig. Aber in jener Zukunftsstunde wird sich zeigen, dass er der Mächtige ist, der Herr der Geschichte und des Kosmos. Er wird diejenigen, die ihn in seinem geschichtlichen Dasein zum Tode verurteilten, weil er behauptete, der Messias zu sein, bei seiner Wiederkunft vor sein Gericht fordern. Der Hohepriester fragte den Ausgelieferten und Gefesselten: „Bist du der Christus, der Sohn Gottes, des Hochgelobten?“ Da sprach Jesus: „Ich bin es. Ihr werdet den Menschensohn zur Rechten des Allmächtigen Gottes sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen“ (Mk 14,61f.). Eine solche Botschaft war für die Jünger nichts völlig Neues. Christus hatte mehrfach auf die Stunde seiner Wiederkehr hingewiesen, um den Seinigen die Bewältigung der drangvollen Gegenwart zu erleichtern. Die Erwartung des wiederkommenden Herrn rüstet die Jünger mit Widerstandskraft aus in den Heimsuchungen, die ihnen wegen ihres Christusglaubens zufallen. Diejenigen, welche nur an die Erfahrungswelt glauben, werden durch das Zeugnis von der jenseitigen Welt in ihrer innerweltlichen Sicherheit beunruhigt; sie versuchen sich daher der Zeugen auf jede Weise mit List und Gewalt zu entledigen. Ihr Hass kennt keine Grenzen. Er zielt auf Vernichtung. Da heißt es ausharren bis ans Ende. Dieses wird der Menschensohn setzen, wenn er wiederkommen wird (Mt 10, 16-23; Mk 13, 9-13). Er kommt nicht allein, sondern mit seiner Begleitschaft. Jesus sagt es uns: „Der Menschensohn wird kommen in der Herrlichkeit seines Vaters zusammen mit seinen Engeln und dann einem jeden vergelten nach seinen Werken“ (Mt 16,27). Christus wird mit seinem Gefolge in die Welt Einzug halten. Er kommt als ihr König. Der Tag des öffentlichen Einzugs Christi in die Welt ist ein Tag der Freude und des Triumphes, der Tag der Offenbarung seiner Herrlichkeit, der Tag des Heiles, der Tag der Erlösung. Die ganze Schöpfung bewegt sich einem Ziel entgegen: der unverhüllten Herrschaft Gottes. Dieses Ziel liegt jenseits der Geschichte. Wenn es erreicht ist, stehen Zeit und Geschichte still. Das Ziel der menschlichen Geschichte trägt den Charakter des Heiles. Das Heil besteht in der Teilnahme an Gottes ewiger Existenz und Lebensfülle. Diese Teilnahme wird gewonnen durch die Transformation der Schöpfung. Die Verwandlung wird Christus vornehmen, wenn er das zweite Mal erscheint. Wenn er kommt, wird unser Glauben zum Schauen. Wird unsere Treue belohnt. Erfolgt der gerechte Ausgleich. Die Kirche, das Volk Gottes, wendet sich Christus mit dem Gebetsruf zu: „Komm, Herr Jesus!“

Amen.

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