Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
29. Juli 2018

Die Unterscheidung der Geister

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

In der Epistel der Messe des heutigen Sonntags zählt der Apostel Paulus eine Reihe von Gaben auf, die der Heilige Geist in den empfangsbereiten Seelen weckt. Dabei nennt er auch die Gabe der Unterscheidung der Geister. Was hat es mit dieser Gabe auf sich? Unterscheidung der Geister lässt uns in geistlichen Dingen bei Gefahr der Täuschung Wahres und Falsches, Gutes und Böses auseinanderhalten. Es muss sich immer um eine besondere Schwierigkeit handeln, Rechtes oder Verkehrtes zu erkennen, um die Gabe der Unterscheidung der Geister wirksam werden zu lassen. Der Gegenstand der Unterscheidung sind die Geister. Damit sind in erster Linie die Antriebe in uns gemeint, die Antriebe zu einem religiösen Fürwahrhalten, zu einem einzelnen Gewissensurteil oder zu einer Pflicht oder zu einem allgemeinen sittlichen Urteil. Dieser Antrieb in uns kann von außen oder von innen kommen, er kann gut und er kann böse sein. Man unterscheidet nämlich gewöhnlich zwei verschiedene Arten von Geistern, also Antrieben: den guten Geist und den bösen Geist; unter dem guten versteht man alle guten Antriebe, unter dem bösen alle verwerflichen Antriebe. Unter den Wirkungen der verschiedenen Geister versteht man Zustände und Erlebnisse der Seele, von denen man wissen will, ob sie gut oder böse sind. Unter Geistern versteht man aber auch Menschen, Menschen, die uns begegnen und die uns umgeben. Auch über sie müssen wir uns ein Urteil bilden. Wir müssen ja mit ihnen umgehen und wir müssen uns klar werden, mit wem wir es zu tun haben. Wir müssen also ihre Charaktere und ihre Einstellung kennen. Wir müssen uns bereiten auf das, was von ihnen ausgeht und auf uns zukommt. Diese Form der Unterscheidung der Geister ist unentbehrlich. Schon der Herr hat seine Jünger gemahnt, sich vor den Menschen in Acht zunehmen: „Hütet euch vor den Menschen!“ Seinen Aposteln legte er nahe, wenn sie ausgesandt würden, darauf zu achten, dass sie wie Schafe unter die Wölfe gesandt werden. Sie müssen also fähig sein, Schafe und Wölfe zu unterscheiden. Das Alte Testament weiß viel von echten und unechten, von falschen und wahren Propheten. Die von Gott ausgesandten Boten, die echten Propheten, beziehen furchtlos Stellung gegen Lügner und Betrüger, üben die ihnen gewonnene Gabe der Unterscheidung der Geister. Beim Propheten Michäas heißt es: „Für Bestechung sprechen Recht ihre Häupter, ihre Priester lehren um Lohn, ihre Propheten weissagen um Geld“ – sie sind also käuflich. Der Prophet Jeremias spricht ähnlich: „Propheten wie Priester, alle treiben Betrug. Meines Volkes Zusammenbruch wollen sie heilen, indem sie leichthin: Friede, Friede! reden. Es ist aber kein Friede.“ Jesus, unser Herr, unterscheidet scharf zwischen den Menschen, die Gott im Munde führen, und anderen, die Gottes Willen tun. „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr! wird in das Himmelreich eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters im Himmel tut.“ Er spricht auch von falschen Propheten: „Hütet euch vor den falschen Propheten. Sie kommen zu euch in Schafsfellen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe.“ Der Herr gibt ein Mittel an, sie zu durchschauen: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Sammelt man denn Trauben von den Dornen oder Feigen von den Disteln? So trägt jeder gute Baum gute Früchte, aber der schlechte Baum trägt schlechte Früchte. An ihren Früchten also werdet ihr sie erkennen.“ Also die Menschen erkennt man daran, was sie vollbringen, was sie bewältigen, an dem Guten, das sie schaffen, oder an dem Bösen, das sie tun. Die Apostel trugen die Lehre des Herrn weiter. Unter den mannigfaltigen Gaben, die aus dem einen Geist den Gläubigen der Gemeinde in Korinth zukommen, wird ausdrücklich die Gabe der Unterscheidung der Geister gelehrt, wie wir heute in der Epistel gehört haben. Vom Zusammenhang des Textes ist hier die Fähigkeit gemeint, zu unterscheiden, ob aus einem Ekstatiker der Geist Gottes oder der Geist eines Dämons spricht. Aber damit erschöpft sich nicht die Gabe der Unterscheidung der Geister. Die Briefe der Apostel sind angefüllt mit Warnungen vor Verführern und Irrlehrern. Wo Paulus von den überstandenen Verfolgungen und Leiden spricht, da erwähnt er auch die Gefahren von falschen Brüdern. Im 2. Brief an die Korinther spricht er von Predigern, die einen anderen Jesus verkünden, als er es getan hat, die ein anderes Evangelium bringen, als sie von ihm empfangen haben. Und dann sagt er offen: „Diese Leute sind Lügenapostel, heimtückische Arbeiter, die sich in Apostel Christi verkleidet haben.“ Die Korinther sollen sich darüber nicht verwundern, denn selbst der Satan verkleidet sich in einen Lichtengel. Der Antichrist ist ein Meister der Verführung. Er tritt auf mit allerlei Macht, Zeichen und Lügenwundern. Wir sehen, die Gabe der Unterscheidung der Geister ist uns allen dringend notwendig, ja unentbehrlich. Wir sind mannigfachen Verirrungen und Täuschungen ausgesetzt. Und deswegen mahnt uns der Liebesapostel Johannes: „Glaubet nicht jedem Geist. Prüfet die Geister, ob sie von Gott sind.“ Er unterscheidet den Geist der Wahrheit und den Geist der Lüge. Diese Unterscheidung ist fundamental. Er gibt auch ein Kriterium an für die Unterscheidung der Geister: „Darin soll ihr den Geist Gottes erkennen: Jeder Geist, der bekennt, dass Jesus Christus im Fleische gekommen ist, ist aus Gott. Und jeder Geist, der Jesus nicht bekennt, ist nicht aus Gott.“ Hier geht es also um die Menschwerdung. Wer leugnet, dass der LOGOS Mensch geworden ist, der spricht aus dem Geiste des Dämons. Das Christentum ruht auf der Menschwerdung Gottes. Johannes warnt auch vor den Brüdern, die abgefallen sind: „Von uns sind sie ausgegangen, aber sie gehörten nicht zu uns. Denn wenn sie zu uns gehört hätten, wären sie bei uns geblieben. Es sollte offenbar werden, dass sie nicht zu uns gehören.“ Die Kirche hat in ihrer langen Geschichte ausgiebige Erfahrungen mit Fälschern und Täuschern, mit Eigennützigen und Selbstsüchtigen gemacht. In einer uralten Schrift, der Zwölf-Apostel-Lehre aus dem 2. Jahrhundert, heißt es: „Hütet euch vor solchen, die mit dem Christentum Geschäfte machen.“ Damit sind Personen gemeint, die vorgeben, für Glauben und Kirche zu arbeiten, in Wahrheit aber das Christentum benutzen, um Geld und Vorteile für sich selbst zu gewinnen. Den Irrlehrern handelt es sich nie um die Reinheit des Glaubens, sondern um die Befriedigung der schlechten Begierden wie der Hoffart und der sinnlichen Lust. Die religiösen Lehren sind nur der Vorwand, dessen sie sich bedienen, um ihre schlechten Ziele zu erreichen. So hat es Luther gemacht. Luther versprach den Fürsten und Städten den Besitz der Kirche; er versprach den Priestern die Ehe; er versprach den Mönchen die Befreiung aus dem Kloster; er versprach den Laien die Scheidung in der Ehe. Seine maßlose Selbstüberschätzung kann schwerlich überboten werden. Er behauptete, 1500 Jahre vor ihm sei die Bibel missverstanden worden, erst er habe sie unter der Bank hervorgezogen.

Die Gabe der Unterscheidung der Geister lehrt den Menschen, sich und andere zu erkennen. In diesem Charisma wird gleichsam instinkthaft durchschaut, ob das jeweils Vorgestellte und den Willen Antreibende zu Gott führt oder von ihm abführt. Wie erkennen wir, was von uns und was von außen kommt? Das ist die grundlegende Unterscheidung: was von uns innen und was von außen kommt. Was aus uns ist, also was in uns aufsteht, können wir frei anfangen, fortsetzen und vollenden, tun oder lassen. Es wirkt sanft, unserer Anlage entsprechend, und lässt die natürlichen Ansätze erkennen. Auch widersteht es hartnäckig dem Gebet, während die von außen herwirkenden Teufel auf Anrufung der himmlischen Mächte hin rasch Kraft und Mut zu verlieren pflegen. Was von außen eingegeben ist, kommt entweder von Gott oder vom Teufel. Wie erkennt man es, ob es der gute oder der böse Geist ist, der uns anrührt? Man erkennt es aus dem Inhalt der Eingebung. Merkmale des guten Geistes auf dem Gebiete der Erkenntnis sind die Wahrheit, er widerspricht nie dem Glauben; die Erleuchtung, er bringt nie Verwirrung; die Geringachtung seiner selbst und die Gelehrigkeit und Diskretion. Der gute Geist regt nur an, was sich uns schickt und was wohl bemessen ist. Ob der gute oder böse Geist uns angeht, erkennt man auch aus der Art, wie die Eingebungen den Umständen angepasst sind. Jene Einsprechung und Anregung ist verdächtig, die nach ihrem Inhalt dem Stande, dem Beruf, dem Alter, dem Geschlecht, der gewöhnlich als vollkommen geltenden Auffassung widerspricht. Das ist verdächtig, was die Körperkraft übersteigt, was die Vollkommenheit nicht stufenweise, sondern sprunghaft zu erreichen sucht. Auch jene Süßigkeit, die manche zu empfinden meinen, jene unvollkommenen Menschen beim Gebet, auch jene Süßigkeit ist verdächtig. Ob der gute oder böse Geist uns eingeht, erkennt man auch aus der Art, wie die Einsprechung sich äußert. Der gute Geist ist ein Freund und tritt als solcher auf. Zwar kann er auch durch seine Forderung erschrecken, aber die Seele, die das Opfer bringt, wird von ihm getröstet. Schließlich, um noch einmal zu fragen: Wie erkennen wir, ob der gute oder der böse Geist in uns spricht? Wir erkennen es aus der Wirkung. Der gute Geist bringt guten Mut, wahren Frieden, reiche geistige Freude. Wo Unruhe hervorgerufen wird, da ist es gewöhnlich der böse Geist, der entmutigt. Er macht unruhig, er schafft Betrübnis. Gottes Geist bringt Friede und Ruhe, der böse Geist ist heftig, ungestüm. Menschen, die seiner Täuschung anheimfallen, erkennt man daran, dass sie ungeduldig, eigensinnig, stolz, verschlagen, stürmisch sind. Unter dem Vorwand des Eifers wollen sie alles ändern, umstürzen. Niemand ist, den sie nicht kritisierten, nichts, was sie nicht schmähten. Sie lassen den Leidenschaften ihrer Eigenliebe die Zügel schießen.

Das oberste Kriterium für die Unterscheidung der Geister ist die Offenbarung in ihren beiden Gestalten: der Bibel und der Überlieferung. Vom katholischen Christen, zumal vom Priester und von den ehrenamtlichen in der Kirche Tätigen, wird erwartet, dass sie im Glauben der Kirche stehen, die Lehre der Kirche teilen und die Ordnung der Kirche beobachten. Abweichungen von der Lehre und der Ordnung der Kirche machen verdächtig. An dem Urteil ändert es nichts, wenn diese Änderungen im Namen des Ökumenismus vorgetragen werden. Das Bemühen, die getrennten Christen wieder zu der einen Herde des Herrn zurückzuholen, wird nicht dadurch gefördert, dass man ihre Irrlehren teilt. „Ich ermahne euch, Brüder“, schreibt Paulus, „habt Acht auf die, welche Zwistigkeiten und Verstöße gegen die Lehre, die ihr gelernt habt, verursachen und geht ihnen aus dem Wege. Denn diese Leute dienen nicht unserem Herrn, sondern ihrem Bauch. Und durch ihre sanften und schönen Reden täuschen sie die Herzen der Arglosen.“ Geistliche und Laien im kirchlichen Dienst werden bestellt, um Gottes Sache in der Welt voranzubringen. Äußerlich gesehen, scheinen sie alle in den vorgeschriebenen Bahnen zu laufen, aber innerlich gesehen, können fundamentale Unterschiede in ihrem Wirken bestehen. Die einen arbeiten allein oder jedenfalls hauptsächlich für Gottes Ehre und das Heil der Menschen, die anderen suchen sich zu profilieren, in den Mittelpunkt zu stellen, den eigenen Vorteil zu finden. Jeder, der in der Kirche tätig ist, muss in sein eigenes Inneres schauen und seine Antriebe und Beweggründe im Lichte Gottes prüfen. „Prüfe dich genau“, schreibt das Buch von der „Nachfolge Christi“, „was dich denn eigentlich entzündet und treibt, ob Gottes Ehre oder dein Nutzen. Ist es Gottes Ehre, die dich antreibt, so wirst du jedes Mal zufrieden sein, ich mag es so ordnen oder anders, liegt aber in deinem Streben Eigennutz verborgen, so ist es gerade dieses, was dich hemmt und beschwert.“ Wir haben die Natur mit allen Menschen gemeinsam, gute und böse Menschen haben dieselbe Natur. Die Natur hat das zum Inhalt, was der Mensch vom Schöpfer mitbekommen hat. Die Gnade beinhaltet das, was er auf übernatürliche Weise erhalten hat. Wie lassen sich Gnade und Natur in einem Menschen unterscheiden? Wir alle machen das Gute zum Vorwand bei unserem Reden und Handlungen, aber der Schein des Guten trübt nur zu viele. Die Natur arbeitet immer nur für ihren Vorteil. Sie sucht scharf, das zu gewinnen, was ihr Nutzen bringt. Die Gnade sucht nicht das, was ihr Vorteil bringt und bequem ist, sondern was andern heilsam ist. Hilfsmittel zur Unterscheidung des guten Geistes und des bösen Geistes sind Gebet – wir müssen immer um Erleuchtung, um Führung bitten –, Studium – ja nicht aufhören, Wissen zu sammeln und das Gelernte zu durchdringen –, Erfahrung – Erfahrung ist durch nichts zu ersetzen, meine lieben Freunde –, Selbsterkenntnis – man muss also schonungslos mit sich selbst ins Gericht gehen, schonungslos –, eigene Übung im geistlichen Leben. Bei Eingebungen von wichtigen oder außerordentlichen Dingen ist es empfehlenswert, sich mit einem erfahrenen Seelenkenner und Seelenführer zu beraten. Unerlässlich ist die Demut. Sie vertraut nicht auf sich, sondern sucht das göttliche Licht und befragt andere gern. Es ist immer leichter, sich raten zu lassen, als anderen zu raten. Auch ist notwendig die Reinheit der Absicht, sowohl im Bezug auf sich selbst als auch bei der Seelenleitung anderer. Reinheit der Absicht, d.h. man darf sich die Absicht nicht trüben lassen durch Voreingenommenheit, durch Anhänglichkeit an andere. Man darf nicht gefallen wollen, sondern muss die Ehre Gottes lauter und selbstlos suchen. Selten, meine lieben Freunde, war die Unterscheidung der Geister so notwendig wie in unserer Zeit. Papst Paul VI. hat davon gesprochen, dass der Rauch Satans in die Kirche eingedrungen ist – der Rauch Satans! Es ist uns also aufgegeben, den Hauch des Heiligen Geistes vom Qualm des Dämons zu unterscheiden. Das Kriterium für Prediger und Gläubige ist das Festhalten am rechten Glauben. „Keiner, der im Geiste redet, sagt: Verflucht sei Jesus! Und keiner kann sagen: Jesus ist Herr, außer im Heiligen Geist.“ Die Botschaft von der Rettung und vom Heil ist fest verknüpft mit dem Glauben an den menschgewordenen Gott. „Und wenn ein Engel vom Himmel käme“, schreibt Paulus an die Galater, „und euch ein anderes Evangelium verkündigte, als wir verkündigt haben, der sei verflucht!“ Das Richtmaß der Beurteilung der Geister ist immer der verbindliche Glaube der Kirche und die Auferbauung der Gemeinde. Es ist die Eigenart und das Erfolgsrezept der falschen Propheten, dass sie den Wünschen und Begehrlichkeiten der Menschen Erfüllung versprechen. Die falschen Propheten reden den Menschen nach dem Munde. Die echten Propheten stoßen auf Widerspruch. Wir haben einmal einen solchen Propheten erlebt: den Bischof von Fulda, Bischof Dyba. Und wie ist es ihm ergangen? In der Universitätsstadt Marburg wurde er angespuckt, angerempelt, geschlagen; so geht es dem echten Propheten. Die falschen Propheten sind darin erkennbar, dass sie den Christen ein entschärftes Evangelium und eine verbilligte Gnade vorlegen und dass sie darum in der Welt beliebt sind. Deswegen, meine lieben Brüder und Schwestern, halten wir uns an Johannes: „Glaubet nicht jedem Geiste, sondern prüfet die Geister, ob sie aus Gott sind.“   

Amen.

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