Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
8. Juli 2018

Außerhalb der Kirche kein Heil

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Es gibt nur einen Gott und einen Mittler zwischen Gott und den Menschen: den Menschen Jesus Christus, der sich für uns alle als Lösegeld hingegeben hat“, so schreibt Paulus in seinem 1. Brief an Timotheus. Der Herr bestätigt diese Feststellung: „Niemand kommt zum Vater außer durch mich.“ Die junge Kirche sagt es auf ihre Weise: „Es ist in keinem anderen Namen Heil als in Jesus Christus. Es ist kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, in dem wir selig werden können, als der Name Jesu Christi.“ Der universale Heilswille Gottes ist ein für allemal in Menschwerdung, Tod und Auferstehung des Sohnes Gottes angeboten und Wirklichkeit geworden. Der Einzigkeit des Erlösers entspricht die Einzigkeit der Gemeinschaft der Erlösten. „Es ist nur ein Leib und ein Geist, eine Glaube, eine Taufe“, schreibt Paulus nach Ephesus. Und Jesus spricht: „Ich will meine Kirche bauen“ – eine Kirche, nicht mehrere. Es darf nur eine wahre Kirche geben, weil Christus bloß eine gestiftet hat. Sonst müssten ja die Menschen zugleich durch Wahrheit und Irrtum gerettet werden. Der Anschluss an Christus ist notwendig zum ewigen Heil. Die Eingliederung in die Kirche ist ebenfalls notwendig zum Heil. Warum? Die Kirche ist heilsnotwendig, weil sie der Quell der Wahrheit, die Wohnung des Glaubens, der Tempel Gottes ist. Nur in dieser einen Kirche ist die Offenbarung Gottes vollgültig und endgültig bewahrt. Die Kirche ist heilsnotwendig, weil sie den Auftrag Christi hat, die Offenbarung weiterzutragen, zu vermitteln, zu bewahren und zu erklären. Er selbst ist in der Kirche und die Kirche ist in ihm. Jesus setzt seine Gegenwart als heilsnotwendig in der Kirche fort. Die katholische Kirche heißt mit Recht allein seligmachend, weil sie nach dem Willen ihres Stifters allein zur Fortsetzung des Erlösungswerkes und zur fortwährenden Vermittlung des Heiles, der Heilswahrheit und der Heilsgnade betraut worden ist. Die Kirche ist als sichtbare Heilsanstalt von Christus gestiftet worden, als die ordentliche Vermittlerin des Heils für alle Menschen, ohne Ausnahme. Und das fasst die Kirche in dem Dogma zusammen: Außerhalb der Kirche ist kein Heil. Das kirchliche Gesetzbuch von 1917 erklärt kurz und bündig: „Der wahren Kirche sich anzuschließen, sind alle Menschen durch göttliches Gesetz gehalten.“ Der Grundsatz „außerhalb der Kirche kein Heil“ stimmt. Er ist ein Dogma des Glaubens. Man muss innerhalb der Kirche sein, wenn man die Seligkeit des Himmels erlangen will.

Aber jetzt erhebt sich die Frage: Wann ist man innerhalb dieser Kirche? Sicher gehört man zur Kirche, wenn man sich durch Glaube und Taufe ihr angeschlossen und sich nicht durch Abfall von ihr getrennt hat. Dies ist die wirkliche, die aktuelle Zugehörigkeit zur Kirche. Aber gibt es vielleicht noch eine andere Weise, wie man ihr angehören kann? Was ist mit denen, welche diese Zugehörigkeit nicht erlangen können, weil sie davon nicht gehört haben? Wer die Kirche kennt und um die Notwendigkeit, ihr anzugehören, weiß, sich aber dem Gnadenruf Gottes zu dieser Kirche verschließt, von dem muss befürchtet werden, dass er das Heil nicht erlangt. Denn er hat keine Beziehung zu der Kirche, die die einzige Arche des Heiles ist. Nun gibt es aber viele Menschen, welche die wahre Kirche nicht kennen und um ihre Heilsnotwendigkeit nicht wissen. Sie leiden an Unkenntnis der wahren Religion und sie haben kein Mittel, diese Unkenntnis zu überwinden. Wer an unüberwindlicher Unkenntnis der wahren Religion leidet, ist deswegen ohne Schuld vor Gott. Aber er ist deswegen noch nicht für das Heil bestimmt, noch nicht gerettet, noch nicht zur Seligkeit berufen. Gott stellt auch an die Menschen, die an unüberwindlicher Unkenntnis leiden, Forderungen. Er verweist sie an das sittliche Naturgesetz, also an das, was aus den Strukturen der Welt an Sitten, an Sittengeboten zu erkennen ist. Er hat ihm das Gewissen gegeben, das ihn mahnt, Gott Gehorsam zu leisten und seine Gebote zu erfüllen. Wer auf dieser Grundlage ein ordentliches Leben führt und die Bereitschaft hat, sich der wahren Kirche anzuschließen, wenn er sie als solche erkennt, der steht innerlich nicht mehr außerhalb der Kirche – innerlich steht er nicht mehr außerhalb der Kirche. In dem Verlangen (Votum), Gottes Willen zu erfüllen, von dem er nur nicht weiß, dass alle Menschen durch diesen Willen zu seiner Kirche gerufen werden, in diesem Verlangen gehört er in verborgener Weise der Kirche an. Er stellt mit seiner Gehorsamsbereitschaft eine Person dar, die bereits innerlich in der Kirche steht. Solche Menschen können mit Hilfe der göttlichen Erleuchtung und Gnade das ewige Leben erlangen. Gott durchschaut ja ihr Herz, ihre Gesinnung, ihre Gedanken, ihre ganze Einstellung. Er kann und will nicht zulassen, dass jemand mit ewiger Pein bestraft wird, der sich keine freiwillige Schuld zugezogen hat. Wie freilich diese Menschen innerlich zur Kirche gehören und wie das geschehen kann, das wissen wir nicht. Das Zweite Vatikanische Konzil sagt bezüglich der Weise, in der die heilbringende Gnade die einzelnen Nichtchristen erreicht, sie geschehe „auf Wegen, die Gott allein weiß.“ Der Satz „außerhalb der Kirche kein Heil“ bedeutet also, dass in der gegenwärtigen Heilsordnung alle Erlösungsgnaden nur mit Hinblick auf Christus und seine wahre Kirche gespendet werden. Dass somit alle, die gerettet werden, wenigstens innerlich, also mit der Bereitschaft alles zu tun, was Gott verordnet hat, zur Kirche gehören müssen. Damit aber die innerliche Zugehörigkeit zur Kirche hinreicht, müssen gewisse Forderungen erfüllt werden. Erstens: Heilsnotwendig ist der Glaube. Im Hebräerbrief steht ein für allemal geschrieben: „Wer zu Gott kommen will, muss glauben, das er ist und denen, die ihn suchen, Vergelter wird.“ Also unbedingt notwendig zum Heil ist der Glaube an die Existenz Gottes und an sein Gericht. Wer mit Hilfe der Gnade das natürliche Sittengesetz erfüllt, der wird durch irgendein Mittel seiner göttlichen Vorsehung auch die Gnade erlangen, den Glauben zu finden. Der Glaube, von dem ich eben sprach, ist aufgrund des allgemeinen göttlichen Heilswillens für jeden Erwachsenen erreichbar. Zweitens: Ebenso ist für alle, die noch die Erbsünde oder eine andere Todsünde auf sich haben, bei physischer Unmöglichkeit, das Sakrament der Taufe oder das Sakrament der Buße zu empfangen, oder bei unüberwindlicher Unkenntnis derselben eine vollkommene Liebe bzw. Reue zur Erlangung der Rechtfertigung notwendig. Niemand kann gerechtfertigt werden ohne Reue über seine Sünden und Liebe zu Gott. Mit dieser Reue und Liebe ist der Vorsatz verbunden, alles zu tun, was Gott zum Heil fordert. Und damit ist auch eingeschlossen das Verlangen, zur wahren Kirche zu gehören, wenn es möglich sein sollte. Das wirkt ohne den tatsächlichen Empfang der Taufe die heiligmachende Gnade. Diese ist unbedingt notwendig zum Heile und zur Zugehörigkeit zur Seele der Kirche, die der Heilige Geist ist.

Man wird zugeben, dass die Bedingungen dafür, dass ohne tatsächlichen Anschluss an die Kirche jemand das Heil erlangt, nicht leicht zu erfüllen sind. Wenn wir die Menschen unserer Umgebung betrachten und ihr Verhalten gegen Gott und seine Gebote, dann kann uns leicht der Gedanke kommen: Wie sollen sie den Anforderungen nachkommen, die für die innerliche, verborgene Zugehörigkeit zur Kirche unerlässlich sind: das Suchen nach Gott, der Glaube an Gott, der Gehorsam gegen Gebot Gottes, die Achtung vor dem sittlichen Naturgesetz? Es ist ja schon für uns gläubige Kirchenglieder nicht leicht, trotz des rechten Glaubens, trotz des Empfanges der heiligen Eucharistie und trotz zahlreicher Gnadenhilfen auf dem Weg der Gebote zu wandeln und das Ziel des Himmels zu erreichen. Wie werden die Menschen, die all dessen entbehren, die Bedingungen erfüllen können, die zur Gewinnung des Heiles unentbehrlich sind? Ich weiß es nicht. Aber auch hier gilt der Grundsatz: Bei Gott ist kein Ding unmöglich. Die Lehre von der innerlichen, unbewussten Zugehörigkeit zur Kirche Gottes darf nicht missverstanden werden. Die Bedeutung der Kirche und der Zugehörigkeit zu ihr werden dadurch nicht herabgemindert, es wird nur ein Ausgleich geschaffen zwischen der Pflicht, sich dem Leibe Christi anzuschließen, und dem allgemeinen Heilswillen Gottes. Es bleibt bestehen: Die Nichtchristen befinden sich objektiv in einer schwer defizitären Situation. Sie dürfen sich nicht mit der Zugehörigkeit zu irgendeiner Religion zufriedengeben. Es ist Ausdruck eines relativistischen Denkens, den katholischen, den christlichen Glauben und die religiösen Ansichten der anderen Religionen auf eine Ebene zu stellen. Die verschiedenen Religionen als gleichwertige Wege zum Göttlichen zu bezeichnen, ist Indifferenz, also Gleichgültigkeit gegen die Wahrheit.

Man spricht heute viel von Toleranz. Toleranz gilt dem Menschen, nicht seinem Irrtum. Es gibt keine Toleranz bspw. gegenüber dem Lehrsatz des Pythagoras. Das Quadrat über der Hypotenuse ist die Summe der Quadrate über den Katheten. Dieser Satz hat hundert Beweise für sich. Wer ihn leugnet, der ist im Irrtum und dagegen gibt es keine Toleranz. Der Satz des Pythagoras stimmt, er ist unumstößlich. Ähnlich ist es mit der Wahrheit, mit der religiösen Wahrheit. Die Kirche lehrt und wahrt die dogmatische Intoleranz. Gegenüber dem Irrtum gibt es keine Duldung, gegenüber dem irrenden Menschen jawohl, wegen seiner Würde, wegen seines irrenden Gewissens. Aber gegenüber dem Irrtum kann es keine Toleranz geben. Das Prinzip der Toleranz wird somit überschritten, wenn behauptet wird, dass alle Inhalte der verschiedenen Religionen den gleichen Wert hätten und eine objektive und allgemeine Wahrheit nicht existiert. Dieses falsche Toleranzverständnis hängt zusammen mit dem Verzicht auf die Wahrheitsfrage. Toleranz ist die Haltung, andere Anschauungen, Einstellungen, Sitten, Gewohnheiten zu dulden, sie ungestört zu lassen, weil es eben die Würde des Menschen verlangt, dass man ihnen nicht mit Gewalt eine Wahrheit aufzwingt. Aber man darf das Prinzip der Toleranz nicht übertreiben. Die deutsche Bundeskanzlerin, Frau Merkel, erklärte im europäischen Parlament zu Straßburg: „Die Seele Europas ist die Toleranz“ – die Seele Europas ist die Toleranz. Stimmt das? Die Seele ist das Lebensprinzip in einem Organismus. Toleranz ist aber kein Lebensprinzip, sondern ein Ordnungsprinzip. Toleranz ist ja inhaltlos. Sie besagt nur, dass man den Inhalt anderer gelten lassen soll, aber nicht, dass sie selbst einen Inhalt gibt. Aus der Toleranz kann man nicht leben, denn sie hat keinen Inhalt, der den Menschen lehrt, wie er sich gegen Gott und seinen Willen verhalten soll. Das europäische Lebensprinzip ist nicht die Toleranz, sondern das Christentum. Was Frau Merkel mit ihrer Äußerung tut, bedeutet: Sie ersetzt das Christentum als Kern der europäischen Identität durch die Duldung jeder Beliebigkeit. Toleranz ist religiöse und ethische Inhaltlosigkeit. Das soll die Seele Europas sein? Wir haben das Glück, meine lieben Freunde, der einen, wahren Kirche Gottes anzugehören. Wir wurden durch die Taufe in sie hineingeboren. Wir haben uns durch Glaubensgehorsam fest und bleibend an sie gebunden. Wir sind entschlossen, in dieser Kirche zu verharren und unser Leben zu vollziehen. Wir sind gewiss, dass wir dadurch auf der gottgewollten Bahn wandeln und dass unser Weg in das unverhüllte dreifaltige Leben Gottes hineinführt. Wir wissen um das Menschliche und allzu Menschliche in unserer Kirche, denn wir leiden darunter. Aber wir wissen auch, dass Jesus im Ölgarten zu Jerusalem zu der im Keim vorhandenen Kirche gesagt hat: „Kommt, lasst uns gehen. Ihr geht, und ich gehe mit euch, wir gehen miteinander.“ Da sehe ich dein Geheimnis, katholische Kirche: Du bist ein Ärgernis, du bist eine Unzulänglichkeit! Aber Jesus hat zu dir gesagt: Wir gehen miteinander. Und so wollen wir auch mit dir gehen und dich nicht verlassen.

Amen.

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