Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
12. Mai 2013

Der Glaube

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir hatten an vergangenen Sonntagen von der Offenbarung Gottes gesprochen. Gott offenbart sich, erschließt sich selbst, um die Menschen einzuladen, sich an ihn anzuschließen. Er redet die Menschen an und verkehrt mit ihnen, um sie in die Gemeinschaft mit sich zu rufen. Diese Einladung wird beantwortet im Glauben. Der Glaube ist die Antwort auf die Anrede Gottes. Durch den Glauben ordnet der Mensch seinen Verstand und seinen Willen Gott unter. Er gibt Gott, der sich offenbart, mit seinem ganzen Wesen Zustimmung. Man kann den Glauben in gewisser Hinsicht als eine Übergabe des Menschen an Gott bezeichnen. Die Heilige Schrift nennt die Antwort des Menschen auf Gottes Offenbarung Glaubensgehorsam, Gehorsam, der im Glauben geleistet wird, Glaube, der sich im Gehorsam zeigt. Das Wort scheint vom Apostel Paulus zu stammen, denn im Römerbrief gebraucht er es zweimal. Wo er seinen Beruf als Apostel beschreibt, sagt er: „Durch Jesus Christus haben wir Gnade und Apostelamt empfangen, um unter allen Völkern um seines Namens willen Glaubensgehorsam zu erwecken.“ Und am Schluss desselben Briefes spricht er noch einmal davon, dass er aufgebrochen sei, um Glaubensgehorsam zu erwirken. Glaubensgehorsam leisten heißt, sich dem gehörten Wort Gottes in Freiheit unterwerfen.

Die Kirche hat uns immer Vorbilder des Glaubens vorgestellt. An erster Stelle Abraham. An zweiter Stelle Maria. Abraham hat im Glauben sein Land, seine Heimat, die Geborgenheit seines Hauses verlassen. Er zog in ein Land, das er gar nicht kannte. Aufgrund des Glaubens ist er als Fremder und Pilger in dieser Fremde geblieben. Aufgrund des Glaubens empfing Sara einen Sohn, und aufgrund des Glaubens hat er diesen Sohn Gott zum Opfer darbringen wollen. Abraham ist tatsächlich ein Vorbild des Glaubens im Alten Bunde. Aber dieses Vorbild wird weit überboten von Maria, der gläubigen Frau des Neuen Bundes. Sie war überrascht, sie erschrak, als sie die Botschaft des Engels erhielt. Aber sie wusste, für Gott ist nichts unmöglich. Und so hat sie die Verkündigung und die Verheißung, dass sie einen Sohn empfangen sollte, entgegengenommen: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn. Mir geschehe nach deinem Worte.“ Das war Glaubensgehorsam. Und Elisabeth hat erkannt, dass Maria die Gehorsame ist: „Selig bist du, die du geglaubt hast, dass in Erfüllung gehen wird, was dir der Herr gesagt hat.“ Ihr Glaube hat nicht gewankt, auch nicht, als sie ihren Sohn am Kreuze hängen sah. Sie ist die gläubige Frau geblieben bis zum Schluss. Das leuchtende Vorbild des Glaubensgehorsams.

Wir glauben an Gott. Eigentlich kann man nur an Gott glauben. Freilich alles, was mit Gott zusammenhängt, muss auch in den Glauben eingeschlossen werden, aber der Glaube als persönliche Haltung richtet sich auf eine Person, er richtet sich auf den Dreifaltigen Gott. Wir glauben an den Vater als die erste göttliche Person. Wir glauben an den Sohn, denn er ist ja der Gesandte des Vaters, der Erstgeborene unter allen Geschöpfen, der Anfang und das Ende, untrennbar mit dem Vater verbunden. Der Herr selbst hat seinen Jüngern gesagt: „Ihr glaubt an Gott, glaubt auch an mich.“ Er stellt sich an die Seite Gottes. Und dieser Glaube an den Vater und den Sohn ist nur möglich im Heiligen Geiste. Niemand kann sagen: „Jesus ist der Herr“ außer im Heiligen Geiste. Der Glaube wird gewirkt durch den Heiligen Geist. Als Petrus bekennt, dass Jesus der Messias, der Sohn Gottes ist, da sagte ihm der Herr: „Nicht Fleisch und Blut hat dir das geoffenbart, sondern mein Vater, der im Himmel ist.“ Das heißt: Der Glaube ist ein Geschenk Gottes, ist eine übernatürliche, eingegossene Tugend. Man kann nur glauben mit der zuvorkommenden und helfenden Gnade Gottes. Glaube ist tatsächlich eine Gnade. Aber eine Gnade, die Gott jedem anbietet. Er gibt jedem die hinreichende Gnade, dass er zum Glauben kommen kann. Der Glaube ist aber gleichzeitig auch ein menschlicher Akt, also mit Verstand und mit Willen hervorgebracht. Es widerspricht nicht der Freiheit des Menschen und auch nicht seinem Verstande, Gott Glauben, Vertrauen, Zustimmung zu schenken. Beim Glauben wirken Verstand und Wille mit der göttlichen Gnade zusammen. Klassisch ist die Definition, die der hl. Thomas von Aquin dem Glauben gegeben hat: „Der Glaube ist ein Akt des Verstandes, der auf Geheiß des von der Gnade bewegten Willens der göttlichen Wahrheit beistimmt.“ Ein Akt des Verstandes, der auf Geheiß des von der Gnade bewegten Willens der Wahrheit Gottes beistimmt. Der Beweggrund des Glaubens ist nicht die Einsicht in das Geglaubte, denn es ist den Menschen versagt, eine volle Einsicht in den Glaubensgegenstand zu gewinnen. Nein, der Beweggrund des Glaubens ist die Autorität Gottes. Weil Gott offenbart, deswegen glauben wir. Freilich darf man nicht die Blindheit, die angebliche Blindheit des Glaubens, übertreiben. Nein, im Glauben müssen logisch die „praeambula fidei“ vorangehen, also die Voraussetzungen des Glaubens. Und welche sind dies? Nun erstens, dass es einen persönlichen Gott gibt. Zweitens, dass Gott sich geoffenbart hat. Und drittens, dass die Offenbarung Gottes von der Kirche legitim und autoritativ vorgelegt wird. Das sind die „praeambula fidei“, die Voraussetzungen des Glaubens. Gott existiert, er hat sich geoffenbart, seine Offenbarung wird von der Kirche unfehlbar vorgelegt. Weil der Glaubensgegenstand von Gott kommt, ist der Glaube gewiss. Er ist gewisser als jede menschliche Erkenntnis. Wir müssen uns ja auch auf Forschungen und Erkenntnisse der Wissenschaft verlassen können und tun es auch, aber die Gewissheit, die Gott uns gibt, ist unvergleichlich viel größer. Was Gott lehrt, ist absolut gewiss, denn er ist die Quelle jeder Wahrheit. „Wem sollte ich mehr glauben“, schreibt einmal der hl. Ambrosius, „wenn er über Gott spricht, als Gott selbst?“ Der Glaube sucht freilich in seinen Gegenstand einzudringen. Wir wollen Gott erkennen. Wir wollen seine Offenbarung verstehen. Das ist möglich durch immer tieferes Versenken in die Glaubensverkündigung. „Ich glaube, um zu verstehen, und ich verstehe, um zu glauben“, schreibt einmal Augustinus. Ich glaube, um zu verstehen, und ich verstehe, um zu glauben. Ein gegenseitiges Verschränken von Verstehen und Glaube. Der Glaube übertrifft die Wissenschaft, übertrifft die Vernunft, und dennoch kann es nichts Unvernünftiges zu glauben geben. Der Glaube ist über der Vernunft, aber er ist nicht gegen die Vernunft. Zwischen Glauben und Vernunft, zwischen Annahme der Wahrheit Gottes und Erkenntnissen der Wissenschaften kann es einen Widerspruch nicht geben, denn Gott hat sowohl die Vernunft geschaffen, mit der wir die Welt erkennen, als auch den Glauben geschenkt, den wir in Demut und in Gehorsam annehmen. Mich fragte einmal ein junger Mann: „Ja aber, wenn die Wissenschaft beweisen könnte, dass der Glaube nicht stimmt?“ Ich sagte: „Lieber Reinhardt, das wird die Wissenschaft niemals beweisen können, denn die methodisch betriebene Wissenschaft führt nicht vom Glauben ab, sie führt zum Glauben hin! Halbes Wissen führt gewiss zum Teufel, aber ganzes Wissen führt zu Gott!“

Damit der Glaube menschlich ist, muss er in Freiheit geleistet werden. Die Kirche hat immer daran festgehalten: Niemand darf gegen seinen Willen zur Annahme des Glaubens gezwungen werden. Christus ruft uns an. Er verpflichtet uns, aber er zwingt uns nicht. Die Kirche bietet den Glauben an, aber sie drängt ihn nicht mit Gewalt den Menschen auf. Die christliche Mission ist eine Einladung, eine Einladung, den christlichen Glauben anzunehmen. Sie wendet sich an Heiden und Juden. Bei der Mission der Heiden wurde in alter Zeit häufig so vorgegangen, dass man versuchte, den Herrscher, den König und die Großen des Reiches für den Glauben zu gewinnen, und dann schlossen sich eben die Menschen dem Vorbild ihrer Führer an. Gott weiß, mit welcher Überzeugung es geschah, aber jedenfalls ist auf diese Weise das Abendland christlich geworden. Die Juden wurden auch als Ziel der Mission angesehen und werden es bis heute, wenn man richtig über die Mission denkt. Aber die Päpste haben niemals zugelassen, dass man die Juden zum Glauben zwingt. In manchen Ländern, wie zum Beispiel in Deutschland, mussten die Juden im Mittelalter einmal im Jahre eine christliche Predigt anhören. Dazu hat man sie allerdings gezwungen, aber sie wurden nicht gezwungen, sich den Inhalt der Predigt zu eigen zu machen. Es ist zuzugeben, dass zu manchen Zeiten und an manchen Orten Druck auf Ungläubige und Irrgläubige ausgeübt wurde, sich dem Christentum anzuschließen. Meine lieben Freunde, ich werde dadurch nicht verlegen, denn man muss folgendes bedenken: Nicht jede Unwilligkeit, sich zum Glauben zu bekehren, geht auf einen Befehl des Gewissens zurück. Viele wollen deswegen den Glauben nicht annehmen, weil sie sich nicht beschweren wollen. Sie wollen ungestört weiterleben. Ich habe einmal von einem japanischen Missionar gelesen: Die Japaner wissen, dass das Christentum eine überlegene Religion ist, aber sie wollen sie nicht annehmen, um nicht beschwert zu werden. Wenn also die Unwilligkeit, gläubig zu werden, auf Gleichgültigkeit, auf Bequemlichkeit und auf Feigheit beruht, dann scheint ein gelinder Druck, diese Religion anzunehmen, nicht fehl am Platze zu sein, eine gewisse Nachhilfe für das Gewissen. Anders haben sich große Heilige der Kirche ausgesprochen im Verhalten gegen jene, die einmal den Glauben angenommen hatten und dann abgefallen waren, das gab es ja schon in ältester Zeit. Der hl. Augustinus lehnte zuerst alle Anwendung von Gewalt gegen die von der Kirche abgewichenen Häretiker ab und erkannte nur das Wort Gottes und Vernunftgründe als berechtigte Mittel an, sie zurückzuführen. Später ließ er die Anwendung von äußeren Maßnahmen gegen die Häretiker zu, wenn es mit der Absicht geschah, sie zu bessern. Im Dekret Gratians, im kirchlichen Rechtsbuch des Mittelalters, steht der Satz: „Haeretici etiam inviti ad salutem sunt trahendi.“. Häretiker sind auch gegen ihren Willen zum Glauben zu ziehen. Nach Thomas von Aquin, der sich diese Lehre zu eigen gemacht hat, sind jene, die den Glauben nie angenommen haben, in keiner Weise zur Annahme zu zwingen. Wohl aber ist äußerer Zwang angemessen und erlaubt gegen diejenigen, die den Glauben bereits angenommen hatten und dann vom Glauben abgefallen sind. Nun, wir wissen alle, dass diese Maximen heute undurchführbar sind und deswegen auch in keiner Weise mehr gelehrt werden.

In jedem Falle aber muss an der Notwendigkeit des Glaubens festgehalten werden. „Es ist unmöglich, ohne Glauben Gott zu gefallen“, heißt es im Brief an die Hebräer. Deswegen ist niemals jemand zur Rechtfertigung gekommen und hat niemals jemand das ewige Leben erlangt, wenn er nicht den Glauben angenommen und in ihm ausgeharrt hat bis zum Ende. Das sind dogmatisierte Wahrheiten des I. Vatikanischen Konzils. Die Kirche hat lange über die Notwendigkeit des Glaubens nachgedacht, und sie hat den Satz formuliert: „Außerhalb der Kirche ist kein Heil.“ Denn die Kirche ist die Trägerin des Glaubens. Deswegen nennt sie sich auch alleinseligmachend, weil sie den Glauben und die Mittel des Heils in sich birgt. Das Wort „Kirche“ in diesem Satz bezieht sich auf die sichtbare katholische Kirche. Ihre Heilsnotwendigkeit geht jeden einzelnen persönlich an. Es fragt sich nur, wer ist innerhalb der Kirche? In dieser Hinsicht haben Konzilien und Päpste Klarheit geschaffen. Der so oft verunglimpfte Papst Pius IX., im neunzehnten Jahrhundert, hat daran festgehalten, dass die Kirche die einzige Arche des Heiles ist. Aber er hat auch gleichzeitig gelehrt: „Wer in unüberwindlichem Nichtwissen bezüglich des Glaubens befangen ist, aber das sittliche Naturgesetz zu beobachten und Gott zu gehorchen gewillt ist, kann mit Hilfe der Gnade Gottes das ewige Leben erlangen.“ Er gehört mit dieser inneren Verfassung zur Kirche. Der Papst hat also den Unterschied eingeführt zwischen Kirchengliedschaft ‚in re‘ und Kirchengliedschaft ‚in voto‘. Kirchengliedschaft ‚in re‘ heißt, man ist durch Taufe und Glauben wirklich zur Kirche gekommen. Kirchengliedschaft ‚in voto‘, im Verlangen heißt: Wenn man erkennen würde, dass die Kirche die einzige Arche des Heiles ist, würde man sich anschließen, und Kraft dieses Verlangens, Kraft dieser Bereitschaft sich dem Glauben zu beugen, sich der Kirche anzuschliessen, gehört man zur Kirche. Es gibt eine Kirchenzugehörigkeit in voto, im Verlangen.

Selbstverständlich muss man, wenn man den Glauben einmal angenommen hat, im Glauben ausharren. Der Glaube ist ein Gnadengeschenk, das den Menschen gegeben ist. Wir können dieses unschätzbare Geschenk verlieren. Der hl. Paulus macht seinen Schüler Timotheus darauf aufmerksam: „Kämpfe den guten Kampf gläubig und mit reinem Gewissen. Schon manche haben die Stimme ihres Gewissens missachtet und haben im Glauben Schiffbruch erlitten.“ Das I. Vatikanische Konzil lehrt: „Wer unter dem Lehramt der Kirche einmal den Glauben angenommen hat, kann niemals einen gerechten Grund haben, diesen Glauben zu wechseln oder in Zweifel zu ziehen.“ Also für den katholischen Christen, der in der Taufe mit der Glaubensanlage, mit dem Glaubenshabitus, ausgestattet wurde und der seinen Glauben in der Kirche lebt, kann es keinen sachlich stichhaltigen Grund geben, an dem Glauben zu zweifeln oder ihn aufzugeben.

Ich habe hier vor mir, meine lieben Freunde, eine Hochzeitsanzeige. Eine deutsche Frau hat einen Mann aus Khartum, also im Sudan, geheiratet: „Seit wir am 27. August 2010 nach islamischem Ritus getraut wurden, begann der mühsame Weg durch den Paragraphen-dschungel ins deutsche Standesamt. Wir danken von Herzen allen, die uns während dieser Zeit vorurteilsfrei beigestanden haben.“ Meine lieben Freunde, hier hat sich also eine Deutsche, eine christliche Frau, mit einem Mohammedaner verbunden und offenbar auch sich zum Islam bekehrt. „Nun werden wir befolgen, was der 17. Dalai Lama vorschlägt: Widme dich der Liebe und dem Kochen mit Wagemut und Sorglosigkeit.“ Es ist kein Vorurteil, wenn man vor der Ehe mit einem Muslim warnt. Es ist kein Vorurteil, wenn man davor warnt, um einer solchen Ehe willen den christlichen Glauben wegzuwerfen. Der Glaube muss bewahrt werden bis zum Ende. Wir können den Glauben nähren und Gott anflehen, dass er den Glauben vermehre. In jedem Rosenkranz beten wir: „Der den Glauben in uns vermehren wolle.“ Und die Apostel haben einst den Herrn gebeten: „Stell uns Glauben hinzu.“ Der Apostel Paulus konnte gegen Ende seines Lebens schreiben: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, den Glauben bewahrt. Darum wartet meiner die Krone der Gerechtigkeit, die mir der Herr an jenem Tage geben wird.“

Amen.

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