Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
9. Mai 2013

Die Erhöhung unseres Herrn

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier der Himmelfahrt unseres Herrn Versammelte!

Der Herr hatte, als er noch auf Erden weilte, seine Himmelfahrt angekündigt. „Ich gehe fort, euch eine Wohnstätte zu bereiten. Noch kurze Zeit, und die Welt sieht mich nicht mehr. Wenn ihr mich lieb hättet, würdet ihr euch freuen, dass ich zum Vater gehe. Ich gehe zu dem, der mich gesandt hat. Es ist gut für euch, dass ich fortgehe.“ Das waren die Ankündigungen der Himmelfahrt. Was der Herr ankündigt, das erfüllt er auch. Wir verdanken dem hl. Lukas zwei Berichte über die Himmelfahrt des Herrn. Der erste steht in seinem Evangelium, der zweite in der Apostelgeschichte. Im Evangelium heißt es: „Er führte sie hinaus nach Bethanien und segnete sie, erhob seine Hände, und während er sie segnete, verließ er sie und wurde in den Himmel aufgenommen.“ Ausführlicher noch ist der Bericht in der Apostelgeschichte, den wir ja eben gehört haben. Jesus gab den Jüngern letzte Weisungen. Danach wurde er vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke entrückte ihn ihren Blicken.

Die Himmelfahrt des Herrn ist ein Geheimnis des Glaubens, d.h. sie ist eine Tat Gottes, die das menschliche Geschehen und Verstehen übersteigt. Was hier geschehen ist, das kommt in den menschlichen Möglichkeiten nicht vor. Einen ganzen Monat lang, über einen Monat, hatte Jesus sich den Jüngern gezeigt. Aber auch einem Ungläubigen, dem Saulus. Er ist ihnen sichtbar geworden, nicht einmal, sondern vielmals. Nicht vor denselben Personen, sondern immer wieder vor anderen. Er wollte in dieser Zeit ihren Glauben an seine wahrhaftige, leibhaftige Auferstehung stärken. Und das ist ihm gelungen. Dann verlässt er die Jünger. Aber, meine lieben Freunde, die Himmelfahrt, die wir heute feiern, ist nicht die erste, sondern die letzte. Jesus ist sogleich nach seiner Auferstehung in den Himmel aufgefahren. Woher wissen wir das? Als Maria Magdalena die Erscheinung des Auferstandenen hatte, da gebot ihr der Herr: „Rühr‘ mich nicht an! Ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater. Aber gehe hin und sage meinen Brüdern, ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.“ Daraus ziehe ich, und wie ich weiß, gelehrtere Leute als ich, die Folgerung, dass Jesus sofort nach seiner Auferstehung die Himmelfahrt angetreten hat. Das ist es, was das Neue Testament als „Erhöhung“ bezeichnet. Auferstehung und Himmelfahrt gehören unzerreißbar zusammen. Das heißt natürlich: Der Herr ist jeweils vom Himmel erschienen, wenn er sich den Jüngern zeigte. Und er hat jeweils nach dieser Erscheinung sich zum Himmel zurückbegeben. Die letzte Erscheinung Jesu und das letzte Zurückkehren sind der Inhalt des Festes, das wir heute begehen. Es handelt sich hier nicht um ein neues Heilsereignis, sondern um den Abschluss des ganzen Heilsgeschehens.

Die Himmelfahrt des Herrn ist ein Geheimnis des Glaubens. Sie ist eine Tat Gottes, die das menschliche Verstehen übersteigt. So etwas wie die Himmelfahrt Jesu kommt im Bereich des Menschlichen nicht vor, nicht mehr vor. Sie ist die Vollendung der messianischen Sendung des Sohnes Gottes. Aber dieser Geheimnischarakter hindert nicht, dass die Himmelfahrt ein Geschehen ist, das nach Zeit und Ort festliegt, eine geschichtliche Tatsache, d.h. eine sich in Raum und Zeit vollziehende Tatsache. Der Ort der Himmelfahrt ist der Ölberg. Der Platz der tiefsten Erniedrigung Jesu sollte auch die Stätte seiner höchsten Erhöhung sein. Nie war Jesus menschlicher als in seiner Todesangst am Ölberg. Nie war er göttlicher als in der Himmelfahrt von diesem Ölberg.

Der Herr gab den Jüngern vor seiner letzten Himmelfahrt auch letzte Weisungen. Er gebot ihnen: „Geht nicht fort von Jerusalem, sondern wartet auf die Verheißung des Vaters, die ihr von mir vernommen hat.“ Die Verheißung des Vaters, das ist die Ankunft des Heiligen Geistes. „Ihr werdet mit Heiligem Geist getauft werden. Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird, und ihr werdet meine Zeugen sein.“ Die Himmelfahrt ist also das abschließende Ereignis des Heilswirkens Jesu auf dieser Erde in seiner irdischen, in seiner menschlichen Gestalt. Fortan ist er nur noch der Verklärte, der aus der Herrlichkeit des Himmels die Seinen tröstet, stärkt und geleitet.

Die Weise der letzten Himmelfahrt wird uns beschrieben als eine räumliche Bewegung. „Er wurde emporgehoben.“ Das besagt nicht, dass Jesus auf einen fernen Stern entrückt wurde, sondern dass er in den Hoheitsbereich Gottes aufgenommen wurde. Wir können keinen einzigen Ort im Weltall ausmachen, der geeignet wäre, die menschliche Natur Jesu aufzunehmen. Jesus ist in die Herrlichkeit Gottes, in den Hoheitsbereich Gottes aufgenommen. Mehr können wir nicht sagen. Die räumliche Bewegung ist also ein Symbol, ein Hinweis auf die himmlische Verherrlichung. Sie geht nach oben, weil eben oben das Helle, das Lichte, das Unveränderliche ist, während unten die dumpfe, die stumme, die finstere Erde ist. Und deswegen musste die Bewegung, wenn sie in die Herrlichkeit Gottes führen sollte, nach oben vorgenommen werden. „Eine Wolke erschien.“ Die Wolke ist das biblische Zeichen für die Gegenwart Gottes. Denken wir an die Verklärung auf dem Berge Tabor. Da hieß es: „Eine lichte Wolke überschattete die Jünger und eine Stimme ertönte aus der Wolke.“ So deutet auch die Wolke bei der letzten Himmelfahrt Jesu auf die wirksame Gegenwart des himmlischen Vaters. Was hier geschieht, ist Gottes Tat. Der Sohn, der vom Vater ausgegangen und in die Welt gekommen ist, verlässt die Welt wieder und geht zum Vater.

In dieser Rückkehr zum Vater findet die Erhöhung zur Rechten des Vaters ihre Verwirklichung. Sie war schon im Alten Testament vorausgesagt worden. „Es spricht der Herr zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten und ich werde deine Feinde dir zum Schemel deiner Füsse legen.“ So heißt es im Psalm 109. Das hat sich jetzt erfüllt. Zur „Rechten Gottes sitzen“ ist natürlich ein Bild, denn Gott hat weder eine rechte noch eine linke Seite. Er ist ja kein Mensch. Zur Rechten Gottes sitzen besagt, an der Königsherrschaft und Gotteswürde teilzunehmen. Die Urgemeinde hat aus diesem Glauben gelebt. Der Herr hat ja auch diese Erhöhung vorausgesagt, nämlich vor dem jüdischen Gericht. „Ihr werdet den Menschensohn zur Rechten Gottes und mit den Wolken des Himmels kommen sehen.“ Da zerriss der Hohepriester seine Kleider. So etwas hat er noch nie gehört. Das war ja unerhört, was dieser Jesus von Nazareth ihm da vor die Füße wirft. „Von nun an wird der Menschensohn zur Rechten des allmächtigen Gottes sitzen“, heißt es bei Lukas. Und der Diakon Stephanus, der Erzmartyrer, sah, als er gesteinigt wurde, den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen, nicht sitzen, stehen! Warum stehen? Er ist aufgestanden, um seinen Martyrer aufzunehmen. Das alles sind, ich gebe es zu, Bilder, aber Bilder, die etwas Wirkliches beinhalten. Das Sitzen zur Rechten Gottes ist aus den menschlichen Verhältnissen entnommen. Rechts ist ja der Ehrenplatz. Wir können überhaupt nur mit menschlichen Begriffen von Gott reden, andere haben wir nicht. Wenn wir auf sie verzichten wollten, dann müssten wir aufhören, von Gott zu reden. Also dieses Bild vom Sitzen zur Rechten Gottes besagt die Teilhabe an der Königsherrschaft und an der Gotteswürde des ewigen Vaters. Diese Wirklichkeit war für die junge Kirche eine zentrale Wahrheit, denn sie verstand sich ja nicht als eine von Menschen versammelte Gruppierung, sondern als das von Gott zusammengerufene Volk, das er vom Himmel her leitet. Und deswegen wird immer wieder hervorgehoben, dass Jesus zur Rechten Gottes sitzt. Im Römerbrief schreibt der Apostel Paulus: „Christus ist gestorben, ja er ist auferstanden und sitzt zur Rechten Gottes und tritt für uns ein.“ Ähnlich heißt es im Brief an die Kolosser: „Ihr seid mit Christus auferweckt. Darum strebt nach dem, was im Himmel ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt.“ Und ähnlich wird im Hebräerbrief ausgeführt: „Wir haben einen Hohenpriester, der sich zur Rechten des Thrones der Majestät Gottes gesetzt hat.“ Die übrigen Apostel verkünden nichts anderes. Petrus schreibt in seinem ersten Brief, dass Christus in die Himmel gegangen ist und dort zur Rechten Gottes sitzt, über alle Engel, Gewalten und Mächte erhaben. In seiner Pfingstpredigt zeigt Petrus den Zusammenhang auf zwischen der Erhöhung Christi in der Himmelfahrt und der Geistausgießung: Wenn Christus geht, kommt der Geist. „Nachdem Christus durch die Hand Gottes erhöht worden ist, hat er vom Vater den verheißenen Geist empfangen und ihn ausgegossen.“ Das war das Pfingstereignis. Der Vater schenkt dem Sohn gleichsam den Heiligen Geist als Gabe für seinen Kampf und seinen Sieg. Und der Sohn gibt ihn weiter an seine Jünger. So erfüllt sich die Voraussage Jesu: „Wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen. Wenn ich aber fortgehe, werde ich ihn euch senden.“ Das heißt, nur durch die Heimkehr zum Vater, nur durch die Rückkehr in die himmlische Herrlichkeit, nur durch die Himmelfahrt hat Jesus den Heiligen Geist empfangen können. Und als er ihn dann gesandt hat, da erfüllte sich das, was Jesus immer gepredigt hatte, nämlich: Jetzt reift die Vision des Reiches. Erst durch die Herabkunft des Heiligen Geistes wird das Reich Gottes auf Erden hergestellt. Erst nachdem die Jünger die Kraft aus der Höhe empfangen haben, sind sie fähig und geeignet, seine Zeugen zu werden bis an die Grenzen der Erde. Auferstehung, Himmelfahrt und Geistsendung sind also in innigster und untrennbarer Weise miteinander verbunden. Sie gehören zusammen, weil sie das Heilswirken des Heilandes einschließen. Aber noch steht eines aus: die Wiederkunft des zum Vater aufgefahrenen Jesus. Sie wird so sicher stattfinden wie die Rückkehr zum Vater. Dieses künftige Ereignis ist bereits angekündigt: Die Engel der Himmelfahrt bedeuten den Jüngern: „Dieser Jesus, der von euch fortging in den Himmel, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt auffahren sehen.“ Sichtbar! Alle werden ihn sehen, auch die, die ihn durchbohrt haben.

Noch, meine lieben Freunde, harren wir. Noch spähen wir die grauen Horizonte ab nach dem ersten Schimmer seines Lichtes. Noch flehen wir „Komm Herr Jesus!“ Er wird kommen. Er wird kommen, wie der Blitz aufzuckt im Osten und bis zum Westen scheint. Er wird kommen wie das Schicksal, unentrinnbar, denn er ist das Schicksal der Welt.

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt