Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
11. April 2010

Das Geheimnis der leibhaften Auferstehung

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Am vergangenen Sonntag und am darauffolgenden Montag haben wir die Beweise für die wirkliche Auferstehung unseres Herrn und Heilandes bedacht. Wir haben erkannt, dass die Kirche zu Recht sagt: „Christus ist wahrhaft auferstanden.“ Wahrhaft, das heißt wirklich. Nicht in der Phantasie, auch nicht in der Theologie, sondern in der geschichtlichen Wirklichkeit ist Christus auferstanden. Der Herr ist „leibhaft“ auferstanden, nicht nur in einer symbolischen, in einer geistigen Weise, nein, er ist leibhaft, leibhaftig, auferstanden. Es bleibt uns heute zu untersuchen: Wie können wir das verstehen, dass Christus wirklich auferstanden ist, leibhaftig, und dass er doch, wie wir eben gehört haben, durch verschlossene Türen geht und plötzlich vor den Jüngern steht?

Der Auferstehungsleib ist, wie alles, was Gott tut, ein Geheimnis Gottes. Durchschaut werden kann diese Wirklichkeit des Auferstehungsleibes nur von einem, nämlich von Gott selbst. Aber wir ergreifen dieses Glaubensgeheimnis im Glauben, und wir besitzen eine analoge Anschauung, ein analoges Verständnis von dem, was Gott in seiner wollen Wirklichkeit schaut. Die Voraussetzung der Auferstehung ist der Tod. Die Qual der Kreuzigung, der Lanzenstich, das Grab, die Steinplatte vor dem Grab, die Wache vor dem Grab, sie alle stehen als Ankläger gegen die auf, welche die Realität des Todes Christi bezweifeln. Das tun die Mohammedaner. Sie sagen, am Kreuze habe Simon von Cyrene gehangen und nicht Christus. Und immer wieder tauchen in den Magazinen Legenden auf, dass Christus nach seinem Kreuzestode in Indien gewesen sei und dort gelebt habe, was selbstverständlich Unsinn ist. Nein, Jesus ist für uns gestorben auf dem Hügel Golgotha vor Jerusalem. Sein Tod war ein unwiderrufliches Ende. Er war nicht bloß ein Tor, durch das man hindurchschreitet, um dahinter dasselbe Leben, das bisherige Leben fortzuführen. Das ist das Mißverständnis der Sadduzäer. Die Sadduzäer glaubten nicht an die Auferstehung, und deswegen wollten sie Jesus widerlegen. Sie wollten die Auferstehung lächerlich machen. So erfanden sie eine Geschichte. Eine Frau hatte nacheinander sieben Männer. „Ja“, fragten sie dann den Heiland, „wer von den sieben wird die Frau nach der Auferstehung haben?“ Denn sie haben sie ja alle besessen. Jesus antwortete: „Ihr seid im Irrtum und versteht weder die Schrift noch die Macht Gottes. Denn in der Auferstehung werden sie sein wie die Engel Gottes. Sie werden weder heiraten noch verheiratet werden.“ Damit gibt er zum Ausdruck: Die Auferstehungswirklichkeit ist jenseits der Formen und der Weisen des irdischen Lebens. Es geht da nicht weiter, wie es bisher gewesen ist, sondern es ist ein Leben anderer Art. Wenn Christus als der gleiche wiedergekommen wäre und weitergelebt hätte wie vorher, dann trüge die Botschaft von der Auferstehung die Züge des Mythos. Der Mythos erzählt von einem fortwährenden Sterben und Auferstehen, wie es in der Natur sich vollzieht. Der Mythos ist ja nur eine Abbildung des Naturgeschehens. Im Christentum befinden wir uns nicht im Mythos, sondern auf dem Boden der Geschichte.

Es ist also von grundlegender Bedeutung, dass wir verstehen: Der Tod Jesu war nicht ein bloßer Durchgang, sondern schuf etwas Neues. Das Leben des Auferstandenen ist nicht die Fortsetzung des irdischen Lebens; es ist ein anderes Leben. Im Tode, in der Auferstehung wurde es verwandelt. Das zeigt sich darin, dass der Auferstandene nicht mehr den Gesetzen von Raum und Zeit unterliegt. Er ist zwar, weil er einen Leib hat, an Raum und Zeit gebunden, aber er untersteht nicht mehr den Gesetzen von Raum und Zeit. Das heißt: Früher ging er mit den Jüngern in Galiläa umher, redete, aß und trank mit ihnen. Jetzt ist er plötzlich bei ihnen, während sie in einem geschlossenen Raum sind, während sie eine Straße entlanggehen. Und so plötzlich, wie er gekommen ist, verschwindet er. Die Schranken des Raumes und der Zeit existieren für ihn nicht mehr.

Die Evangelien bezeugen zwei Wirklichkeiten, erstens die Realität der Leiblichkeit Jesu, zweitens die Verschiedenheit von der irdischen Körperlichkeit. Beides gilt es festzuhalten. Die Erhabenheit Christi über Raum und Zeit, über Fleisch und Blut wird manchmal so betont, dass es scheint, der Auferstandene ist ein reiner Geist. Er sagt zu Maria Magdalena: „Halte mich nicht fest. Ich bin noch nicht zum Vater aufgefahren.“ Das heißt: Ich bin nicht mehr auf der Erde als meiner Heimat, sondern im Himmel. Die Jünger tagen bei verschlossenen Türen aus Furcht vor den Juden. Aber die verschlossenen Türen hindern den Auferstandenen nicht, bei ihnen gegenwärtig zu werden. Zu den Emmausjüngern gesellt sich plötzlich der Auferstandene und geht mit ihnen, und als sie ihn erkennen am Brotbrechen, da verschwindet er. Das Allermerkwürdigste ist, dass der Auferstandene von den Seinen gar nicht erkannt wird. Die Emmausjünger ziehen auf der Straße dahin, aber, so bemerkt Lukas, „ihre Augen waren gehalten, so dass sie ihn nicht erkannten“. Maria Magdalene sieht Jesus dastehen, aber sie wußte nicht, dass es Jesus war. Die Jünger fischen im See Tiberias. Jesus steht am Ufer, aber, so schreibt der Apostel Johannes, „sie wußten nicht, dass es Jesus war“. Der Auferstandene erschien ihnen also in einer veränderten Gestalt. Er ist anders geworden auch in der Erscheinung, die er gegenüber seinen Getreuen annimmt. Dennoch ist er erkennbar, sogar untrüglich erkennbar, nämlich als der Jesus von Nazareth. Er erscheint in einer deutlichen Körperlichkeit. Er zeigt seine Hände und seine Füße. „Betastet mich“, sagt er, „und schaut mich an.“ Die Frauen umfassen seine Füße. „Habt ihr etwas zu essen?“ fragt er. Sie reichen ihm einen Fisch und einen Honigkuchen. Das sind keine Legenden, meine lieben Freunde, es ist im Orient üblich, dass man zum Fisch Honigkuchen ißt, um etwa vom Fisch ausgehende gefährliche Stoffe zu paralysieren.

Die liberale Theologie, oder sagen wir besser: der Unglaube im Gewand der Theologie, schließt aus dieser Gegensätzlichkeit auf die Unglaubwürdigkeit der Auferstehungsberichte. In Wirklichkeit schließen sich diese gegensätzlichen Darstellungen nicht aus, sie ergänzen sich. Erst in ihrem Zusammenhang wird der Auferstandene wirklich vor uns sichtbar. Dass diese beiden Wirklichkeiten, nämlich die Geisthaftigkeit und die Leiblichkeit, sich nicht ausschließen, das sieht man schon daran, dass sie in ein und demselben Evangelium vorkommen. Die Evangelisten haben darin keinen Widerspruch gesehen, sondern sie haben das als zwei Seiten ein und derselben Wirklichkeit angesehen. Der Auferstandene wird also abgesetzt vom leiblosen Dasein, er wird aber auch abgesetzt zur massiven Körperlichkeit. Er hat ein leibhaftiges Leben, aber dieses leibhaftige Leben ist andersartig als alles, was auf Erden uns bekannt ist.

Auch hier gilt, meine Freunde: Wenn wir die Wirklichkeit des auferstandenen Heilands begreifen könnten, dann wäre sie nicht Gottes Werk. Was Gott tut, muss den Menschen unfaßlich bleiben. Das hängt mit seiner Transzendenz, mit seiner absoluten Transzendenz zusammen. Gott ist anders als alles, was wir auf Erden kennen. Und deswegen wirkt er auch anders als alles, was uns auf Erden begegnet. Wenn die Werke Gottes vom menschlichen Verstand begriffen werden könnten, dann wären sie nicht wunderbar.

Indes muss man sich bemühen, den Auferstehungsleib des Herrn zu verstehen. Paulus hat dieses Bemühen in seinem 1. Korintherbrief sehr weit getrieben. Der sagt: Seht einmal in die Natur. Da wird etwas gesät, aber der Same ist nicht gleich der Pflanze. Aus dem Samen wird die Pflanze, und das ist ein großer Unterschied. Oder es gibt verschiedene Arten von Fleisch, das Fleisch der vierfüßigen Tiere ist anders als das Fleisch der Fische, und das Fleisch der Vögel ist anders als das Fleisch des Menschen. Dann macht er noch einen weiteren Vergleich: Es gibt himmlische Körper, und es gibt irdische Körper. Aber anders ist die Herrlichkeit der irdischen und anders die Herrlichkeit der himmlischen Körper. So verhält es sich auch, sagt er dann abschließend, mit der Auferstehung des Herrn. „Gesät wird in Verweslichkeit, auferweckt in Unverweslichkeit. Gesät wird in Unansehnlichkeit, auferweckt in Herrlichkeit. Gesät wird in Schwachheit, auferweckt in Kraft. Gesät wird ein irdischer Leib, auferweckt ein geistlicher Leib.“ Man spürt, wie Paulus mit den Begriffen und mit den Vorstellungen ringt, um der Gemeinde in Korinth wenigstens eine Ahnung von der Wirklichkeit des Auferstehungsleibes des Herrn zu vermitteln. Er hat ja den Herrn vor Damaskus als Lichterscheinung erfahren. Er sah den Auferstandenen als ein Lichtwesen. Seine Leiblichkeit war verklärt. Auf dem Antlitz Christi leuchtete ihm die Herrlichkeit Gottes entgegen, und aus dem Glanze, der ihm umfing, hörte er die Stimme: „Ich bin Jesus, den du verfolgst.“

Paulus ist auch überzeugt, dass die Herrlichkeit des Herrn einmal allen Menschen offenbar werden wird. Beim Jüngsten Gericht, bei der Auferstehung der Toten, wenn alle sich vor dem Richter versammeln werden, da wird die Majestät seines Antlitzes die Frevler verderben. „Der Herr“, so heißt es im 2. Thessalonicherbrief, „wird den Gottlosen töten mit dem Hauch seines Mundes und ihn vernichten durch den Glanz seiner Wiederkunft. Die Gottlosen werden mit ewigem Verderben büßen, getrennt vom Herrn und von seiner überwältigenden Herrlichkeit, wenn er kommen wird, um verherrlicht zu werden.“

Der Herr hat auch versucht, zu seinen Lebzeiten in seinem irdischen Leben die Jünger auf seine verklärte Leiblichkeit vorzubereiten. Bei der Verklärung auf dem Berge Tabor hat er ihnen eine Ahnung gegeben von dem, was einmal an ihm geschehen sollte: „Da leuchtete sein Antlitz wie die Sonne, seine Kleider glänzten wir das Licht“, so schreibt der Apostel Matthäus. Sie glänzten wie das Licht. Der Leib Christi war lichthaft geworden. Er wurde von innen durchleuchtet durch die Herrlichkeit Gottes.

Während des irdischen Lebens war die menschliche Natur Jesu ebensosehr Offenbarung wie Verhüllung seiner Gottesherrlichkeit, ja, man muss sagen, mehr Verhüllung als Enthüllung. Die Herrlichkeit war verborgen. Nach der Auferstehung ist Gottes Herrlichkeit am verklärten Leibe Christi offenbar. Die menschliche Natur kann die Herrlichkeit Gottes, ohne gleichsam weggeschmolzen zu werden, nur dann aufnehmen, wenn die durch Gottes Macht verwandelt wird. Das eben ist in der Auferstehung des Herrn geschehen. Der Heilige Geist hat die menschliche Natur, die er ja geschaffen hat, verwandelt, so dass sie die Darstellung der Herrlichkeit Gottes werden konnte. In ihr ist jetzt Gottes Herrlichkeit zugänglich, erschaubar, für das dafür ausgerüstete Auge sichtbar.

Dennoch kann man nicht sagen, die menschliche Natur Jesu sei etwas völlig Neues. Nein, sie ist identisch. Sie ist das verwandelte Alte. Jener Leib, der am Kreuze verblutete, der in Tücher gehüllt wurde, der ins das Grab gesenkt wurde, der von den Wächtern bewacht wurde, dieser Leib ist es, der durch den Heiligen Geist verwandelt wurde. Zum Zeichen dessen, dass es ein wirklicher Leib ist, läßt sie der Herr die Dichtigkeit seines Leibes spüren. Er läßt die Finger in seine Sunden legen, er läßt die Hand in seine Seite legen, er spricht und ißt mit ihnen. Der Auferstandene ist derselbe wie der Gekreuzigte, aber er ist anders geworden.

Das alles, meine lieben Freunde, ist unerhört, ist noch nie dagewesen. Eben das ist es: Es ist noch nie dagewesen. Was Gott an Jesus von Nazareth gewirkt hat, ist absolut einmalig, es ist eine Großtat Gottes von einzigartiger Erhabenheit. Das haben die Zeitgenossen Jesu schon gespürt, als er auf Erden wandelte. Er hat in Kapharnaum den Gichtbrüchigen geheilt. Der Kranke nahm sein Bett, stand auf und ging vor aller Augen nach Hause. Da gerieten die Menschen, die das sahen, außer sich und sagten: „So etwas haben wir noch nie gesehen!“ Genau das ist es. Das konnten sie auch nicht gesehen haben, denn nur einmal ist Gott auf dieser Erde erschienen. Nur einmal hat er gepredigt und geheilt, ist gestorben und auferweckt worden. Eben das ist das Christentum, einzigartig und einmalig, konkurrenzlos unter allen Religionen. Alle anderen Religionen sind von Menschen gemacht. In ihnen drückt sich die Ahnung vom Numinosen, vom Göttlichen, aus und auch die Sehnsucht nach dem Numinosen, nach dem Göttlichen. Aber sie alle stammen von unten, allein das Christentum stammt von oben. Das Christentum ist die Schöpfung Gottes, und Gott hat auch den Auferstandenen geschaffen. Er ist den Jüngern begegnet. Sie haben ihn erlebt. Er hat sich ihnen unauslöschlich eingeprägt, so unauslöschlich, dass einer von ihnen schreiben konnte: „Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des Einziggeborenen vom Vater, voll der Gnade und Wahrheit.“

Amen.

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