Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
6. Januar 2010

Die dreifache Botschaft der Weisen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier der Erscheinung unseres Herrn Versammelte!

Magoi, Magier, Weise nennt die Heilige Schrift die Männer, die aus dem Fernen Osten, aus dem Iran oder aus dem Irak an die Stätte eilten, wo Jesus geboren wurde. Nach damaligen Begriffen waren sie weise Männer. Sie beherrschten die Kunst der Astronomie, und das ist eine hohe Kunst. Als Astronomen waren sie gewohnt, den Himmel zu beobachten. Und sie entdeckten einen Stern, den sie bisher nicht gesehen hatten, einen neuen Stern, eine Nova vielleicht oder das Zusammentreten – wie manche meinen – von Jupiter und Mars im Sternbild der Fische, eine Konstellation, eine Konjunktion, wie es fachmännisch heißt. Aber sie beruhigten sich nicht dabei. Sie sahen den Stern, und sie dachten nach, und beim Nachdenken wurde ihnen klar: Dieser Stern hat nicht nur eine astronomische Bedeutung, er ist von einer Heilsbedeutung. Es ist ein Stern, den Gott aufgestellt hat, um uns eine Botschaft zu vermitteln. Und sie machten sich auf den Weg und suchten den Judenkönig, den neugeborenen Judenkönig, den der Stern ihnen ankündigte. Und sie nahmen Geschenke mit und brachten sie ihm dar.

Meine lieben Freunde, das Geschehen um die Weisen aus dem Morgenlande enthält eine tiefe Botschaft für uns. Die Weisen begnügten sich nicht mit dem Wissen. Zu ihrem Wissen trat der Glaube. Gewiß, Gott hat ihnen kein Interview gegeben, aber er hat ihre Herzen erleuchtet, so dass sie hinter der Himmelserscheinung eine Botschaft Gottes vernahmen, die Botschaft von dem neugeborenen König der Juden. Die Gelehrsamkeit führte sie zum Stern, der Glaube führte sie zu seiner Bedeutung. Sie begriffen, dass dieser Stern mehr ist als eine astronomische Erscheinung. Sie wußten, dass Gott ihnen damit etwas ausrichten wollte. – Das Verhalten der Weisen ist eine Lehre und eine Botschaft für uns. Ich möchte sie in drei Sätzen zusammenfassen:

1. Wir müssen denken.

2. Wir müssen mit Gott rechnen.

3. Wir müssen auf Gott hören

Erstens, wir müssen denken. Wir müssen nachdenken. Wir dürfen nicht gedankenlos sein, meine lieben Freunde. Wir dürfen nicht denkscheu sein. Wir dürfen auch das Denken nicht vorzeitig anhalten und uns auf den Glauben zurückziehen. Wir müssen das Erforschbare erforschen und das Unerforschbare schweigend und ehrfürchtig verehren. Nicht vorschnell sagen: Da muss man halt glauben, nein, sondern auch sagen: Man muss denken. Man muss auch in der Religion denken. Die Kirche hat stets die Vernunft, den Verstand für die Religion in Anspruch genommen, und niemand tut das mehr als der gegenwärtige Heilige Vater. Er hebt immer wieder hervor, dass wir den Verstand benutzen müssen, um die Präliminarien des Glaubens zu begreifen und um unter der Führung des Geistes in den Inhalt des Glaubens einzudringen.

Das Erste Vatikanische Konzil hat den folgenschweren Satz definiert: „Der Mensch kann Gott, den Ursprung und das Ziel aller Dinge, mit dem natürlichen Lichte des Verstandes aus den geschaffenen Dingen mit Gewißheit erkennen.“ Mit dem natürlichen Licht des Verstandes, also auch ohne Glauben. Die Kirche nimmt die Vernunft in Schutz im Unterschied zum Protestantismus. Luther spricht von der „Hure Vernunft, die nach dem Bock Aristoteles stinkt“. Ein wörtlicher Ausspruch von Luther, die „Hure Vernunft, die nach dem Bock Aristoteles stinkt“. Nein, die Vernunft ist keine Hure, die Vernunft ist eine Gottesgabe. Wir müssen denken. Der schottische Schriftsteller Bruce Marshall schreibt einmal in einem seiner Bücher: „Ein großer Teil des Unheils in der Welt kommt daher, dass diejenigen, die beten, nicht denken, und diejenigen, die denken, nicht beten.“ Wie wahr, meine lieben Freunde. Ein großer Teil des Unheils in der Welt kommt daher, dass diejenigen, die beten, nicht denken, und diejenigen, die denken, nicht beten. Man muss eben beides tun. Man muss denken, und man muss beten, denn wer nicht denkt, der verpaßt Gott. Seinen Feinden hat schon der Heiland vorgehalten: „Das Aussehen des Himmels wißt ihr zu deuten, aber die Zeichen der Zeit versteht ihr nicht.“

Als Jesus bei seinem letzten Aufenthalt in Jerusalem seine Entschlossenheit offenbarte, den Leidensweg, den der Vater bestimmt hatte, zu gehen, kam eine Stimme vom Himmel: „Ich habe ihn verherrlicht, und ich werde ihn wieder verherrlichen.“ Eine Stimme vom Himmel. Aber was sagte das Volk? „Es hat gedonnert.“ Ja, meine lieben Freunde, sie haben nicht begriffen, dass Gott auch durch die Naturerscheinungen spricht. Die Umstehenden begriffen nicht, dass Gott redet. Wir müssen denken.

Zweitens, wir müssen mit Gott rechnen. Wir sind aufgerufen, bei allem, was uns begegnet, was wir erleben und erfahren, nach dem Sinn und Zweck zu fragen, und zwar nach dem Sinn und Zweck, den Gott damit verbindet. Wenn wir glauben, dass Gott die Welt lenkt, dann muss auch jedes Ereignis, jeder Erfolg, jeder Mißerfolg, jeder Unfall eine Botschaft Gottes für uns enthalten. Gott hat ja einen Plan mit der Welt und auch mit unserem Einzelleben. Diesen Plan gilt es zu erkennen. Nicht ein herzloses Schicksal sitzt am Webstuhl der Zeit. Die Vorsehung unseres treuen Gottes regiert die Welt. Schicksal war den Heiden, den blinden Heiden, eine Notwendigkeit, der sich auch die Götter beugen mußten. Jawohl, auch die Götter. Die Notwendigkeit bekam in der Offenbarung des Alten Bundes ein Auge; es hieß Vorsehung. Und die Notwendigkeit hat in der Offenbarung des Neuen Bundes ein Herz bekommen, nämlich das ist der ewige Wille der Liebe unseres Gottes. Nicht der Zufall mischt die Karten der Weltgeschichte. Nicht der Zufall würfelt über unser Leben. Wo eine unendliche Weisheit waltet, hat der Zufall keinen Raum. Vorsehung wirkt ihre höchsten Ziele durch scheinbare Zufälle. Menschliche Schwachheit kann die Pläne der göttlichen Allmacht nicht umstoßen. Ein göttlicher Baumeister kann auch mit fallenden Steinen bauen. Wir müssen denken; wir müssen mit Gott rechnen.

Wir müssen auf Gott hören. Ich halte es für eine törichte Redensart, wenn Menschen sagen: „Gott schweigt.“ Als ich ein Knabe war, erschien ein Buch von Edwin Erich Dwinger. Das Buch hatte den Titel: „Und Gott schweigt.“ Dwinger war im Ersten Weltkrieg in russische Gefangenschaft geraten, hatte mehrere Jahre in Sibirien zugebracht, war dann nach Deutschland zurückgekehrt und beobachtete das Geschehen in der Sowjetunion genau. Und er kannte natürlich all die Gräuel, die dabei geschehen sind. Und ob dieser Gräuel schrieb er das Buch „Und Gott schweigt“. Ich würde sagen: Dwinger hat Gott mißverstanden. Er hat sein Schweigen nicht begriffen. Er hätte dazu sagen müssen: Und Gott wartet. Er wartet, bis seine Stunde schlägt, und dann spricht er unübersehbar und unüberhörbar. Gott redet. Er redet mit tausend Stimmen. Er redet durch Wohltaten, er redet aber auch durch Strafgerichte. Er redet durch das Gewissen, aber auch durch äußere Geschehnisse. Gott redet durch das Glück, aber er redet auch durch das Unglück. Nachdenken muss man, was es bedeutet, wenn der Regen ausbleibt. Nachdenken muss man, was es besagen will, wenn der Orkan die Bäume entwurzelt. Wenn die Menschen nicht nachdenken und weil sie nicht nachdenken, hören sie nicht Gottes Rede.

In Dubai ist soeben das höchste Haus der ganzen Welt eingeweiht worden, 828 Meter hoch. Ein Wunderwerk der Technik aus Stahl und Beton. Aber es gibt nicht nur rühmende Stimmen. Es erheben sich auch warnende Stimmen von Ingenieuren. Und sie sagen: Ist das nicht Größenwahn? Ist das nicht eine Erneuerung des Turmbaus zu Babel, was da in Dubai geschieht? Gott redet auch durch die Projekte der Menschen, bei ihrem Aufbau und bei ihrem Zusammenbruch. Vor nicht langer Zeit ist das riesenhafte Stadtarchiv der großen Stadt Köln zusammengebrochen, in den Erdboden versunken. Gott redet.

Zu einem Beichtvater kam einmal eine schöne, gut aussehende, wohlhabende Frau und klagte: „Ich bin nun einmal ein Weltkind. Ich mag tun, was ich will. Ich habe gebeichtet, ich habe zur Muttergottes gebetet, ich habe Almosen gegeben. Nichts hat geholfen. Mein alter Leichtsinn ist geblieben und mit ihm auch mein Sündenleben. Welches Mittel bleibt mir noch?“ Der Beichtvater sah sie an und sprach: „Das Unglück!“

Der Schmerz ist der große Lehrer der Menschen. Unter seinem Hauch entfalten sich die Seelen. Wir sollten deswegen, wenn das Leid uns trifft, nicht fragen: Wie kann Gott das zulassen?, sondern: Was kann ich aus dieser Zulassung machen? Wie kann ich diese Zulassung am besten nützen? „Trifft dich ein Schmerz, so halte still und frag dich, was er von dir will. Der liebe Gott, er schickt dir keinen nur darum, dass du solltest weinen.“ Weil die Menschen nicht nachdenken, verstehen sie die Pläne und Schickungen Gottes nicht. Es war schon so zur Zeit Jesu. Einmal wandte er sich an die Menschen, die ihn umgaben und fragte sich: Wie kann man es ihnen recht machen? „Ihr seid wie Kinder“, sagt er, „ihr seid wie Kinder, die auf dem Markt sitzen und anderen zurufen: Wir haben euch aufgespielt, und ihr habt nicht getanzt. Wir haben die Totenklage begonnen, aber ihr habt nicht getrauert. Johannes trat auf. Er aß nicht und trank nicht, und da sagtet ihr: Er ist besessen. Der Menschensohn kam, er aß und trank. Da sagt ihr: Er ist ein Schlemmer und ein Trinker. Und gerechtfertigt wurde die Weisheit durch ihre Werke.“

Die Weisen haben gesehen und nachgedacht, und als sie nachdachten, empfingen sie die göttliche Erleuchtung. Der den Weisen aus dem Morgenland das Zeichen gab, verlieh ihnen auch die Fähigkeit, es zu deuten. Und was er erkennen ließ, das ließ er auch suchen. Und als sie ihn suchten, da ließ er sich finden.

Der große französische Mathematiker Pascal hat einmal geschrieben: „Es gibt drei Arten von Menschen. Die einen dienen Gott, weil sie ihn gefunden haben, die anderen suchen ihn, weil sie ihn noch nicht gefunden haben, die dritten aber leben dahin, ohne ihn zu suchen und ohne ihm zu dienen. Die ersten sind vernünftig und glücklich, die zweiten sind vernünftig und unglücklich, die dritten unvernünftig und unglücklich.“ Wir, meine lieben Freunde, die wir Gott kennen, sind vernünftig und glücklich. Halten wir fest, was wir besitzen. Sprechen wir nach, was ein unbekannter Dichter in diesen Tagen geschrieben hat:

„Gib mir Kraft für einen Tag. Herr, ich bitte nur für diesen,

dass mir werde zugewiesen, was ich heute brauchen mag.

Jeder Tag hat seine Last, jeder Tag bringt neue Sorgen,

und ich weiß nicht, was für morgen du mir, Herr, beschieden hast.

Aber eines weiß ich fest, dass mein Gott, der seine Treue

täglich mir erwies aufs Neue, sich auch morgen finden läßt.

Gib noch heute deinen Geist, dass das Band wird stark erfunden,

das mich hält mit dir verbunden und bis morgen nicht zerreißt.

Und so will ich meine Bahn ohne Sorgen weiterschreiten.

Du wirst Schritt um Schritt mich leiten, bis der letzte Schritt getan.“

Amen.

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