Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
14. Dezember 2008

Apokalypse in unserer Zeit

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir leben in der Gegenwart, und wir glauben die Vergangenheit zu kennen. Aber die Zukunft ist uns verschlossen. Allein der Herr der Zukunft, der Herr aller Zeiten, nämlich Gott, kann uns einen Blick in die kommenden Wirklichkeiten eröffnen. Und er hat es getan in der Apokalypse, in der Offenbarung des Apostels Johannes. Eines geht aus dieser Offenbarung mit Sicherheit hervor: Es wird nicht immer besser auf Erden, es wird immer schlimmer! Je näher wir dem Ende kommen, um so schrecklicher werden die Ereignisse, die auf Erden sich zutragen werden. Die Apokalypse enthüllt uns die steigende Macht und das machtvolle Wirken Satans und seiner Satelliten – in Bildern. Aber diese Bilder können und müssen gedeutet werden. Bei der Deutung kann man in die Irre gehen. In jedem Falle ist ein Wahrheitskern in diesen Bildern enthalten.

Und so sieht Johannes am Himmel ein Zeichen. Ein großer Drache, ein roter Drache mit sieben Häuptern, zehn Hörnern und sieben Kronen auf seinen Häuptern. Der Drache ist die widergöttliche Macht. Er ist das dämonische Wesen, in dem alles zusammengefasst ist, was gottfeindlich ist. Der Drache ist die Schlange, der Teufel, der Satan. Unter dem Bilde des Drachen schildert uns der Apostel Johannes das Auftreten Satans in der Endzeit. Die Hörner, die Köpfe und die Kronen deuten auf übermenschliche Macht und übermenschlichen Geist. Beides besitzt Satan in Fülle: übermenschliche Macht und übermenschlichen Geist. Dieser Drache entfaltet eine ungeheure äußere Macht. Er ist tatsächlich der Herrscher der Welt. Die ganze Welt betet ihn an, beugt ihr Knie vor ihm, alle jene, deren Namen nicht im Lebensbuche des Lammes eingetragen sind.

Satan hat Dienstmänner, zwei irdische Dienstmänner, Menschen. Sie werden in der Apokalypse dargestellt unter dem Bilde von Tieren. Darin wird das Irrationale, das Grausame, das Fremdartige dieser Herrscher ausgedrückt. Johannes sieht zuerst ein Tier aus dem Meere aufsteigen. Auch dieses Tier hat sieben Häupter, zehn Hörner und zehn Kronen auf den Hörnern, und auf den Häuptern stehen gotteslästerliche Namen. Dieses Tier, also der widergöttliche Herrscher, besitzt eine unerhörte Macht. Sie wird angedeutet mit den Hörnern und mit den Kronen. Macht imponiert den Menschen immer, und so gehen sie vor dem Herrscher in die Knie. Das Tier empört sich gegen Gott; es möchte sich an seine Stelle setzen. Es möchte ihn entthronen, und deswegen tut es seinen Mund auf zu Lästerungen wider Gott, seine Wohnung und die Himmelsdinge.

Was Johannes hier sagt, ist von Paulus in ähnlicher Weise gelehrt worden. Im 2. Thessalonicherbrief sagt er: „Der Sieg Christi kommt, aber zuvor muss der Mensch der Gottlosigkeit offenbar werden, der sich über alles erhebt, was Gott oder Heiligtum heißt, der sich sogar in den Tempel Gottes setzt und sich für Gott ausgibt.“ Der gottfeindliche Herrscher äfft Christus nach. Er spielt den vom Tode Erstandenen. Er behauptet, das Zentralwunder des Christentums wiederholen zu können.

Neben das Tier aus dem Meere tritt das Tier von der Erde. Es hat nur zwei Hörner wie ein Lamm, aber es redete wie ein Drache. Die ganze Gewalt des ersten Tieres übt es unter dessen Augen aus und bewirkt, dass die Erde und ihre Bewohner das erste Tier anbeten, dessen Todeswunde geheilt wurde. Der äußere Schein und das innere Wesen dieses Tieres gehen auseinander. Nach außen scheint es harmlos, sanftmütig wie ein Lamm, aber innerlich ist es voll Bosheit und Haß. Das Tier von der Erde ist das willige Werkzeug des gottlosen Herrschers. Es ist sein Propagandist, es verleitet nämlich die Bewohner der Erde zur Anbetung des ersten Tieres. Und um seine Verkündigung zu unterstützen, wirkt es große Schauwunder. Durch diese Schauwunder, durch diese Zeichen – es lässt sogar Feuer vom Himmel fallen – verführt es die Bewohner, sich ein Bild es ersten Tieres zu machen, und es empfängt die Macht, dem Bilde des Tieres Leben zu verleihen, so dass es redet. Das Zusammenwirken der beiden Tiere wirkt lähmend auf die Menschen. Sie meinen, dass Widerstand zwecklos ist. Sie denken: Es ist alles verloren.

So wird es am Ende sein. Aber, meine lieben Freunde, die Endereignisse werfen ihre Schatten in die Gegenwart voraus. Was am Ende in furchtbarer Gewalt und Macht sich darbieten wird, das ist in gewisser Hinsicht immer schon gegenwärtig. Wie könnte sonst Johannes, also am Ende des 1. Jahrhunderts, schreiben, dass jetzt schon die Antichristen unter uns sind? Das ist ein Zeichen dafür, dass jede Epoche, dass jede Zeit mit dem Kommen, mit dem Auftreten von Antichristen rechnen muss. Erst beim letzten werden wir wissen, dass es der letzte ist, aber zuvor müssen wir stets damit rechnen, dass es der letzte sein könnte.

Der Drache arbeitet mit den Waffen der Lüge und der Lästerung. Er führt eine neue Liturgie ein. Sie gilt seiner Auferstehung von den Toten. Die ganze Erde verführt er, ihn anzubeten. Er stellt sich als den Einzigartigen, als den Unüberwindlichen dar. „Wer ist gleich dem Tiere und kann mit ihm kämpfen?“ Die ganze Welt staunt über das Tier, und man betet den Drachen an, der dem Tiere die Macht gegeben hat, und das Tier: Wer ist dem Tiere gleich? Wer kann mit ihm streiten? Mit dieser satanischen Liturgie gelingt es ihm, die Menschen für sich zu gewinnen. Große Zeichen und Wunder geben der Verführung den Anstrich der Wahrheit. Lästerungen gegen Gott entströmen dem riesigen Maul des Tieres. Auch hier, meine lieben Freunde, können wir fragen: Ist dieser Zustand nicht in gewisser Hinsicht eine Gegenwart? Wir Älteren haben die Zeit des Nationalsozialismus erlebt. Und wer damals die Apokalypse gelesen hat, der konnte den Eindruck gewinnen, dass das Tier aus dem Meere sich in Hitler verkörpert und das Tier von der Erde in Josef Goebbels, denn er war es, der die Menschen verführt hat, ich möchte sagen: fast zur Anbetung des Herrschers über Europa.

In unserer Zeit ist die Lüge frech. Sie weiß, dass sie lügt, aber sie schämt sich nicht. Sie hat das Lügen gelernt und die Scham verlernt. Darin offenbart sich der Zusammenhang unserer Zeit mit der Schilderung der Apokalypse. Wir stammen aber aus der Wahrheit. Wir sind dem zugehörig, der die Wahrheit selbst ist. Wir hören auf seine Stimme, die aus der Wahrheit ist. Und deswegen kommt so viel auf die Wahrheit an. Nicht wenige Menschen, auch meine Schulkameraden, fragen mich manchmal: Ja, warum ist denn der Papst so unversöhnlich, warum beharrt er so auf der Wahrheit, auf seiner Wahrheit? Warum gibt es nicht die Einigung? Meine lieben Freunde, weil wir Anhänger und Diener dessen sind, der gekommen ist, der Wahrheit Zeugnis zu geben. Deswegen darf kein Deut und kein Jota von der Wahrheit abgegangen werden. Wir müssen der Wahrheit Zeugnis geben und dürfen von ihr nicht um einen Millimeter abweichen.

Satan herrscht als Despot. Seine ungeheure Macht benutzt er zur Knechtung der Erde. Seine Untertanen sind seine Sklaven. Wehe dem, der sich ihm nicht unterwirft! Er sorgt dafür, dass nur noch kaufen und verkaufen kann, wer das Zeichen des Tieres an der Stirn trägt. Wer das Bild des Tieres nicht anbetet, der wird von ihm mit dem Tode bestraft. Er verfällt nicht bloß den Boykott, nein, er verhungert und erfriert.

Der Satan weiß, dass man vom Negativen allein nicht leben kann. Er ist schlau. Und deswegen sucht er den Menschen Felder der Befriedigung zu belassen. Welche Felder sind das? Er gibt den Menschen die Leidenschaften frei. Er entfesselt die Triebwelt, damit sie dann umso eher und sicherer nach seiner Pfeife tanzen. Der Mensch, der der Leidenschaft verfallen ist, ist stets am leichtesten zu beherrschen. Der Mensch der Leidenschaft verübt sogar Verbrechen, um seiner Leidenschaft frönen zu können. Ich meine, dass dieser Zustand heute weitgehend erreicht ist. Denken Sie an das 19., auch noch an das 20. Jahrhundert, als die stärkste Leidenschaft des Menschen, nämlich die Geschlechtslust, in bestimmter Hinsicht unter Strafe gestellt war. Es gab einen Paragraphen, der den Ehebruch unter Strafe stellte; es gab einen Paragraphen, der die Homosexualität unter strenge Strafe stellte, mit Zuchthaus bestrafte. Alles haben die heutigen Dienstmänner Satans freigegeben. Die Leidenschaft wuchert, das Laster ist frech, und wenn heute die Strafen noch bestünden, dann müsste so mancher Ministerpräsident hinter Gitter kommen!

Dem Geiste des Libertinismus und dem Terror der Gewalt setzen wir Christen den Geist der Freiheit entgegen. Wer sich Gott ausgeliefert hat, der ist frei, frei von seinen Leidenschaften, frei von der Verführung, stark gegenüber der Verlockung, auch fest gegenüber der Drohung. Der gläubige Mensch bewahrt sich die Freiheit des Denkens und die Freiheit des Urteils. Er lässt sich nicht fesseln vom Zeitgeist, von den Strömungen, von den Tendenzen der Zeit. Er behauptet sich gegenüber unlauteren Mehrheiten.

Wir wissen nicht, meine lieben Freunde, wann das Ende gekommen ist. Wir werden es erst wissen, wenn die Endzeit eingetreten ist. Aber auch, wenn die Ereignisse noch fern sein sollten, verliert die Prophezeiung der Apokalypse nicht ihren Wert. Denn diese Ereignisse sind eben in gewisser Hinsicht immer schon gegenwärtig. Sie werfen ihre Schatten voraus. Immer ist das Geheimnis der Bosheit am Werke. Immer steht die gottfeindliche Macht gegen das Christentum auf. Immer hat die gottfeindliche Gewalt ihre Propheten, entfaltet eine anmaßende Äußerlichkeit, bläht sich auf und schreckt. Weil es so ist, kann Johannes am Ende des 1. Jahrhunderts schreiben: „Schon jetzt gibt es viele Antichristen.“ Und fast 2000 Jahre später, im 19. Jahrhundert, schrieb der englische Kardinal Newman: „Die Sache Christi liegt immer im Todeskampf; die Heiligen sind immer im Verschwinden und Christus ist immer im Kommen.“

Ist aber vielleicht, so kann man fragen, unsere Zeit dem Ende näher als frührer Epochen? Bereitet sich dieser Zustand vielleicht jetzt schon vor? Wie steht es um die Globalisierung, von der heute so oft die Rede ist? Was besagt Globalisierung? Nun, sie besagt zunächst einmal die Entstehung weltweiter Märkte, die zunehmende Internationalisierung des Handels, der Kapitalmärkte, der Produktmärkte, der Dienstleistungsmärkte, die internationale Verflechtung der Volkswirtschaften. Infolge der Globalisierung hängt jedes Land vom anderen ab. Wenn Amerika Schnupfen bekommt, haben wir die Grippe. Die gegenwärtige Finanzkrise, die in eine Wirtschaftskrise mündet, zeigt uns, wie gefährlich die Globalisierung ist. Ich bin aber überzeugt, dass die Globalisierung nicht nur das Wirtschaftliche, das Materielle ergreift, sondern auch das Geistige. Es besteht die Befürchtung, dass die Globalisierung zu einer Vereinheitlichung der Kultur führen könnte. Aber das wird nicht die christliche Kultur sein. Die Globalisierung macht es den Feinden des Christentums leicht, ihre gottfeindlichen Parolen zur Herrschaft zu bringen. Sie springen von einem Land ins andere. Sie sind miteinander vernetzt. Wir erleben eine weltweite Entchristlichung. In diesen Tagen hat der englische Erzbischof Murphy O’Connor ein Buch geschrieben, in dem er auf die Entwicklung in Großbritannien hinweist. Es besteht in England ein unfreundliches Klima für die Gläubigen. Religion wird immer mehr als ein Ausdruck persönlicher Exzentrik gesehen. Die Intoleranz der liberalen Skeptiker wächst. Der aggressive Atheismus breitet sich immer mehr aus. Im Januar ist geplant, in London Busse fahren zu lassen, auf denen ein Schild angebracht ist: „Gott existiert wahrscheinlich nicht. Mach es dir auf der Erde schön!“

In anderen Ländern ist die Lage nicht günstiger. Ich schaue mit Besorgnis auf ein Land,, das mir immer besonders am Herzen gelegen hat, auf Spanien. In Spanien wird der Atheismus immer aggressiver und immer erfolgreicher. Er kämpft gegen das Kreuz in den Schulen, er versucht die Kirche aus der Öffentlichkeit zu verdrängen, er diffamiert ihre Verkündigung. In den meisten Parlamenten stehen unchristliche, achristliche, antichristliche Koalitionen einem kleinen Häuflein treu gebliebener Christen gegenüber. Vergessen wir nie, was sich in Straßburg zugetragen hat. Der gläubige italienische Katholik Buttiglione konnte nicht Kommissar in Brüssel werden, weil er ein gläubiger Katholik ist. Die Bischöfe der Vereinigten Staaten schauen mit Besorgnis und Misstrauen auf Herrn Obama. Sie wissen, dass er ein entschiedener Anhänger der Freigabe der Abtreibung ist.

Alle diese Ereignisse werden in der Endzeit mit unvorstellbarerer Furchtbarkeit und umfassender Grausamkeit über die Erde hereinbrechen. Noch ist es nicht ganz so weit. Aber es könnte sein, dass unsere Generation noch diese Schrecken erlebt. Wir sind in einer Situation zwischen Sturm und Sturm. Es ist nicht leicht, für Christus zu kämpfen. Grausamkeiten entsetzlicher Art stehen uns bevor. Ich denke manchmal, wenn ich das Müllfahrzeug durch die Straßen fahren sehe: Was würden wir wohl antworten, wenn uns die Wahl gelassen würde zwischen Christus, oder in ein Müllfahrzeug gesteckt und dort zermalmt zu werden.

Wir haben die Aufgabe, übernatürliches Apostolat zu üben, Christus in Liebe zu dienen. Es ist der Inhalt des Evangeliums, dass unser Kampf nicht gegen Menschen geht, sondern gegen die Mächte der Finsternis und den Weltherrscher des Bösen. Darum, meine lieben Freunde, nehmen wir die Waffenrüstung Gottes auf! Es ist die Rüstung, es sind die Waffen der Liebe und der Wahrheit. Nur mit der Liebe und der Wahrheit können wir dem Bösen widerstehen.

Amen.

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