Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
28. März 2005

Auferstehung „secundum carnem“

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

In den Texten jeder heiligen Messe gedenken wir des Todes, der Auferstehung und der Himmelfahrt des Herrn. An mehreren Stellen wird dieses Gedächtnis uns vor Augen gestellt. In der Osterzeit wird dieses Gedächtnis erweitert. Da heißt es nicht mehr bloß, dass wir an den Tod, an die Auferstehung und an die Himmelfahrt des Herrn glauben, sondern dass wir an seine Auferstehung glauben „secundum carnem“, d.h. an die Auferstehung „nach dem Fleische“, also keine Auferstehung im Geiste, in der Symbolik, in der Phantasie, sondern eine Auferstehung „im Fleische“.

Der christliche Auferstehungsglaube ist nicht mythisch und nicht symbolisch, sondern er ist leiblich. So war er begründet worden von den Propheten. Der Prophet Ezechiel, der in der Zeit des babylonischen Exils der Juden wirkte, hatte in seinem Buche geschrieben: „So spricht Gott, der Herr, zu diesen Totengebeinen: Siehe, ich will Atem in euch bringen, dass ihr wieder lebendig werdet. Ich will euch Sehnen geben und lasse Fleisch über euch wachsen und überziehe euch mit Haut und will euch Atem geben, damit ihr wieder lebendig werdet, und ihr sollt erfahren, dass ich der Herr bin.“ Damit war die Körperlichkeit der Auferstehung ausgesagt – im Gegensatz zu den Mythen der Griechen, die von dem Körper nicht viel hielten. Hier ist die Körperlichkeit der Auferstehung ausgesagt. Und noch ein anderes. Der Körper der Auferstandenen wird anders sein als der Körper der vorher Lebenden. Er ist verändert. Vielleicht haben Sie sich schon gewundert, dass nach der Auferstehung Jesu manche, die ihm begegneten, ihn gar nicht erkannten. Maria Magdalena hielt ihn für den Gärtner; die beiden Emmausjünger nahmen an, dass es ein Fremdling sei, der mit ihnen ging; und Thomas ließ sich erst überzeugen, als er die Seitenwunde des Herrn erkannte.

In allen diesen Fällen ist keine Vision vorgekommen, sondern eine reale, körperhafte Person hat sich den Personen, die ihn erkannten, zu erkennen gegeben. Trotz aller Veränderung trug er noch die Kennzeichen des Gekreuzigten an sich, nämlich die Wundmale. Aber er hat einen wirklichen Körper. Er kann gehen, er kann Fisch braten, er kann essen und trinken, und er ist erkennbar an den Gesten und an seinen Worten, die er gebraucht.

Für Petrus ist das Essen und Trinken so entscheidend, dass er, wie wir soeben in der Epistel gehört haben, es bei dem Beweis für die Auferstehung darauf ankommen lässt: „Wir haben mit ihm gegessen und getrunken.“ Deutlicher kann man ja ein Lebendigwerden nicht wiedergeben. Dem skeptischen Thomas werden die Wunden des Herrn gezeigt, und da ist eigentlich nicht so zu verwundern, dass der Herr durch die Türen geht und plötzlich vor den Jüngern steht, sondern dass er, der ja jetzt einen verklärten Leib hat, an diesem Leibe noch die Wundmale trägt. Das wusste Thomas, dass nach der Auferstehung der Mensch einen veränderten Leib bekommt, aber das war für ihn wunderbar, dass er an diesem veränderten Leib noch die Wundmale des Herrn sehen konnte. Das war für ihn verblüffend, und deswegen brach er zusammen: „Mein Herr und mein Gott!“ Das war das große Wunder dieser Erscheinung. Inmitten der historischen Wirklichkeit begriff er, dass hier eine Heilswahrheit vor ihm ausgebreitet wurde.

Sie haben vielleicht schon einmal davon gehört, meine lieben Freunde, dass die Juden in der 70er Jahren n. Chr. einen Aufstand machten gegen die Römer, dass sie sich in der Festung Masada noch lange Zeit hielten, bis 73/74. Und in den Überbleibseln dieser Festung hat man eine Schriftrolle gefunden, und diese Schriftrolle enthält das 37. Kapitel des Propheten Ezechiel. Was steht in diesem Kapitel? Da wird der Glaube an die Auferstehung bezeugt. Das war es, was den heldenhaften Verteidigern in ihrer Verzweiflung Trost spendete: der Glaube an die leibhaftige Auferstehung. Es gab damals auch schon liberale Theologen, das waren die Sadduzäer. Sie glaubten weder an die Auferstehung noch an Geist noch an Ehe. Die gläubigen Pharisäer glaubten an alle diese Dinge, und auch die Essener, diese merkwürdige Verbindung von frommen, gläubigen Männern, die uns die Höhlen von Qumran hinterlassen haben. In einer dieser Höhlen von Qumran, nämlich in der vierten Höhle, wo die große Bibliothek aufbewahrt wurde, findet sich auch ein Fragment 4 Q 521. 4 Q (steht für Qumran) 521. In dieser Schriftrolle, die man dort gefunden hat, da stehen die Verse: „Der Herr wird die Toten auferwecken. Der eine, der auferweckt, ist es, der die Toten seines Volkes auferstehen lässt, und er wird öffnen die Gräber.“ Wir sehen, meine lieben Freunde, jüdischer Auferstehungsglaube hatte es nicht zuerst mit dem Geist zu tun, sondern mit dem Leib, ja mit den Knochen. Jüdischer Auferstehungsglaube war leiblich.

Man hat in Jerusalem vor einiger Zeit das Grab eines Gekreuzigten gefunden aus der Zeit zwischen 7 und 66. In dem Grab dieses Gekreuzigten waren noch die Knochen erhalten, und in dem Fersenknochen war auf der einen Seite ein Nagel. Man hatte also einen Gekreuzigten gefunden, dem der Nagel, mit dem er gekreuzigt war, nicht herausgezogen war. Aus diesem Beispiel sehen wir, wie ein Kreuzigung in der Zeit Jesu vor sich gegangen ist. Auch ein Gekreuzigter hatte Anspruch auf ein Begräbnis, denn die letzte Entscheidung über sein Schicksal fällt Gott. Und so wäre auch Jesus in ein Ossuar gekommen, also in ein Knochengefäß, in einen Knochenbehälter, wenn nicht etwas anderes dazwischengekommen wäre. Also das ist sicher: Kein Jude hätte an die Auferstehungsbotschaft geglaubt, wenn das Grab Jesu ungeöffnet und besetzt gewesen wäre, wenn der Leichnam noch vorhanden gewesen wäre. Ohne das leere Grab am Ostermorgen hätte die frühchristliche Botschaft in ihrem jüdischen Umfeld keine fünf Sekunden überlebt. Weder hätten die Frauen daran geglaubt, die zum Grabe kamen, noch einer der später hinzueilenden Männer, und schon gar nicht die Skeptiker und die Zweifler. Das leere Grab war die unverzichtbare, historische Grundvoraussetzung dafür, dass überhaupt irgend jemand, Mann oder Frau, an die Auferstehung glauben und von der Auferstehung berichten konnte. Deswegen ist das leere Grab notwendig ein Bestandteil der Osterbotschaft. Wenn Paulus im 15. Kapitel des 1. Korintherbriefes davon spricht, dass Jesus „begraben“ wurde, dann geschieht das aus einer bestimmten Absicht. Er wurde begraben, aber das Grab ist leer geworden. Und wenn Petrus in seiner Pfingstpredigt von der Auferstehung Jesu spricht, da weist er darauf hin, dass das Grab Jesu leer war im Unterschied zu dem Grabe des Stammvaters David, das ist nämlich noch voll. Denn David ist nicht auferstanden, aber Jesus ist auferstanden.

Selbstverständlich bemüht sich der Unglaube, das leere Grab umzuinterpretieren. Die älteste Uminterpretation ist bezeugt in der Heiligen Schrift, nämlich die Jünger seien gekommen und hätten den Leichnam gestohlen. Und da man ja irgendwie auch die Wächter entschuldigen muss, hat man gesagt: Ja, sie sind mit Geld bestochen worden, dass sie diese Erfindung in die Welt gesetzt haben. Meine lieben Freunde, wie hätten die zutiefst enttäuschten, niedergeschlagenen, in all ihren Hoffnungen restlos enttäuschten Jünger plötzlich zu todesbereiten, mutigen Verkündigern der Auferstehung werden können, wenn sie irgendwo in einem Schrank oder im Keller zwischen den Flaschen den Leichnam Jesu verborgen hätten? Sie hätten ja jederzeit damit rechnen müssen, dass die Suchtrupps der Hohenpriester ihnen auf die Spur gekommen wären. Wie hätten sie mit einer derartigen Lüge und mit einem derartigen Betrug zu todesmutigen Verkündern der Auferstehung Jesu werden können? Nach menschlichem Ermessen war ihnen nach der Hinrichtung Jesu jede Hoffnung zerstört. Sie waren enttäuscht, sie mussten sich fortschleichen, sie mussten sich verbergen, sie mussten sich einen neuen Messias besorgen, denn der alte war den schändlichsten Tod gestorben, den man sich denken konnte. Wer wollte zugeben, einem falschen Messias gefolgt zu sein, Haus und Arbeit für einen Hingerichteten aufgegeben zu haben und sich dafür auch noch auslachen zu lassen?

Schon aus solchen Beobachtungen folgt zwangsläufig, dass die Jünger nicht nach zwei oder drei Tagen Bedenkzeit gleichsam von innen heraus das Gegenteil glaubten, was sie als Juden gelernt hatten und bis dahin für sicher hielten, um ohne physische Evidenz für sicher halten zu können, dass doch alles ganz anders war. Außerdem war ja die Überzeugung der Juden, dass die Auferstehung am Ende der Tage sich ereignen werde, nicht dass einer vorweggenommen diese Auferstehung erleben könnte. Das alles widersprach ihrem bisherigen Glauben. Und dieser Widerstand konnte nur gebrochen werden durch ein erd- und himmelstürzendes Ereignis. Nur durch ein Geschehnis, das sie überwältigte und das ihre Zweifel und ihre Unsicherheiten überwand, konnte der Glaube an die Auferstehung in ihnen keimen. An die Auferstehung Jesu „secundum carnem“ – nach dem Fleische.

In meiner Heimatkirche in Schlesien gab es ein Glasfenster, das die Auferstehung Jesu abbildete. Darunter stand der schöne, für mich unvergessliche Vers: „Christus erstand wahrhaft vom Tod. Du Sieger, du König, sieh unsere Not!“

Amen.

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