Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
18. April 2004

Die Bedeutung der höchsten Güter

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Auch der Unglaube hat seine Dogmen. Eines dieser Dogmen des Unglaubens lautet: Für Geld kann man alles haben. Man muß nur genügend Geld herbeischeffeln, dann kann man sich alles gestatten, was das Herz begehrt. In der Tat, was das materialistische Herz begehrt, kann man sich mit Geld verschaffen. Was der Mensch, der nur im Materiellen lebt und im Materiellen denkt, was der begehrt, das ist mit Geld zu haben. Am Mittwoch dieser Woche war in der Mainzer Zeitung ein Bericht über eine polnische Studentin abgedruckt, die in Mainz ihr Studium absolviert hat. Sie sagte: „Die Menschen hier haben das Paradies; sie wissen es nur nicht.“ Sie meinte, im Vergleich zu Polen, zu den vielen Armen in Polen. Die Menschen hier haben das Paradies – das materielle Paradies! – sie wissen es nur nicht. Und sie erwähnte ein Beispiel; sie habe als Studentin in einer Fleischerei ausgeholfen. Die Fleischverkäuferin machte Urlaub in Mallorca. „Das ist in Polen undenkbar“, sagte sie, „daß eine Fleischverkäuferin in Mallorca Urlaub macht.“ Mit Geld kann man alles haben. So sagt der materialistisch eingestellte Mensch. Und noch einmal: Mit Geld kann man vieles erwerben, aber die höchsten Werte sind unverkäuflich. Was man mit Geld erwerben kann, das sind nur materielle Dinge. Die höchsten, die geistigen, die wertvollsten Dinge haben keinen Preis.

Das gilt in erster Linie für ein gutes Gewissen. Jeder Mensch hat ein Gewissen, und er kann sein Gewissen zu betäuben versuchen, er kann es zu verbilden versuchen, er kann es zum Schweigen zu bringen versuchen: Doch das Gewissen ist unsterblich wie seine Seele. Dieses Gewissen mahnt, das Gute zu tun und das Böse zu unterlassen; das ist das vorangehende Gewissen. Das Gewissen spricht auch bei der Tat selbst. Ist das recht, was ich tue, oder ist es unrecht? Und das Gewissen ist ein Richter nach der Tat. Es sagt: Was hast du getan! Oder: Das hast du recht getan. Das nachgehende Gewissen beurteilt die Tat. Das gute Gewissen ist nicht käuflich. Das gute Gewissen ist das Ergebnis des Einklangs von Gewissen und Gebot Gottes. Nur wer dem Willen Gottes gemäß lebt und handelt, hat ein gutes und damit auch ein ruhiges Gewissen. Die Ruhe des Gewissens ist nicht käuflich, durch keinen Wert. Das gute Gewissen ist die Frucht der guten Tat. Hier gilt der Satz nicht: Mit Geld kann man alles erwerben, nein, das gute Gewissen kann man nicht mit Geld erwerben. Und so sehr die Menschen auch schaffen und raffen mögen, das Gewissen kann man mit all diesem Schaffen und Raffen nicht biegen und nicht beugen.

Auch die Liebe ist nicht käuflich, Liebe verstanden als die Zuneigung des Herzens, als das Wohlwollen gegenüber dem anderen Menschen, als die Zuneigung. Liebe ist ja das am meisten geschändete Wort in allen Sprachen. Diese Perversion der Liebe ist hier natürlich nicht gemeint, sondern die edle, die vornehme, die schenkende, die dienende Liebe, nach der sich jedes Herz sehnt. Liebe kann man sich nicht kaufen. Liebe ist eine freie Zuwendung des Herzens, ein freies Geschenk des Herzens. Die Menschen versuchen zwar, sich die Liebe zu erkaufen, etwa durch gehäufte Geschenke, aber die Antwort, die ein Beschenkter dem Schenker zu geben vermag, ist nur dann echt, wenn wahre Liebe in seinem Herzen lebt. Das Geschenk vermag die Liebe nicht zu erzwingen, und schon gar nicht vermag Druck oder Eifersucht die Liebe im Herzen zu erwecken. Nein, die Liebe ist unverkäuflich. Sie wird geschenkt und läßt sich nicht mit irdischen Werten ausmessen.

Der Dichter Rückert hat einmal die Hoheit der Liebe und ihren unvergleichlichen Wert in die Verse gefaßt: „Im selben Maß du willst empfangen, mußt du geben. Willst du ein ganzes Herz, so gib ein ganzes Leben!“ Wahrhaftig, so ist es. Im selben Maß du willst empfangen, mußt du geben. Willst du ein ganzes Herz, so gib ein ganzes Leben! Die körperlichen Erscheinungsformen der Liebe, die ja vielfach mißbräuchlich als Liebe bezeichnet werden, haben nur dann einen Wert, wenn sie in der gültigen Ehe vollzogen werden, wenn sie wirklich der Ausdruck des Wohlwollens sind und nicht nur des Begehrens. Vor einigen Jahren starb der Rocksänger Elvis Presley. Er starb im Alter von 42 Jahren. Woran starb er? Ausgelaugt, verbraucht von sexueller Gier. Seine drei Brüder haben nach seinem Tode sein Leben beschrieben. Er mußte ständig Frauen und Mädchen zugeführt erhalten, und wenn er sie nicht „schaffte“, wie er das nannte, dann mußten seine Brüder aushelfen, sie zu „schaffen“. Das ist nicht die Liebe, die der Mensch ersehnt, das ist das Hämmern des Blutes und das Pochen der Organe. Eine solche Liebe ist nur mißbräuchlich mit dem Namen Liebe zu belegen.

Auch das Glück ist nicht käuflich. Das Glück, meine lieben Freunde, ist ein gehobener Zustand der Seele, in dem der Mensch eins mit seiner Lage ist und sich dieser Einhelligkeit gefühlsmäßig bewußt wird. Ein glücklicher Mensch ist einer, in dem Zufriedenheit in hohem Maße lebt. Deswegen hat Goethe das schöne Wort gesagt: „Glücklich ist auf die Dauer nur der Zufriedene.“ Das Glück ist nicht käuflich. Es liegt nicht hinter den Schaufensterscheiben der Juweliere, es fährt nicht im Mercedes über die Straßen, es ist auch nicht auf Lanzerote und auf Mallorca zu finden. Das Glück ist ein seelischer Zustand, der dem geschenkt wird, der ihn nicht sucht. Das ist die Merkwürdigkeit in diesem Leben: Wer dem Glück nachjagt, der findet es nicht. Wer das Glück um höherer Werte willen bleiben läßt und nicht sucht, dem fällt es in den Schoß. Gott hat wunderbare Rechnungen, die dem Materialisten nicht eingehen und dennoch richtig sind. „Das Glück, kein Reiter wird’s erjagen; es ist nicht dort, es ist nicht hier. Lern überwinden, lern ertragen, und ungeahnt erblüht es dir.“ So hat Theodor Fontane gedichtet. Das Glück, kein Reiter wird’s erjagen; es ist nicht dort, es ist nicht hier. Lern überwinden, lern ertragen, und ungeahnt erblüht es dir. „Willst du glücklich sein im Leben, trage bei zu anderer Glück! Freude, die wir anderen geben, kehrt ins eigene Herz zurück.“ Willst du glücklich sein im Leben, trage bei zu anderer Glück! Freude, die wir anderen geben, kehrt ins eigene Herz zurück. Wahrhaftig, meine lieben Freunde, es ist leichter, glücklich zu machen als glücklich zu sein, und nicht materielle Schätze können das Glück herbeizwingen.

Vor einigen Jahren starb der griechische Reeder Aristoteles Onassis. Er hatte sein ganzes Leben Glück gehabt und war jedoch nie glücklich gewesen. Er hat ein Riesenvermögen aufgehäuft, Milliarden. Hundert Tankschiffe gehörten ihm. Er hatte die Olympic Airways gekauft. Die Frauen lagen ihm zu Füßen. Er heiratete nach dem Tode von Kennedy dessen Witwe. Aber bei all seinem Reichtum, bei all seinen Besitzungen, bei all seinen Genüssen, glücklich war er in seinem Leben nie. Als die Ehe mit Jaqueline Kennedy zerbrochen war oder zu zerbrechen drohte, da raffte ihn der Krebs dahin.

Auch das Allerwertvollste kann man sich nicht kaufen, nämlich das ewige Leben. An das irdische Leben eines jeden Menschen pocht mit eherner Faust der Tod. Auch das saturierteste Leben, auch das mit irdischen Schätzen erfüllteste Leben geht zu Ende. Niemand kann sich vom Tode freikaufen. Der Schah von Persien war ein überreicher Mann, der seine Milliarden ins Ausland geschafft hatte, solange er noch sein Volk regierte. Er hat die besten Ärzte konsultiert, aber auch er mußte elend zugrunde gehen. Kein Mensch kann sich das ewige Leben erkaufen.

Das ewige Leben ist ein Geschenk Gottes. Es wird dem zuteil, der sich seiner im irdischen Leben nicht unwert gemacht hat. Das ewige Leben ist für den bereitet, der das irdische Leben als Vorbereitung begriffen hat, der durch die irdischen Güter so hindurchgegangen ist, daß er die ewigen nicht verliert. Das ewige Leben ist für jene bestimmt, die nicht die breite und bequeme Straße gehen, sondern den steilen und engen Weg. Das ewige Leben wird jenen eröffnet, die durch die enge Pforte eintreten und nicht durch das bequeme Tor. Das ewige Leben ist nicht käuflich.

Der Satz: „Für Geld kann man alles haben“ ist deswegen falsch. Er gilt nur für materielle Schätze und auch da nur für begrenzte Zeit. Der Mensch braucht auch geistige Werte, um als Mensch zu leben. Er benötigt Ideale. Der Mensch, der nur dem Materiellen nachstrebt, ist ein idealloser Mensch. Essen und Trinken und Reisen und Geschlechtsgenuß, das ist zu wenig, das reicht nicht, um das Herz zu befriedigen, um das Herz auszufüllen. Der Mensch muß Ideale haben, meinetwegen das Ideal der Leistung: Ich will etwas leisten in meinem Leben. Ich will ein guter Handwerker sein; ich will ein guter Gelehrter sein; ich will ein guter Christ sein. Das sind Ideale. Solche Ideale braucht der Mensch. Er verkommt, wenn er keine Ideale hat. Das Schwein hat den Rüssel immer nur nach unten, niemals nach oben, und ein Mensch, der keine Ideale hat, der nicht nach oben schaut, der verkommt und verliert sich im Genuß des Materiellen.

Der Mensch braucht Tugenden. Ohne Tugenden kann ein Leben nicht gelingen. Die Jugend braucht Entsagung und Enthaltsamkeit. In Amerika hat sich eine Gruppe von Jugendlichen zusammengetan unter dem Motto: „Wahre Liebe wartet.“ Jawohl, wahre Liebe wartet. Der Mensch braucht Tugenden in der Ehe. Wie soll eine Ehe Bestand haben ohne Tugenden? Wenn der eine nicht fragt: Wie ist dir wohl? Wie kann ich dir wohl tun? Wenn der Mensch keine Nachsicht beweist, wenn er keine Geduld hat, wie soll eine solche Ehe gedeihen? Und wie soll ein Volk bestehen ohne Tugenden? Ein Volk aus Raffkes und aus Schnorrern kann nicht Bestand haben. Diejenigen, die schon genug haben, die schon zu viel haben, die haben immer noch nicht genug, die müssen sich noch Hotelaufenthalte bezahlen lassen von anderen, und dann müssen sie den Hut nehmen, weil halt doch nicht alles durchgehen kann in unserer Schnorrer-Demokratie.

Der Mensch braucht Gott. Meine lieben Freunde, wenn der Mensch nicht zu Gott aufblickt, dann wird er zum Unmenschen. Ohne Gott hat das menschliche Leben keinen Halt, kein Ziel und keine Stütze. „Ohne Gott alles Spott!“ Ich schaue mit Wehmut, nicht mit Verachtung, ich schaue mit Wehmut auf die vielen Menschen in meiner Straße, die Gott nicht kennen, die nicht beten, die keinen Gottesdienst besuchen, die keine Sakramente empfangen, von denen man nicht weiß, ob sie jemals Reue und Leid erwecken, sich in die Wunden des Herrn versenken. Ich schaue mit Wehmut, nicht mit Verachtung, auf sie. Was sind das arme Menschen, denen das Beste des Lebens entgeht, die ihr höchstes Ziel verfehlen, die nur dem Materiellen nachjagen, Kleidern und Wohnung und Reisen und Genüsse und Ausgehen.

Am 21. Januar 1793 mußte König Ludwig XVI. von Frankreich das Blutgerüst besteigen. Er wurde von den Revolutionären mit der Guillotine hingerichtet. Vor seinem Tode sprach Ludwig XVI. noch einmal sein Volk an. Was sagte er? „Saget allen, daß der einzige Trost des Unglücklichen die Religion ist! Wenn alles ihn verläßt, sie bleibt bei ihm. Saget allen Menschen, daß die Religion der einzige Trost des Unglücklichen ist. Wenn alles ihn verläßt, sie bleibt bei ihm.“

Amen.

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