Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
24. Juni 2001

Die Heilsnotwendigkeit der Taufe

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Taufe ist nach göttlicher Anordnung zum Heile notwendig. Die Kirche hat sich in ihren Glaubensbekenntnissen und in den konziliaren Aussagen immer zu der Heilsnotwendigkeit der Taufe bekannt. Als die Armenier sich mit der katholischen Kirche vereinigten (leider nur für kurze Zeit im Jahre 1439), da wurde ihnen eine Lehrbestimmung vorgeschrieben, die folgendermaßen lautet: „Da durch den ersten Menschen der Tod über alle gekommen ist, so können wir nach dem Wort der Wahrheit nicht eingehen in das Himmelreich, wenn wir nicht wiedergeboren werden aus dem Wasser und dem Geiste.“ Hier ist angespielt auf die Stelle in dem Johannesevangelium, wo es heißt: „Wer nicht wiedergeboren wird aus dem Wasser und dem Geiste, kann in das Reich Gottes nicht eingehen.“ Ebenso hat das Konzil von Trient erklärt: „Diese Überführung in den Stand der Gerechtigkeit ist ohne das Bad der Wiedergeburt oder das Verlangen danach nicht möglich nach dem Worte der Schrift: ,Wenn jemand nicht wiedergeboren ist aus dem Wasser und dem Heiligen Geist, kann er nicht eingehen in das Reich Gottes.‘“ Nicht alle Christen, nicht alle, die sich Christen nennen, bekennen die Heilsnotwendigkeit der Taufe. Wer sagt, die Christen seien sich einig in der Taufe, der täuscht sich.

Die Waldenser, die sich im 12. Jahrhundert von der Kirche trennten, leugneten die Notwendigkeit der Kindertaufe. Luther selbst hielt zwar an der Taufe fest, aber er konnte sie nicht einbauen in sein Gedankensystem. Warum nicht? Weil er die erlösende Kraft allein dem Glauben zuschrieb: „Allein durch Glauben wird der Mensch gerettet.“ Dann bleibt eben für die Taufe keine echte Heilsnotwendigkeit mehr übrig. Die Calvinisten bestreiten noch heute die Notwendigkeit der Kindertaufe. Ein Mann wie Karl Barth, einer der bedeutendsten und angesehensten evangelischen Theologen, lehnte die Kindertaufe radikal ab, und der liberale Protestantismus, der ja die Wirksamkeit der Taufe leugnet, kann in der Taufe nur eine Aufnahmezeremonie in die Kirche sehen. Wer also sagt: Wir haben mit den Protestanten die Taufe gemeinsam, der behauptet etwas, was nicht zutrifft.

Die Notwendigkeit der Taufe ergibt sich aus dem Taufbefehl Jesu. Er hat ja alle seine Jünger angewiesen, die Menschen zu taufen, nachdem sie sie zum Glauben geführt haben, und er hat erklärt: „Wer glaubt und getauft wird, der wird gerettet werden.“ Glaube und Taufe führen zum Heil. Diese Notwendigkeit der Taufe ergibt sich daraus, daß der Mensch alles tun muß, was Gott zum Heil angeordnet hat. Nun kann aber kein Mensch das Heil gewinnen ohne Christus; zu Christus aber kommt man durch Glaube und Taufe. Infolgedessen ist die Taufe zum Heile notwendig. Ich sagte: Zu Christus kommt man durch Glaube und Taufe, und wir erinnern uns, daß Jahrhunderte, Jahrtausende vergangen sind, bevor Christus erschien und daß auch damals Menschen gelebt haben, die das Heil gewinnen wollten und es tatsächlich gewinnen konnten, allerdings nicht durch die Taufe, die es damals nicht gab, sondern allein durch den Glauben. Sie sind auch gerettet worden durch Christus, und zwar durch den Glauben an den kommenden, an den verheißenen Christus. Christus ist immer und ohne Ausnahme derjenige, der den Menschen das Heil bringt. Wer gerettet wird, wird durch Christus gerettet.

Aber im Notfalle genügt eben das Minimum, daß man sich dem Willen Gottes beugt, daß man sich dem Willen Gottes unterwirft, und darin ist alles eingeschlossen, was Gott zu unserem Heile vorgeschrieben hat. Aus dieser Überlegung ergibt sich die Tatsache der sogenannten Begierdetaufe. Die Begierdetaufe besteht aus zwei Elementen: aus der vollkommenen Reue und aus der daraus hervorgehenden Sehnsucht nach Gott. Wer vollkommene Reue besitzt und das Verlangen nach Gott in sich trägt, der empfängt die sogenannte Begierdetaufe, also eine Taufe, die nicht im Wasser gespendet wird, sondern die im Wunsch und im Willen liegt, getauft zu werden. Bei der Begierdetaufe kann man wieder zwei Arten unterscheiden, nämlich: Wer weiß, daß die Taufe, die Wassertaufe zum Heile notwendig ist, der muß in die Begierdetaufe den Wunsch einschließen, getauft zu werden. Wer es nicht weiß, bei dem begnügt sich Gott mit dem allgemeinen Wunsch und Verlangen, alles zu erfüllen, was er für das Heil der Menschen vorgesehen hat.

Die Begierdetaufe ist in der Heiligen Schrift angedeutet. Denken wir etwa an die Sünderin. Von ihr sagt der Herr: „Ihr werden viele Sünden vergeben, weil sie viel geliebt hat.“ Sie wurde nicht getauft, aber ihr werden die Sünden vergeben, weil sie den in der Liebe wirksamen Glauben hat. Oder denken wir an den Zöllner. Der Zöllner stand im Tempel hinten, wagte seine Augen nicht zu Gott zu erheben, klopfte an die Brust und sprach: „Herr, sei mir Sünder gnädig!“ Und von ihm sagt der Herr: „Er ging gerechtfertigt“, das heißt von seiner Sünde befreit, „nach Hause.“ Auch er wurde nicht getauft, aber in seiner Reue und in seiner Sehnsucht nach Gott lag seine Rettung beschlossen.

Daß die Begierdetaufe den Menschen retten kann, wissen wir auch aus der Lehre der Kirchenväter. Am Ende des 4. Jahrhunderts lebte der Kaiser Valentinian. Er war Katechumene, wollte also die Taufe empfangen, und er machte sich auf die Reise zu Ambrosius, dem Bischof von Mailand. Doch unterwegs wurde er ermordet, ermordet von einem Manne, den der Feldherr Arbogast gedungen hatte. Ambrosius konnte ihn nicht mehr taufen, aber er konnte den Angehörigen einen Trost spenden: „Den, der zu mir kam, um die Taufe zu empfangen und das Bad der Wiedergeburt zu empfangen, den habe ich verloren. Aber er hat die Gnade, die er begehrte, nicht verloren.“ „Den, der zu mir kam, um das Bad der Wiedergeburt zu empfangen, habe ich verloren, aber er hat die Gnade, die er suchte, nicht verloren.“ Das ist nichts anderes als die Anerkennung der Tatsache, daß Valentinian, der Katechumene, auch ohne Taufe, durch sein Verlangen nach der Taufe, durch seine Sehnsucht nach Gott und durch seine Reue den Himmel gewonnen hat.

Neben der Begierdetaufe gibt es auch eine Bluttaufe. Die Bluttaufe besteht darin, daß jemand um Christi willen einen gewaltsamen Tod leidet und ihn widerstandslos aus der Hand Gottes annimmt. Das ist das Martyrium, die Bluttaufe. Wer um Christi willen widerstandslos einen gewaltsamen Tod erleidet oder Mißhandlungen, die zum Tode führen, der empfängt die Bluttaufe. Auch er wird durch dieses Gleichbild mit dem leidenden Christus in die Herrlichkeit des Himmels aufgenommen. Er gewinnt die Freude des Himmels, weil er für seinen Herrn mit seinem Blute zeugt. Dafür gibt es ganz treffliche Hinweise in der Heiligen Schrift. Jesus Christus selber bezeichnet ja seinen Tod als Taufe. Er sagt an einer Stelle: „Ich habe eine Taufe auf mich zu nehmen, und wie drängt es mich, bis sie vollzogen ist!“ Diese Taufe ist nichts anderes als sein Leidenstod. „Ich habe eine Taufe auf mich zu nehmen, und wie drängt es mich, bis sie vollzogen ist!“ Er hat das Verlangen, sobald wie möglich dieses Sühnopfer für den Vater zu bringen. Und noch im letzten Buch der Heiligen Schrift, in der Apokalypse, ist die Heilskraft der Bluttaufe erwähnt. Der Seher sieht da eine Menge von Heiligen, die mit weißen Gewändern bekleidet sind und Palmen in den Händen tragen. „Und da fragte mich einer von den Ältesten: Wer sind denn diese, die da in weißen Kleidern daherkommen?“ Ich sagte zu ihm: „Mein Herr, du weißt es.“ Und er sprach zu mir: „Das sind die, die aus der großen Trübsal kommen. Sie haben ihre Kleider weiß gewaschen im Blute des Lammes.“ Da haben wir es: Sie haben ihre Kleider, d. h. ihr Leben rein gewaschen im Blute des Lammes. Sie haben für Christus gezeugt durch ihren Leidenstod.

Nun muß ich freilich gleich erwähnen, daß die Begierdetaufe und die Bluttaufe nicht völlig der Wassertaufe gleich sind, daß sie nicht in allem die gleichen Wirkungen haben wie die Wassertaufe. Sie verschaffen denen, die sie empfangen, den Himmel, aber solange sie auf Erden leben, geht ihnen das eine oder andere ab. Was denn? Nun, die Wassertaufe ist ein sakramentales Geschehen, durch das der Mensch mit Christus verähnlicht wird. Er wird dem gekreuzigten und auferstandenen Christus gleichgebildet. Eine gewisse Verähnlichung mit Christus geschieht zweifellos auch durch die Begierdetaufe und durch die Bluttaufe, aber nicht eine solche Verähnlichung, wie sie durch die Wassertaufe geschieht. Es ist eine Verähnlichung durch die subjektive Gesinnung, nicht durch die sakramentale Symbolik. Das ist der entscheidende Unterschied: eine Verähnlichung durch die subjektive Gesinnung, mit der sie steht und fällt, nicht durch die sakramentale Symbolik, die eben eine unauslöschliche, niemals verlierbare Ähnlichkeit mit dem gekreuzigten und auferstandenen Christus bewirkt. Und noch ein zweiter Unterschied ist vorhanden. Die Wassertaufe gliedert Christus ein und macht zum Glied der Kirche; die Begierdetaufe und die Bluttaufe machen nicht zum Glied der Kirche. Sie bringen den, der diese Taufen empfängt, in eine Beziehung zur Kirche, aber sie machen ihn nicht zum Glied der Kirche. Daran führt kein Weg vorbei. In die Kirche aufgenommen wird man nicht ohne die Wassertaufe.

Im Anschluß an diese Überlegungen stellt sich noch die Frage: Was ist denn mit den Kindern, die ungetauft sterben? Sie empfangen nicht die Wassertaufe, sie empfangen nicht die Begierdetaufe, sie empfangen nicht die Bluttaufe. Was ist mit ihnen? Was ist mit den Scharen der abgetriebenen Kinder? Was dürfen sie erwarten? Was dürfen wir hoffen? Augustinus hat die Ansicht vertreten, daß alle, die ungetauft sterben, die Verdammnis erben. Diese harte Meinung ist von anderen Theologen nicht geteilt worden. Thomas von Aquin nimmt an, daß die ungetauft sterbenden Kinder zwar nicht die übernatürliche Seligkeit erlangen, die man eben nur gewinnen kann durch die Taufe, aber daß sie eine natürliche Freude gewinnen. Er nimmt dazu einen sogenannten Limbus puerorum an, also einen Bereich im Jenseits, wo die ungetauft gestorbenen Kinder sich einer natürlichen Seligkeit erfreuen dürfen. Nun, das ist immerhin eine gewisse trostreiche Annahme, obwohl wir dafür keinen Anhalt in der Heiligen Schrift haben. Die Heilige Schrift schweigt über diese Frage. Ja, was dürfen wir dann hoffen? Wenn wir an die ungetauft sterbenden Kinder denken, müssen wir zwei Überlegungen anstellen, einmal, daß Gott gerecht ist. Er wird also niemanden ohne seine persönliche Schuld der Verdammnis überantworten. Er hat einen allgemeinen Heilswillen, der allen zugute kommt, die sich nicht dagegen sträuben.

Die zweite Überlegung besagt: Seit der Ankunft Christi ist die Heilssituation günstiger geworden als vor seinem Kommen. Und wenn wir annehmen dürfen, daß damals, vor dem Ankommen Christi, die Kinder, die ja ausnahmslos ohne Taufe starben, in die Seligkeit eingegangen sind, dann werden wir annehmen dürfen, daß auch nach seinem Kommen, ja, daß gerade nach seinem Kommen die ungetauft sterbenden Kinder der Seligkeit nicht verlustig gehen. Diese Ansicht hat eine Begründung im allgemeinen Heilswillen Gottes und in der veränderten Heilssituation durch die Ankunft Christi. Wir müssen gewiß unbedingt festhalten, daß der Herr gesagt hat: „Jeder, der glaubt und getauft wird, gewinnt das Reich Gottes“, und jeder ist verpflichtet, sich durch Glaube und Taufe auf diesen Weg zu machen. Aber wir müssen ebenso festhalten, daß Gott das Heil aller Menschen will und daß er keinen ohne persönliche Schuld ins Verderben stoßen wird.

In allem, meine lieben Freunde, gilt es, den Ernst der Heilsbotschaft Christi festzuhalten. Gott ist kein gemütlicher Papa. Gott ist ein Herr, ein Allherrscher, und er verlangt vom Menschen etwas. Er verlangt vom Menschen viel. Es ist gar keine Frage, daß Gott, der vom Menschen verlangt, daß er eine Krebskrankheit aushält, daß derselbe Gott auch verlangt, daß er das Heil mit allen seinen Kräften zu wirken sich bemüht. Und so müssen wir am Schluß dieser Ausführungen die Bitte an Gott richten: „Confige timore tuo carnes meas – Durchdringe mein Herz und mein Fleisch mit der Furcht vor deinem Willen!“

Amen.

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