Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
22. März 1998

Die Pflicht, den Unglauben zu bekämpfen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Unsere grundlegende Pflicht Gott gegenüber ist der Glaube. Er hat sich uns geoffenbart, und darin liegt die Aufforderung, diese Offenbarung anzunehmen. Die Offenbarung wird uns vorgestellt durch das Heilsorgan Gottes, die katholische Kirche.

Gegen den Glauben und die Glaubenspflicht kann man sich in mannigfacher Weise verfehlen. Grundlegend dem Glauben entgegengesetzt ist der Unglaube. Beim Unglauben sind drei Arten zu unterscheiden. Einmal der Unglaube dessen, der nie vom Glauben gehört hat, der sogenannte negative Unglaube. Er wird ihm, wenn er schuldlos unwissend ist, nicht zugerechnet. Anders steht es um den privativen Unglauben. Der privative Unglaube liegt vor, wenn jemand um den Glauben wissen könnte und wissen sollte, aber aus Nachlässigkeit, Bequemlichkeit sich nicht um den Glauben bemüht. Die ärgste Form des Unglaubens ist der positive Unglaube. Er besteht darin, daß jemand bewußt formell den Glauben ablehnt, daß er renitent gegen den Glauben ist. Wer diese Form des Unglaubens in sich trägt, verschmäht die Offenbarung Gottes, ja er verachtet Gott, der sich geoffenbart hat. Er lehnt den Weg zum Heile, der ja der Glaube ist, ab und wendet sich offen gegen den sich offenbarenden Gott. Der Unglaube kommt aus dem Haß gegen Gott, gegen die Wahrheit, und vertieft diesen Haß. Er ist eine der schwersten Sünden.

Der Unglaube kann mannigfache Wurzeln haben. Ungenügende Belehrung, unzureichender Unterricht können Wurzeln des Unglaubens sein. Wer den Glauben nicht entwickelt, sondern auf der Stufe stehenbleibt, die er als Kind eingenommen hat, ist ebenfalls in Gefahr, zum Unglauben zu kommen. Der Glaube muß wachsen, so wie der Mensch wächst. Er muß an Erkenntnis und Einsicht wachsen. Häufig ist der Unglaube zurückzuführen auf Hoffart, Eitelkeit, Wissensdünkel. Zum Unglauben kommt man, wenn man im Materiellen versinkt, wenn man sich der Unzucht ergibt. Der Unglaube hat eine Wurzel in Starrsinn und in Feigheit, die sich auf das Wagnis des Glaubens nicht einlassen wollen.

Dem Unglauben benachbart ist der Irrglaube. Der Irrglaube besteht darin, daß ein Christ bestimmte Glaubensinhalte, die von Gott geoffenbart sind und die von der Kirche vorgelegt werden, ablehnt, daß er im Irrtum verharrt. Solche Irrgläubige nennt man auch Häretiker. Man unterscheidet den formellen und den materiellen Häretiker. Ein formeller Häretiker ist jener, der bewußt und mit Willen bestimmte Wahrheiten des Glaubens leugnet. Ein materieller Häretiker ist jener, dem es nicht bewußt ist, daß er mit seiner Einstellung und mit seinen Auffassungen gegen Dogmen der Kirche verstößt. Der Häretiker behält den Namen eines Christen, aber er trifft aus der christlichen Offenbarung eine Auswahl und behält nur das bei, was ihm in seinem irdischen Sinn gefällt. In aller Regel kommt man zur Häresie, indem man lästige, beschwerliche Glaubens- und Sittengegenstände abwirft. Häretiker war Arius, der die Gottheit Jesu leugnete. Häretiker war Macedonius, der die Gottheit des Heiligen Geistes leugnete. Häretiker war Johannes Hus aus Böhmen, der die Gewalt der Kirche leugnete. Häretiker war Martin Luther, der viele katholische Glaubenswahrheiten preisgab und andere in seine Häresie hineingezogen hat.

Es ist das Kennzeichen aller Häretiker, daß sie es den Menschen recht machen wollen. Sie wollen es den Menschen bequem und leicht machen, und so wählen sie aus der Fülle der Glaubensgegenstände jene aus, die den Menschen zusagen, und lassen jene weg, die beschwerlich und schwer anzunehmen sind. Der Kardinal Faulhaber hat einmal das schöne Wort geprägt: „Wenn das Einmaleins und der Pythagoräische Lehrsatz ebensolche Anforderungen an das sittliche Leben stellen würden wie die Artikel des Glaubensbekenntnisses, sie würden genauso ungläubig angenommen werden.“ Er hat damit den springenden Punkt getroffen. Was beschwerlich ist, das sucht der irdische Sinn des Menschen zu meiden, das sucht er abzuwerfen. Es muß unsere Aufgabe sein, diejenigen, die mit uns die Ehre des Christennamens tragen, wieder zum vollen und ganzen Glauben zu führen. Der eben verstorbene Schriftsteller Ernst Jünger hat im Alter von 101 Jahren den Weg zum katholischen Glauben gefunden; mit 101 Jahren ist er zum katholischen Glauben konvertiert. Solange hat er gesucht, bis er gefunden hatte. Wer konvertiert, muß den katholischen Glauben bekennen, ein Glaubensbekenntnis ablegen, er muß, wenn die Taufe zweifelhaft sein sollte, bedingt wiedergetauft werden, er muß ein Sündenbekenntnis ablegen über alle Sünden seit seiner gültigen Taufe, die heilige Kommunion empfangen und die Firmung und auf diese Weise wieder in die Kirche eingegliedert werden, der er eigentlich durch die Taufe zugewidmet ist.

Eine andere Verfehlung gegen den Glauben ist der Glaubenszweifel. Damit ist der praktische Zweifel gemeint, also jener Zweifel, bei dem der Mensch die Entscheidung für den Glauben offenläßt, wo er in der Unentschiedenheit bleibt. Der Glaubenszweifel in diesem Sinne, der praktische Glaubenszweifel, ist der Glaubensverleugnung benachbart; denn man sieht, daß man in beiden Fällen die Zustimmung zum Glauben verweigert, im einen durch radikale Ablehnung, im anderen Falle dadurch, daß man unentschieden bleibt. Der Glaubenszweifel muß überwunden werden. Er wird überwunden durch Gebet, durch religiöse Praxis, durch Belehrung, die man sich zuteil werden läßt. Vom praktischen Zweifel verschieden ist der theoretische Zweifel. Er ist keine Sünde; er besteht vielmehr bloß darin, daß man sich über Grund und Form und Ausdruck des Glaubens klar zu werden sucht. Wir sollen ja einen erleuchteten Glauben haben, einen Glauben, über den wir Rechenschaft geben können, damit wir sagen können mit Paulus: „Ich weiß, wem ich geglaubt habe.“ Es gibt auch noch den negativen Zweifel. Er besteht darin, daß man gegen den Glauben versucht wird. Die Versuchung gegen den Glauben kann verschiedene Quellen haben. Man wird einmal versucht durch nervöse Leiden. Menschen, die zu nervösen Erscheinungen neigen, können auch Versuchungen gegen den Glauben verspüren. Negative Zweifel, also Versuchungen können auch kommen durch leichtfertiges Leben. Wer sich dem Sinnlichen überläßt, der ist in Gefahr, im Glauben versucht zu werden. In jedem Falle müssen wir aus der Unsicherheit heraustreten und zu einem gewissen, seiner selbst gewissen Glauben finden.

Der Gabe der Wissenschaft entgegengesetzt sind Unwissenheit und Leichtgläubigkeit. Unwissenheit in religiöser Hinsicht besteht darin, daß man sich nicht genügend Wissen über den Glauben angeeignet hat. Man hat keine genügende Schulbildung erfahren, man hat sich nicht weitergebildet, und so klaffen Lücken im Glauben, bedauerliche Lücken, gefährliche Lücken. Die Unwissenheit macht uns selbst unsicher und verhindert, daß wir andere über den Glauben aufklären. Wir müssen die Unsicherheit beseitigen. Der Gabe der Wissenschaft ist auch die Leichtgläubigkeit entgegengesetzt. Sie besteht darin, daß man unbegründete religiöse Meinungen prüfungslos übernimmt. Auch die Leichtgläubigkeit ist eine Gefahr, meine lieben Freunde. Es kann geschehen, daß man sich leichtgläubig auf bestimmte Erscheinungen einläßt, die dann später als Lug und Trug erkannt werden, zum Spott und zum Gelächter der Feinde des Glaubens. Deswegen: Prüfen und nur das Gute behalten! Sorgfältig prüfen, genau hinschauen, ob bestimmte Erscheinungen von Gott kommen oder ob sie aus der Gewinnsucht oder der Eitelkeit von Menschen stammen.

Der Gabe des Verstandes entgegengesetzt sind Geistesblindheit und Geistesstumpfheit. Die Geistesblindheit besteht darin, daß jemand allen erkennbaren Wissens über den Glauben entbehrt, daß er keine Erkenntnis im Glauben besitzt, daß er gleichsam versunken ist in irdischen Geschäften, in Sinnlichkeit, ja in Unzucht – das ist nämlich eine der häufigsten Wurzeln für die Geistesblindheit. Die Geistesstumpfheit besteht darin, daß man nur ein mangelhaftes Erkenntnisvermögen hat, mangelhafte Erkenntnisse über die Religion besitzt, und sie kommt häufig von Unmäßigkeit her. Der Unmäßige ist in Gefahr, daß er stumpf wird für das Geistige und Jenseitsmenschliche, daß er sich im Irdischen, im Materiellen suhlt und das Geistige und Jenseitsmenschliche dahinten läßt.

Eine weitere Gefahr für den Glauben ist die Glaubensverleugnung. Sie kann direkt und indirekt geschehen. Direkt verleugne ich den Glauben, wenn ich bestreite, daß ich gläubig bin, wenn ich mich ausgebe als einen, der nicht glaubt. Diese Erscheinung ist recht häufig. Katholiken verbergen ihren Glauben, weil sie befürchten müssen – und diese Furcht ist ja begründet –, als rückständig, als dumm angesehen zu werden, und so kommt es, daß viele Katholiken ihren Glauben verbergen. Sie machen es wie Petrus, der sagte: „Ich kenne diesen Menschen nicht.“ Glaubensverleugnung ist ein Verrat am Glauben, ist eine Täuschung der Menschen. Die Glaubensverleugnung ist eine schwere Sünde gegen die Pflicht, die uns Gott mit dem Geschenk des Glaubens auferlegt hat. Sie kann auch indirekt geschehen, die Glaubensverleugnung. Indirekt verleugnen wir den Glauben, wenn wir uns am Gottesdienst von Nichtkatholiken beteiligen. Die interkonfessionellen Gemeinsamkeiten bergen schwere Gefahren in sich, sie erwecken nämlich den Schein, als ob man den falschen Gottesdienst billigen würde. Sie können Ärgernis geben für andere, d.h. Anstoß zur Sünde, weil sie sagen: Es ist alles eins. Nicht wahr, das ist ja eine Rede, die man heute hört: Es ist alles eins. Und sie können vor allem der Irreführung der Menschen dienen. Deswegen gibt es auch die indirekte Glaubensverleugnung durch interkonfessionelle Aktivitäten, von denen eine große Gefahr ausgeht.

Wir müssen die Gefahren für den Glauben beseitigen. Der Umgang mit Menschen, die unseren Glauben gefährden, sollte gemieden werden. Wir wissen ja, welche Menschen unseren Glauben gefährden. Mit ihnen sollten wir den Verkehr nach Möglichkeit abbrechen, denn wer sich in die Gefahr begibt, der kommt in der Gefahr um. Gefahren für den Glauben können auch aus der Schule kommen. In der Schule werden in manchen Unterrichtsfächern, heute sogar manchmal im Religionsunterricht, glaubensgefährdende Dinge vorgetragen. Gestern rief mich ein Kinderarzt aus der Stadt Hofheim an und bezeugte mit seiner Autorität, daß eine Ordensschwester bei einem Vortrag gesagt habe: „Die Bibel ist ein Märchenbuch.“

Glaubensgefährdend kann auch Lektüre sein. Wir müssen wissen, was wir unserem Geiste zufügen an Bücherlektüre, an Zeitungslektüre. Auch was aus dem Fernsehkasten kommt, kann eine Glaubensgefahr bedeuten. Fast alle Sendungen, die über den Glauben aus dem Fernsehkanal strömen, sind nicht dazu angetan, den Glauben aufzuerbauen. Die große Masse ist geeignet, den Glauben zu gefährden, ja zu zerstören. Deswegen üben Sie Abstinenz vom Fernsehkonsum! Wenden Sie sich gegen glaubensgefährdende Sendungen! Schreiben Sie an die Sender und bitten Sie die Bischöfe, daß sie vorstellig werden bei den Verantwortlichen der Sendeanstalten!

Gefahren für den Glauben können auch von innen kommen. Wer die religiöse Praxis vernachlässigt, ist immer in Gefahr, am Glauben zu scheitern. Erst kommt die Lauheit, dann der Zweifel, dann der Widerspruch, dann Haß und Spott. „Das halbe Denken führt zum Teufel, das ganze Denken führt zu Gott.“ So Friedrich Wilhelm Weber. Die religiöse Praxis, die ernsthafte religiöse Praxis ist der beste Weg, den Glauben zu schützen und zu erhalten. Wer nicht mehr betet, den holt der Teufel.

Wir müssen weiter für unseren Glauben besorgt sein, indem wir die Sünde meiden. Die Sünde ist ja immer eine Abwendung von Gott, und der Sünder ist psychologisch obendrein in Gefahr, den Gott, den er mit seiner Sünde beleidigt, abzulehnen, die Kirche, die seine Gebote verkündet, lächerlich zu machen, die Verkündiger des Glaubens zu verdächtigen. Die Sünde birgt große Gefahren für den Glauben in sich.

Wir sollten uns auch bemühen, den Glauben zu verbreiten. Je eifriger wir in der Verbreitung sind, um so fester wird unser eigener Glaube.  Je mehr wir andere zu gewinnen versuchen, um so stärker werden wir im eigenen Glauben verwurzelt.

„O, wenn ich die Gnade hätte, alle Ungläubigen und Irrgläubigen zu bekehren, auf meinen Händen und Schultern trüge ich sie zur heiligen katholischen Kirche“, hat einmal der heilige Clemens Maria Hofbauer gesagt. „O, wenn ich die Gnade hätte, alle Ungläubigen und Irrgläubigen zu bekehren, auf meinen Händen und Schultern trüge ich sie zur heiligen katholischen Kirche.“ Der Glaube ist das Fundament unseres Lebens. Wenn der Glaube feststeht, dann gibt es eine sieghafte Frömmigkeit und eine kraftvolle Tugend. Aber wenn der Glaube dahinwelkt, dann werden wir unfromm und geraten in Gefahr zu sündigen, dann verlieren wir das Fundament unseres sittlichen Lebens und unserer religiösen Praxis. Wer den Glauben in sich erschüttern läßt, der ist auf dem Weg zum Unheil. „Wer nicht glaubt, ist schon gerichtet“, heißt es im Johannesevangelium. Und wir wollen doch im Gericht bestehen können. Noch niemand, meine lieben Freunde, hat es in der Todesstunde bedauert, daß er geglaubt hat, aber schon viele haben es bereut, daß sie nicht eher zum Glauben gefunden haben.

Amen.

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