Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
31. März 1997

Erscheinungen des Auferstandenen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Das leere Grab weckte Ratlosigkeit, Verwunderung, Bestürzung bei den Juden. Aber es entzündete nicht den Glauben. Die Frauen, die nach Jerusalem eilten und ihre Entdeckung meldeten, bewirkten zwar, daß sich die Apostel von dem Leersein des Grabes überzeugten, aber die Tatsache, daß der Leichnam verschwunden war, führte sie nicht zu der Überzeugung, er sei auferstanden. Ratlosigkeit, Verwunderung, Bestürzung waren die Reaktion auf das leere Grab. Nicht einmal die Engelsbotschaft, welche die Frauen den Jüngern übermittelten, bewirkte, daß sie zum Glauben an die Auferstehung Jesu kamen. Wie also wurde der Auferstehungsglaube in ihnen entzündet? Allein durch die Erscheinungen des Auferstandenen selbst. Vierzig Tage hindurch erschien der auferstandene, der lebendig gewordene Herr seinen Jüngern. Er erschien ihnen nicht bloß, denn dann hätte man immer noch sagen können, das sei ein Gespenst, eine Einbildung, durch Überreizung der Nerven hervorgerufen. Nein, er erschien ihnen und sprach zu ihnen. Er sprach ganz bestimmte, inhaltlich festgelegte Sätze. Es ist nicht so, wie der Schriftgelehrte Vögtle in Freiburg verkündet, daß er ganz undeutlich gesprochen habe, keine Sätze geformt habe. Das müßte ein Idiot gewesen sein, der keine Sätze spricht. Er hat ganz eindeutig geredet, und seine Reden sind gehört und aufgezeichnet worden.

Er hat nicht nur geredet, er hat auch mit ihnen gegessen und getrunken. Wenn es sichtbare Zeichen für ein Lebendigsein gibt, dann ist es Essen und Trinken. Der Evangelist Lukas gibt sogar die Speisen an, Fisch und Honigkuchen. Jesus nahm von der Speise, und dadurch bekundete er sein Lebendigsein. Die Auferstehung Jesu wird dadurch bezeugt, daß die Jünger den Auferstandenen gesehen haben. Er ist ihnen erschienen. Sie haben mit ihm gesprochen, ja sie haben ihn betastet, und sie haben mit ihm Speise und Trank eingenommen.

Der Unglaube gibt sich damit immer noch nicht zufrieden. Er sagt: Diese Berichte in den Evangelien sind spät, sehr spät aufgezeichnet worden; da haben sich Wahrheit und Dichtung, Geschichte und Legende vermählt, so daß es schwer, wenn nicht unmöglich ist, den geschichtlichen Kern von den Erfindungen der überreizten Phantasie zu trennen. Was ist zu diesen Aufstellungen, die eure Kinder in der Schule hören, zu sagen?

Die Berichte von den Erscheinungen Jesu stammen von Augen- und Ohrenzeugen. Sie tragen die Lokalfarbe des palästinensischen Judentums. Sodann: Die Evangelien sind in einem relativ frühen Zeitpunkt entstanden. Es war bisher ein negatives Dogma der Schriftgelehrten, daß die Evangelien erst nach der Zerstörung Jerusalems, also nach dem Jahre 70 entstanden seien. Das ist eine Legende, eine Legende von Leuten, die auf das Zeugnis der Zeugen nicht hören wollen. Die Evangelien sind, wie es ja ganz natürlich ist, alsbald entstanden, nachdem Jesus gestorben war und auferstanden ist. Es hat den Zeitgenossen keine Ruhe gelassen, das, was sie erlebt haben, niederzulegen. Sie wollten nicht nur davon berichten, sie wollten nicht nur davon predigen, nein, sie wollten es den Zeitgenossen und später Kommenden überliefern, und so haben sie aufgezeichnet, was mit ihnen geschehen ist. Dafür haben wir ein Zeugnis im Lukasevangelium. Der Evangelist Lukas sagt: „Schon manche haben es unternommen, eine Erzählung der Begebenheiten zu verfassen, die sich unter uns zugetragen haben, so wie es uns die überliefert haben, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes gewesen sind.“ Also, was hier zusammengestellt wurde, das ist Gut, das von Augenzeugen des Lebens Jesu stammt. Jede Seite der Evangelien kündet davon, daß die Berichte, die da niedergelegt sind, von Kennern der Materie, von Zeugen des Lebens, Leidens und Sterbens und Auferstehens Jesu niedergelegt worden sind. Diese Augenzeugen waren nüchterne und überlegte Männer. Sie konnten Dichtung von Wahrheit unterscheiden. Sie waren darauf bedacht, daß nichts von dem, was ihnen widerfahren war, weggenommen wurde, aber auch nichts hinzugefügt wurde. Ein Beweis für diese scharfe Trennung zwischen Wahrheit und Dichtung ist die Abweisung aller anderen sogenannten Evangelien außer den vier kanonischen Evangelien. Nur diese vier wurden als echt, d.h. von Augen- und Ohrenzeugen herstammend und in ihrem Inhalt zuverlässig, anerkannt. Alle anderen – und es gab viele andere sogenannte Evangelienschriften – wurden von der Kirche abgewiesen.

Augen- und Ohrenzeugen haben die Evangelien verfaßt. Im Bericht der Apostelgeschichte heißt es ja ausdrücklich bei der Nachwahl für den Judas: „So muß denn einer von den Männern, die mit uns zusammen waren während der ganzen Zeit, da der Herr bei uns aus und ein ging, von der Taufe des Johannes an bis auf den Tag, da er von uns weg aufgenommen wurde, von diesen muß einer mit uns Zeuge seiner Auferstehung werden.“ Kein anderer kommt in Frage, sondern nur Augen- und Ohrenzeugen.

Die Evangelien sind aber nicht nur von Augen- und Ohrenzeugen verfaßt worden. Sie sind auch für Zeitgenossen Jesu geschrieben worden. Also Menschen, die diese Ereignisse, wenn auch nicht alle in der unmittelbaren Nähe – wie die Jünger – mitverfolgt hatten, konnten kontrollieren, ob die Berichte wahrheitsgetreu sind. Die Zeitgenossen, und darunter waren ja viele feindselige, hätten die Unwahrhaftigkeit dieser Berichte aufdecken können, wenn sie unwahrhaftig gewesen wären. Vor allem haben wir einen Mann, der mit grimmiger Energie die junge Kirche verfolgt hat und sicher jedem Unterschleif auf die Spur gekommen wäre, den Saulus aus Tarsus in Cilizien. Das war ein gelehrter Mann. Wir würden heute sagen, er war Dozent für Rechtswissenschaft an der Universität Jerusalem. Dieser Mann ist durch handgreifliche Beweise von der Auferstehung des Herrn überzeugt worden. Er ist durch die Erscheinung des Heilandes selbst vom Verfolger zum größten Künder der Herrlichkeit Jesu geworden.

Das Zeugnis des Paulus geht zurück in das Jahr 57. Wenn die heutigen Evangelien nach diesem Zeitpunkt geschrieben worden wären, was man bezweifeln muß, dann wäre dieses das älteste Zeugnis für die Auferstehung Jesu. Und zwar führt der Apostel Paulus Zeugen an. Er liefert im 15. Kapitel des ersten Korintherbriefes eine Zeugenliste: Simon, Jakobus, alle Apostel, fünfhundert Brüder, fünfhundert Brüder auf einmal. Auf einmal – nicht nacheinander, sondern auf einmal haben sie den Auferstandenen gesehen, „von denen die meisten noch leben“, sagt er. Man kann hingehen, man kann sie fragen. Einige sind entschlafen, die kann man nicht mehr fragen, aber die lebenden kann man fragen.

So ist also, meine lieben Freunde, an der Wahrhaftigkeit der Zeugen und an der Untrüglichkeit ihres Zeugnisses ein ernsthafter Zweifel nicht möglich. Wir verstehen, daß im heutigen Evangelium die Jünger in Jerusalem nicht nur sagten: Christus ist auferstanden; nein, sie sagten: „Er ist wahrhaft auferstanden.“ Das ist also mehr als die bloße Feststellung: Er ist lebendig geworden. Es ist die geprüfte Bestätigung dieser Feststellung. Wir haben Zeugnisse dafür. Er ist dem Simon erschienen.

Wenn Christus auferstanden ist, dann ist das ein Ereignis von kosmischer Bedeutung. Denn Christus ist nicht irgendwer. Er ist nicht bloß wie Lazarus oder der Jüngling von Naim irgend einer aus der großen Menge der Israeliten. Er ist auch nicht bloß in das irdische Leben zurückgekehrt, sondern er ist der Todesüberwinder. In ihm ist der Tod selbst besiegt. Der Lazarus ist natürlich wieder gestorben nach ein paar Jahren, und der Jüngling von Naim ist auch gestorben. Aber von Jesus heißt es: „Er ist auferstanden und stirbt nicht mehr.“ In ihm hat sich der Tod erschöpft. Er ist der Überwinder des Todes für sich und für uns. Denn Jesus ist der neue Adam. Er ist der Stammvater der neuen Menschheit. Wie in Adam alle gesündigt haben und die Sünde des Adam tragen, so sind alle durch den neuen Adam Jesus Christus erlöst und zum Heil und zum ewigen Leben und zur Auferstehung berufen.

Die Auferstehung Jesu ist das Siegel Gottes über dem Leben Jesu und die Bürgschaft unserer eigenen Auferstehung.

Sie ist das Siegel über dem Leben Jesu. Er hatte ja hohe Ansprüche erhoben, die seine Feinde ablehnten, wegen derer er zum Tode befördert wurde. „Ich bin der Sohn Gottes.“ „Ich bin vom Vater ausgegangen.“ „Niemand kennt den Vater als der Sohn.“ Das waren unerhörte Ansprüche. Und deswegen haben ihn die Juden als Betrüger bezeichnet. Aber jetzt ist das, was sie als Betrug bezeichneten, als Wahrheit erwiesen. Jetzt hat der Vater sein Ja zu diesem Anspruch gegeben. Jetzt hat der Vater das bestätigt, was er in seinem Leben verkündet hatte. Die Auferstehung Jesu ist das Ja des himmlischen Vaters zu dem Anspruche Jesu. Sie ist die Bürgschaft unserer eigenen Auferstehung, weil Jesus, der Todesüberwinder, nur der Erstling der Entschlafenen ist. Nach ihm folgt die ganze Heilsernte. An das ewige Leben der Seele haben auch die Ägypter geglaubt und die Griechen und die Perser. Aber den lebendige Beweis dafür, daß es ein ewiges Leben gibt, daß ein lebendiger, verklärter Leib am ewigen Leben teilnimmt, diesen Beweis liefert uns erstmalig die Auferstehung Jesu. Wenn das Christentum bloß das Leben der Seele verkündete, würde es nichts wesentliches anderes sagen als andere Religionen. Aber es sagt mehr. Es sagt, daß es eine Auferstehung des Leibes gibt und nicht nur ein ewiges Leben der Seele.

Diese Zeugnisse für die Auferstehung Jesu, meine lieben Freunde, müssen in uns einen Widerhall finden. Wenn wir nicht wahrhaft überzeugt sind von dieser Grundwahrheit des Christentums, dann wird unser Glaube nicht lebendig und fest sein, sondern unter den Schlägen der Ungläubigen, vor allem der ungläubigen Theologen, zusammenbrechen. Wir müssen uns mit der ganzen Kraft unseres Verstandes die Begründung für die wahrhaftige leibliche Auferstehung Jesu vor Augen führen und sie zu unserem innersten geistlichen Eigentum machen. Wenn wir wahrhaft überzeugt sind von der Auferstehung Jesu, wenn wir den Satz: „Der Herr ist wahrhaft auferstanden“ uns von ganzem Herzen zu eigen machen, dann sind wir unüberwindlich, so unüberwindlich, wie der Osterglaube, der nicht hat erdrückt werden können im Blute der Martyrer, der nicht untergegangen ist unter dem dröhnenden Schritt der Völkerwanderung, der nicht versunken ist in den rationalistischen Aufstellungen in der Aufklärung und der auch nicht untergehen wird im Tohuwabohu der heutigen Irrlehrer auf den theologischen Lehrstühlen. Nein, dieser Jubel, der Osterjubel wird fortklingen, bis er sich einmal in dem welterschütternden Osterjubel bei der Auferstehung aller Menschen, bei der Wiederkunft Christi steigern wird zu einem Siegesgesang, an dem wir teilnehmen wollen.

Amen.

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