Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
26. April 1992

Die Nachweisbarkeit der Osterereignisse

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

 

Geliebte im Herrn!

„Schon manche haben es unternommen, eine Erzählung der Begebenheiten zu verfassen, die sich unter uns zugetragen haben, so wie es uns die überliefert haben, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes gewesen sind. So habe auch ich mich entschlossen, allem von den ersten Anfängen an sorgfältig nachzugehen und es für dich, edler Theophilus, der Reihe nach niederzuschreiben, damit du dich von der Zuverlässigkeit der Lehren, über die du unterwiesen worden bist, überzeugen kannst.“ So hebt das Lukasevangelium an. Wir wissen, daß der Verfasser dieses Buches ein gebildeter Mann war, er schreibt das beste Griechisch des ganzen Neuen Testamentes, er war Arzt in Antiochien. Wenn er zu Beginn seines Buches die genaue Nachprüfung und Sammlung schildert, die er unternommen hat, um seinen Lesern -  zuerst natürlich dem, dem er das Buch widmet – die Wahrheit des christlichen Zeugnisses nahezubringen, dann dürfen wir ihm glauben.

Diese Strenge der Prüfung gilt auch für die Auferstehungs- und Erscheinungsberichte, die in diesem Evangelium enthalten sind. Keiner der übrigen Evangelisten erzählt etwas von der Erscheinung vor den beiden Männern, die von Jerusalem nach Emmaus gingen; Lukas berichtet davon. Wir dürfen annehmen, daß er Zeugen über diese Erscheinung befragt hat, vielleicht die beiden Männer selbst, und er hatte Gelegenheit dazu. Er war von 58 bis 60 n. Chr. bei Paulus, der inhaftiert war in Cäsarea am Meere. In dieser Zeit, so dürfen wir annehmen, hat sich Lukas um quellenkundige Zeugen der Ereignisse, auch der Auferstehung und der Erscheinungen des Herrn, bemüht. Er gibt uns das Datum der Erscheinung vor den Emmausjüngern an. Es war am Ostersonntag, also am 16. Nisan. Das Osterfest dauerte zwar damals acht Tage, aber viele zum Osterfest gekommene Juden begaben sich schon am zweiten Tage wieder heimwärts, so offenbar auch die beiden Männer, die nach Emmaus pilgerten. Der Name des einen wird uns genannt, er heißt Cleophas. Cleophas war in der urchristlichen Gemeinde kein Unbekannter; er war ein Bruder des heiligen Josef. Der zweite wird uns zwar im Evangelium nicht erwähnt, aber die alte Überlieferung weiß zu berichten, daß es der Sohn des Cleophas war mit Namen Simeon. Jesus, unser Herr, ist ja ein Mensch geworden, und als Mensch hatte er auch eine große Verwandtschaft. So werden uns die Namen von Simon und Judas, von Jakobus und Joses genannt, die nach dem damaligen Sprachgebrauch als Herrenbrüder bezeichnet werden. Hier haben wir erneut eine Auswahl aus den Verwandten des Herrn, Cleophas und Simeon.

Die beiden Männer haben in der urchristlichen Gemeinde eine bestimmte Rolle gespielt. Die Römer waren wachsam. Sie haben auf messianische Bewegungen scharf geachtet und die Angehörigen der Sippe des Messias genau beobachtet. Wir wissen, daß die Kaiser Vespasian, Domitian, Trajan und Decius die Angehörigen der Sippe unseres Heilandes verfolgt haben. Der Kaiser Domitian ließ im Jahre 95 zwei Verwandte des Heilandes nach Rom kommen, um sie zu prüfen und zu verhören. Aber als er ihre schwieligen Hände sah, die ihm zeigten, daß sie durch Handarbeit ihr Brot verdienten, war er von ihrer Harmlosigkeit überzeugt und schickte sie wieder nach Hause. Nicht so glimpflich kam der Simeon, der Sohn des Cleophas, davon. Dieser Simeon wurde nämlich Bischof von Jerusalem, der zweite Bischof von Jerusalem. Der erste war Jakobus, aber Jakobus ist im Jahre 62 hingerichtet worden. Und so trat an seine Stelle Simeon. Aber auch er entging nicht dem Schicksal seines Herrn. Im Jahre 107, unter Kaiser Trajan, starb er am Kreuze. Wir haben also hier keine Novelle, keine Legende, sondern wir haben hier in der Geschichte von den Emmausjüngern eine wirkliche Begebenheit vor uns, die wir verifizieren können. Wir wissen das Datum, wir wissen die Personen, wir wissen aber auch den Ort. Es gab im alten Palästina nach Josephus Flavius drei Orte, die Emmaus hießen. Das erste Emmaus lag in Galiläa, ist das heutige Hammad; es kommt nicht in Frage, weil es zu weit von Jerusalem entfernt war. Es bleiben also noch zwei andere, in Judäa gelegene Emmaus übrig. Das Emmaus, das heute Kalonie heißt, ist nur 30 Stadien von Jerusalem entfernt. Die Evangelien geben aber 60 Stadien an. Aber in 60 Stadien von Jerusalem gibt es kein Emmaus. Es gibt nur ein drittes Emmaus, das heutige Amwas, das 160 Stadien von Jerusalem entfernt liegt, 23 Kilometer in der Luftlinie. Dies dürfte das Emmaus sein, um das in unserem Bericht die Geschichte sich dreht. Die unterschiedlichen Zahlenangaben sind ein Zeichen dafür, daß genaue Messungen nicht zur Hand lagen. Der Codex Sinaiticus, einer der besten, die wir überhaupt haben, eine der ältesten Bibelhandschriften, spricht auch deswegen von 160 Stadien, wie es der tatsächlichen geographischen Entfernung entspricht. Das also muß das Emmaus sein, zu dem sich die beiden Wanderer begeben haben. In diesem Emmaus ist durch Ausgrabungen festgestellt worden, daß mehrere christliche Kirchen bis zur Zerstörung durch die Mohammedaner bestanden haben, und das deutet darauf hin, daß die Christen von Anfang an den Ort, der durch die beiden Erscheinungsträger geheiligt war, durch ein Gotteshaus ausgezeichnet haben, an dem sie sich versammelt haben und zu dem sie gepilgert sind.

Die Begebenheit der beiden Emmausjünger ist also historisch bestens gesichert. Aber auch die anderen Erscheinungen, von denen wir im heutigen Evangelium hören, sind historisch beglaubigt. Die Emmausjünger stürmten nach diesem Begebnis sofort nach Jerusalem zurück. Und was hörten sie da? „Der Herr ist wahrhaft auferstanden.“ Ja, woher wußten das die Jerusalemer Jünger? „Er ist dem Simon erschienen.“ Simon, das war der ursprüngliche Name des Petrus. Auch wenn keine Einzelheit über diese Erscheinung vor Petrus berichtet wird, galt es den Jüngern als absolut glaubhaft, was Petrus berichtete, nämlich daß ihm der Herr erschienen war. Und während sie nun in Aufregung und in Begeisterung über das Erlebte berichteten, da stand der Herr in ihrer Mitte. Wir können mit unseren naturwissenschaftlichen Kenntnissen nichts sagen, wie das möglich ist, daß der Herr durch die Türen ging und plötzlich unter ihnen auftrat. Aber er hat jetzt vor ihnen gleichsam das Experiment des Gläubigwerdens angestellt, auf dreifache Weise. An erster Stelle fordert er sie auf, zu sehen: „Sehet!“ und was sollten sie sehen? „Meine Hände und Füße.“ Warum denn die Hände und die Füße? Ja, weil die verklärten Hände und Füße noch die Zeichen seiner Wundmale trugen, wenn auch in verklärter, wunderbar strahlender und leuchtender Weise. Deswegen: „Sehet meine Hände und Füße!“ Sie sollen die Identität erkennen zwischen dem, der hier erscheint, und dem, den sie am Kreuze haben verbluten sehen. Dann sagt er, das ist der zweite Beweisgang: „Betastet mich.“ Sie sollen also nicht nur sehen, sie sollen auch fühlen, und wir wissen ja, daß vor allem Thomas darauf aus war, nicht nur zu hören, sondern zu sehen und zu fühlen und zu betasten. Und der Herr bietet ihnen eine Probe an: „Betastet! Ein Geist, ein Gespenst hat nicht Fleisch und Gebein.“ Und schließlich, als die Jünger vor Freude, vor fassungsloser Freude immer noch nicht die volle Wirklichkeit des auferstandenen Herrn in ihren Herzen aufleuchten lassen wollten, sagte er: „Habt ihr etwas zu essen?“ Der dritte Beweisgang. Sie bieten ihm an einen gebratenen Fisch und einen Honigkuchen. Das ist eine ganz auffällige Mahlzeit, das entspricht nicht unseren Geschmacksvorstellungen – gebratenen Fisch und Honigkuchen. Und natürlich waren die ungläubigen Erklärer der Heiligen Schrift sogleich zur Stelle, um zu sagen: Das ist unmöglich, das ist ausgeschlossen, daß jemand so eine Zusammenstellung ißt. Aber wir wissen, daß die Herren Erklärer des Evangeliums nicht genügend recherchiert haben. Plinius der Ältere schreibt in seiner Naturgeschichte, Historia naturalis in lateinischer Sprache: „Der Honig ist ein Heilmittel gegen die Schäden, die bei Fischspeisen entstehen können.“ Es war eine alte Überzeugung unter der Ärzteschaft der Antike, daß Honig und Fisch sich sehr gut vertragen, ja daß der Honig ein Heilmittel gegen die Schäden ist, die ein Fischgenuß erzeugen kann. Auch der große Arzt Galenus teilt diese Ansicht, und es ist ja nun auffällig, daß diese Geschichte von dem Evangelisten berichtet wird, der selber Arzt war, von Lukas, dem geliebten Arzt. Und als der Herr genossen hatte, dann bot er ihnen von dem Übriggebliebenen an. Jetzt endlich stieg in den Herzen der Apostel eine Freude auf, die Freude, von der der Herr gesagt hat, daß sie niemand mehr von ihnen nehmen werde, eine Gewißheit, eine Überzeugung, mit der sie hinausgingen und von Jesus, dem Auferstandenen, gekündet haben. Sie haben gesehen, aber während dieses Sehens hat der Herr in ihnen den Glauben geweckt. Sie haben geschaut und betastet, aber während dieses Schauens und Betastens ist der übernatürliche Glaube in ihren Herzen entzündet worden. Das Sehen hat ihren Glauben vorbereitet, aber nicht erzeugt. Die Macht der Gnade hat in ihren Herzen die absolute Gewißheit begründet, daß der Herr wahrhaft auferstanden ist, und daß es sich lohnt, für diesen auferstandenen Herrn hinauszuziehen und alle Völker zu lehren und alle zum Glauben an Christus, den Sieger über Sünde und Tod, zu führen, sich ihm anzuschließen und das Leben für ihn zu wagen.

Amen.

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