Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
31. März 1991

Einwände gegen die Osterbotschaft

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

 

Geliebte, in heiliger Osterfreude Versammelte!

Der Sinn des Leidens Jesu war die Auferstehung, denn er stirbt fürderhin nicht mehr. Der Tod hat keine Macht mehr über ihn. Jesus war der Lebendige kraft seines Wesens. Er lebte nicht in der Weise der Todverfallenen, er war innerlichst lebendig. Dennoch hat er den Tod ausgekostet wie kein anderer, weil er eben nicht in der Weise der Todverfallenen exsistierte, weil der Tod nicht schon gleichsam in ihm saß und ihn aufgezehrt hat. Und so hat er die Furchtbarkeit des Todes ausgekostet wie niemand anderer. Aber er konnte nicht im Tode bleiben. Seine Lebendigkeit duldete nicht, daß der Tod ihn festhielt. So hat er den Tod entmächtigt, so ist er durch den Tod hindurchgegangen und hat den Tod überwunden. „Triumph dem Todesüberwinder“ singen wir seitdem. In seiner Auferstehung ist herausgekommen, was immer in ihm war, nämlich daß er das Leben war.

Nach dem Tode wurde der Leib in das Grab gelegt, aber mit dem Leibe verbunden blieb der Logos, die zweite Person in der Gottheit, denn das ist eine Verbindung, die nie mehr gelöst wird. Also auch der entseelte Leib war mit der zweiten Person in der Gottheit verbunden. Die Seele dagegen ging in die Vorhölle, in die Unterwelt, in das Reich des Todes, um den dort weilenden Seelen die Erlösung zu verkünden. Wir sprechen von der „Höllenfahrt Christi“. Hölle ist hier gemeint in dem Sinne, daß es eben die Unterwelt ist. Wir leben in der oberirdischen Welt, und die Verstorbenen stellte man sich vor als in der unterirdischen Welt lebend. Der Ort spielt keine Rolle, es geht um die Sache. Und die Sache bedeutet, daß die Seelen, die im Zustand der Sündenlosigkeit abgeschieden waren, in der Erwartung der Erlösung lebten und daß diese Erlösung ihnen jetzt von Christus verkündet wurde. Sie konnten nicht eher in das Reich Gottes eingehen, bevor nicht das Heilswerk Christi vollbracht war. Jetzt, nachdem es vollendet ist, brachte ihnen Christus die Botschaft, daß sie eingehen könnten in das Reich der Seligkeit. Es war dieselbe Botschaft, die der rechte Schächer am Kreuze vernehmen durfte: „Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein.“

Gegen diese Lehre, gegen diese ursprüngliche, unabänderliche Lehre der Kirche stürmt der Unglaube an, der Unglaube in der Gestalt der liberalen Theologie. Er sagt – und ich sage es euch, meine lieben Freunde, damit ihr gewappnet seid gegen diese ungläubigen Aufstellungen –, die Höllenfahrt Christi sei nur ein Sonderfall der in der griechisch-römischen und orientalischen Religionsgeschichte vorhandenen Hadesfahrten von Göttern und Heroen. Diese Aufstellungen der liberalen Religionsgeschichte scheitern an zwei Tatsachen. Einmal handelt es sich bei den mythischen Erzählungen um Ausgeburten der Phantasie. Die Mythen steigen aus dem Inneren des Menschen auf und werden in Worte und Bilder gefaßt. Sie sind Darstellungen dessen, was sich in der Natur dauernd vollzieht, nämlich das „Stirb und werde“, das Vergehen und Auferstehen. Die Mythen beanspruchen gar nicht, geschichtliche Ereignisse zu erzählen, sondern sie sind Verdichtungen, numinose Verdichtungen dessen, was sich immer in der Geschichte und in der Welt ereignet, vor allem in der Natur. Dagegen ist die Höllenfahrt Christi von der Eigenart des Lebens und Werkes Jesu nicht loszutrennen. Und welches ist diese Eigenart? Es ist ein geschichtliches Ereignis. Es ist ein Ereignis, das wir nach Ort und Zeit festlegen können. Es ist dies ein Ereignis, das Zeugen gehabt hat. Und deswegen unterscheidet sich die Höllenfahrt Christi wesentlich von den Hadesfahrten der Götter und Heroen.

Aber noch aus einem zweiten Grunde besteht ein tiefgehender Unterschied, nämlich in den Mythen wird erzählt, wie die Götter und Heroen in der Unterwelt mit den Unterweltsgöttern kämpfen und manchmal unterliegen und jedenfalls ihren Tribut entrichten müssen. Nichts davon in der christlichen Lehre von der Höllenfahrt Christi. Der Gedanke dieser Höllenfahrt ist davon wesentlich verschieden. Er besagt, daß Christus den Tod entmächtigt hat in seinem Tod und Auferstehen und daß er grundsätzlich den Tod überwunden hat und deswegen als der Lebendige den in der Unterwelt weilenden Seelen die Erlösung bringen und verkünden konnte. Es gibt also zwei wesentliche Unterschiede zwischen den Hadesfahrten der Heroen und Götter und der Höllenfahrt unseres Herrn und Heilandes. Es mag sich in diesen Mythen eine Sehnsucht ausdrücken, eine unvollkommene Sehnsucht nach dem, was sich dann tatsächlich in Christus ereignet hat. Es mögen auch die Vätertheologen die Stilmittel, die Darstellungselemente diesen mythischen Hadesfahrten entnommen haben, aber wir müssen eben unterscheiden zwischen dem Leib oder dem Kleid einer Wahrheit und dem Geist oder Gegenstand einer Wahrheit. Der Inhalt der christlichen Lehre ist wesentlich verschieden von den Hadesfahrten von Göttern und Heroen.

Christus ist am dritten Tage auferstanden von den Toten. Das ist der Mittelpunkt, das ist der wesentliche Inhalt der christlichen Lehre. An diesem Inhalt hängt buchstäblich alles. Wenn diese Lehre fällt, dann stürzt das ganze Christentum hinterher. Das haben die Apostel eindeutig gelehrt. Der Apostel Paulus betont, daß der Glaube hinfällig ist und daß die Predigt sinnlos ist, wenn Christus nicht auferstanden ist. Der Apostel Petrus sagt, für den ausgefallenen Judas muß jemand gewählt werden, der Zeuge der Auferstehung Christi sein kann. Ja, das ist geradezu der Beruf des Apostels, Zeuge der Auferstehung Christi zu sein. Wer nur seine eigene Erfahrung und sein eigenes Nachdenken als Maßstab nimmt, der muß gegen diese Lehre von der Auferstehung Christi Einspruch erheben. Das taten schon die geistesstolzen Griechen und die materialistischen Sadduzäer. Sie haben schon zu ihrer Zeit die Auferstehung Christi geleugnet. Auch heute, ja durch die ganze Geschichte des Christentums ist die Versuchung lebendig, nur das eigene Nachdenken und die eigene Erfahrung als Maßstab zu nehmen und so ein Nein zu der Auferstehung Christi zu sprechen.

Man muß sein Denken von Gott her umwandeln, wenn man die Auferstehung begreifen will. Man muß aufhören, vom Menschen her zu denken. Man muß anfangen, von Gott her zu denken. Auch die Jünger mußten ihr Denken umwandeln. Sie hatten zwar die Leidensweissagungen Jesu gehört, die immer ausklangen in den Satz: „Am dritten Tage aber wird er auferstehen.“ Aber sie haben diese Leidensweissagungen nicht aufgenommen. Sie haben kein Organ besessen, um diesen Voraussagen von Tod und Auferstehung des Messias folgen zu können. Es war ihnen undenkbar, es erschien ihnen ganz unwahrscheinlich. Und Petrus wollte es sogar dem Herrn ausreden. Er hat gesagt: Das wird doch dir nicht passieren. Und der Herr hat ihm dann gesagt: „age opisi mou, Satana!“ – Fort von mir, Satan. Diese Leidensweissagungen, die in die Auferstehungsvoraussage ausklangen, haben in den Jüngern keine nachhaltige Spur hinterlassen. Das ist sehr wichtig, denn wenn die Jünger am Karfreitag verzweifelt waren, wenn sie ausweglos waren, wenn sie keine Hoffnung mehr hatten, dann kann der Auferstehungsglaube nicht aus ihrem eigenen Inneren wie ein Wunschtraum hervorgequollen sein, dann kann der Auferstehungsglaube nicht die Verdichtung ihrer Sehnsucht sein, dann kann der Auferstehungsglaube nicht eine Vorstellung sein, die ihr eigenes, gegen die Tatsachen angehendes Selbst aus sich hervorgetrieben hätte.

Daran scheitert die Haupthypothese, die der Unglaube – und die liberale Theologie ist Unglaube! -  gegen die Auferstehung Christi vorbringt, die Visionshypothese. Diese Hypothese wurde zum erstenmal in ausgebauter Form vorgetragen von dem evangelischen Theologen David Friedrich Strauß. Sein Buch stammt aus dem Jahre 1834. Ich habe es von Deckel zu Deckel gelesen, weil es so wichtig ist für die Geschichte des Unglaubens. In diesem Buche stellt Strauß folgende Hypothese auf: Die Erscheinungen des Auferstandenen sind Tatsachen; die Erscheinungen sind tatsächlich passiert. Aber diese Erscheinungen sind subjektive, also aus dem eigenen Inneren hervorgehende Vorstellungen der Jünger, die sich über den Verlust des Messias nicht beruhigen konnten und bei denen das Unbewußte solche Bilder und Visionen hervorgetrieben hat. Diesen Bildern und Visionen entspricht nichts in der Wirklichkeit draußen. Das heißt, Jesus ist in Wirklichkeit nicht auferstanden, sondern es ist nur die subjektive Vorstellung geboren worden, daß er auferstanden sei. Die Visionen, die die Jünger gehabt haben, wurden theologisch gedeutet, und diese Deutung heißt: Jesus ist auferstanden. Wenn diese Hypothese mit dem Tode von David Friedrich Strauß erledigt wäre, bräuchte man heute nicht mehr darüber zu sprechen. Aber sie ist nicht erledigt. Sie wird bis in die Gegenwart von einer großen Zahl von Theologen vorgetragen, neuerdings sogar von sogenannten katholischen. Das ist der nachkonziliare Zusammenbruch, das ist die Selbstzerstörung der Kirche.

Diese Visionshypothese,  meine lieben Freunde, scheitert an drei Argumenten. Einmal verkennt sie vollständig die Psychologie der Jünger. Sie waren gerade nicht mit der Hoffnung, mit der Sehnsucht, mit dem Verlangen erfüllt, der Meister möge doch nicht tot sein, sondern sie waren überzeugt, daß er tot war. Sie hatten ihn ja sterben sehen, diesen zerrissenen Körper, diese durchbohrte Seite, dieses herabgeneigte Haupt, diese schrecklichen Wunden an seinen Gliedern. Der Hauptmann hatte den Tod bestätigt, denn Pilatus wunderte sich ja, daß er schon tot sei, und erkundigte sich darum bei dem Führer des Hinrichtungskommandos. Er war also verhältnismäßig rasch gestorben. Und all das hatten die Jünger miterlebt, und sie hatten sich in ihrer Hoffnungslosigkeit verkrochen. Es war nichts in ihnen, es war nichts in ihrem Unterbewußten und Unbewußten, das eine geheime Sehnsucht nach seiner Auferstehung gehabt hätte. Ja, sie konnten sich so etwas gar nicht vorstellen. Für sie gab es eine Auferstehung am Jüngsten Tage, aber doch nicht am dritten Tag. Diese Auferstehung am dritten Tage ist ja erst begründet worden durch ein Geschehnis, durch ein Faktum. Sie rechneten nur mit der Auferstehung dann, wenn das Ende der Zeit gekommen ist. Da rechneten sie schon mit der Auferstehung, aber nicht jetzt.

Der zweite Einwand beruht auf der Kürze der Zeit. Um sich von einer verzweifelten Stimmung zu einer hochgemuten Stimmung zu erheben, braucht man länger als ein paar Stunden, vielleicht 36 Stunden. Dafür muß man einen längeren Zeitraum annehmen. Aber dieser Zeitraum fehlt: Denn es steht ehern im Glaubensbekenntnis: „Auferstanden am dritten Tage.“ Nicht am zweiten, nicht am vierten, am dritten Tage. Auferstanden am dritten Tage, und zwar ist das der dritte Tag, wenn man den Karfreitag mitrechnet: Freitag – Samstag – Sonntag. Auferstanden am dritten Tage. Es steht kein langer Zeitraum zur Verfügung, um in dieser Zeit eine Entwicklung einzuleiten, die von der Verzweiflung zu hochgemuter Stimmung, ja sieghafter Überzeugung führen kann.

Der dritte Einwand gegen die Visionshypothese ist der schwerwiegendste. Diese Hypothese macht nicht die Texte des Neuen Testamentes zum Ausgangspunkt ihrer Untersuchung, sondern ein philosophisches a priori. Sie erklärt mit dem berühmten ungläubigen protestantischen Theologen Bultmann: Ein toter Leib kann nicht wieder lebendig werden. Ja, deswegen gibt es ja das Christentum, weil das einmal passiert ist. Was ist das ein Satz von abgründiger Dummheit! Ein philosophischer, vorausgesetzter Standpunkt wird gegen eine Tatsache ins Feld geführt. Weil so etwas angeblich nicht geschehen kann, deswegen ist es nicht geschehen. Ja, aber das muß man sich eben doch von der Wirklichkeit, von der Geschichte sagen lassen, was geschehen kann. Und daß es geschehen ist, das bezeugen uns diejenigen, die den Herrn gesehen und gehört haben.

Also diese liberale Theologie sucht zu erklären, wie es zum Glauben an die Auferstehung gekommen ist, wenn Jesus tatsächlich nicht auferstanden ist. Sie will das psychologische Rätsel lösen, wie die Vorstellung von der Auferstehung entstehen konnte, auch ohne daß der Herr auferstanden ist. Gegen dieses philosophische a priori, also eine Voraussetzung, die man nicht mehr länger beweist, gegen dieses philosophische a priori erhebt die Geschichte, erhebt die Wirklichkeit, erheben die Apostel, erheben die Zeugen der Auferstehung lauten Einspruch.

Zu der Visonshypothese kommen die Betrugs- und die Diebstahlhypothese. Die Betrugshypothese wurde wiederum von einem evangelischen Theologen aufgestellt, nämlich von Hermann Samuel Reimarus. Diese Betrugshypothese lautet etwa so: Die Jünger sind gekommen und haben den Leichnam Jesu aus dem Grabe geholt, ihn irgendwo versteckt und dann die Kunde ausgestreut, er ist auferstanden. Die ganze Auferstehung ist also ein aufgelegter Schwindel. Diese Hypothese ist am leichtesten zu widerlegen. Durch Betrug wird man nicht mutig. Betrüger, die von ihrem Betrug so fasziniert sind, daß sie den, den sie entfernt haben, als Lebenden schauen, solche Betrüger hat die Weltgeschichte noch nicht gesehen. Betrüger, die für ihren Betrug in den Tod gehen und auf alle Annehmlichkeiten des Lebens verzichten, solche Betrüger hat es in der Weltgeschichte noch nicht gegeben. Deswegen ist auch diese Hypothese weitgehend aufgegeben. Eine andere kommt ihr nahe, nämlich die Diebstahlhypothese. Irgend jemand, Josef von Arimatäa oder sonst ein anderer, habe den Leichnam Jesu entfernt, und die Jünger hätten das leere Grab vorgefunden, und dann seien sie auf den Gedanken gekommen: Der Herr ist auferstanden. Also das leere Grab habe den Glauben an die Auferstehung hervorgetrieben. Gegen diese Hypothese gibt es zwei entscheidende Einwände. Einmal, wenn der Leichnam Jesu von Josef von Arimatäa oder auch vom Hohen Rat entfernt worden wäre, ja warum haben sie ihn dann nicht vorgewiesen, als die Jünger mit ihrer Predigt von der Auferstehung Jesu das ganze Judenland erfüllt haben? Sie hätten ihn doch hervorholen und zeigen können: Hier ist er ja. Dann wäre der ganze Spuk, als den sie die Auferstehung ausgeben wollten, zusammengebrochen. Nichts dergleichen ist geschehen. Der Leichnam Jesu konnte nicht vorgewiesen werden. Außerdem, das ist der entscheidende Einwand, hat sich der Auferstehungsglaube Jesu nicht am leeren Grab entzündet. Das leere Grab wurde festgestellt, aber es verbreitete nur Staunen, Unsicherheit, Schrecken, Ratlosigkeit. Niemand wußte, was das bedeutet. Erst als der Auferstandene sich zu sehen gab, erst als er den Jünger erschien, erst da keimte der Osterglaube auf. Nicht das leere Grab begründet den Osterglauben, sondern die Erscheinungen des Auferstandenen.

Das sind,  meine lieben Freunde, die Einwände gegen die Auferstehung Jesu. Wer sich von vorgefaßten Meinungen frei macht, wer auf die Zeugen hört, wer ihre Lauterkeit anerkennt, wer wahrnimmt, daß sie nur in aller Schlichtheit und ohne Aufbauschen berichten, was sie erfahren haben, der kommt nicht daran vorbei, zu sagen: Jesus ist wahrhaft auferstanden, und er ist dem Petrus erschienen. Als die Jünger vor dem Hohen Rat standen, wurde an sie die Forderung gestellt, sie sollten doch aufhören mit dieser Predigt von dem Jesus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen. Da gab ihnen Petrus, der plötzlich seinen Mut wiedergefunden hatte, zur Antwort: „Wir können nicht aufhören, zu reden von dem, was wir gesehen und gehört haben.“

Amen.

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