Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
11. Mai 1986

Lohn der guten Werke

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Am vergangenen Sonntag haben wir nachgedacht über die guten Werke. Gute Werke, so sagten wir, sind freiwillige Handlungen, die Gottes Willen gemäß sind und mit Rücksicht auf Gott geschehen; die darum auch von Gott belohnt werden.

Vom Lohn der guten Werke wollen wir heute sprechen. Der Lohn, den Gott verheißen hat für die guten Werke, ist verschieden für den Sünder und für den Gerechten, für den (schweren) Sünder, also für denjenigen, der im Zustand der Gnadenlosigkeit lebt, für den Gerechten, also jenen, der im Zustand der heiligmachenden Gnade ist. Der Sünder, der Todsünder, der Mensch ohne Gnade, der gute Werke verrichtet, wird ob dieser Werke belohnt, allerdings nicht im Himmel, denn die Werke, die ein Todsünder verrichtet, sind tote Werke, sie sind nicht verdienstlich, sie werden im Himmel nicht belohnt. Aber diese toten Werke verdienen ihm hier auf Erden die Gnade der Bekehrung. Wenn der Todsünder gute Werke verrichtet – Beten, Fasten, Almosen –, dann wird die Kruste seines Herzens allmählich aufgeweicht, und der Tau der Gnade dringt ein. Die guten Werke des Todsünders sind also nicht verloren, sie erwirken ihm kraft der Verheißung Jesu die Gnade der Bekehrung. Und das ist ja das Wichtigste und Notwendigste, was ein Todsünder braucht, daß er sich bekehrt, daß er sich abwendet von seinem schlimmen Weg und hinkehrt zu Gott.

Reichlich sind die Früchte, die dagegen der Gerechte für seine guten Werke zu erwarten hat. Sie vermehren ihm erstens die heiligmachende Gnade. Darum, daß im Zustand der Gnade jemand gute Werke verrichtet, wird durch Gottes Macht ihm die heiligmachende Gnade vermehrt. „Jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er,“ sagt der Heiland von seinem Vater, unter dem Bilde eines Winzers sprechend. „Jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie noch mehr Frucht bringt.“

Die Reinigung, die Heiligung, die wir als Vermehrung der heiligmachenden Gnade bezeichnen, ist die erste köstliche Frucht der guten Werke. Die zweite ist die Vermehrung der himmlischen Glorie. Wenn der Herr kommt mit seinen Engeln, wird er einem jeden vergelten nach seinen Werken. Nach seinen Werken! Nicht nach den Vorsätzen, die er gefaßt hat, auch nicht nach den Worten und Sprüchen, die er gemacht hat, sondern nach seinen Werken wird ihm vergolten. Wir haben es also in der Hand, unsere Himmelsglorie zu vermehren, wenn wir gute Werke verrichten. Das Konzil von Florenz im Jahre 1439 hat ausdrücklich erklärt, daß die Glückseligkeit der Geretteten im Himmel nicht gleich ist. Es gibt Unterschiede. Und an diesen Unterschieden sind die guten Werke, die einer auf Erden verrichtet hat, nicht unbeteiligt.

Die dritte Wirkung der guten Werke ist der Nachlaß zeitlicher Sündenstrafen. Das ist eine gar wichtige Sache, daß wir Sündenstrafen, die in der Zeit abzubüßen sind – also entweder hier oder im Fegfeuer –, nachgelassen bekommen. Und dazu dienen eben die guten Werke, also die drei Gruppen Beten, Fasten, Almosen. Sie haben einen genugtuenden Wert, weil sie beschwerlich sind, weil wir uns dabei überwinden müssen. Und darin liegt der genugtuende Wert der guten Werke. Wir können damit Sündenstrafen, zeitliche Sündenstrafen, die wir für unsere Verfehlungen verdient haben, abgelten.

Häufig verdienen gute Werke auch Erhörung der Gebete, manchmal sogar irdischen Lohn. Diese beiden letzten Wirkungen der guten Werke sind nicht so gewichtig wie die drei ersten, aber sie sind deswegen nicht unbeachtlich. Wenn jemand nämlich durch gute Werke sich die Erhörungsgewißheit verschafft, wie glücklich wird er sein, daß sein Gebet erhört ist, das er unterstützt hat durch Beten, Fasten und Almosen, diese drei Gruppen; und in manchen, der gute Werke verrichtet, kehrt die Freude und der Friede ein, nämlich die innere Genugtuung darüber, daß er sich überwunden hat, seine Trägheit, seine Bequemlichkeit, seine Abneigung gegen die Menschen, und daß er gut gewesen ist.

Wir können die guten Werke auch anderen zuwenden. Es hat schon einen Sinn, wenn die Menschen sagen: „Ich opfere die heilige Messe, ich opfere die heilige Kommunion, ich opfere ein Gebet, ein Fastenopfer, auf für diesen oder jenen Menschen, der es braucht, der in seelischer oder körperlicher Not ist.“ Das hat schon einen Sinn. Das können wir tun, Gott nimmt es an. Wir sind imstande, den genugtuenden und erflehenden Wert der guten Werke anderen zuzuwenden. Die Verdienstlichkeit kommt nur dem zu, der sie verrichtet. Das Verdienst bleibt also demjenigen, der die guten Werke tut. Aber die genugtuende und die erflehende Kraft der guten Werke kann anderen zugewendet werden. So können wir Wohltäter für andere sein. In dem Sinne sagt ja der Herr: „Laßt euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie euere guten Werke sehen und den Vater preisen, der im Himmel ist.“ Wir müssen also die guten Werke nicht im Verborgenen verrichten. Selbstverständlich soll man sich ihrer nicht rühmen, aber wir brauchen sie auch nicht zu verbergen. Gute Werke haben nämlich eine zündende Kraft. Sie vermögen andere anzueifern. Sie vermögen bei anderen Nacheifer zu wecken, und deswegen: Laßt euere guten Werke, laßt euer Licht von den Menschen sehen, damit sie den Vater im Himmel preisen. Laßt uns mit unseren Kräften, mit unserem Geld, mit unserer Zeit gute Werke verrichten. Jetzt ist die Zeit der Aussaat, und wer reichlich sät, wird reichlich ernten. Wer aber spärlich sät, der wird spärlich ernten.

Deswegen, meine lieben Freunde: Laßt uns die Zeit ausnutzen, laßt uns wirken, „solange es Tag ist!“ Es kommt die Zeit, es kommt die Stunde, wo die Nacht anbricht, und wo niemand mehr wirken kann.

Amen.

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