Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
9. Okto­ber 2011

Vom rech­ten Gebrauch der mensch­li­chen Spra­che

Im Namen des Vaters und des Soh­nes und des Hei­li­gen Geis­tes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Ein wun­der­ba­res Geschenk Got­tes an den Men­schen ist die Spra­che. Die Tiere haben auch die Mög­lich­keit, sich zu ver­stän­di­gen, aber sie ist beschränkt auf Nah­rungs­su­che und Fort­pflan­zung. Das Tier ist nicht imstande, mit sei­ner Spra­che, kraft sei­ner Spra­che eine Kul­tur zu bil­den. Der Mensch ist durch die Spra­che befä­higt, Gedan­ken zu ver­mit­teln, Fak­ten aus­zu­tau­schen, Ansich­ten und Wün­sche zu äußern. Im Rah­men der Gesell­schaft besitzt die Spra­che kom­mu­ni­ka­tive und iden­ti­täts­stif­tende Funk­tion. Wenn der Mensch die Spra­che erwirbt als Kind, dann wird er ein­ge­glie­dert in die Gesell­schaft. Der Sprach­er­werb macht ihn fähig, der Gesell­schaft als voll­gül­ti­ges Glied anzu­ge­hö­ren. Das Spre­chen ist tat­säch­lich ein Teil der Würde des Men­schen.

Diese große Gabe Got­tes bedarf der Aus­bil­dung und der Pflege. Wie für alle Äuße­run­gen trägt der Mensch Ver­ant­wor­tung für das, was er spricht und wie er es aus­sagt. Die Spra­che kann ein Segen sein oder Scha­den stif­ten. Vor kur­zem bezeich­ne­ten Feinde der Reli­gion unse­ren Herrn und Hei­land als den „Bal­ken­heini“. Jesus Chris­tus der „Bal­ken­heini“! Und Sie haben es ja eben erlebt vor eini­gen Tagen, wie der Kanz­ler­amts­mi­nis­ter Pofalla sei­nen Frak­ti­ons­kol­le­gen Bos­bach zurecht­wies: „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen. Du redest ja doch nur Scheiße.“ So spricht der Kanz­ler­amts­mi­nis­ter, der Ver­traute von Frau Mer­kel, zu sei­nem Frak­ti­ons­kol­le­gen Bos­bach.

Die Spra­che will ein­ge­übt wer­den, und die erste und not­wen­digste Ein­übung in die Spra­che besteht im Schwei­gen. Man muss schwei­gen kön­nen, um zur rech­ten Zeit reden zu dür­fen. Wer nicht schwei­gen kann, ist in Gefahr, die Spra­che zu miß­brau­chen. Die Hei­lige Schrift for­dert an vie­len Stel­len den vor­sich­ti­gen Umgang mit der Spra­che. „Wer seine Zunge hütet, bewahrt sein Leben“, heißt es im Buch der Sprich­wör­ter. Wer unbe­dacht­sam im Reden ist, dem droht Gefahr. Bei vie­lem Reden geht es nicht ohne Ver­feh­lung ab. Wer weise ist, der hütet seine Zunge. Nie­mand kann ohne Gefahr den Mund zum Reden auf­tun, der nicht zu schwei­gen gelernt hat. Schwei­gen ist not­wen­dig, meine lie­ben Freunde, um nicht zum Viel­red­ner, zum Schwät­zer zu wer­den. Es ist leich­ter, über­haupt nichts zu sagen, als im Reden nicht zu feh­len. Das kommt daher, dass wir vor allem vom Nächs­ten lie­ber Böses reden als Gutes. Wir mischen uns gerne in fremde Ange­le­gen­hei­ten ein, wir wol­len über andere bestim­men, und dazu bedie­nen wir uns der Spra­che. Wir müs­sen immer über­le­gen, ob wir jemand einen Rat geben sol­len, ohne dass wir darum gebe­ten wer­den. Es ist ungleich siche­rer, sich raten zu las­sen, als ande­ren Rat zu geben. Und es ist Weis­heit, nicht sogleich nach­zu­er­zäh­len, was wir von jeman­dem gehört haben. Schwei­gen will gelernt sein.

Zum rech­ten Gebrauch der Spra­che gehört auch das Hören, das Hören auf das, was andere sagen. Wir sind nicht im Allein­be­sitz des rech­ten Wis­sens und der rech­ten Ent­schlüsse. Auch andere den­ken nach und über­le­gen. Wir kön­nen und sol­len uns ihrer Ein­sich­ten bedie­nen. Des­we­gen sol­len wir gern fra­gen und schwei­gend hören, was andere sagen. Wir sol­len nicht zu viel auf unsere eigene Ein­sicht geben, son­dern gern hören, was andere Leute dar­über den­ken. Wir sol­len auch nicht fra­gen, wer etwas gesagt hat, son­dern wir sol­len auf das hören, was gesagt wurde. Der Inhalt ist ent­schei­dend, nicht die Per­son, von der eine Rede kommt. Gott redet auf man­cher­lei Weise zu uns ohne alles Anse­hen der Per­son. Wer weise ist, beugt sich gern dem Rat eines ande­ren. Und wenn Gott in unse­rer Mitte wohnt, müs­sen wir oft auf unsere eigene Mei­nung ver­zich­ten, um den Frie­den zu erhal­ten. Zuhö­ren und zuhö­ren kön­nen ist ein Dienst, den wir den Mit­men­schen leis­ten. Viele Men­schen sind schon getrös­tet, wenn sie jeman­den fin­den, der sie anhört. Die Men­schen wol­len sich aus­spre­chen, wol­len etwas los­wer­den, wol­len das, was auf ihnen las­tet, mit­tei­len. Und da ist es für sie eine Hilfe, wenn sie einen fin­den, der nicht nur mit dem Ohr, son­dern mit dem Her­zen ihren Reden lauscht.

Die Spra­che dient auch der Beleh­rung. Die Unter­wei­sung in der Schule und anderswo geschieht durch Worte. Wir tei­len Wis­sen mit, wir behe­ben die Unwis­sen­heit ande­rer. Es ist ein Werk der geis­ti­gen Barm­her­zig­keit, die Unwis­sen­den zu beleh­ren, zumal in Sachen der Reli­gion. Die Unkennt­nis des Glau­bens, der Glau­bens­lehre, der Sit­ten­lehre ist enorm. Die Men­schen bekämp­fen häu­fig etwas, was sie gar nicht ken­nen. Soeben haben wir erlebt, wie der Bun­des­prä­si­dent Wulff seine Unwis­sen­heit in reli­giö­sen Din­gen kund­ge­tan hat, in aller Öffent­lich­keit. Er for­derte den Papst auf, Geschie­dene, die sich bür­ger­lich ver­hei­ra­tet haben, zum Emp­fang der hei­li­gen Kom­mu­nion zuzu­las­sen. Geschie­dene, die sich wie­der­ver­hei­ra­tet haben, sol­len den Leib des Herrn emp­fan­gen kön­nen – nach Herrn Wulff. Damit ver­langt Wulff etwas, was kein Papst gewäh­ren kann. Der Kom­mu­nion­emp­fang ist denen vor­be­hal­ten, die frei sind von schwe­rer Sünde. Wer nicht frei ist von schwe­rer Sünde, der ißt und trinkt sich das Gericht, wenn er die Kom­mu­nion emp­fängt. So steht es im 1. Korin­ther­brief des Apos­tels Pau­lus. Wer nach der Schei­dung stan­des­amt­lich wie­der­ver­hei­ra­tet ist, lebt im Zustand der schwe­ren Sünde, denn die erste Ehe ist und bleibt gül­tig, die zweite Ehe ist und bleibt ungül­tig.

Man macht den Ein­wand, jede Sünde könne ver­ge­ben wer­den. Ja selbst­ver­ständ­lich. Aber nur, wenn man die Sünde auf­gibt. Wer aber im Dau­er­zu­stand der schwe­ren Sünde lebt wie der Geschie­dene, der wie­der gehei­ra­tet hat, der hat eben keine Reue. Er nimmt ehe­li­che Rechte in Anspruch, die er gar nicht in Anspruch neh­men darf. Wenn er bereut, kann ihm auch diese Sünde ver­ge­ben wer­den, aber er muss bereuen, d.h. er muss sich abwen­den, ent­we­der die Ehe auf­lö­sen, die zweite, oder mit dem Part­ner leben wie Bru­der und Schwes­ter. Es ist mir unbe­greif­lich, dass Bischöfe wie Zol­litsch und Leh­mann die For­de­rung Wul­ffs auf­neh­men kön­nen. Es ist mir unbe­greif­lich! Wer diese For­de­rung ver­tritt, steht nicht mehr auf dem Boden der katho­li­schen Lehre. In schwe­rer Sünde befind­li­che geschie­dene Wie­der­ver­hei­ra­tete zum Emp­fang des Lei­bes des Herrn zulas­sen, heißt Got­tes Gebot der Unauf­lös­lich­keit der Ehe über­tre­ten. Wer im Zustand der schwe­ren Sünde den Leib des Herrn emp­fängt, der „ißt und trinkt sich das Gericht“, und wer sie dazu ein­lädt, der macht sich frem­der Sün­den schul­dig. In wel­che Lage, meine lie­ben Freunde, sind wir in unse­rer Kir­che gekom­men!

Die Spra­che dient dem Bekennt­nis. Mit der Spra­che legen wir Zeug­nis ab für unse­ren Glau­ben, beken­nen wir unser Christ­sein. Wie uner­läß­lich das Bek­ent­nis ist, das hebt der Apos­tel Pau­lus im Römer­brief her­vor, wenn er sagt: „Wenn du mit dem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und wenn du mit dem Her­zen glaubst, dass Gott Jesus von den Toten auf­er­weckt hat, dann wirst du selig wer­den.“ Mit der Zunge, mit dem Munde beken­nen wir unse­ren Herrn Jesus Chris­tus. Ich hatte vor weni­gen Tagen ein schö­nes Erleb­nis. Ich sprach eine Dame an, die ein Kreuz an der Brust trug. Ich sagte: „Was haben Sie ein schö­nes Kreuz!“ „Ja“, sagte sie, „das ist geweiht.“ „Ach, da sind Sie ja katho­lisch?“ „Ja selbst­ver­ständ­lich, und zwar sehr!“ „Und zwar sehr“, sagte sie. Sie bekannte ihren Glau­ben, diese fromme Frau vom Chiem­see.

Die Spra­che dient der Erzie­hung, der Bil­dung und der Auf­rich­tung. Die Spra­che kann erhe­ben und nie­der­zie­hen. Mit Wor­ten kön­nen Men­schen geführt und ver­führt wer­den. Es kommt dar­auf an, wel­che Worte aus unse­rem Munde ent­strö­men. Was wir reden, soll den Mit­men­schen zur Erbau­ung, zur Erhe­bung die­nen. Wir wol­len sie nicht her­ab­zie­hen, son­dern wir wol­len sie hin­auf­he­ben. Wir sol­len unse­ren Gesprächs­part­nern etwas mit­ge­ben, ein Wort sagen, das sie auf­rich­tet, das sie trös­tet, das sie zum Vater der Lich­ter führt. Von Hei­li­gen wird berich­tet, dass nie­mand, der zu ihnen kam, nicht bes­ser gewor­den fort­ging, als er gekom­men war. Der Ein­fluß ihrer Per­sön­lich­keit und die Worte, die aus ihrem Munde kamen, haben die guten Anla­gen in den Men­schen ent­bun­den, mit denen sie gespro­chen haben.

Ein ganz wich­ti­ges Mit­tel des Wor­tes ist der Trost. Es gibt so viele Men­schen, die des Tros­tes bedürf­tig sind, von Angst gepei­nigt, von Schmer­zen gequält, von Nie­der­ge­schla­gen­heit erfüllt, trau­ernde, wei­nende Men­schen. Sie alle sind des Tros­tes bedürf­tig, der Ermun­te­rung, der Auf­rich­tung. Es ist ein Werk der geis­ti­gen Barm­her­zig­keit, Trost­lose, Trau­ernde zu trös­ten. Wir kön­nen die Betrüb­ten trös­ten, indem wir ihnen Trost­gründe vor­hal­ten. Man muss eben mit erfin­de­ri­scher Liebe nach­den­ken, was einem Trost­be­dürf­ti­gen zur Hilfe wer­den kann. Die Armen und die Unglück­li­chen trös­tet man, indem man auf Got­tes Vor­se­hung hin­weist, indem man sie an den Aus­gleich im Jen­seits erin­nert. Es bleibt nicht immer so, so unge­recht, wie es auf der Erde zugeht. Die Sün­der trös­tet man, indem man sie auf die Gebote Got­tes und auf Got­tes Barm­her­zig­keit auf­merk­sam macht. Wir trös­ten die Betrüb­ten, indem wir ihnen Teil­nahme bezei­gen. Es hat eine große Bedeu­tung, wenn wir einem Ange­hö­ri­gen, der Tote zu bekla­gen hat, das Bei­leid aus­spre­chen. Ja, das ist ein Trost, das Bei­leid, das Mit­leid, das aus dem Her­zen kommt und das ihm zeigt, dass wir Anteil neh­men an sei­nem Leid. Wenn der Lei­dende spürt, dass uns sein Lei­den rührt, dass es uns zu Her­zen geht, dann ist er getrös­tet. Das Wort ist rich­tig: Geteil­tes Leid ist hal­bes Leid. Häu­fig ist es auch ein Trost, wenn man dem Lei­den­den nicht ver­birgt, dass man sel­ber lei­det. Ich habe Ärzte erlebt, die dadurch dem Pati­en­ten Trost spen­de­ten, dass sie sag­ten: „Ach, damit habe ich auch zu tun.“

Gewiß ist Gott unser Trös­ter, unser all­mäch­ti­ger Trös­ter, zu dem wir rufen: „Trös­ter in Ver­las­sen­heit, Lab­sal voll der Lieb­lich­keit, komm, o süßer See­len­freund. Tröste den, der trost­los weint.“ Aber der Trös­ter­gott bedient sich eben der Men­schen, um zu trös­ten. Wir gläu­bi­gen Men­schen haben einen Trost, den die Ungläu­bi­gen nicht ken­nen. Wir wis­sen um Gott, um seine Gnade und Wahr­heit. Wir wis­sen um seine erbar­mungs­rei­che Ankunft. Wir wis­sen um sei­nen schmerz­li­chen Süh­ne­tod. Wir ken­nen seine glor­rei­che Auf­er­ste­hung, und wir erwar­ten seine tri­um­phale Wie­der­kunft. Das sind Trost­gründe! Der Glaube trös­tet, wo die Liebe weint. Wir spen­den kei­nen bil­li­gen Trost, denn der Trost, den wir spen­den, ist nicht bil­lig; er hat unse­rem Herrn und Hei­land das Leben gekos­tet.

Die Spra­che kann und soll ver­wen­det wer­den, um zu loben. Wer lobt, der rühmt und preist den ande­ren, er wür­digt ihn, er zeich­net ihn aus. Arbeit ver­dient Aner­ken­nung, Leis­tung ver­dient Lob. So ist es in unse­rer Welt, und das ist recht. Lob erfreut, Lob ermun­tert, Lob rich­tet auf. Wer gelobt wird, strengt sich an, näm­lich des Lobes wür­dig zu wer­den. Das Lob spornt an, Taten zu wie­der­ho­len, deret­we­gen man gelobt wird. Das Lob muss frei­lich berech­tigt sein. Man darf nicht loben, was nicht lobens­wert ist. Durch Lob, das wir einem Sün­der spen­den, machen wir uns an sei­ner Sünde teil­haf­tig. Das ist eine fremde Sünde. Aber man darf über­le­gen und suchen, was wir am ande­ren loben kön­nen. Und wenn man sich Mühe gibt, meine Freunde, wenn man genauer hin­schaut, fin­det man fast bei allen Men­schen etwas, was man mit Recht loben kann.

Dem Lob ver­wandt ist der Dank. Dank­bar­keit ist die Aner­ken­nung emp­fan­ge­ner Wohl­ta­ten. Im Kolos­ser­brief mahnt der Apos­tel die Gemeinde: „Seid dank­bar!“ Dank ist auch das Ein­ge­ständ­nis unse­rer Gren­zen. Der Dan­kende bekennt, dass er abhän­gig ist, dass er etwas emp­fan­gen hat und viel­leicht sogar emp­fan­gen mußte, dass er ange­wie­sen ist auf andere. Er gibt zu, dass er bedürf­tig ist und Wohl­ta­ten ent­ge­gen­ge­nom­men hat. Es tut den Men­schen wohl, wenn man ihnen für ihre Arbeit, für ihre Leis­tung, für ihr Wohl­tun dankt. Dan­ken soll man für große Geschenke, aber auch für kleine Gaben. Wer für das Geringste dank­bar ist, der wird fähig, Grö­ße­res zu emfan­gen. „Der Undank ist immer eine Art Schwä­che. Ich habe nie gese­hen, dass tüch­tige Men­schen undank­bar gewe­sen wären“, hat ein­mal Wolf­gang von Goe­the gesagt. „Der Undank ist immer eine Art Schwä­che. Ich habe nie gese­hen, dass tüch­tige Men­schen undank­bar gewe­sen wären.“ Ich habe es aller­dings ein­mal erlebt, wie Men­schen unfä­hig sind zu dan­ken. Ich schenkte einem jun­gen Manne eine Uhr. Er sprach kein Wort des Dan­kes. Ich redete mit sei­nem Vater. Sein Sohn ließ sich nicht bewe­gen, einen Dank aus­zu­spre­chen. Er sagte dem Vater: „Er braucht mir ja nichts zu schen­ken.“ So etwas gibt es. Undank­bar­keit ver­wun­det und betrübt den Geber guter Gaben. Der Hei­land hat ein­mal zehn Aus­sät­zige geheilt. Aber von ihnen kam nur ein ein­zi­ger zurück, um sich zu bedan­ken. Da spürt man das Weh aus sei­nem Munde, wenn er sagt: „Sind nicht zehn geheilt wor­den? Wo sind denn die ande­ren neun?“

Der Gegen­satz zum Lob ist der Tadel. Mit dem Tadel spre­chen wir die Miß­bil­li­gung des Ver­hal­tens ande­rer aus. Tadel, meine lie­ben Freunde, ist eine Sache, die gründ­lich über­legt wer­den soll. Man sollte sich fol­gende Fra­gen stel­len: Ist der Tadel berech­tigt? Ist er not­wen­dig? Ist jetzt die geeig­nete Stunde, ihn aus­zu­spre­chen? Ist er berech­tigt? Ist er not­wen­dig? Ist jetzt die geeig­nete Stunde, ihn aus­zu­spre­chen? Bevor wir tadeln, soll­ten wir immer suchen, ob wir nicht eine bestimmte Tat ent­schul­di­gen kön­nen. Hüten wir uns vor der Kri­tik­sucht. „Wer andere gern rich­tet, hat nichts davon, irrt sich öfters und sün­digt leicht­fer­tig.“ So schreibt das Buch von der Nach­folge Christi. „Wer andere gern rich­tet, hat nichts davon, irrt sich öfters und sün­digt leicht­fer­tig.“ Wir ver­lie­ren eben das rich­tige Urteil leicht, weil wir uns selbst mehr lie­ben als die Wahr­heit. Und noch ein­mal die Nach­folge Christi: „Alle Men­schen sind gebrech­lich, aber halte nie­mand für gebrech­li­cher als dich selbst!“ O wie schön die­ses Wort. „Alle Men­schen sind gebrech­lich, aber halte nie­mand für gebrech­li­cher als dich selbst!“

Eine beson­ders schwere Auf­gabe ist es, mit der Spra­che andere zurecht­zu­wei­sen. Wenn wir sehen, dass Mit­men­schen sich ver­ir­ren, ins Ver­der­ben lau­fen, sich ins Unglück stür­zen, dann sind wir auf­ge­ru­fen, ihnen ein Halt zuzu­spre­chen. Es ist ein Werk der geis­ti­gen Barm­her­zig­keit, die Sün­der zurecht­zu­wei­sen. Und das kann eine Pflicht sein. Wo wir Ver­ant­wor­tung tra­gen, in der Fami­lie, in der Nach­bar­schaft, im Staat, in der Kir­che, da dür­fen wir nicht schwei­gen, wenn wir Gefah­ren erken­nen. Wer etwas bes­sern kann und es unter­läßt, der hat ohne Zwei­fel an der Sünde Anteil. Man­che sagen: Man kann den Men­schen die Wahr­heit nicht sagen; sie ver­tra­gen sie nicht. Ich glaube, dass diese Rede nicht stimmt. Ich bin über­zeugt, meine lie­ben Freunde, man kann den Men­schen die Wahr­heit sagen, wenn es in der rech­ten Weise geschieht. Und wie ist diese rechte Weise? Man muss sie ihnen scho­nend bei­brin­gen. Wie ein Ver­bün­de­ter, dem es schwer fällt, sie zu sagen. Die Men­schen, die wir mah­nen, müs­sen spü­ren, dass wir lie­ber aner­ken­nen wür­den als tadeln. Sie müs­sen spü­ren, dass es uns schmerz­lich ist, ihnen eine bit­tere Wahr­heit unter­brei­ten zu müs­sen. Auf diese Weise, meine ich, kön­nen wir die Wahr­heit sagen.

Die Zurecht­wei­sung muss natür­lich auch immer zur rech­ten Stunde gesche­hen. Nicht jede Stunde ist geeig­net dafür. Man muss auf die Stunde der Emp­fäng­lich­keit war­ten. Es emp­fiehlt sich, vor der Zurecht­wei­sung das Lobens­werte anzu­er­ken­nen und dann erst die Ermah­nung fol­gen zu las­sen. Je lie­be­vol­ler und scho­nen­der wir zurecht­wei­sen, um so mehr fruch­tet unsere Zurecht­wei­sung.

O dass wir doch, meine lie­ben Freunde, die Gabe der Spra­che recht gebrau­chen möch­ten! O dass wir doch mit unse­rem Spre­chen Segen stif­ten möch­ten! Wenn der Pries­ter am Altar nach der Opfer­be­rei­tung die Beräu­che­rung des Alta­res vor­nimmt und den Altar umschrei­tet, da betet er: „Gib eine Wache, o Herr, mei­nem Munde, eine schüt­zende Tür mei­nen Lip­pen.“ Die­ses Gebet soll­ten wir oft spre­chen: „O Herr, gib eine Wache mei­nem Munde, eine schüt­zende Tür mei­nen Lip­pen.“

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt