Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
31. Mai 1993

Wir­kun­gen des Hei­li­gen Geis­tes

Im Namen des Vaters und des Soh­nes und des Hei­li­gen Geis­tes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Ges­tern haben wir das Wir­ken des Hei­li­gen Geis­tes in der Kir­che zum Gegen­stand unse­rer Über­le­gun­gen gemacht. Heute wol­len wir fra­gen, was der Hei­lige Geist in der Ein­zel­seele wirkt. Die Ant­wort lau­tet: Der Hei­lige Geist teilt die Gna­den aus, die Chris­tus ver­dient hat. Diese Gna­den sind zwei­fach:

1. Der Hei­lige Geist schenkt der Seele das über­na­tür­li­che Leben, das, was wir die hei­lig­ma­chende Gnade nen­nen.

2. Der Hei­lige Geist erleuch­tet, stärkt und trös­tet die Seele. Das ist das, was wir hel­fende Gnade, Wirk­gnade oder aktu­elle Gnade nen­nen.

Aus der gro­ßen Fülle von Wirk­gna­den wol­len wir drei her­aus­grei­fen. Sie sind ange­deu­tet, wenn der Hei­lige Geist genannt wird ein Geist der Wahr­heit, ein Geist der Kraft und ein Geist der Liebe. Der Geni­tiv in die­ser drei­fa­chen Bezeich­nung will wie­der­ge­ben, daß alle diese Erschei­nun­gen vom Hei­li­gen Geist gewirkt wer­den. Der Geist wirkt die Wahr­heit, der Geist wirkt die Kraft, der Geist wirkt die Liebe.

Der Hei­lige Geist ist ers­tens ein Geist der Wahr­heit. So hat ihn Chris­tus genannt: „Der Geist der Wahr­heit, der vom Vater aus­geht.“ Aber das ist nur die Wie­der­ho­lung des­sen, was schon im Alten Tes­ta­ment vor­her­ge­sagt war, daß näm­lich auf dem Mes­sias der Geist der Wahr­heit ruhen wird. Und wahr­haf­tig, das Leben Jesu ist nichts ande­res als das Zeug­nis für die Wahr­heit. „Dazu bin ich gebo­ren und in die Welt gekom­men, daß ich der Wahr­heit Zeug­nis gebe. Jeder, der aus der Wahr­heit stammt, hört auf meine Stimme.“ Das Zeug­nis für die Wahr­heit hat ihm das Leben gekos­tet. Er ist wahr­haf­tig dem Zeug­nis für die Wahr­heit zum Opfer gefal­len. Er will, daß die Sei­nen in der Wahr­heit ste­hen. Immer wie­der betont er, daß er den Geist der Wahr­heit vom Vater im Him­mel den Sei­nen schen­ken und spen­den wird. Wer zu Jesus gehö­ren will, der muß Gott im Geist und in der Wahr­heit anbe­ten. Nicht irgend­eine Ver­eh­rung Got­tes, son­dern die wahre Ver­eh­rung Got­tes ist gefor­dert, und sie wird ver­bürgt vom Geist der Wahr­heit.

Der Geist der Wahr­heit führt die Sei­nen in alle Wahr­heit ein. Wer also Wahr­heit sucht, der kann es nur bewerk­stel­li­gen, indem er den Geist der Wahr­heit anruft. Stu­dium ist gut, For­schung ist gut, aber es muß Stu­dium und For­schung sein, die im Hei­li­gen Geiste geschieht. Er wird die Sei­nen nicht nur in die Wahr­heit ein­füh­ren, er wird auch Zeug­nis able­gen von der Wahr­heit. Die Wahr­heit darf nicht in der Brust ver­schlos­sen blei­ben, sie muß nach außen drin­gen, sie muß kund­ge­tan wer­den. Die Wahr­heit will die Welt erobern! Zeug­nis able­gen von der Wahr­heit, das ist gefor­dert von den Geist­trä­gern. Das Zeug­nis ist schwie­rig und leid­voll in einer Welt der Feind­schaft gegen Gott und seine Kir­che. Wer von der Wahr­heit über­zeugt ist, darf aber von der Wahr­heit auch dann nicht schwei­gen, wenn ihn das Zeug­nis Anfech­tung und Ver­fol­gung kos­tet. Als ich am Frei­tag in diese Kapelle ging, meine lie­ben Freunde, fuhr ein rotes BMW-Auto an mir vor­bei, und aus dem geöff­ne­ten Fens­ter spuckte der Fah­rer vor mir aus. Wer für die Wahr­heit Zeug­nis gibt, muß auf Beschimp­fung, auf Ver­ach­tung, auf Ver­fol­gung gefaßt sein.

Der Geist der Wahr­heit gibt uns näm­lich – und das ist das Zweite – die Kraft, um für ihn Zeug­nis abzu­le­gen. Er ist auch ein Geist der Kraft. In der Kraft des Geis­tes hat Jesus in der Wüste den Ver­su­cher besiegt. Es heißt eigens im Luka­sevan­ge­lium: „In der Kraft des Geis­tes kam Jesus aus der Wüste zurück.“ Diese Kraft hatte sich dort im Sieg, im drei­fa­chen Sieg über den Ver­su­cher kund­ge­tan. Und danach hat diese Kraft ihn das ganze Leben getra­gen in sei­nen Macht­ta­ten; wenn er dem See­dä­mon und dem Sturm­dä­mon befahl, wenn er den Krank­hei­ten zu wei­chen gebot, dann war die Kraft Got­tes in ihm. „Eine Kraft ging von ihm aus und heilte alle,“ so heißt es im Luka­sevan­ge­lium. Alles Volk suchte ihn anzu­rüh­ren. Warum denn? Weil eine Kraft von ihm aus­ging und alle heilte. In die­ser Kraft hat Jesus sein Leben voll­zo­gen, hat er die Teu­fel besiegt. „Wenn ich mit dem Fin­ger Got­tes die Dämo­nen aus­treibe, dann ist ja das Reich Got­tes zu euch gekom­men!“ Er macht es sei­nem Zuhö­rer­kreis klar, daß ein Star­ker nur gebun­den wer­den kann, wenn ein Stär­ke­rer über ihn kommt. Das eben ist der Fall: Er hat den Satan gebun­den, weil der Satan, der ein Star­ker ist, von ihm, dem Stär­ke­ren, über­wäl­tigt wor­den ist. Die­sen Geist der Kraft hat der Herr den Sei­nen vor der Him­mel­fahrt ver­hei­ßen. „In weni­gen Tagen wer­det ihr aus­ge­rüs­tet wer­den mit der Kraft von oben!“ Das geschah am Pfingst­fest. Da wur­den die Jün­ger vom Hei­li­gen Geiste erfüllt, und dann gaben sie Zeug­nis, mit Frei­mut und in gro­ßer Kraft. So sagt die Apos­tel­ge­schichte: „In gro­ßer Kraft leg­ten die Apos­tel Zeug­nis ab von der Auf­er­ste­hung des Herrn Jesus.“

Wo der Geist ist, da ist nicht Schwäch­lich­keit oder Feig­heit oder Ver­zagt­heit, son­dern Kraft und Mut und Todes­mut, wenn es sein muß. „Gott hat uns nicht einen Geist der Ver­zagt­heit gege­ben, son­dern einen Geist der Kraft, der Weis­heit und der Beson­nen­heit,“ so schreibt Pau­lus im zwei­ten Timo­theus­brief. Da sieht man also, wo der Geist ist. Wo Kraft und Mut sind und wo Zeug­nis ist, da ist der Geist; und wo man sich ver­kriecht und wo man eine Nische sucht, um sich zu ver­krie­chen, da ist der Geist nicht.

Der Geist Got­tes ist der Geist der Kraft, er ist aber auch der Geist der Liebe. Chris­tus, der die Fülle des Geis­tes besaß, hat die dop­pelte Liebe zu Gott und zu den Men­schen in heroi­schem Maße gehabt und bewie­sen. „Ich habe jetzt nicht mehr viel zu euch zu sagen,“ so redet er die Jün­ger in  sei­ner Abschieds­stunde an, „denn es kommt der Fürst die­ser Welt. An mir hat er zwar kei­nen Anteil, doch die Welt soll erken­nen, daß ich den Vater liebe und daß ich tue, was er mir befoh­len hat.“ Aus Liebe zum Vater hat er sein gan­zes schwe­res Leben gelebt, und aus Liebe zum Vater geht er den Weg zum Kreuze. Aus Liebe zu den Men­schen hat er uner­müd­lich gepre­digt, hat er sich müde gelau­fen, hat er die Kran­ken geheilt, die Dämo­nen ver­trie­ben, hat er ihnen Speise und Trank geschaf­fen. Aus Liebe zu den Men­schen ist er auch den bit­te­ren Tod am Kreuze gestor­ben. „Nie­mand hat eine grö­ßere Liebe, als wer sein Leben hin­gibt für die Sei­nen!“

Diese dop­pelte Liebe müs­sen alle in sich tra­gen, die vom Hei­li­gen Geist erfüllt sein wol­len; denn der Geist drängt auf den Erweis der Liebe, aber er wirkt auch die Liebe, die dop­pelte Liebe, die Liebe zu Gott und zu den Men­schen. Wann lie­ben wir Gott? Wir lie­ben Gott, wenn wir ihm nichts vor­zie­hen. Wir lie­ben Gott, wenn wir ihn über alles lie­ben. Und wann lie­ben wir ihn über alles? Wir lie­ben ihn über alles, wenn wir lie­ber alles ver­lie­ren, als Gott durch eine Tod­sünde zu belei­di­gen.

Das heißt Gott lie­ben, der uns erschaf­fen, erlöst, gehei­ligt hat, den Gott lie­ben, der uns zur Selig­keit beru­fen hat, den Gott lie­ben, der uns unzäh­lige Gaben, Wohl­ta­ten und Gna­den geschenkt hat. Das ist unsere erste und oberste Auf­gabe auf die­ser Erde, Gott zu lie­ben, ihm zu die­nen und dadurch in den Him­mel zu kom­men.

Untrenn­bar frei­lich mit der Got­tes­liebe ist die Nächs­ten­liebe. „Du sollst dei­nen Nächs­ten lie­ben wie dich selbst!“ Das ist das zweite Gebot, aber es ist dem ers­ten gleich. Wann lie­ben wir den Nächs­ten? Wir lie­ben ihn, wenn wir dem Gebote des Herrn fol­gen: „Alles, was ihr wollt, daß euch die Men­schen tun, das sollt ihr ihnen tun!“ Und wir wis­sen ja ziem­lich genau, was wir wol­len, daß uns die Men­schen tun: daß sie gütig, wohl­wol­lend, zuver­läs­sig, hilfs­be­reit uns gegen­über sind. Nun, so seien wir es auch zu ihnen! Diese Liebe kennt keine Aus­nahme, und das macht sie so schwer. Doch das Gebot des Herrn ver­langt, daß wir auch die lie­ben, die nicht lie­bens­wür­dig sind, daß wir sogar die lie­ben, die unsere Feinde sind.

Vom hei­li­gen Vin­zenz von Paul wird berich­tet, daß er, der große Seel­sor­ger der Armen, in einer Kneipe Gaben sam­melte. Einer der über­mü­ti­gen Gäste spuckte ihm ins Gesicht. Vin­zenz wischte sich den Spei­chel ab und sprach dann ruhig und ohne Erre­gung: „Das war für mich! Jetzt geben Sie mir noch etwas für meine Armen!“ Das ist Nächs­ten­liebe! „Lie­bet euere Feinde, tut Gutes denen, die euch has­sen! Betet für die, die euch ver­fol­gen und ver­leum­den, damit ihr Kin­der eue­res Vaters im Him­mel seid, der seine Sonne auf­ge­hen läßt über Gute und Böse und Regen fal­len läßt auf Gerechte und Unge­rechte!“

Das also will der Hei­lige Geist in unse­rer Seele wir­ken, meine lie­ben Freunde. Die Wahr­heit, das Zeug­nis für die Wahr­heit, die Kraft, den Frei­mut des Bekennt­nis­ses und die Liebe, die sich nicht erbit­tern und nicht ermü­den läßt.

Und so soll der heu­tige Fest­tag in uns das heiße Rufen erneu­ern: „Komm, Hei­li­ger Geist,komm mit dei­nen Gaben, mit dei­ner Kraft, mit dei­ner Wahr­heit, mit dei­ner Liebe! Erfülle das Herz der Dei­nen, damit wir nicht ganz unwert dei­ner Aus­gie­ßung seien!“

Amen.

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