Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
20. April 1992

Die Wirklichkeit der Auferstehung

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Das leere Grab war nicht eindeutig. Die Tatsache des leeren Grabes steht fest, aber was nun mit dem Leichnam Jesu geschehen war, das ergab sich aus dem leeren Grabe nicht von selbst. Das Nachdenken konnte zu verschiedenen Lösungen gelangen. Wenn nicht zu dem leeren Grabe die Erscheinungen des Auferstandenen hinzugekommen wäre, dann würden wir bis heute in Ungewißheit sein, was mit dem Leichnam Jesu geschehen ist. Den Osterglauben hat nicht das leere Grab begründet, sondern das Sichtbarwerden des Auferstandenen. Weil es einen Auferstandenen gibt, der sich nach Gottes Willen den vorbestimmten Zeugen gezeigt hat, deswegen ist eindeutig: Er ist dem Grab entstiegen.

Im 2. Brief an Timotheus schreibt der Apostel Paulus: „Denke daran, daß der Herr Jesus Christus von den Toten auferstanden ist, er, der aus dem Samen Davids stammt. Das ist mein Evangelium. Dafür erdulde ich Leiden, gar Fesseln wie ein Verbrecher.“ Er weist also an dieser Stelle auf sein Zeugnis, aber auch auf die Folgen seines Zeugnisses hin. Weil er bezeugt: Jesus ist auferstanden, deswegen kommen Leiden über ihn, deswegen ist er in Fesseln geschlagen. Wie ernst die Apostel die Auferstehung Jesu genommen haben, wie ernst sie das Zeugnis von dieser Auferstehung genommen haben, das zeigt die Tatsache, daß, als man an die Ergänzung des Zwölferkollegiums ging, einer gewählt wurde, der dazu bestimmt wurde, Zeuge der Auferstehung Jesu zu werden. „So muß denn einer von den Männern, die mit uns zusammen waren während der ganzen Zeit, da der Herr bei uns aus- und einging, von der Taufe des Johannes an bis auf diesen Tag, da er von uns aufgenommen wurde, von diesen muß einer von uns Zeuge seiner Auferstehung werden.“ Also das ist der Beruf des Apostels, das ist seine vorzügliche Aufgabe, Zeuge der Auferstehung zu sein, nicht irgendwelche Ideen zu verkünden und schon gar nicht einen Mythos, sondern eine Tatsache. Es ist deswegen falsch, wenn man heute aus dem Munde ungläubiger Theologen hört, die Apostel bezeugten ihren Glauben an die Auferstehung. Nein! Sie bezeugen die Auferstehung. Der Glaube könnte ja auch eine Täuschung sein, ein subjektives religiöses Gefühl, eine innerliche Befindlichkeit. Nein, Zeuge der Auferstehung muß der Apostel sein.

Ein Zeuge ist jemand, der aus eigener Wahrnehmung über das Wahrgenommene berichtet. Und eben das sind die Apostel, und das wollen sie sein, Männer, die aus der Erfahrung bezeugen, was ihnen widerfahren ist. So auch in den Petrus-Predigten, von denen wir soeben eine aus der Apostelgeschichte gehört haben. Diese Petrus-Predigten haben immer denselben Inhalt, nämlich: Jesus Christus ist auferstanden am dritten Tage. Wir sind Zeugen von allem, was er getan hat im Lande der Juden und zu Jerusalem. Ihn haben sie getötet, indem sie ihn ans Kreuzesholz hängten. Diesen erweckte Gott am dritten Tag und ließ ihn erscheinen, nicht dem ganzen Volk, sondern den von Gott vorherbestimmten Zeugen, uns, die wir mit ihm gegessen und getrunken haben nach der Auferstehung von den Toten.

Das älteste Zeugnis freilich von der Auferstehung Jesu findet sich im 1. Korintherbrief. Dieser Brief stammt aus dem Jahre 55 n. Chr. Aber die darin berichteten Tatsachen gehen zurück auf das Jahr 35 etwa, denn in diesem Jahre ist Saulus bekehrt worden. Im Jahre 35 hat der Apostel Paulus das übernommen, also von anderen erhalten, was er selbst überliefert habe. „Ich tue euch kund: Das Evangelium, das ich euch verkündet habe, das ihr auch angenommen habt, indem ihr feststeht, durch das ihr auch gerettet werdet, wenn ihr es festhaltet, wie ich es euch verkündet habe. Sonst wäret ihr nämlich umsonst gläubig geworden. Ich habe euch nämlich zuerst – en protheus – zuallererst überliefert, was ich auch überkommen habe, daß Christus gestorben ist für unsere Sünden nach den Schriften, daß er begraben wurde, daß er auferweckt wurde am dritten Tage gemäß den Schriften, daß er erschienen ist dem Kephas, dann den Zwölfen, danach fünfhundert Brüdern auf einmal – ephapax –, von denen die meisten noch leben bis jetzt, einige aber sind entschlafen, danach erschien er dem Jakobus, danach den Aposteln allen. Als letztem aber erschien er gleichsam einer Mißgeburt auch mir.“ In diesem ältesten, literarisch ältesten Zeugnis von der Auferstehung Jesu sind vier entscheidende Tatsachen ausgesagt: Erstens: Jesus ist gestorben. Es ist nicht überflüssig, das zu bekennen. Es gibt ja Leute, die sagen, er sei nur scheintot gewesen. Nein, er ist gestorben, er war tot, meinetwegen mausetot. Er ist gestorben, aber dieser Tod ist durch zwei Zusätze gekennzeichnet. Er ist kein normaler Tod, wie ihn andere sterben, er ist gestorben für unsere Sünden. Es ist ein Heilstod, ein Sühnetod, ein stellvertretender Heils- und Sühnetod, und das alles nach Gottes Willen – kata tar grafas – nach den Schriften. Und die Schriften sind ja der Wille Gottes. Die zweite Tatsache: Er wurde begraben. Warum erwähnt das der Apostel: Er wurde begraben? Der Grund ist darin gelegen, daß das Begräbnis einmal den Tod gewiß macht – man beerdigt nicht jemand, der noch nicht gestorben ist –, zum anderen aber auch, daß das Grab, in das er gelegt wurde, jetzt leer ist. Das Grab war einmal gefüllt mit seinem Leibe, aber das hat aufgehört. Das Grab ist leer, weil der, der da begraben wurde, ihm entstiegen ist, erweckt durch die Macht des Vaters. Das ist nämlich die dritte Tatsache: Er wurde auferweckt am dritten Tage. Man hat an dem dritten Tage gerüttelt, um ihm eine symbolische Deutung zu geben. Das ist ganz gefährlich; denn an dem dritten Tage hängt die Geschichtlichkeit der Auferstehung. Das ist nicht ein Ereignis, das von Menschen aus ihrer Phantasie hervorgezaubert wurde, das ist ein Ereignis, das sich in der Geschichte an einem bestimmten Ort und zu bestimmter Zeit zugetragen hat. Jesus ist auferstanden, nicht am ersten Tage, nicht am zweiten Tage, sondern am dritten Tage. Damit wird die Geschichtlichkeit der Auferstehung Jesu gesichert.

Und er ist erschienen. Da steht das griechische Wort „ofte“. Man hat dieses Wort ganz genau untersucht, was es bedeutet, wie es zu verstehen ist. Da ist man zu zwei bemerkenswerten Ergebnissen gekommen. Erstens, das Wort „ofte“ besagt, daß etwas hervortritt, was bisher unsichtbar war. Es besagt ein Hervortreten aus dem Bereich des Unsichtbaren. Und zweitens, es besagt ein Hervortreten, ein Sichtbarwerden, ein Erscheinen ohne Zutun des Subjektes, ohne Zutun dessen, der dieses Ereignis erlebt, dem es widerfährt, was ganz besonders bedeutsam ist zur Abweisung der Visionshypothese, die ja behauptet, die Jünger hätten aus ihrem eigenen Inneren diese Erscheinungen hervorgebracht, also Einbildungen, Phantasien, Illusionen. Nein, das Worte „ofte“ schließt eine solche Erklärung aus. Es besagt ein Hervortreten aus dem Unsichtbaren, und es besagt, daß die Empfänger dieses Sichtbarwerdens nichts dazu tun, als daß sie es eben entgegennehmen.

Die einzige Möglichkeit, die Wirklichkeit der Auferstehung zu beglaubigen, liegt in dem Zeugnis derer, die den Auferstandenen gesehen, die mit ihm gegessen und getrunken, die von ihm Weisungen und Befehle empfangen haben. Die Zeugen – sie sind es, denen wir den Glauben verdanken. Und diese Zeugen zählt Paulus auf. Es ist auffällig, daß er nur Männer nennt. Die damalige Zeit hat eben dem Zeugnis von Männern einen höheren Qualitätsgrad zugesprochen als dem Zeugnis von Frauen. Wir wissen, daß auch Frauen Erscheinungen des Auferstandenen hatten, Maria Magdalena mit Sicherheit. Aber Paulus zählt nur männliche Zeugen auf, und er zählt ihrer viele auf. Ihr Zeugnis ist eindeutig. Sie widersprechen sich nicht, sie sagen alle dasselbe, sie bezeugen alle dasselbe, nämlich daß der mit sich selbst identische Jesus von Nazareth, den man an seinen Wundmalen erkennen konnte, daß dieser mit sich selbst identische Jesus von Nazareth dem Grab erstiegen und in einer verklärten Wirklichkeit ihnen sichtbar geworden ist. Besonders eindrucksvoll die große Zahl – „fünfhundert Brüdern auf einmal“. Und alle ohne Ausnahme sind von dieser Erscheinung überzeugt worden. Man kann einen jeden fragen, man kann zu ihm hingehen, und er wird bezeugen: Jawohl, wir haben den Herrn gesehen.

Das also,  meine lieben Freunde, ist die Wirklichkeit der Auferstehung unseres Herrn und Heilandes. Auch uns, zumal uns Theologen, kann Anfechtung überfallen, wenn wir die vielen falschen Lehren, die große Menge der Irrtümer, die fortwährend auf das Volk, auf die Priester, auf die Kinder niederprasseln, betrachten. Die Gegner der wirklichen Auferstehung Jesu haben versucht, auch Argumente zu finden, und sie haben mit dem Scharfsinn, der dem Haß eigen ist, gewisse Scheinargumente aufgebracht. Wir müssen uns dagegen wehren, wir müssen uns auf die Wirklichkeit der Auferstehung Jesu stützen, um uns im wahren Glauben an die Auferstehung Jesu zu erhalten. Denn an diesem wahren Glauben hängt buchstäblich alles. Wie sagt der Apostel zu Eingang des 15. Kapitels des 1. Korintherbriefes: „Ich habe euch mein Evangelium verkündet, das ihr angenommen habt, indem ihr feststeht, durch das ihr auch gerettet werdet, wenn ihr es festhaltet, wie ich es euch verkündet habe.“ Sonst, nämlich wenn ihr es nicht festhaltet, wie ich es euch verkündet habe, sonst seid ihr umsonst gläubig geworden.

Amen.

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