Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
19. Juli 1998

Die Ver­eh­rung von Bil­dern und Reli­quien

Im Namen des Vaters und des Soh­nes und des Hei­li­gen Geis­tes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Seit gerau­mer Zeit beschäf­ti­gen wir uns mit den Pflich­ten, die wir Gott schul­den. Zuletzt spra­chen wir von der Ver­eh­rung der Hei­li­gen. Eng mit der Ver­eh­rung der Hei­li­gen zusam­men steht die Ver­eh­rung von Bil­dern und von Reli­quien. Hei­lige Bil­der sind sol­che, die Gott, die Mut­ter Got­tes, Hei­lige, Gescheh­nisse der Hei­li­gen Schrift oder Glau­bens­ge­heim­nisse dar­stel­len. Schon in den Kata­kom­ben haben die Chris­ten hei­lige Bil­der auf­ge­stellt oder ange­bracht, vor allem sol­che, die ihnen in den Ver­fol­gungs­zei­ten Mut machen soll­ten, also Bil­der etwa von den drei Jüng­lin­gen im Feu­er­o­fen oder Bil­der von Daniel in der Löwen­grube oder Bil­der vom auf­er­stan­de­nen Herrn Jesus Chris­tus. Als die Kir­che dann frei wurde, tra­ten die Bil­der auch in die Öffent­lich­keit; man fand sie auf den Märk­ten und Stra­ßen. Zwar gab es im 8. Jahr­hun­dert den Bil­der­sturm. Grie­chi­sche Kai­ser ver­bo­ten die Ver­eh­rung der Bil­der, aber das Zweite Kon­zil von Nizäa im Jahre 787 hat ein­deu­tig erklärt: Die Bil­der­ver­eh­rung ist gestat­tet, nur die Bil­der­an­be­tung ver­bo­ten. Und so hat die Kir­che seit 2000 Jah­ren Bil­der auf­ge­stellt und ver­ehrt. Im 16. Jahr­hun­dert kam es noch ein­mal zu einem Bil­der­sturm. Die soge­nann­ten Refor­ma­to­ren wand­ten sich hef­tig gegen die Bil­der, Karl­stadt vor allem, und in der Schweiz Zwingli und Cal­vin. Unge­heure Schätze der christ­li­chen Kunst sind damals ver­nich­tet wor­den. Am meis­ten tob­ten die Bil­der­stür­mer in den Nie­der­lan­den im Jahre 1566.

Bil­der Got­tes die­nen nicht dazu, Gott abzu­bil­den, denn Gott kann man nicht abbil­den, son­dern Bil­der Got­tes die­nen dazu, Eigen­tüm­lich­kei­ten oder Hand­lun­gen Got­tes zu ver­an­schau­li­chen. Wenn also Gott Vater bei­spiels­weise als ein wür­di­ger Greis dar­ge­stellt wird, dann nicht des­we­gen, als ob er dies wäre, son­dern es soll damit die Würde, die Erha­ben­heit und die Auto­ri­tät Got­tes aus­ge­sagt wer­den. Chris­tus wird als ein jun­ger Mann dar­ge­stellt, wie ihn uns ja auch die Evan­ge­lien schil­dern, gesund, geis­tig und kör­per­lich auf der Höhe, erha­ben, so daß er Ein­druck auf seine Zeit­ge­nos­sen machte. Maria wird in viel­fäl­ti­ger Gestalt abge­bil­det. Bald ist sie zu sehen als Maria-Hilf mit dem Kind im Arm, bald als die schmerz­hafte Jung­frau mit dem Leich­nam ihres Soh­nes im Schoß, bald mit den Ster­nen umklei­det, wie sie in der Apo­ka­lypse geschaut wurde. In tau­send Bil­dern ist Maria aus­ge­drückt. Beson­ders erha­bene Bil­der nennt man Gna­den­bil­der. Es sind sol­che Bil­der, vor denen sich Wun­der ereig­net haben. Gna­den­bil­der gibt es an vie­len Orten des katho­li­schen Erd­balls. Wir haben Gna­den­bil­der in Mari­en­thal am ande­ren Ufer des Rhei­nes, in Keve­laer, in Alt­öt­ting, in Alben­dorf in Schle­sien, in Maria-Zell in der Stei­er­mark und an vie­len, vie­len ande­ren Orten.

 Unter allen Bil­dern ist uns eigent­lich am kost­bars­ten das Bild des Kreu­zes. Das Kreuz­bild ist unser Gna­den­bild vor allen ande­ren. Kein Meß­op­fer darf gefei­ert wer­den, kein Got­tes­dienst gehal­ten wer­den, keine Kir­che gebaut wer­den, kein Fried­hof ein­ge­weiht wer­den, ohne daß das Kreuz auf­ge­rich­tet wird. Das Kreuz leuch­tet in den Stu­ben der Kran­ken den Lei­den­den, das Kreuz hält der Ster­bende in der Hand, wenn er die große Reise antritt. Das Kreuz ist unser Gna­den­bild vor allen ande­ren.

Ver­ehrt wer­den dür­fen frei­lich nur Bil­der von kano­ni­sier­ten Hei­li­gen, also von sol­chen Hei­li­gen, die vom Papst hei­lig­ge­spro­chen sind. Sol­che Bil­der haben wir hier in unse­rer Kir­che an der Wand. Von rechts nach links auf der rech­ten Seite der hei­lige Mar­tin, dann folgt die hei­lige Hil­de­gard, der hei­lige Rha­ba­nus Mau­rus und der hei­lige Pan­kra­tius. Alle haben ein Sym­bol, ein Attri­but, wie man sagt, in der Hand. Der hei­lige Pan­kra­tius einen Schild, weil er als Sol­dat zum Tode gebracht wurde, der hei­lige Rha­ba­nus Mau­rus eine Schrift­rolle, weil er ein Gelehr­ter war, die hei­lige Hil­de­gard ein Buch, weil sie ihre Wis­sen­schaft in Büchern nie­der­ge­legt hat, und der hei­lige Mar­tin mit einem Bischofs­stab. Auf der ande­ren Seite sehen wir die Mut­ter­got­tes und ganz links den P. Maxi­mi­lian Kolbe. Die bei­den ande­ren aller­dings sind keine kano­ni­sier­ten Hei­li­gen. Neben der Mut­ter­got­tes ist die Mut­ter Teresa dar­ge­stellt, die nach unse­rer berech­tig­ten Annahme hei­lig gelebt hat, aber bis­her kei­nes­wegs hei­lig­ge­spro­chen ist. Eigent­lich gehört sie nicht auf die­ses Bild. Und noch viel weni­ger gehört der dazu, der dane­ben steht. Das soll Mar­tin Luther King dar­stel­len, einen Pro­tes­tan­ten, der wegen sei­nes Kamp­fes für die Gleich­be­rech­ti­gung der Schwar­zen in den USA ermor­det wurde. Sein Leben war alles andere als hei­lig. Mar­tin Luther King war ein noto­ri­scher Ehe­bre­cher, und er hat Ehe­bruch noch in der Nacht vor sei­ner Ermor­dung began­gen. Die Ame­ri­ka­ner nann­ten ihn einen woma­ni­zer, was man über­set­zen muß mit Wei­ber­held, Schür­zen­jä­ger. Außer­dem war er ein Pla­gia­tor; seine Bücher sind ein Betrug. Er hat sie aus ande­ren zusam­men­ge­stellt, ohne die Quelle anzu­ge­ben; das nennt man Pla­giat. Der Mann gehört nicht auf die­ses Bild, und es ist ein schwe­rer Fre­vel, so etwas in einer katho­li­schen Kir­che anzu­brin­gen.

Wir ver­eh­ren die Hei­li­gen­bil­der, indem wir sie auf­stel­len, indem wir vor ihnen beten, indem wir sie schmü­cken, indem wir zu ihnen wall­fahr­ten. Wir erwar­ten Hilfe nicht von den Bil­dern, son­dern wir erwar­ten Hilfe von dem, der auf dem Bild dar­ge­stellt ist, also von dem Hei­li­gen. Durch seine Für­bitte erhof­fen wir Hilfe, aber die Für­bitte ent­zün­det sich eben, wenn wir ihn ver­eh­ren anläß­lich der Betrach­tung sei­nes Bil­des. Wir beten die Bil­der auch nicht an, aber wir ver­eh­ren sie, d.h. wir schät­zen sie und hal­ten sie in Ehren wie wir Bil­der unse­rer Vor­fah­ren oder von bedeu­ten­den Män­nern und Frauen ehren und schät­zen.

Die Bil­der­ver­eh­rung ist sehr nütz­lich. Wenn wir die Bil­der ver­eh­ren, wird unser Geist auf das Geheim­nis, das sie dar­stel­len, und auf die Per­son, die sie abbil­den, hin­ge­rich­tet. Die Bil­der­ver­eh­rung erhebt unse­ren Geist. Sie stimmt uns andäch­tig und bewahrt uns vor Zer­streu­ung. Durch die Bil­der­ver­eh­rung kann man mäch­tig zu hei­li­gen Gedan­ken und guten Ent­schlüs­sen bewegt wer­den. Der junge Goe­the schaute auf sei­ner Ita­li­en­reise in Bolo­gna das Bild der hei­li­gen Aga­tha, das von Raf­fael gemalt wurde. Das Bild ergriff ihn so, daß er beschloß, diese Gestalt heh­rer Weib­lich­keit, die es dar­stellte, in sei­ner „Iphi­ge­nie“ zu ver­herr­li­chen, und er nahm sich vor, diese Iphi­ge­nie nichts spre­chen zu las­sen, was nicht auch die hei­lige Aga­tha hätte sagen kön­nen. So ergrif­fen war Goe­the vom Bild der hei­li­gen Aga­tha zu Bolo­gna.

Die Hei­li­gen­bil­der sind eben auch eine Pre­digt. Wenn wir bestimmte Gescheh­nisse der Hei­li­gen Schrift abge­bil­det sehen, dann wer­den wir erho­ben zu die­sen Gescheh­nis­sen. Mei­net­we­gen die Auf­er­ste­hung Jesu oder die Ein­set­zung des Abend­mahls; wenn wir sehen, wie die Jün­ger um den Abend­mahls­tisch sit­zen und der Herr das hei­lige Brot und den Kelch in sei­ner Hand hält und die Worte der Ein­set­zung spricht, dann wer­den wir erho­ben zu himm­li­schen Gedan­ken. Ähn­lich wer­den wir, wenn wir Bil­der von Hei­li­gen betrach­ten, zur Nach­ah­mung der­sel­ben ange­regt. Die Hei­li­gen­ver­eh­rung kann uns also gro­ßen Nut­zen brin­gen.

Ähn­lich ist es mit der Ver­eh­rung der Reli­quien. Reli­quien sind Über­bleib­sel von Hei­li­gen, sei es Über­bleib­sel des Kör­pers oder von Sachen, die die Hei­li­gen in Besitz gehabt haben, die sie benutzt haben. Schon in der Urzeit wur­den die Reli­quien von Hei­li­gen auf­be­wahrt und ver­ehrt. Als der hei­lige Igna­tius in Rom von Löwen zer­ris­sen wurde, sam­mel­ten die Chris­ten die Kno­chen und brach­ten sie nach Antio­chien, um sie dort auf­zu­be­wah­ren als ein hei­li­ges Ver­mächt­nis. Als der hei­lige Poly­karp in Smyrna vom Feuer ver­zehrt wurde, bewahr­ten die Chris­ten eben­falls die Gebeine auf und behiel­ten sie zur Ver­eh­rung bei sich. So ist es die ganze Zeit der christ­li­chen Geschichte über gesche­hen. Die Über­bleib­sel von Hei­li­gen sind uns wert, weil sich Gott ihrer zu Leb­zei­ten als Tem­pel des Hei­li­gen Geis­tes und als Werk­zeuge bedient hat. Es geht uns nicht um den mate­ri­el­len Gehalt, es geht uns um den ide­el­len Wert. Die Hei­li­gen, deren Reli­quien wir auf­be­wah­ren, haben in ihrem Leben und Ster­ben Gott ver­herr­licht, und wenn wir sie des­we­gen in ihren Über­bleib­seln ver­eh­ren, dann tun wir nichts ande­res, als wenn wir ihre Bil­der auf­stel­len. Des­we­gen hat die Kir­che immer über den Grä­bern der Hei­li­gen das Meß­op­fer gefei­ert. Bis vor weni­gen Jah­ren war es eine bin­dende Vor­schrift, daß auf jedem Altar Reli­quien von Hei­li­gen ein­ge­las­sen wer­den muß­ten. In man­chen Kir­chen ist es heute noch so, daß über dem Grab des Hei­li­gen das Meß­op­fer dar­ge­bracht wird. Den­ken Sie etwa an die Kir­che des hei­li­gen Kon­rad in Alt­öt­ting. Da ist der Hei­lige in einem Sil­bers­arg bei­ge­setzt, und dar­über erhebt sich der Altar, und dar­auf wird das Meß­op­fer gefei­ert – mit einem tie­fen Sinn; denn aus der Kraft des Opfers Christi haben die Hei­li­gen den Mut geschöpft, ihr Leben Gott zu wei­hen und für Chris­tus zu ster­ben. Am Altare nahm ihr Mar­ty­rium den Aus­gang.

Wir ver­eh­ren die Reli­quien der Hei­li­gen, indem wir sie auf­be­wah­ren und zu ihnen wall­fahr­ten. Viele Wall­fahrts­orte hüten Reli­quien der Hei­li­gen. In Kied­rich drü­ben im Rhein­gau ist es der hei­lige Valen­tin, des­sen Reli­quien auf­be­wahrt wer­den und den Gläu­bi­gen am Valen­ti­nus­fest auf­er­legt wer­den, nicht als ob wir von den übrig­ge­blie­be­nen Kno­chen etwas erwar­te­ten, son­dern: Anläß­lich der Ver­eh­rung der Reli­quien rufen wir den Hei­li­gen an, und wegen die­ser Anru­fung ist uns Gott gnä­dig. Also auch hier wie­der keine abso­lute Ver­eh­rung, son­dern eine rela­tive, d.h. eine bezüg­li­che. Die Ver­eh­rung bezieht sich auf den im Him­mel leben­den Hei­li­gen, des­sen Reli­quien wir auf­be­wah­ren und den wir hier um seine Für­bitte anru­fen.

Viele Jahr­hun­derte sind unsere Vor­fah­ren nach San­tiago in Spa­nien gewall­fahr­tet, um dort die Reli­quien des hei­li­gen Jako­bus zu ver­eh­ren. Die Reli­qui­en­ver­eh­rung hat ihre Berech­ti­gung, und sie kann Nut­zen stif­ten, wenn immer sie rich­tig betrie­ben wird. Die größte Reli­quie ist das Hei­lige Land. Um diese Reli­quie haben die Chris­ten des Abend­lan­des sie­ben Kreuz­züge geführt, von 1096 bis 1270. Hier sind die Stät­ten, an denen unser Hei­land gelebt hat und gestor­ben ist, die Gra­bes­kir­che, die Stätte der Kreu­zi­gung, die Grotte, die an sein Ölbergs­lei­den erin­nert, die Stätte der Him­mel­fahrt, die Geburts­kir­che in Beth­le­hem und die Ver­kün­di­gungs­kir­che in Naza­reth. Das sind hei­lige Stät­ten, das sind gleich­sam Reli­quien, die wir hoch ver­eh­ren. In Trier wird der Hei­lige Rock gezeigt, in Turin das Lei­chen­tuch des Herrn. Es gibt Men­schen, auch gläu­bige Men­schen, die die Echt­heit bezwei­feln, aber die Mehr­zahl der Gelehr­ten hat sich für die Echt­heit aus­ge­spro­chen. In jedem Falle ver­mag sich an die­sen Über­bleib­seln unsere Liebe zu unse­rem Herrn und Hei­land zu erneu­ern.

Als die Köni­gin von Schott­land, Maria Stuart, zur Hin­rich­tung geführt wurde, hielt sie in der Hand ein Kru­zi­fix. Der beglei­tende pro­tes­tan­ti­sche Offi­zier war so takt­los, es ihr zu ver­wei­sen. „Madame“, sagte er zu ihr, „nicht in der Hand, im Her­zen muß man Chris­tus tra­gen.“ Die Köni­gin gab ihm wür­de­voll zur Ant­wort: „Myl­ord, man muß Chris­tus in der Hand haben, um ihn desto siche­rer im Her­zen zu tra­gen.“ Wahr­haf­tig, eine könig­li­che Ant­wort. Man muß Chris­tus in der Hand haben, um ihn desto siche­rer im Her­zen zu tra­gen.

Amen.

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