Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
20. Juni 2021

Gott ruft und beruft

Im Namen des Vaters und des Soh­nes und des Hei­li­gen Geis­tes. Amen.

Geliebte im Herrn!

In den Urkun­den der Offen­ba­rung ist häu­fig vom Spre­chen und Rufen Got­tes die Rede. Im ers­ten Buch der Bibel wird die Erschaf­fung des Welt­alls durch Gott geschil­dert. Da heißt es immer: Gott sprach, und es geschah. Gott sprach: Es werde Licht. Und es ward Licht. Gott sprach: Him­mels­leuch­ten sol­len am Fir­ma­ment ent­ste­hen. Und es geschah so. Got­tes Spre­chen ist ein Schaf­fen. Wenn die Schöp­fer­tä­tig­keit Got­tes als Rufen dar­ge­stellt wird, dann soll damit seine Leben­dig­keit und seine Per­so­na­li­tät sowie die Mühe­lo­sig­keit sei­nes Schaf­fens aus­ge­sagt wer­den. Ohne kör­per­li­che Anstren­gung bringt er eine uner­mess­li­che Welt her­vor. Durch sein Rufen lässt Gott Beru­fun­gen ent­ste­hen. Im Alten Tes­ta­ment wird berich­tet, dass Ein­zel­per­so­nen wie Moses, Gideon, Samuel, Jere­mias, Ezechiel und andere von Gott erwählt und für län­gere oder lebens­lange Dauer in Dienst genom­men und beauf­tragt wer­den. So wer­den die Beru­fungs­er­zäh­lun­gen zu Sen­dungs­er­zäh­lun­gen. Beru­fung ist nicht Sache des eige­nen Wil­lens oder der Aus­bil­dung, son­dern bedeu­tet (schmerz­li­ches) Ver­wan­deltwer­den zum Boten Jah­wes. Das schließt das Hören auf das Wort, Aus­hal­ten im Lei­den, die Über­ein­stim­mung von Bot­schaft und Leben ein.

Got­tes Rufen und seine Beru­fun­gen neh­men eine neue Qua­li­tät an, als der Sohn Got­tes Mensch wird. Der Naza­re­ner Jesus wurde von Gott gesandt, um seine Bot­schaft aus­zu­ru­fen. Er sprach: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Got­tes hat sich genaht. Bekeh­ret euch und glaubt an die frohe Bot­schaft.“ Jesus ruft nicht nur, er beruft auch. Er bil­det eine Jün­ger­schaft. Die Beru­fung ist Ruf zur Nach­folge in der defi­ni­tivenen Bin­dung an Jesus und seine Bot­schaft. Inner­halb sei­ner Jün­ger­schaft wählt der Herr noch einen enge­ren Kreis aus von sol­chen, die ihm beson­ders nahe­ste­hen und beauf­tragt wer­den soll­ten. Eines Tages ent­fernte sich Jesus von sei­nen Jün­gern und ging auf einen Berg, um zu beten. Er ver­brachte die ganze Nacht im Gebet zu Gott. Danach rief er die Jün­ger zu sich und wählte aus ihnen zwölf aus, die er Apos­tel nannte. Unter­stützt durch seine beru­fe­nen Jün­ger geht Jesus daran, sein Volk zur Umkehr und zum Glau­ben an die in ihm her­an­ge­kom­mene Got­tes­herr­schaft zu rufen. Im Ruf Jesu ver­wirk­licht Gott seine ursprüng­li­che Absicht, den Men­schen nicht nur zu schaf­fen, son­dern ihn auch dem Bild sei­nes Soh­nes gleich­zu­ge­stal­ten.

Nach der Him­mel­fahrt des Herrn nimmt die Beru­fung der Men­schen zum Rei­che Got­tes eine neue Dimen­sion an. Mit dem Mis­si­ons­be­fehl eröff­nete der Auf­er­stan­dene die all­ge­meine Beru­fung der gesam­ten Mensch­heit zu sei­nem Evan­ge­lium und zu sei­ner Heils­ge­mein­schaft. Getreu dem Auf­trag ihres Herrn wer­ben die christ­li­chen Ver­kün­di­ger zur Annahme der Heils­bot­schaft. Es ent­steht die christ­li­che Gemeinde, die Kir­che Jesu Christi. Die Chris­ten sind Men­schen, die Gott beru­fen hat. Ihre Beru­fung ist nicht auf­grund mensch­li­cher Leis­tung erfolgt, son­dern nach Got­tes Rat­schluss und sei­ner Gnade, die uns gege­ben wurde in Chris­tus Jesus (2 Tim 1,9). Die Beru­fe­nen erken­nen den wah­ren Gott. Zuvor dien­ten sie Göt­tern, die es in Wirk­lich­keit gar nicht gibt (Gal 4,8). Jetzt beten sie den wah­ren, unend­lich erha­be­nen, all­wis­sen­den und all­mäch­ti­gen Gott an, der Him­mel und Erde erschaf­fen hat, der sei­nen Sohn in die Welt gesandt hat, der ein Vater der Men­schen ist. Auch heute gibt es wun­der­bare Beru­fun­gen. Gott ruft Män­ner, Frauen und Jugend­li­che von den Göt­zen Sport, Alko­hol und Sexu­al­trei­ben zur Umkehr und Anbe­tung des wah­ren Got­tes.

Die Beru­fung ins Chris­ten­tum ist ein unbe­schreib­li­ches Glück. Die Beru­fe­nen gelan­gen aus der Fins­ter­nis ins Licht. Die Fins­ter­nis ist die Herr­schaft der Sünde. Sie erle­ben die Befrei­ung von der Sün­den­macht. Der Chris­tus, dem sie seit der Taufe zuge­hö­ren, ver­leiht ihnen den Sieg über Satan und Sünde. Die Beru­fe­nen kön­nen jetzt, was sie sol­len, näm­lich die Sünde mei­den, das Gute tun, die Gebote hal­ten. Sie erfah­ren die Frei­heit vom alt­tes­ta­ment­li­chen Gesetz als Heils­fak­tor. Das Heil wird nicht gewon­nen durch die Beob­ach­tung der Tora, son­dern durch den Anschluss an Chris­tus. Die Beru­fe­nen, die Chris­ten, wis­sen den mensch­ge­wor­de­nen Gott in ihrer Nähe. In jeder hei­li­gen Messe steigt er auf den Opfe­r­al­tar der katho­li­schen Kir­che, teilt sich den Emp­fän­gern der Eucha­ris­tie mit und ver­weilt im Zelt des Taber­na­kels. Wel­ches andere Volk hat einen Gott, der ihm so nahe ist! Danach seh­nen sich man­che evan­ge­li­sche Chris­ten. Ich traf in Thü­rin­gen einen pro­tes­tan­ti­schen Pfar­rer. Er sagte mir leuch­ten­den Ange­sichts: „Ich habe das Aller­hei­ligste!“ Wie ist das mög­lich bei einem Erben Luthers? Der Pfar­rer erklärte mir: Er habe sich im Gehei­men von einem katho­li­schen Bischof die Pries­ter­weihe geben las­sen. Seit­dem bewahre er in sei­ner Kir­che den eucha­ris­ti­schen Hei­land auf. Die Beru­fun­gen gewin­nen die Gebote Got­tes als Maß­stab und Regel des sitt­li­chen Ver­hal­tens. Sie wis­sen jetzt, was Gott von ihnen erwar­tet. Sie erfah­ren, dass Gott zu lie­ben und den Nächs­ten zu lie­ben die ent­schei­den­den Pflich­ten des Chris­ten sind. „An die­sen zwei Gebo­ten hängt das ganze Gesetz und die Pro­phe­ten“ (Mt 22,40). Sie ler­nen die Bru­der­liebe als Aus­weis der Zuge­hö­rig­keit zu Chris­tus. „Wer sei­nen Bru­der liebt, der bleibt im Licht“ (1 Joh 2,10). „Wir wis­sen, dass wir vom Tod zum Leben gekom­men sind, weil wir die Brü­der lie­ben“ (1 Joh 3,14). Die Chris­ten wis­sen, wel­chen Umgang Gott vom Men­schen mit der geschlecht­li­chen Anlage vor­sieht. Gegen den man­nig­fa­chen Miss­brauch stellt er Maß und Ziel, Ent­halt­sam­keit und Keusch­heit. Die Beru­fe­nen haben die Hoff­nung auf Unsterb­lich­keit. Sie wis­sen, wie man das ewige Leben gewinnt. „Willst du zum Leben ein­ge­hen, so halte die Gebote.“ Durch den stell­ver­tre­ten­den Süh­ne­tod Christi emp­fan­gen sie die Ver­hei­ßun­gen des unver­gäng­li­chen Erbes (Hebr 9,15), das im Him­mel für sie hin­ter­legt ist. Sie haben die feste Anwart­schaft auf das ewige Leben. „Jetzt, befreit von der Sünde und dem Dienst für Gott geweiht, habt ihr als Frucht Hei­li­gung und als End­ge­winn das ewige Leben“ (Röm 6,22). In Chris­tus zu sein ist ein unbe­schreib­li­ches Glück. Mit ihm zu sein ist ein gan­zer Him­mel.

Der Ruf Got­tes ergeht an alle Men­schen. Seine Ein­la­dung schließt nie­mand aus. Aber nicht alle hören den Ruf und fol­gen ihm. Im Gleich­nis vom gro­ßen Gast­mahl sind es sämt­li­che Gela­de­nen, die sich wei­gern, zu kom­men. Der Gast­ge­ber, Gott, muss die ver­hee­rende Fest­stel­lung tref­fen: „Kei­ner von den Män­nern, die gela­den waren, wird von mei­nem Mahl kos­ten.“ Der Apos­tel Pau­lus musste auf sei­nen Mis­si­ons­rei­sen schmerz­li­che Erfah­run­gen machen. Er schrieb an die römi­sche Gemeinde: „Nicht alle beu­gen sich der Heils­bot­schaft.“ Als er in Athen von der Auf­er­ste­hung Christi von den Toten und von sei­nem Gericht sprach, spot­te­ten die einen und die ande­ren schnit­ten ihm das Wort ab. Im Ephe­sus pre­digte Pau­lus drei Monate lang. Aber man­che sei­ner Zuhö­rer ver­wei­ger­ten den Glau­ben und läs­ter­ten die Lehre des Herrn Jesus. Es ist das Geheim­nis Got­tes, wer den Ruf zum Glau­ben und zum Anschluss an die Kir­che Jesu Christi über­hört. Es sind jene, die ver­lo­ren­ge­hen, weil ihnen das Wort vom Kreuz als Tor­heit erscheint (1 Kor 1,18).

Von der all­ge­mei­nen Ein­la­dung zum Glau­ben und zum Anschluss an die Heils­ge­mein­schaft ist die Auf­for­de­rung zum beson­de­ren Dienst Got­tes zu unter­schei­den, wie er an sol­che ergeht, die zum Ein­tritt in den Pries­ter- oder Ordens­stand geru­fen wer­den. Vom Pries­ter sagt der Brief an die Hebräer: „Nie­mand nimmt sich selbst die Würde, son­dern wer von Gott beru­fen ist wie Aaron“ (Hebr 5,4). Um von Beru­fung zum Pries­ter­tum zu spre­chen, ist weder ein inne­rer Antrieb des Hei­li­gen Geis­tes noch eine gefühls­mä­ßige Hin­nei­gung erfor­der­lich. Es genü­gen rechte Absicht und Taug­lich­keit, anders gespro­chen: Nei­gung und Eig­nung. Bei­des wird fest­ge­stellt durch die zustän­dige kirch­li­che Auto­ri­tät. Die Taug­lich­keit umfasst Gaben der Natur und der Gnade und bedeu­tet die Fähig­keit, den beruf­li­chen Anfor­de­run­gen genü­gen zu kön­nen. Die Berufs­ab­sicht besteht in dem wohl­über­leg­ten, fes­ten Ent­schluss, Pries­ter zu wer­den, Gott und den Men­schen im Pries­ter­tum zu die­nen. Das Pries­ter­tum ist Dienst. Der Ent­schluss muss sich auf reli­giöse Motive stüt­zen; andere (z.B. Ver­sor­gung, Ehr­geiz) dür­fen keine Rolle spie­len. Die Ent­schei­dung über die Eig­nung trifft der Bischof. Nie­mand hat ein der freien Wahl des Bischofs vor­aus­ge­hen­des Recht. Auch heute erge­hen Beru­fun­gen an junge Män­ner, sich Chris­tus als Mit­ar­bei­ter und Werk­zeug zur Ver­fü­gung zu stel­len. Aber der Zustand der Kir­che ist der­art, dass sich Beru­fun­gen nicht ent­fal­ten kön­nen. Wer will schon in den Dienst der Kir­che tre­ten, wo recht­gläu­bi­gen Bischö­fen sol­che gegen­über­ste­hen, die das Gegen­teil sagen? Wer will sein Leben einer Gemein­schaft wei­hen, in der es kein letz­tes Wort mehr gibt, wo die Päpste ver­kün­den: Chris­tus hat das Sakra­ment der Weihe den Ange­hö­ri­gen des männ­li­chen Geschlech­tes vor­be­hal­ten und deut­sche Bischöfe von der Frau­en­weihe spre­chen?

Die Beru­fung zum Pries­ter­tum muss nicht schon in jugend­li­chem Alter erfol­gen. Sie kann auch Män­ner errei­chen, die sich in einem ande­ren Beruf bewährt haben. Spät­be­ru­fene sind Män­ner, die erst in rei­fe­ren Jah­ren Nei­gung oder Mög­lich­keit zum Pries­ter­tum bekom­men. Die zu über­win­dende Schwie­rig­keit liegt vor allem im Nach­ho­len der zur Hoch­schul­reife not­wen­di­gen Stu­dien. Um wert­vol­len Spät­be­ru­fe­nen den Weg zu bah­nen und sie unter ord­nungs­ge­mäße geis­tige Füh­rung zu stel­len, wur­den Semi­nare für Spät­be­ru­fene ein­ge­rich­tet. Adolf Kol­ping stammte aus kin­der­rei­cher Fami­lie in Ker­pen bei Köln. Er war arm und schwäch­lich und wurde Schuh­ma­cher­ge­selle. In sei­ner beruf­li­chen Wan­der­zeit wurde er mit den leib­li­chen und see­li­schen Nöten der jun­gen Hand­wer­ker ver­traut. Im 24. Lebens­jahr ver­spürte er die Beru­fung zum Pries­ter­stand, den er nach ent­beh­rungs­rei­chem Stu­dium erlangte. Jetzt nahm er sich ent­schie­den der jun­gen Gesel­len aus Hand­werk und Indus­trie an. Seine Gesel­len­ver­eine ver­brei­te­ten sich in ganz Europa. Sie beru­hen auf den Erzie­hungs­zie­len Kol­pings: tüch­ti­ger Christ, Meis­ter und Bür­ger. Gott hatte ihn zur rech­ten Zeit geru­fen.

Die Kir­che kennt den klös­ter­li­chen Stand. Män­ner und Frauen wer­den ein­ge­la­den, sich durch Able­gung der Gelübde (Armut, Keusch­heit und Gehor­sam) dem Dienst Got­tes in dem Nächs­ten zu wei­hen. Auch zum Ordens­stand gibt es eine Beru­fung. Von ihr gilt: Wer die erfor­der­li­chen Eigen­schaf­ten für den klös­ter­li­chen Stand auf­weist und mit rei­ner Absicht an die Klos­ter­pforte klopft, kann nach dem Urteil der Obe­ren auf­ge­nom­men wer­den. Beim Ordens­stand gehört zu der erfor­der­li­chen Eig­nung die Fähig­keit zum dau­ern­den Leben in einer Gemein­schaft. Die Berufs­ab­sicht besteht hier in dem wohl­über­leg­ten, fes­ten Ent­schluss, Gott lebens­läng­lich in einem bestimm­ten Orden zu die­nen. Johan­nes Birn­dor­fer war ein wohl­ha­ben­der Bauer im Rot­tal. Er war von einer über­durch­schnitt­li­chen Fröm­mig­keit. Er ver­einte die Berufs­ar­beit mit stun­den­lan­gem Gebet, häu­fi­gem Besuch der hei­li­gen Messe und mit lan­gem Ver­wei­len bei dem Hei­land im Taber­na­kel. Er sehnte sich danach, Gott allein zu die­nen. Meh­rere Gesu­che um Auf­nahme in ein Klos­ter wur­den abschlä­gig beschie­den. Mit drei­ßig Jah­ren nah­men ihn die Kapu­zi­ner in Alt­öt­ting auf. 41 Jahre ver­sah er den Pfor­ten­dienst des dor­ti­gen St.-Anna-Klos­ters als ein Held des Glau­bens, treuer Pflicht­er­fül­lung und christ­li­cher Nächs­ten­liebe.

Man kann die Beru­fung ver­spie­len. Es gibt Fälle, in denen ein­deu­tig eine Ein­la­dung Got­tes ergeht zum Ein­tritt in den Pries­ter- oder Ordens­stand. Alle Vor­aus­set­zun­gen sind gege­ben. Aber der Gela­dene schreckt zurück. Er fürch­tet sich, den gro­ßen Ent­schluss zu fas­sen, der in einem Leben der Über­win­dung und Anstren­gung aus­ge­führt wer­den muss. Ange­nehm und behag­lich ist das Leben des Pries­ters gewiss nicht. Der Gela­dene will es leich­ter haben, ange­neh­mer, beque­mer. Oder er ist ängst­lich, besorgt, traut es sich nicht zu, im geist­li­chen Stand aus­zu­har­ren, fürch­tet, er könnte untreu wer­den.

Pries­ter­stand und Ordens­stand sind ihrer Natur nach Lebens­stände, wer­den also erwählt in der Absicht, in ihnen lebens­läng­lich zu ver­har­ren. Die Gläu­bi­gen erwar­ten, dass Pries­ter und Ordens­leute in ihrem Stand aus­hal­ten, und sie sind regel­mä­ßig betrof­fen, wenn sie ver­neh­men, ein Pries­ter oder eine Klos­ter­frau sei der Beru­fung untreu gewor­den. Die Geschichte belehrt uns, dass es immer wie­der Aus­tritte bzw. Abfälle vom gott­ge­weih­ten Stand gab. Von außen gese­hen waren es gewöhn­lich die Ver­hei­ßun­gen der Welt, die Geist­li­che und Mön­che bewo­gen, ihren hei­li­gen Stand zu ver­las­sen. Wer tie­fer blickte, fand regel­mä­ßig den Ver­lust des Glau­bens oder die Unsi­cher­heit im Glau­ben, die zu dem ver­häng­nis­vol­len Schritt ver­lei­te­ten. Wer nicht mehr an den Ruf Got­tes glaubt, wer die Über­wer­tig­keit des Über­na­tür­li­chen vor den Schät­zen der Welt aus den Augen ver­liert, wer fürch­tet, sein Leben zu ver­pas­sen, wenn er sich nicht an den ver­gäng­li­chen Freu­den labt, der kann dazu kom­men, den geist­li­chen Rock oder das Ordens­ge­wand abzu­le­gen und das Glück die­ser Erde zu suchen. „Siehe, du kannst nun ein­mal nicht dop­pelte Freude haben: Hier die törich­ten Freu­den der Welt töricht genie­ßen und dort mit Chris­tus herr­schen, siehe, das kannst du nicht.“ Im 16. Jahr­hun­dert riss die Abfall­be­we­gung Tau­sende von Pries­tern und Mön­chen vom Altare bzw. aus den Klös­tern und auch eine nicht unbe­trächt­li­che Zahl von Bischö­fen. Der Zusam­men­bruch des Glau­bens war in aller Regel die Haupt­ur­sa­che für die Auf­gabe des gott­ge­weih­ten Stan­des. Dazu kam der Sog der Erleich­te­run­gen. Die Ver­wer­fung von Zöli­bat und Ordens­ge­lüb­den durch Luther ebnete zahl­rei­chen geist­li­chen Per­so­nen den Weg, das mit vie­len Ein­schrän­kun­gen und Ver­zich­ten ver­bun­dene pries­ter­li­che oder klös­ter­li­che Leben zu ver­las­sen. Im 20. Jahr­hun­dert ent­stand im Zusam­men­hang mit dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil und sei­nen Aus­wir­kun­gen zunächst ein Rinn­sal und bald danach ein rei­ßen­der Strom von Pries­tern, die aus unse­rem Abend­mahls­saal flo­hen, und von Ordens­leu­ten, die ihre klös­ter­li­che Hei­mat ver­lie­ßen. Zehn­tau­sende von Pries­tern und Ordens­leute gaben ihren Dienst auf und lie­ßen das ihnen von Gott gewie­sene Arbeits­feld im Stich. Die unse­li­gen Ver­än­de­run­gen in der Kir­che und die Arbeit der Maul­würfe in den theo­lo­gi­schen Bil­dungs­stät­ten hat­ten ihnen buch­stäb­lich den Boden unter den Füßen weg­ge­zo­gen. In der Pries­ter­schaft besteht auch heute noch weit­ge­hend Unsi­cher­heit über Ziel und Zweck ihres Beru­fes. In die­ser Pfar­rei ver­lie­ßen zwei Pfar­rer ihre Herde, um das ver­meint­li­che Glück in den Armen einer Frau zu suchen.

Auf jenen, die Gott in seine Kir­che beru­fen hat und die die­sem Ruf gefolgt und treu­ge­blie­ben sind, war­tet die ewige Selig­keit, die Freude der Gemein­schaft mit Gott und der­einst die herr­li­che Auf­er­ste­hung. Am Schluss sei­nes Brie­fes an die Gemeinde in Salo­niki gibt ihr Pau­lus den Trost: „Treu ist er, der euch beru­fen hat; er wird es auch voll­enden“ (1 Thess 5,24). Ähn­lich bemerkt er im zwei­ten Brief an die­ses Gemeinde: „Gott hat sie beru­fen zur Erlan­gung der Herr­lich­keit unse­res Herrn Jesus Chris­tus“ (2 Thess 2,13). Im Brief an die Kolos­ser fügt er hinzu, dass sie zum Frie­den Christi beru­fen sind (Kol 3,15). Der Apos­tel Petrus ver­heißt das­selbe. Der Gott aller Gna­den hat die Chris­ten in Chris­tus Jesus zu sei­ner ewi­gen Herr­lich­keit beru­fen (1 Petr 5,10). Der Apo­ka­lyp­ti­ker Johan­nes preist die selig, die zum Hoch­zeits­mahl des Lam­mes geru­fen sind (Apk 19,9). Er durfte einen Blick in den Him­mel tun. Da sah er die vier leben­den Wesen. Sie rie­fen ohne Unter­lass: „Hei­lig, hei­lig, hei­lig ist der Herr, der all­mäch­tige Gott, der war und der ist und der kommt.“ Und er sah eine große Schar, die nie­mand zäh­len konnte, aus allen Völ­kern und Stäm­men, Län­dern und Spra­chen. Sie stan­den vor dem Thron und vor dem Lamme, beklei­det mit wei­ßen Gewän­dern und Pal­men in ihren Hän­den tra­gend. Sie rie­fen mit lau­ter Stimme: „Heil unse­rem Gott, der auf dem Throne sitzt, und dem Lamme.“ Als der Apo­ka­lyp­ti­ker fragte, wer sie seien, bekam er zur Ant­wort: „Das sind jene, die aus der gro­ßen Trüb­sal kom­men. Sie haben ihre Klei­der weiß gewa­schen im Blute des Lam­mes. Darum sind sie vor dem Throne Got­tes und die­nen ihm Tag und Nacht. Sie wer­den nicht mehr Hun­ger und Durst haben, die Sonne und die Hitze wer­den sie nicht mehr drü­cken. Denn das Lamm wird sie wei­den und an die Quel­len leben­di­gen Was­sers füh­ren. Und Gott wird abwi­schen jede Träne von ihren Augen.“

Amen.

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