Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
5. Oktober 2014

Jesus, wahrer Gott

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wenn man fragt, was das Christentum ist, so lautet die Antwort: Das Christentum ist Christus. Christus ist der Inhalt des Christentums, aber der ganze Christus, der wirkliche Christus, der göttliche Christus. Gegen diese Wahrheit stürmt der Unglaube an. Er hat weite Felder erobert, vor allem in der protestantischen Theologie. Die Mehrheit der protestantischen Theologen lehnt die Gottheit Christi ab. Wie denkt man sich den Entwicklungsgang der kirchlichen Lehre? Nun, nach der Meinung der ungläubigen Theologen hat die Urgemeinde Christus zum Gott gemacht. Er war es nicht, sondern die Urgemeinde hat ihm die Gottheit zugeschrieben, unberechtigt zugeschrieben. Die Synoptiker, die ersten drei Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas wissen angeblich von der Gottheit Christi nichts. Dagegen, meine lieben Freunde, erhebt die Erklärung, die gesunde, die rechte Erklärung der Evangelien Einspruch. Die Jünger waren von ihrer Missionsreise zurückgekehrt. Sie erzählten jetzt von ihren Erfolgen, wie die bösen Geister ihnen untertan seien, wie sie Kranke geheilt hätten. Jesus hört eine Weile zu. Dann nimmt er das Wort: „All die kleinen Tageserfolge, deren ihr euch rühmt. Was ist das gegen die monumentale weltgeschichtliche Tatsache, dass ihr Schüler des Messias seid, dass der Messias in eurer Nähe ist. Das ist das große Ereignis, dass ihr die messianische Zeit erleben könnt. Viele Alte, viele Große des Alten Bundes wollten erleben, was ihr erlebt und haben es nicht erlebt, wollten sehen, was ihr seht und haben es nicht gesehen, nämlich den Anbruch der messianischen Zeit. Isaias, Jeremias, Ezechiel, die großen Propheten des Alten Bundes haben gewartet, haben ersehnt, aber die Erfüllung haben sie nicht geschaut. Die großen Könige David, Ezechias, Josias: Sie wollten die Heilszeit sehen; sie haben sie nicht gesehen. Ihr aber, ihr meine Jünger, ihr könnt erleben, was anderen nicht vergönnt war. Ihr habt den Messias in eurer Mitte.“ Dieses Wort Jesu ist ein eindeutiger Beweis für sein messianisches Bewusstsein. Noch immer streiten Theologen, ob Jesus sich als Messias verstanden hat. Ja selbstverständlich! In ihm ist eingetroffen, was seit langer Zeit verheißen war, das ist in ihm erfüllt. Worauf Generationen gehofft haben, das ist eingetroffen. Er ist der Messias, der Herold Gottes, nicht einer der Propheten, sondern deren Überbietung.

Die Selbstaussage Jesu vor seinen Jüngern war nicht die einzige Kundgabe seines Wesens und seiner Würde. Gewiss, die Bezeichnung als Messias ist grundlegend. Diese Gestalt war den Juden bekannt, bei ihr musste Jesus einsetzen. Aber bei ihr bleibt er nicht stehen. Denn jetzt geht es darum, seine Messianität zu erklären. Zu diesem Zweck wendet er sich, wie im heutigen Evangelium gehört, an die Pharisäer: „Was haltet ihr vom Messias? Wessen Sohn ist er?“ Sie antworteten: „Der Sohn Davids.“ Der Messias ist nach ihrem Verständnis ein Nachkomme Davids, ein Abkömmling des großen Königs. Das war die geläufige Bezeichnung des Messias im Volke Israel. Die Davidsohnschaft des Messias ist ja im Neuen Testament wie im Alten Testament wiederholt ausgesprochen. Der Prophet Jeremias hat Jahrhunderte vor dem Kommen Jesu prophezeit: „Wahrlich, es kommt die Zeit, da ich einen gerechten Spross dem David erwecke; König wird er sein und herrschen voll Weisheit, Recht und Gerechtigkeit wird er üben im Lande.“ Das war eine der vielen Weissagungen über die Davidsohnschaft des Messias. Aber die Juden verstanden diesen Davidsohn als einen bloßen Menschen. Ein Menschen wie jeder andere, aber natürlich besonders hervorgehoben durch seine Herkunft und durch seinen Auftrag, aber ein bloßer Mensch und nur ein Mensch. Diese zu niedrige, irdisch-politische Messiasidee greift Jesus an, und zwar mit Berufung auf David selbst. David galt ja als der Verfasser der Psalmen, also auch des Psalms 110. Und in diesem Psalm sagt David, der inspirierte Verfasser dieses Psalms, viel Größeres über den Messias aus. Er nennt ihn seinen „Herrn“ und lässt ihn zur Rechten Gottes thronen. Im Psalm 110 heißt es nämlich: „Es spricht der Herr (das ist Gott) zu meinem Herrn (das ist der Messias): ,Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde dir zu Füßen lege‘.“ Wenn hier David den Messias „Herr“ nennt, wie kann er dann sein Sohn sein? Kein Vater nennt seinen Sohn seinen Herrn. Jesus will sagen: Wenn David selbst den Messias in solcher Weise neben Gott stellt, dann kann dessen Abstammung von David unmöglich seine eigentliche Bedeutung und sein wahres Wesen bezeichnen. Dann entspricht auch die landläufige Vorstellung von seinem Reiche nicht der Wirklichkeit. Jesus zwingt seine Zuhörer zum Umdenken. Ganz offen hat Jesus in seinem Prozess auf die Frage des Hohenpriesters: „Bist du der Messias, der Sohn des Hochgelobten?“ geantwortet mit der nämlichen Psalmstelle: „Ich bin es. Ihr aber werdet den Menschensohn sehen, sitzend zur Rechten Gottes, zur Rechten der Kraft (damit ist Gott gemeint) und kommend auf den Wolken des Himmels.“ In der Predigt der Apostel hat der Psalm 110 die größte Bedeutung erlangt. Sie greifen immer wieder darauf zurück. Petrus schon bei der Pfingstpredigt: „Gott hat Jesus auferweckt. Zur Rechten Gottes erhöht, empfing er die Verheißung des Vaters.“ Also erfüllt ist das Wort des Psalms 110: „Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde dir zum Schemel der Füße lege.“

Mit seinem Beweisgang eröffnet Jesus den Zuhörern das Verständnis seiner das Menschliche überschreitenden Wesenheit. Er ist der Messias, aber er ist mehr als der menschliche Messias, er ist mehr als der Nachkomme Davids. Jesus weist die Davidsohnschaft nicht zurück, aber er zeigt ihr Ungenügen. Sie reicht nicht aus, um sein Wesen zu beschreiben. Er ist gewiss der Davidsohn, aber er ist auch der Gottessohn. Jesus weiß sich als Gottessohn in einer die Gottessohnschaft aller Menschen übersteigenden Weise, in einer die Gottessohnschaft aller anderen Menschen wesentlich und wirklich überragenden Kraft. Er tritt mit jenem herrschaftlichen Anspruch auf, mit dem nur Gott selbst auftreten kann. Er spricht von Gott als seinem Vater wie sonst niemand. „Wer in das Himmelreich eingehen will, der muss den Willen meines Vaters tun. Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, den will ich auch vor meinem Vater im Himmel bekennen.“ Er ist Gottes einziger, geliebter Sohn, er ist der Sohn. Ihm ist Gott, was einem anderen Vater und Mutter ist. Alles, was er hat und was er ist, verdankt er dem Vater im Himmel. Der Vater seinerseits hat ihm alles gewährt, was ihm, dem Vater, selbst zu Eigen ist. Er nimmt am Sein des Vaters in vollkommener Weise Anteil. Er ist Gott vom Wesen her. Der Mensch Jesus Christus ist göttlichen Wesens wie der Vater. Als die 72 Jünger von ihrer Missionsreise zurückkehren und berichten, dass ihnen im Namen Jesu die Dämonen gehorchen, da sieht Jesus den Untergang der Satansherrschaft besiegelt: „Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen“, und er bricht im Heiligen Geist in die Worte aus: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du dies vor Weisen und Klugen verborgen, den Kleinen aber geoffenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen.“ Und jetzt kommt die Weissagung, jetzt kommt die Aussage, die größte Aussage, die sich bei den Synoptikern findet: „Alles ist mir von meinem Vater übergeben. Niemand weiß, wer der Sohn ist als nur der Vater, und nur der Sohn weiß, was der Vater ist und wem der Sohn es offenbaren will.“ Der Sohn allein ist imstande, den Vater zu erkennen, und es gibt keine Kenntnis von Gott außer vom Sohne her. Im feierlichen Gleichmaß hat Jesus seine Gottessohnschaft unterstrichen: „Den Alten wurde gesagt…, ich aber sage euch….“ Da leuchtet das Bewusstsein auf, dass er nicht nur der von Gott Bevollmächtigte, sondern der Herr selbst ist, der Verfügungsgewalt hat über die von ihm geschaffenen Dinge und Einrichtungen. Er ist mehr als Jonas, mehr als Salomon, mehr als der Tempel. Er hat die Gewalt, Sünden zu vergeben, die Gottesferne im Menschen zu überwinden. Weil er Gottes Sohn ist, darum sind alle seine Verheißungen, Verfügungen und Drohungen rechtmäßig. Er ist zuständig für alle Angelegenheiten des Heils. Er ist es, an dem sich alle Wege und Zeiten, alle Geister und Schicksale scheiden, um den sich alle Liebhaber Gottes sammeln, um dessen willen Gutes getan und Gute verfolgt werden, für den gelebt und gestorben wird. Das Neue Testament, auch die Synoptiker, die drei ersten Evangelisten, lassen keinen Zweifel daran, dass der Mensch Jesus von Nazareth Gottes eingeborener, einziger Sohn ist. Aber die Bilder und Aussagen der Heiligen Schrift reichten nicht aus, um Unklarheiten zu beseitigen, um Einwänden zu begegnen. Die junge Kirche musste auf das Instrumentarium der Philosophie zurückgreifen, um begriffliche Klarheit zu schaffen und Widersprüche auszuräumen. In jahrhundertelangem Denken, Beten und Kämpfen ist der Kirche die geheimnisvolle Wesensart Jesu aufgegangen. Die Kirche hat nichts verfälscht, sondern alles erkannt. Die Dogmen haben die Geschichte Jesu nicht vergewaltigt, sondern sie haben herausgeholt, was in ihr vorlag. Die Dogmen von Nicäa, von Konstantinopel, von Chalcedon, von Ephesus, diese Dogmen sind die geistgeleiteten Beschreibungen der Wesensart Jesu Christi. Sie sind unaufgebbar! Mit ihnen steht und fällt das Christentum. Hinter sie gibt es kein zurück, und über sie hinaus gibt es kein voran. Jesus ist Gott von Gott, wahrer Gott vom wahren Gott, einen Wesens mit dem Vater.

Amen.

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